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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 51. Köln, 21. Juli 1848.

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[Deutschland]
122 Arnsberg, den 13. Juli.

Etwas Lokales.- Heute war Sitzung der hiesigen Stadtverordneten. Sollten Sie es wohl für möglich halten, daß unser " Hochweiser Magistrat und Stadtverordneten (7/8 Beamten alten Korns) eine Petition an das Ministerium wegen "Belassung der bestehenden Staatsbehörden" gleich nach dem Berliner Märzunsinn eingereicht hätten? Und doch ist es so!- Die Resolution des Justizministeriums darauf wurde heute in öffentlicher Sitzung verlesen. Sie lautete nach ihrem kurzen Inhalte, daß es der Verfassung und künftigen Gesetzgebung vorbehalten bleiben müsse, inwiefern " die Alten" am Ruder bleiben könnten oder nicht! - Und sie machten halt alle a ellenlang's G'sicht! Als das beseitigt war, kam etwas sehr Wichtiges zur Sprache. Es handelte sich nämlich darum: " ob die Stadt aus dem Stadtwalde- wir haben ausgezeichnete Waldungen- 10 bis 15 Eichbäume der Reichsversammlung in Frankfurt für die deutsche Flotte zur Disposition stellen wolle?" Unser Magistrat hatte auseinandergesetzt, wie sich der Herr von Radowitz freuen würde, wenn er gerade aus Arnsberg, wofür er gewählt, Materialien zur deutschen Flotte erhielte und der Herr Stadtverordneten-Vorsteher hatte schon ein sehr nettes Schreiben concipirt, womit der Reichsversammlung der Beschluß über die zur Disposition gestellten Eichen angezeigt werden sollte. Es erhob sich ein Sturm sondergleichen. Ein kleiner Advokat stellte die spitzfindigsten Fragen: Sollen wir die Eichen hinbringen oder sollen sie sie abholen? Sollen wir die Zöpfe hier behalten oder kriegen sie die auch? Von welcher Ecke des Waldes sollen sie hergegeben werden, wie lang und dick sollen sie sein, wie viel Werth sollen sie haben? Sollen wir nicht zuvor eine Taxe anfertigen lassen und da wir ohnehin Schulden genug haben, (das ist leider nur zu wahr), sollen wir lieber nicht ganz davon abstehen? " Und die Gesichter hätten Sie sehen sollen, wenn ein Redner von einem freien Deutschland sprach. Hier ist die Parole:" Preußen über Alles." Um aber auf die Eichen und Zöpfe zur deutschen Flotte wieder zurückzukommen, so wurde beschlossen: es sollen 10 Eichen zur Disposition gestellt, vorher aber untersucht werden, ob sie ohne dem Walde Lücken beizubringen abgegeben werden könnten, es sollte erst ein Gutachten, dann eine Taxe angefertigt, dann wieder Vortrag gehalten werden, dann...

103 Berlin, 18. Juli.

Nach Eröffnung der heutigen Sitzung der Vereinbarungskammer wurde eine kön. Botschaft verlesen, welche der Versammlung einen Gesetzentwurf, wegen Umgestaltung der Domänen und Forsten "zur Erklärung" vorlegt.

Der Abg. Reichensperger I., der gegenwärtig als Abgeordneter in Frankfurt fungirt, hat dem Präsidenten der hiesigen Versammlung seine Entlassung eingesandt und wird demnach im Kreise Berncastel eine neue Wahl statt finden.

Waldeck berichtet als Vorsitzender der Verfassungskommission über den Fortschritt der Arbeiten. Ueber die Arbeiterfrage oder das Recht des Arbeiters, vom Staat Arbeit zu verlangen, habe sich die Kommission mit den früher geäußerten Ansichten des Ministeriums einverstanden erklärt, konnte sich aber über einen desfallsigen Paragraph, der in der Verfassung aufzunehmen sei, nicht einigen und hat deshalb beschlossen, diese Frage ganz unberührt zu lassen.

Der Vorsitzende der Verfassungskommission theilte ferner mit, daß dieselbe beschlossen, den Staat künftig in Bezirke, Kreise und Gemeinden einzutheilen. Die bisherige Eintheilung in Provinzen und Regierungsbezirke hört auf. Alle innern Angelegenheiten sollen der eigenen, selbstgewählten Verwaltung der Kreise und Gemeinden überlassen bleiben und alle Berathungen der Behörden sollen öffentlich sein. Was den politischen Theil der Verfassung betrifft, so habe sich die Kommission für das Zweikammersystem erklärt, wovon die zweite Kammer aus 350 Mitgliedern bestehend alle drei Jahre durch Urwahlen neu gewählt werden soll. Was die erste Kammer anbetrifft, der man den Namen Senat beigelegt, so soll dieselbe aus 175 Senatoren, mindestens 40 Jahre alt, bestehen, welche alle sechs Jahre von den sich dazu vereinigenden Bezirks- und Kreisvertretern gewählt werden sollen.

Ein achter Bekannter ist noch Herr Kreuz - sieht aus wie eine chinesische Figur, die man auf die Komode stellt. Er lebte immer, aber Niemand weiß wovon. Vor allen Dingen zeichnet er sich durch seinen Appetit aus. Er ißt zwei Teller Suppe, sieben Stück Rindfleisch, neun Gurken, einen halben Pudding, viel Braten, und trinkt den Wein mit Wasser. Glücklich der Wirth, der ihn zu seinem Gast hat!

Der Advokat Verdammlich ist der neunte Mann in unsrer Mitte. Er ist der Hort aller Wittwen und Waisen. Er liebt Prozesse und Rheinwein und lebt im Andenken vieler Menschen. Er spricht das Gegentheil von dem was er denkt, und denkt das Gegentheil von dem was er spricht. Er kennt alle Menschen und er kennt sich selbst. Sein Vortheil und der Vortheil andrer Menschen stehen in umgekehrtem Verhältniß. Das Gesetz giebt ihm zu essen, und die Gerechtigkeit giebt ihm zu trinken. Der Advokat Verdammlich ist ein Ehrenmann. Vor allen Dingen ist er ein schwacher und sterblicher Mensch und der Herr wird Mitleid mit ihm haben am jüngsten Tage - -

Doch wozu diese ganze Schilderung? weshalb suche ich sie alle zu zeichnen, meine treuen Bekannten, meine alten Freunde, die ich jeden Tag sehe, den Steuerkontrolleur Ehrlich, den Rentner Dürr, den Maler Pinsel, den Professor Fuchs, den Quadratfüßler Geyer, den Herrn von der Windmühle, den Holzhändler Puff, den Feinschmecker Kreuz, den Advokaten Verdammlich?

Sitze ich nicht täglich mit ihnen in den Schenken unsrer guten Stadt Köln, den kühlen Moselwein zu trinken, auf daß wir alle unsere Leiden vergessen, unsre Schulden, unsre bösen Frauen, unsre hungrigen Kinder, unsre langweiligen Vettern, unsre kahlen Glatzen, unsre Hühneraugen, unsre Zukunft und unsre Vergangenheit? Gewiß! O, verbunden sind wir in Liebe und Freundschaft; miteinander zu trinken, miteinander zu reden, uns zu wehren gegen die Laster des Jahrhunderts, gegen Revolution und Anarchie, gegen Kommunisten und Republikaner. - Ja, eine Phalanx sind wir groß und gewaltig: der heiligen Stadt Köln berühmteste Heuler!

[Deutschland]

Der Minister des Innern, Kühlwetter, erklärt hierauf wegen Erlassung eines Kommunalgesetzes, daß von allen Seiten des Landes ein großes Drängen danach erfolge; dieses Gesetz wäre aber von zu großer Wichtigkeit, um einer gründlichen Berathung entbehren zu können. Es hat sich das Gerede verbreitet, daß bereits vom vorigen Ministerium ein Gesetzentwurf ausgearbeitet gewesen, welcher aber vom jetzigen, als zu freisinnig zurückgenommen sei. Der Minister des Innern weiß nicht woher es kommt, daß das jetzige Ministerium weniger freisinnig sein solle, als das abgegangene. Das Gesetz wird eifrig berathen und nähert sich seinem Schlusse und es sollen sogar mehrere Mitglieder der Versammlung zu einer Vorberathung desselben eingeladen werden. Endlich wurde in heutiger Sitzung die beabsichtigte Adresse als Antwort auf die kön. Thronrede zu Grabe getragen. Der Bericht der Adreß-Kommission, welcher auch schon vom 2. Juli datirt wurde, ist ohne alle Debatte einstimmig angenommen, nachdem der Ministerpräsident erklärt hatte, daß Seitens des Ministeriums kein Grund vorliege, auf die Debattirung der Adresse einzugehen.

Auf den Antrag von 24 Abgeordneten war eine Kommission ernannt, welche heute ein Gesetz vorlegte, daß die bisherigen Befugnisse der Kreisstände, Auflagen und Steuern zu beschließen, welche alle Kreiseingesessenen verpflichten, aufgehoben ist.

Der Minister des Innern erklärt sich dagegen und glaubt, daß es hinreichend sei, wenn das Ministerium den Regierungen den Befehl zukommen läßt, von jetzt an bis zur Erlassung der neuen Gesetze, die Steuerausschreibungen nicht zu genehmigen. Dieses wird aber von vielen Rednern für ungenügend gehalten und die Versammlung beschließt, trotz der Einreden des Ministers des Innern, mit großer Majorität die Annahme des von der Kommission vorgelegten Gesetzentwurfs.

Der Abgeordnete Wenzelius aus Trier, hatte schon am 24. Juni nach Annahme des Gesetzes über Unverantwortlichkeit der Abgeordneten, einen Antrag auf sofortige Einberufung des Abg. Victor Valdenaire gestellt. Die Kommission stattete heute Bericht darüber ab. Sie hat mit 6 gegen 2 Stimmen beschlossen, da sie nach aktenmäßiger Untersuchung der Sachlage, von der Unschuld des Valdenaire überzeugt sei, die Suspendirung der Untersuchung gegen den Angeklagten, während der Dauer der Session auszusprechen und dessen sofortige Einberufung zn veranlassen. Der Abg. Reichensperger mußte als Berichterstatter den Kommissionsantrag motiviren. Die Abgeordneten Simon und Stupp, die beiden Mitglieder der Minorität der Kommission, sowie Prof. Bauerband sprachen gegen den Antrag der sofortigen Einberufung und wollten in den Gang der Gerechtigkeit nicht eingreifen.

Obgleich sich diese drei rheinischen Juristen bemühten, die Versammlung zu überzeugen, daß sie nicht vom Code Napoleon abweichen dürfe, und obgleich sich der geb. Justizrath Simons sogar bemühte, die Zeugenaussagen zu Gunsten Valdenaire's zu verdächtigen, wurde die Versammlung doch durch die Reden des Abgeordneten Borchardt aus Köln und Reichensperger aus Koblenz überzeugt.

Die Versammlung beschloß hierauf mit großer Majorität dem Gutachten der Kommission beizutreten und der Präsident verfügte sogleich die Einberufung des Abgeordneten Victor Valdenaire in Trier.

Auf Antrag des Abg. Borchardt wurde alsdann beschlossen, daß die dazu zusammengesetzte Kommission das Gesetz wegen Abschaffung der Todesstrafe binnen acht Tagen vorzulegen habe. Das Ministerium erklärt, daß es die Suspension der Vollstreckung sämmtlicher Todesurtheile, bis zur Erlassung dieses Gesetzes, angeordnet habe.

Der Abg. Hildenhagen stellt den Antrag, die Versammlung möge den Hrn. Präsidenten ersuchen, am Schlusse jeder Sitzung öffentlich zu erklären, daß sich das Ministerium mit der Vorlage des Kommunalgesetzes beeilen möge.

Der Abgeordnete Bredt aus Elberfeld, interpellirt das Staats-Ministerium:

1) ob und welche Schritte Seitens der preußischen Staatsregierung, im Vereine mit den übrigen Zollvereinsregierungen geschehen sind, um den Beitritt Oestreichs, Hannovers, Oldenburgs, Mecklenburgs und der Hansestädte zum Zollverein zu bewirken und hierdurch die Bildung eines Allgemeinen Deutschen Zollvereins herbeizuführen?

2) ob und inwieweit neben der Bildung eines Allgemeinen Deutschen Zollvereins, darauf Bedacht genommen worden, mit den genannten Regierungen, namentlich denjenigen der deutschen Nordseestaaten, gleichzeitig einen Deutschen Handels-Schifffahrtsbund zu Stande zu bringen, welcher gestützt auf ein gemeinsames Differenzialzollsystem, die Aufgabe hat, die bisherige fremde Vermittlung des deutsch- transatlantischen Handels zu beseitigen, dagegen den direkten Deutschlands mit den überseeischen Ländern zu befördern?

3) und ob mit Rücksicht darauf, daß der gegenwärtige Zollvereinstarif bereits mit Ablauf dieses Jahres ausser Kraft tritt, eine schleunige vorläufige Revision desselben durch Zusammenberufung eines Abgeordneten-Kongresses der bisherigen Zollvereins-Staaten unter Zuziehung von Sachverständigen beabsichtigt, oder welche Maßregeln in dieser Beziehung provisorisch angeordnet werden sollen?

Diese letzte Maaßregel würde noch dringlicher durch den am 10. Juli, von der provisorischen Executivgewalt in Frankreich gefaßten Beschluß, zur Hebung der französischen Industrie, den Ausfuhrzoll auf Seide und Seidenwaaren, Leinen und Leinengarn, um 4 1/2 pCt. vom Werth zu erhöhen. Der inländischen Industrie wird durch diese Anordnung der französischen Regierung ein harter Schlag beigebracht und es ist nothwendig, daß so schnell wie möglich, geeignete Abwehrmittel ergriffen werden.

Der Handelsminister Milde beantwortet diese Frage dahin, ad 1) daß bereits seit dem Monat April eine Kommission in Frankfurt damit beschäftigt sei, um eine gemeinsame deutsche Zollgesetzgebung zu Stande zu bringen; ad 2) daß man bereits im vorigen Jahre mit den deutschen Seestaaten behufs eines deutschen Schifffahrtsbundes und gemeinsamen Differenzial-Zoll-Systems in Verbindung getreten, daß aber namentlich Hamburg und Mecklenburg sich dagegen erklärt. Er erinnere an die weitläufigen Zeitungsartikel, die sich im Laufe des vorigen Jahres, wie ein rother Faden durch alle deutschen Zeitungen gewunden und daß die Zweckmäßigkeit der beregten Maßregeln sehr in Frage gestellt wurde. Der Handelsminister muß daher diese Frage noch als eine offene betrachten. - ad 3) Die in Aussicht stehende Zollvereinigung aller deutschen Staaten, hat bereits im Monat April die preußische Regierung veranlaßt, bei allen Zoll-Vereins-Regierungen anzufragen, ob es nicht besser sei, den vorschriftsmäßigen Kongreß der Zoll-Vereins-Staaten in diesem Jahre zu unterlassen und sich im Wege der Korrespondenz über das Fortbestehen des Zolltarifs und dessen nothwendigen Modifikationen zu vereinigen. Diese Korrespondenz findet gegenwärtig noch statt. - Was die Maßregeln der französischen Regierung anbetrifft, so wird jetzt im Handelsministerium darüber berathen, ob und welche Gegenmaßregeln dagegen anzuwenden seien, vor Beendigung dieser Berathungen müsse er sich seines Urtheils darüber enthalten.

Zum Schluß verlangt noch der Abgeordnete Gladbach in einer persönlichen Angelegenheit das Wort: "Der Abg. Schütze habe zwar seinen Antrag zurückgenommen, womit er anträgt, daß mir das Mißfallen der Versammlung und der preußischen Nation durch den Herrn Präsidenten öffentlich zu erkennen gegeben und ich aufgefordert werde, mich in Zukunft solcher Aeußerungen zu enthalten, welche das Nationalgefühl jedes ächten Preußen verletzen und eines preußischen Nationalvertreters unwürdig sind, weil ich die Worte aussprach: ein Theil der Freischaaren in Schleswig-Holstein hat sich aufgelöst, weil er sich nicht von der preußischen Militär-Disciplin hat knechten lassen wollen." Gladbach will näher auf die Erläuterungen dieser Worte eingehen und das Knechten der Militär-Disciplin, wie es thatsächlich vorfiel, erzählen, das gefällt aber der Rechten nicht und sie äußern ihre Mißbilligung, da der Redner die Tribüne nicht verlassen will, dadurch, daß sie größtentheils den Saal verlassen. Gladbach beendet aber seinen Vortrag ungestört.

* Berlin, 17. Juli.

Wie Pilze über Nacht aus der Erde schießen, so wachsen jetzt auf dem Boden der Reaktion politische Prozesse mit einer Schnelligkeit und in solcher Zahl empor, daß man nicht länger über unser Einlaufen in den sichern und gemeinschaftlichen Hafen des Polizeistaats und der "christlich germanischen"Politik, unter den geschickten Lootsen: Camphausen, Hansemann, Pfuel, Schreckenstein & Comp. zweifeln darf. Auf dem restaurirten "Rechts- und Vertrauensboden" wird nun zwischen männlichen und weiblichen Verbrechern kein Unterschied mehr gemacht. Fährt der revolutionäre Geist erst in die Frauenwelt: so könnte es den Reaktionshelden am Ende schlimm ergehen. Dem muß man vorbeugen. Hier heißts:"bange machen gilt. Sogar die Bäckermeisterinnen werden gegenwärtig vor die heilige Justiz gestellt. So ist dieser Tage die Bäckermeisterin Janetzka wegen Majestätsbeleidigung zu 2 Jahren Zuchthausstrafe verurtheilt worden. Sie hielt sich seit einiger Zeit wegen eines schon über 10 Jahre schwebenden Prozesses hier auf, hatte beim Könige und beim Justizminister Audienz, ohne ihre Hoffnung erfüllt zu sehen und äußerte sich nachher über die gedachten Personen in beleidigender Weise. Daher der Prozeß gegen sie, der bei verschlossenen Thüren stattfand.

* Berlin, 18. Juli.

Ueber den im Zustand der Mythe befindlichen Trinkspruch des reichsverwesenden Johannes treffen wir in der "Voss. Z." eine Aufklärung. Hr. General-Major a. D., v. Flotow, hat damals in Brühl ganz nahe bei dem Toastausbringer gesessen und hat aus dessen Munde folgende Worte vernommen: " Fortan also: Ein Preußen! Ein Oestreich! Ein einiges Deutschland! Gott segne Eure Majestät!" Einheit Preußens- Einheit Oestreichs- Einheit Deutschlands: drei Einheiten statt Einer! Was will man mehr? Wer indeß noch mehr will, dem stehen noch circa 3 Dutzend andere ähnliche Einheiten und Einigkeiten in Deutschland zu Gebote.

* Berlin, 18. Juli.

Die Buchdruckereibesitzer hiesiger Stadt haben "an sämmtliche Gehülfen der Buchdruckerschaft" Berlins in einem Circular erklärt, daß sie auf die gestellten Forderungen nicht eingehen können, und wenn auf denselben bestanden würde, die"bedauerliche" Spaltung sich zu einer unübersteiglichen Kluft erweitern müßte. Sie schlagen dagegen die Erwählung einer Kommission von Vertrauensmännern vor, welche über die gedachten Forderungen entscheiden soll. Hierauf haben die Gehülfen in einer am Sonntag gehaltenen Versammlung beschlossen, den gütlichen Vorschlag bezüglich der Schiedsrichter anzunehmen, jedoch unter der Bedingung, daß letztere nur zwischen den Minimum-Sätzen der Mainzer Versammlung und den höheren, welche die hiesigen Gehülfen fordern, zu entscheiden haben. In der Sitzung des "Vereins für Volksrechte" vom 14. d. kam das Verfahren der Regierung in diplomatischen Beziehungen zur Sprache. Die diplomatischen Verhandlungen würden selbst, nachdem sie zu Ende geführt seien, kaum den Resultaten nach dem Volke mitgetheilt, der Gang derselben sei und bleibe Geheimniß der Regierung. Die Zeit dieses Geheimthuns sei vorüber, das Volk habe ein Recht, Alles zu erfahren. Der Verein verlangt deshalb daß die Regierungen die diplomatischen Verhandlungen, nachdem sie zu Ende geführt, vollständig in kürzester Frist veröffentlichen. Es ward zugleich das Bedauern ausgesprochen, daß die Deputirten, welche die freiere Richtung vertreten, von der Regierung bisher noch nicht verlangt hätten, daß sie die diplomatische Korrespondenz der Kammer mittheile. Es sei dazu namentlich in der russischen Angelegenheit Veranlassung vorhanden gewesen und solche biete sich auch jetzt wieder in der schleswigschen dar. Vielleicht könnte noch jetzt die Vorlegung der russischen Noten verlangt werden. Es wird beschlossen, ein Anschreiben in diesem Sinne an den Deputirten Berends zu erlassen.

15 Breslau, 17. Juli

Als Fortsetzung meines gestrigen Briefes folgendes: Die Vormittagssitzung dauerte bis 1 Uhr und begann auf's Neue um 5 Uhr. Zunächst wurde über die Funktionen des zu ernennenden Provinzial-Comites debattirt. Man einigte sich dahin: das Comite hat seinen Sitz in Breslau und besteht aus 9 Mitgliedern, welche der Kongreß selbst erwählt, ohne jedoch bei der Wahl nur an die Deputirten selbst gebunden zu sein. Gewählt wurden: Hoyoll, Stahlschmidt, Brehmer, Held, Rühl, Engelmann, Dellbrück, Vogtherr und Rosenhain. Ihre Aufgabe ist die Verwaltung der Provinzialkasse; ferner haben sie für Drucksachen zu sorgen, sobald irgend etwas im Sinne der Demokratie zu veröffentlichen ist. Sodann liegt ihnen ob, fortwährend in Korrespondenz mit den Kreisvereinen zu bleiben, um über den Stand der Demokratie in der Provinz stets unterrichtet zu sein, und dem Central-Comite in Berlin monatlich Bericht erstatten, so wie die Mittheilungen dieses Comites den Kreisvereinen übermachen zu können. Zur lebhaftern Verständigung mit der Provinz sollen sie außerdem jedes Vierteljahr einen Kongreß ausschreiben. Bei wichtigen Gelegenheiten haben sie einen außerordentlichen Kongreß zu berufen. Hierauf ging man zur Debatte über soziale Verhältnisse über. Es waren folgende Anträge gestellt worden: der Staat garantirt Jedem den nothwendigen Lebensunterhalt; die Domänen sollen kolonisirt werden; der demokratische Kongreß möge den Wunsch aussprechen, daß sämmtliche demokratischen Vereine die soziale Frage diskutiren; endlich, es möge eine Kommission niedergesetzt werden zur Untersuchung der Verhältnisse des städtischen und ländlichen Proletariats. Es wurde lange hin und her gestritten; man wollte den Arbeitern zeigen, daß der Vorwurf, die Demokratie beschäftige sich nicht mit der socialen Frage, ungegründet sei. Wie vorauszusehen, gelangte man zu keinem andern Resultat, als daß beschlossen wurde, die demokratischen Vereine mögen sämmtlich an die Berathung über die soziale Frage gehen, und dann ihre Mittheilungen an das Provinzial-Comite gelangen lassen; letzteres solle dann für die Ausarbeitung einer Denkschrift über die soziale Frage sorgen, und zur Berathung dieser Frage allein einen neuen Kongreß ausschreiben. Vorher jedoch erklärte die Versammlung durch Aufstehen: die Lösung der sozialen Frage ist die erste und letzte Aufgabe der Demokratie. Es gibt keine andere Demokratie als die soziale. Die nun folgende Frage rief ebenfalls eine interessante und lebhafte Debatte hervor. Sie betraf die schreckenerregende Noth im Eulengebirge. Die Deputirten aus jener Gegend gaben die umfassendsten Details. Schon viele Jahre vor der Revolution begann dort die Noth. Männer, die unter dem gestürzten System durch Schilderung und Aufdeckung des grausigen Elends zur Hülfe anregen wollten, scheiterten an dem schönen Institut der Censur. Der Censor Ebertz, Schönfeldt und wie die Herren weiter heißen, wußten mit dem Rothstift alle Uebel so viel wie möglich zu vertilgen. Nach den Märztagen konnte das Unterstützungs-Comite seine Thätigkeit erweitern. Es wandte sich an die Regierung. Die Antwort lautete: sie könne für jene Leute nichts thun, auch müsse man sich daran gewöhnen, nicht Alles von der Regierung zu verlangen, sondern sich mehr auf seine eigene selbstständige Thätigkeit verlassen. Es wurde am Ende der Beschluß gefaßt, durch die Deputirten schleunigst in allen Städten Comite's zur Unterstützung zu bilden und durch Plakate die Mitbürger zu Beiträgen aufzufordern und eine Petition an die Nationalversammlung zu erlassen.

Fast hätte ich noch einen wichtigen Beschluß vergessen. Er lautet dahin: Die Deputirten sollen sich eine möglichst genaue Einsicht in die Administration verschaffen, um bei Reorganisation der Behörden die Absetzung mißliebiger und reaktionärer Beamten und die

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122 Arnsberg, den 13. Juli.

Etwas Lokales.‒ Heute war Sitzung der hiesigen Stadtverordneten. Sollten Sie es wohl für möglich halten, daß unser „ Hochweiser Magistrat und Stadtverordneten (7/8 Beamten alten Korns) eine Petition an das Ministerium wegen „Belassung der bestehenden Staatsbehörden“ gleich nach dem Berliner Märzunsinn eingereicht hätten? Und doch ist es so!‒ Die Resolution des Justizministeriums darauf wurde heute in öffentlicher Sitzung verlesen. Sie lautete nach ihrem kurzen Inhalte, daß es der Verfassung und künftigen Gesetzgebung vorbehalten bleiben müsse, inwiefern „ die Alten“ am Ruder bleiben könnten oder nicht! ‒ Und sie machten halt alle a ellenlang′s G′sicht! Als das beseitigt war, kam etwas sehr Wichtiges zur Sprache. Es handelte sich nämlich darum: „ ob die Stadt aus dem Stadtwalde‒ wir haben ausgezeichnete Waldungen‒ 10 bis 15 Eichbäume der Reichsversammlung in Frankfurt für die deutsche Flotte zur Disposition stellen wolle?“ Unser Magistrat hatte auseinandergesetzt, wie sich der Herr von Radowitz freuen würde, wenn er gerade aus Arnsberg, wofür er gewählt, Materialien zur deutschen Flotte erhielte und der Herr Stadtverordneten-Vorsteher hatte schon ein sehr nettes Schreiben concipirt, womit der Reichsversammlung der Beschluß über die zur Disposition gestellten Eichen angezeigt werden sollte. Es erhob sich ein Sturm sondergleichen. Ein kleiner Advokat stellte die spitzfindigsten Fragen: Sollen wir die Eichen hinbringen oder sollen sie sie abholen? Sollen wir die Zöpfe hier behalten oder kriegen sie die auch? Von welcher Ecke des Waldes sollen sie hergegeben werden, wie lang und dick sollen sie sein, wie viel Werth sollen sie haben? Sollen wir nicht zuvor eine Taxe anfertigen lassen und da wir ohnehin Schulden genug haben, (das ist leider nur zu wahr), sollen wir lieber nicht ganz davon abstehen? „ Und die Gesichter hätten Sie sehen sollen, wenn ein Redner von einem freien Deutschland sprach. Hier ist die Parole:„ Preußen über Alles.“ Um aber auf die Eichen und Zöpfe zur deutschen Flotte wieder zurückzukommen, so wurde beschlossen: es sollen 10 Eichen zur Disposition gestellt, vorher aber untersucht werden, ob sie ohne dem Walde Lücken beizubringen abgegeben werden könnten, es sollte erst ein Gutachten, dann eine Taxe angefertigt, dann wieder Vortrag gehalten werden, dann…

103 Berlin, 18. Juli.

Nach Eröffnung der heutigen Sitzung der Vereinbarungskammer wurde eine kön. Botschaft verlesen, welche der Versammlung einen Gesetzentwurf, wegen Umgestaltung der Domänen und Forsten „zur Erklärung“ vorlegt.

Der Abg. Reichensperger I., der gegenwärtig als Abgeordneter in Frankfurt fungirt, hat dem Präsidenten der hiesigen Versammlung seine Entlassung eingesandt und wird demnach im Kreise Berncastel eine neue Wahl statt finden.

Waldeck berichtet als Vorsitzender der Verfassungskommission über den Fortschritt der Arbeiten. Ueber die Arbeiterfrage oder das Recht des Arbeiters, vom Staat Arbeit zu verlangen, habe sich die Kommission mit den früher geäußerten Ansichten des Ministeriums einverstanden erklärt, konnte sich aber über einen desfallsigen Paragraph, der in der Verfassung aufzunehmen sei, nicht einigen und hat deshalb beschlossen, diese Frage ganz unberührt zu lassen.

Der Vorsitzende der Verfassungskommission theilte ferner mit, daß dieselbe beschlossen, den Staat künftig in Bezirke, Kreise und Gemeinden einzutheilen. Die bisherige Eintheilung in Provinzen und Regierungsbezirke hört auf. Alle innern Angelegenheiten sollen der eigenen, selbstgewählten Verwaltung der Kreise und Gemeinden überlassen bleiben und alle Berathungen der Behörden sollen öffentlich sein. Was den politischen Theil der Verfassung betrifft, so habe sich die Kommission für das Zweikammersystem erklärt, wovon die zweite Kammer aus 350 Mitgliedern bestehend alle drei Jahre durch Urwahlen neu gewählt werden soll. Was die erste Kammer anbetrifft, der man den Namen Senat beigelegt, so soll dieselbe aus 175 Senatoren, mindestens 40 Jahre alt, bestehen, welche alle sechs Jahre von den sich dazu vereinigenden Bezirks- und Kreisvertretern gewählt werden sollen.

Ein achter Bekannter ist noch Herr Kreuz ‒ sieht aus wie eine chinesische Figur, die man auf die Komode stellt. Er lebte immer, aber Niemand weiß wovon. Vor allen Dingen zeichnet er sich durch seinen Appetit aus. Er ißt zwei Teller Suppe, sieben Stück Rindfleisch, neun Gurken, einen halben Pudding, viel Braten, und trinkt den Wein mit Wasser. Glücklich der Wirth, der ihn zu seinem Gast hat!

Der Advokat Verdammlich ist der neunte Mann in unsrer Mitte. Er ist der Hort aller Wittwen und Waisen. Er liebt Prozesse und Rheinwein und lebt im Andenken vieler Menschen. Er spricht das Gegentheil von dem was er denkt, und denkt das Gegentheil von dem was er spricht. Er kennt alle Menschen und er kennt sich selbst. Sein Vortheil und der Vortheil andrer Menschen stehen in umgekehrtem Verhältniß. Das Gesetz giebt ihm zu essen, und die Gerechtigkeit giebt ihm zu trinken. Der Advokat Verdammlich ist ein Ehrenmann. Vor allen Dingen ist er ein schwacher und sterblicher Mensch und der Herr wird Mitleid mit ihm haben am jüngsten Tage ‒ ‒

Doch wozu diese ganze Schilderung? weshalb suche ich sie alle zu zeichnen, meine treuen Bekannten, meine alten Freunde, die ich jeden Tag sehe, den Steuerkontrolleur Ehrlich, den Rentner Dürr, den Maler Pinsel, den Professor Fuchs, den Quadratfüßler Geyer, den Herrn von der Windmühle, den Holzhändler Puff, den Feinschmecker Kreuz, den Advokaten Verdammlich?

Sitze ich nicht täglich mit ihnen in den Schenken unsrer guten Stadt Köln, den kühlen Moselwein zu trinken, auf daß wir alle unsere Leiden vergessen, unsre Schulden, unsre bösen Frauen, unsre hungrigen Kinder, unsre langweiligen Vettern, unsre kahlen Glatzen, unsre Hühneraugen, unsre Zukunft und unsre Vergangenheit? Gewiß! O, verbunden sind wir in Liebe und Freundschaft; miteinander zu trinken, miteinander zu reden, uns zu wehren gegen die Laster des Jahrhunderts, gegen Revolution und Anarchie, gegen Kommunisten und Republikaner. ‒ Ja, eine Phalanx sind wir groß und gewaltig: der heiligen Stadt Köln berühmteste Heuler!

[Deutschland]

Der Minister des Innern, Kühlwetter, erklärt hierauf wegen Erlassung eines Kommunalgesetzes, daß von allen Seiten des Landes ein großes Drängen danach erfolge; dieses Gesetz wäre aber von zu großer Wichtigkeit, um einer gründlichen Berathung entbehren zu können. Es hat sich das Gerede verbreitet, daß bereits vom vorigen Ministerium ein Gesetzentwurf ausgearbeitet gewesen, welcher aber vom jetzigen, als zu freisinnig zurückgenommen sei. Der Minister des Innern weiß nicht woher es kommt, daß das jetzige Ministerium weniger freisinnig sein solle, als das abgegangene. Das Gesetz wird eifrig berathen und nähert sich seinem Schlusse und es sollen sogar mehrere Mitglieder der Versammlung zu einer Vorberathung desselben eingeladen werden. Endlich wurde in heutiger Sitzung die beabsichtigte Adresse als Antwort auf die kön. Thronrede zu Grabe getragen. Der Bericht der Adreß-Kommission, welcher auch schon vom 2. Juli datirt wurde, ist ohne alle Debatte einstimmig angenommen, nachdem der Ministerpräsident erklärt hatte, daß Seitens des Ministeriums kein Grund vorliege, auf die Debattirung der Adresse einzugehen.

Auf den Antrag von 24 Abgeordneten war eine Kommission ernannt, welche heute ein Gesetz vorlegte, daß die bisherigen Befugnisse der Kreisstände, Auflagen und Steuern zu beschließen, welche alle Kreiseingesessenen verpflichten, aufgehoben ist.

Der Minister des Innern erklärt sich dagegen und glaubt, daß es hinreichend sei, wenn das Ministerium den Regierungen den Befehl zukommen läßt, von jetzt an bis zur Erlassung der neuen Gesetze, die Steuerausschreibungen nicht zu genehmigen. Dieses wird aber von vielen Rednern für ungenügend gehalten und die Versammlung beschließt, trotz der Einreden des Ministers des Innern, mit großer Majorität die Annahme des von der Kommission vorgelegten Gesetzentwurfs.

Der Abgeordnete Wenzelius aus Trier, hatte schon am 24. Juni nach Annahme des Gesetzes über Unverantwortlichkeit der Abgeordneten, einen Antrag auf sofortige Einberufung des Abg. Victor Valdenaire gestellt. Die Kommission stattete heute Bericht darüber ab. Sie hat mit 6 gegen 2 Stimmen beschlossen, da sie nach aktenmäßiger Untersuchung der Sachlage, von der Unschuld des Valdenaire überzeugt sei, die Suspendirung der Untersuchung gegen den Angeklagten, während der Dauer der Session auszusprechen und dessen sofortige Einberufung zn veranlassen. Der Abg. Reichensperger mußte als Berichterstatter den Kommissionsantrag motiviren. Die Abgeordneten Simon und Stupp, die beiden Mitglieder der Minorität der Kommission, sowie Prof. Bauerband sprachen gegen den Antrag der sofortigen Einberufung und wollten in den Gang der Gerechtigkeit nicht eingreifen.

Obgleich sich diese drei rheinischen Juristen bemühten, die Versammlung zu überzeugen, daß sie nicht vom Code Napoleon abweichen dürfe, und obgleich sich der geb. Justizrath Simons sogar bemühte, die Zeugenaussagen zu Gunsten Valdenaire′s zu verdächtigen, wurde die Versammlung doch durch die Reden des Abgeordneten Borchardt aus Köln und Reichensperger aus Koblenz überzeugt.

Die Versammlung beschloß hierauf mit großer Majorität dem Gutachten der Kommission beizutreten und der Präsident verfügte sogleich die Einberufung des Abgeordneten Victor Valdenaire in Trier.

Auf Antrag des Abg. Borchardt wurde alsdann beschlossen, daß die dazu zusammengesetzte Kommission das Gesetz wegen Abschaffung der Todesstrafe binnen acht Tagen vorzulegen habe. Das Ministerium erklärt, daß es die Suspension der Vollstreckung sämmtlicher Todesurtheile, bis zur Erlassung dieses Gesetzes, angeordnet habe.

Der Abg. Hildenhagen stellt den Antrag, die Versammlung möge den Hrn. Präsidenten ersuchen, am Schlusse jeder Sitzung öffentlich zu erklären, daß sich das Ministerium mit der Vorlage des Kommunalgesetzes beeilen möge.

Der Abgeordnete Bredt aus Elberfeld, interpellirt das Staats-Ministerium:

1) ob und welche Schritte Seitens der preußischen Staatsregierung, im Vereine mit den übrigen Zollvereinsregierungen geschehen sind, um den Beitritt Oestreichs, Hannovers, Oldenburgs, Mecklenburgs und der Hansestädte zum Zollverein zu bewirken und hierdurch die Bildung eines Allgemeinen Deutschen Zollvereins herbeizuführen?

2) ob und inwieweit neben der Bildung eines Allgemeinen Deutschen Zollvereins, darauf Bedacht genommen worden, mit den genannten Regierungen, namentlich denjenigen der deutschen Nordseestaaten, gleichzeitig einen Deutschen Handels-Schifffahrtsbund zu Stande zu bringen, welcher gestützt auf ein gemeinsames Differenzialzollsystem, die Aufgabe hat, die bisherige fremde Vermittlung des deutsch- transatlantischen Handels zu beseitigen, dagegen den direkten Deutschlands mit den überseeischen Ländern zu befördern?

3) und ob mit Rücksicht darauf, daß der gegenwärtige Zollvereinstarif bereits mit Ablauf dieses Jahres ausser Kraft tritt, eine schleunige vorläufige Revision desselben durch Zusammenberufung eines Abgeordneten-Kongresses der bisherigen Zollvereins-Staaten unter Zuziehung von Sachverständigen beabsichtigt, oder welche Maßregeln in dieser Beziehung provisorisch angeordnet werden sollen?

Diese letzte Maaßregel würde noch dringlicher durch den am 10. Juli, von der provisorischen Executivgewalt in Frankreich gefaßten Beschluß, zur Hebung der französischen Industrie, den Ausfuhrzoll auf Seide und Seidenwaaren, Leinen und Leinengarn, um 4 1/2 pCt. vom Werth zu erhöhen. Der inländischen Industrie wird durch diese Anordnung der französischen Regierung ein harter Schlag beigebracht und es ist nothwendig, daß so schnell wie möglich, geeignete Abwehrmittel ergriffen werden.

Der Handelsminister Milde beantwortet diese Frage dahin, ad 1) daß bereits seit dem Monat April eine Kommission in Frankfurt damit beschäftigt sei, um eine gemeinsame deutsche Zollgesetzgebung zu Stande zu bringen; ad 2) daß man bereits im vorigen Jahre mit den deutschen Seestaaten behufs eines deutschen Schifffahrtsbundes und gemeinsamen Differenzial-Zoll-Systems in Verbindung getreten, daß aber namentlich Hamburg und Mecklenburg sich dagegen erklärt. Er erinnere an die weitläufigen Zeitungsartikel, die sich im Laufe des vorigen Jahres, wie ein rother Faden durch alle deutschen Zeitungen gewunden und daß die Zweckmäßigkeit der beregten Maßregeln sehr in Frage gestellt wurde. Der Handelsminister muß daher diese Frage noch als eine offene betrachten. ‒ ad 3) Die in Aussicht stehende Zollvereinigung aller deutschen Staaten, hat bereits im Monat April die preußische Regierung veranlaßt, bei allen Zoll-Vereins-Regierungen anzufragen, ob es nicht besser sei, den vorschriftsmäßigen Kongreß der Zoll-Vereins-Staaten in diesem Jahre zu unterlassen und sich im Wege der Korrespondenz über das Fortbestehen des Zolltarifs und dessen nothwendigen Modifikationen zu vereinigen. Diese Korrespondenz findet gegenwärtig noch statt. ‒ Was die Maßregeln der französischen Regierung anbetrifft, so wird jetzt im Handelsministerium darüber berathen, ob und welche Gegenmaßregeln dagegen anzuwenden seien, vor Beendigung dieser Berathungen müsse er sich seines Urtheils darüber enthalten.

Zum Schluß verlangt noch der Abgeordnete Gladbach in einer persönlichen Angelegenheit das Wort: „Der Abg. Schütze habe zwar seinen Antrag zurückgenommen, womit er anträgt, daß mir das Mißfallen der Versammlung und der preußischen Nation durch den Herrn Präsidenten öffentlich zu erkennen gegeben und ich aufgefordert werde, mich in Zukunft solcher Aeußerungen zu enthalten, welche das Nationalgefühl jedes ächten Preußen verletzen und eines preußischen Nationalvertreters unwürdig sind, weil ich die Worte aussprach: ein Theil der Freischaaren in Schleswig-Holstein hat sich aufgelöst, weil er sich nicht von der preußischen Militär-Disciplin hat knechten lassen wollen.“ Gladbach will näher auf die Erläuterungen dieser Worte eingehen und das Knechten der Militär-Disciplin, wie es thatsächlich vorfiel, erzählen, das gefällt aber der Rechten nicht und sie äußern ihre Mißbilligung, da der Redner die Tribüne nicht verlassen will, dadurch, daß sie größtentheils den Saal verlassen. Gladbach beendet aber seinen Vortrag ungestört.

* Berlin, 17. Juli.

Wie Pilze über Nacht aus der Erde schießen, so wachsen jetzt auf dem Boden der Reaktion politische Prozesse mit einer Schnelligkeit und in solcher Zahl empor, daß man nicht länger über unser Einlaufen in den sichern und gemeinschaftlichen Hafen des Polizeistaats und der „christlich germanischen“Politik, unter den geschickten Lootsen: Camphausen, Hansemann, Pfuel, Schreckenstein & Comp. zweifeln darf. Auf dem restaurirten „Rechts- und Vertrauensboden“ wird nun zwischen männlichen und weiblichen Verbrechern kein Unterschied mehr gemacht. Fährt der revolutionäre Geist erst in die Frauenwelt: so könnte es den Reaktionshelden am Ende schlimm ergehen. Dem muß man vorbeugen. Hier heißts:„bange machen gilt. Sogar die Bäckermeisterinnen werden gegenwärtig vor die heilige Justiz gestellt. So ist dieser Tage die Bäckermeisterin Janetzka wegen Majestätsbeleidigung zu 2 Jahren Zuchthausstrafe verurtheilt worden. Sie hielt sich seit einiger Zeit wegen eines schon über 10 Jahre schwebenden Prozesses hier auf, hatte beim Könige und beim Justizminister Audienz, ohne ihre Hoffnung erfüllt zu sehen und äußerte sich nachher über die gedachten Personen in beleidigender Weise. Daher der Prozeß gegen sie, der bei verschlossenen Thüren stattfand.

* Berlin, 18. Juli.

Ueber den im Zustand der Mythe befindlichen Trinkspruch des reichsverwesenden Johannes treffen wir in der „Voss. Z.“ eine Aufklärung. Hr. General-Major a. D., v. Flotow, hat damals in Brühl ganz nahe bei dem Toastausbringer gesessen und hat aus dessen Munde folgende Worte vernommen: „ Fortan also: Ein Preußen! Ein Oestreich! Ein einiges Deutschland! Gott segne Eure Majestät!“ Einheit Preußens‒ Einheit Oestreichs‒ Einheit Deutschlands: drei Einheiten statt Einer! Was will man mehr? Wer indeß noch mehr will, dem stehen noch circa 3 Dutzend andere ähnliche Einheiten und Einigkeiten in Deutschland zu Gebote.

* Berlin, 18. Juli.

Die Buchdruckereibesitzer hiesiger Stadt haben „an sämmtliche Gehülfen der Buchdruckerschaft“ Berlins in einem Circular erklärt, daß sie auf die gestellten Forderungen nicht eingehen können, und wenn auf denselben bestanden würde, die„bedauerliche“ Spaltung sich zu einer unübersteiglichen Kluft erweitern müßte. Sie schlagen dagegen die Erwählung einer Kommission von Vertrauensmännern vor, welche über die gedachten Forderungen entscheiden soll. Hierauf haben die Gehülfen in einer am Sonntag gehaltenen Versammlung beschlossen, den gütlichen Vorschlag bezüglich der Schiedsrichter anzunehmen, jedoch unter der Bedingung, daß letztere nur zwischen den Minimum-Sätzen der Mainzer Versammlung und den höheren, welche die hiesigen Gehülfen fordern, zu entscheiden haben. In der Sitzung des „Vereins für Volksrechte“ vom 14. d. kam das Verfahren der Regierung in diplomatischen Beziehungen zur Sprache. Die diplomatischen Verhandlungen würden selbst, nachdem sie zu Ende geführt seien, kaum den Resultaten nach dem Volke mitgetheilt, der Gang derselben sei und bleibe Geheimniß der Regierung. Die Zeit dieses Geheimthuns sei vorüber, das Volk habe ein Recht, Alles zu erfahren. Der Verein verlangt deshalb daß die Regierungen die diplomatischen Verhandlungen, nachdem sie zu Ende geführt, vollständig in kürzester Frist veröffentlichen. Es ward zugleich das Bedauern ausgesprochen, daß die Deputirten, welche die freiere Richtung vertreten, von der Regierung bisher noch nicht verlangt hätten, daß sie die diplomatische Korrespondenz der Kammer mittheile. Es sei dazu namentlich in der russischen Angelegenheit Veranlassung vorhanden gewesen und solche biete sich auch jetzt wieder in der schleswigschen dar. Vielleicht könnte noch jetzt die Vorlegung der russischen Noten verlangt werden. Es wird beschlossen, ein Anschreiben in diesem Sinne an den Deputirten Berends zu erlassen.

15 Breslau, 17. Juli

Als Fortsetzung meines gestrigen Briefes folgendes: Die Vormittagssitzung dauerte bis 1 Uhr und begann auf's Neue um 5 Uhr. Zunächst wurde über die Funktionen des zu ernennenden Provinzial-Comités debattirt. Man einigte sich dahin: das Comité hat seinen Sitz in Breslau und besteht aus 9 Mitgliedern, welche der Kongreß selbst erwählt, ohne jedoch bei der Wahl nur an die Deputirten selbst gebunden zu sein. Gewählt wurden: Hoyoll, Stahlschmidt, Brehmer, Held, Rühl, Engelmann, Dellbrück, Vogtherr und Rosenhain. Ihre Aufgabe ist die Verwaltung der Provinzialkasse; ferner haben sie für Drucksachen zu sorgen, sobald irgend etwas im Sinne der Demokratie zu veröffentlichen ist. Sodann liegt ihnen ob, fortwährend in Korrespondenz mit den Kreisvereinen zu bleiben, um über den Stand der Demokratie in der Provinz stets unterrichtet zu sein, und dem Central-Comité in Berlin monatlich Bericht erstatten, so wie die Mittheilungen dieses Comités den Kreisvereinen übermachen zu können. Zur lebhaftern Verständigung mit der Provinz sollen sie außerdem jedes Vierteljahr einen Kongreß ausschreiben. Bei wichtigen Gelegenheiten haben sie einen außerordentlichen Kongreß zu berufen. Hierauf ging man zur Debatte über soziale Verhältnisse über. Es waren folgende Anträge gestellt worden: der Staat garantirt Jedem den nothwendigen Lebensunterhalt; die Domänen sollen kolonisirt werden; der demokratische Kongreß möge den Wunsch aussprechen, daß sämmtliche demokratischen Vereine die soziale Frage diskutiren; endlich, es möge eine Kommission niedergesetzt werden zur Untersuchung der Verhältnisse des städtischen und ländlichen Proletariats. Es wurde lange hin und her gestritten; man wollte den Arbeitern zeigen, daß der Vorwurf, die Demokratie beschäftige sich nicht mit der socialen Frage, ungegründet sei. Wie vorauszusehen, gelangte man zu keinem andern Resultat, als daß beschlossen wurde, die demokratischen Vereine mögen sämmtlich an die Berathung über die soziale Frage gehen, und dann ihre Mittheilungen an das Provinzial-Comité gelangen lassen; letzteres solle dann für die Ausarbeitung einer Denkschrift über die soziale Frage sorgen, und zur Berathung dieser Frage allein einen neuen Kongreß ausschreiben. Vorher jedoch erklärte die Versammlung durch Aufstehen: die Lösung der sozialen Frage ist die erste und letzte Aufgabe der Demokratie. Es gibt keine andere Demokratie als die soziale. Die nun folgende Frage rief ebenfalls eine interessante und lebhafte Debatte hervor. Sie betraf die schreckenerregende Noth im Eulengebirge. Die Deputirten aus jener Gegend gaben die umfassendsten Details. Schon viele Jahre vor der Revolution begann dort die Noth. Männer, die unter dem gestürzten System durch Schilderung und Aufdeckung des grausigen Elends zur Hülfe anregen wollten, scheiterten an dem schönen Institut der Censur. Der Censor Ebertz, Schönfeldt und wie die Herren weiter heißen, wußten mit dem Rothstift alle Uebel so viel wie möglich zu vertilgen. Nach den Märztagen konnte das Unterstützungs-Comité seine Thätigkeit erweitern. Es wandte sich an die Regierung. Die Antwort lautete: sie könne für jene Leute nichts thun, auch müsse man sich daran gewöhnen, nicht Alles von der Regierung zu verlangen, sondern sich mehr auf seine eigene selbstständige Thätigkeit verlassen. Es wurde am Ende der Beschluß gefaßt, durch die Deputirten schleunigst in allen Städten Comité's zur Unterstützung zu bilden und durch Plakate die Mitbürger zu Beiträgen aufzufordern und eine Petition an die Nationalversammlung zu erlassen.

Fast hätte ich noch einen wichtigen Beschluß vergessen. Er lautet dahin: Die Deputirten sollen sich eine möglichst genaue Einsicht in die Administration verschaffen, um bei Reorganisation der Behörden die Absetzung mißliebiger und reaktionärer Beamten und die

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        <head>[Deutschland]</head>
        <div xml:id="ar051_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>122</author></bibl> Arnsberg, den 13. Juli.</head>
          <p>Etwas Lokales.&#x2012; Heute war Sitzung der hiesigen Stadtverordneten. Sollten Sie                         es wohl für möglich halten, daß unser &#x201E; Hochweiser Magistrat und                         Stadtverordneten (7/8 Beamten alten Korns) eine Petition an das Ministerium                         wegen &#x201E;<hi rendition="#g">Belassung der bestehenden Staatsbehörden</hi>&#x201C;                         gleich nach dem Berliner Märzunsinn eingereicht hätten? Und doch ist es so!&#x2012;                         Die Resolution des Justizministeriums darauf wurde <hi rendition="#g">heute</hi> in öffentlicher Sitzung verlesen. Sie lautete nach ihrem                         kurzen Inhalte, daß es der Verfassung und künftigen Gesetzgebung vorbehalten                         bleiben müsse, inwiefern &#x201E; die Alten&#x201C; am Ruder bleiben könnten oder nicht! &#x2012;                         Und sie machten halt alle a ellenlang&#x2032;s G&#x2032;sicht! Als das beseitigt war, kam                         etwas sehr Wichtiges zur Sprache. Es handelte sich nämlich darum: &#x201E; ob die                         Stadt aus dem Stadtwalde&#x2012; wir haben ausgezeichnete Waldungen&#x2012; 10 bis 15                         Eichbäume der Reichsversammlung in Frankfurt für die <hi rendition="#g">deutsche Flotte</hi> zur Disposition stellen wolle?&#x201C; Unser Magistrat                         hatte auseinandergesetzt, wie sich der Herr von Radowitz freuen würde, wenn                         er gerade aus Arnsberg, wofür er gewählt, Materialien zur deutschen Flotte                         erhielte und der Herr Stadtverordneten-Vorsteher hatte schon ein sehr nettes                         Schreiben concipirt, womit der Reichsversammlung der Beschluß über die zur                         Disposition gestellten Eichen angezeigt werden sollte. Es erhob sich ein                         Sturm sondergleichen. Ein kleiner Advokat stellte die spitzfindigsten                         Fragen: Sollen wir die Eichen hinbringen oder sollen sie sie abholen? Sollen                         wir die <hi rendition="#g">Zöpfe</hi> hier behalten oder kriegen sie die                         auch? Von welcher Ecke des Waldes sollen sie hergegeben werden, wie lang und                         dick sollen sie sein, wie viel Werth sollen sie haben? Sollen wir nicht                         zuvor eine Taxe anfertigen lassen und da wir ohnehin Schulden genug haben,                         (das ist leider nur zu wahr), sollen wir lieber nicht ganz davon abstehen? &#x201E;                         Und die Gesichter hätten Sie sehen sollen, wenn ein Redner von einem <hi rendition="#g">freien Deutschland</hi> sprach. Hier ist die Parole:&#x201E;                         Preußen über Alles.&#x201C; Um aber auf die Eichen und Zöpfe zur deutschen Flotte                         wieder zurückzukommen, so wurde beschlossen: es sollen 10 Eichen zur                         Disposition gestellt, vorher aber untersucht werden, ob sie ohne dem Walde                         Lücken beizubringen abgegeben werden könnten, es sollte erst ein Gutachten,                         dann eine Taxe angefertigt, dann wieder Vortrag gehalten werden, dann&#x2026;</p>
        </div>
        <div xml:id="ar051_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>103</author></bibl> Berlin, 18. Juli.</head>
          <p>Nach Eröffnung der heutigen Sitzung der Vereinbarungskammer wurde eine kön.                         Botschaft verlesen, welche der Versammlung einen Gesetzentwurf, wegen                         Umgestaltung der Domänen und Forsten &#x201E;zur Erklärung&#x201C; vorlegt.</p>
          <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Reichensperger I.,</hi> der gegenwärtig als                         Abgeordneter in Frankfurt fungirt, hat dem Präsidenten der hiesigen                         Versammlung seine Entlassung eingesandt und wird demnach im Kreise                         Berncastel eine neue Wahl statt finden.</p>
          <p><hi rendition="#g">Waldeck</hi> berichtet als Vorsitzender der                         Verfassungskommission über den Fortschritt der Arbeiten. Ueber die <hi rendition="#g">Arbeiterfrage</hi> oder das Recht des Arbeiters, vom                         Staat Arbeit zu verlangen, habe sich die Kommission mit den früher                         geäußerten Ansichten des Ministeriums einverstanden erklärt, konnte sich                         aber über einen desfallsigen Paragraph, der in der Verfassung aufzunehmen                         sei, nicht einigen und hat deshalb beschlossen, diese Frage ganz unberührt                         zu lassen.</p>
          <p>Der Vorsitzende der Verfassungskommission theilte ferner mit, daß dieselbe                         beschlossen, den Staat künftig in Bezirke, Kreise und Gemeinden                         einzutheilen. Die bisherige Eintheilung in Provinzen und Regierungsbezirke                         hört auf. Alle innern Angelegenheiten sollen der eigenen, selbstgewählten                         Verwaltung der Kreise und Gemeinden überlassen bleiben und alle Berathungen                         der Behörden sollen öffentlich sein. Was den politischen Theil der                         Verfassung betrifft, so habe sich die Kommission für das Zweikammersystem                         erklärt, wovon die zweite Kammer aus 350 Mitgliedern bestehend alle drei                         Jahre durch Urwahlen neu gewählt werden soll. Was die erste Kammer                         anbetrifft, der man den Namen <hi rendition="#g">Senat</hi> beigelegt, so                         soll dieselbe aus 175 Senatoren, mindestens 40 Jahre alt, bestehen, welche                         alle sechs Jahre von den sich dazu vereinigenden Bezirks- und                         Kreisvertretern gewählt werden sollen.</p>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar051_005a" type="jArticle">
          <p>Ein achter Bekannter ist noch Herr Kreuz &#x2012; sieht aus wie eine chinesische                         Figur, die man auf die Komode stellt. Er lebte immer, aber Niemand weiß                         wovon. Vor allen Dingen zeichnet er sich durch seinen Appetit aus. Er ißt                         zwei Teller Suppe, sieben Stück Rindfleisch, neun Gurken, einen halben                         Pudding, viel Braten, und trinkt den Wein mit Wasser. Glücklich der Wirth,                         der ihn zu seinem Gast hat!</p>
          <p>Der Advokat Verdammlich ist der neunte Mann in unsrer Mitte. Er ist der Hort                         aller Wittwen und Waisen. Er liebt Prozesse und Rheinwein und lebt im                         Andenken vieler Menschen. Er spricht das Gegentheil von dem was er denkt,                         und denkt das Gegentheil von dem was er spricht. Er kennt alle Menschen und                         er kennt sich selbst. Sein Vortheil und der Vortheil andrer Menschen stehen                         in umgekehrtem Verhältniß. Das Gesetz giebt ihm zu essen, und die                         Gerechtigkeit giebt ihm zu trinken. Der Advokat Verdammlich ist ein                         Ehrenmann. Vor allen Dingen ist er ein schwacher und sterblicher Mensch und                         der Herr wird Mitleid mit ihm haben am jüngsten Tage &#x2012; &#x2012;</p>
          <p>Doch wozu diese ganze Schilderung? weshalb suche ich sie alle zu zeichnen,                         meine treuen Bekannten, meine alten Freunde, die ich jeden Tag sehe, den                         Steuerkontrolleur Ehrlich, den Rentner Dürr, den Maler Pinsel, den Professor                         Fuchs, den Quadratfüßler Geyer, den Herrn von der Windmühle, den Holzhändler                         Puff, den Feinschmecker Kreuz, den Advokaten Verdammlich?</p>
          <p>Sitze ich nicht täglich mit ihnen in den Schenken unsrer guten Stadt Köln,                         den kühlen Moselwein zu trinken, auf daß wir alle unsere Leiden vergessen,                         unsre Schulden, unsre bösen Frauen, unsre hungrigen Kinder, unsre                         langweiligen Vettern, unsre kahlen Glatzen, unsre Hühneraugen, unsre Zukunft                         und unsre Vergangenheit? Gewiß! O, verbunden sind wir in Liebe und                         Freundschaft; miteinander zu trinken, miteinander zu reden, uns zu wehren                         gegen die Laster des Jahrhunderts, gegen Revolution und Anarchie, gegen                         Kommunisten und Republikaner. &#x2012; Ja, eine Phalanx sind wir groß und gewaltig:                         der heiligen Stadt Köln berühmteste Heuler!</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>[Deutschland]</head>
        <div xml:id="ar051_005b" type="jArticle">
          <p>Der Minister des Innern, <hi rendition="#g">Kühlwetter,</hi> erklärt hierauf                         wegen Erlassung eines <hi rendition="#g">Kommunalgesetzes,</hi> daß von                         allen Seiten des Landes ein großes Drängen danach erfolge; dieses Gesetz                         wäre aber von zu großer Wichtigkeit, um einer gründlichen Berathung                         entbehren zu können. Es hat sich das Gerede verbreitet, daß bereits vom                         vorigen Ministerium ein Gesetzentwurf ausgearbeitet gewesen, welcher aber                         vom jetzigen, als zu freisinnig zurückgenommen sei. Der Minister des Innern                         weiß nicht woher es kommt, daß das jetzige Ministerium weniger freisinnig                         sein solle, als das abgegangene. Das Gesetz wird eifrig berathen und nähert                         sich seinem Schlusse und es sollen sogar mehrere Mitglieder der Versammlung                         zu einer Vorberathung desselben eingeladen werden. Endlich wurde in heutiger                         Sitzung die beabsichtigte Adresse als Antwort auf die kön. Thronrede zu                         Grabe getragen. Der Bericht der Adreß-Kommission, welcher auch schon vom 2.                         Juli datirt wurde, ist ohne alle Debatte einstimmig angenommen, nachdem der                         Ministerpräsident erklärt hatte, daß Seitens des Ministeriums kein Grund                         vorliege, auf die Debattirung der Adresse einzugehen.</p>
          <p>Auf den Antrag von 24 Abgeordneten war eine Kommission ernannt, welche heute                         ein Gesetz vorlegte, daß die bisherigen Befugnisse der Kreisstände, Auflagen                         und Steuern zu beschließen, welche alle Kreiseingesessenen verpflichten,                         aufgehoben ist.</p>
          <p><hi rendition="#g">Der Minister des Innern</hi> erklärt sich dagegen und                         glaubt, daß es hinreichend sei, wenn das Ministerium den Regierungen den                         Befehl zukommen läßt, von jetzt an bis zur Erlassung der neuen Gesetze, die                         Steuerausschreibungen nicht zu genehmigen. Dieses wird aber von vielen                         Rednern für ungenügend gehalten und die Versammlung beschließt, trotz der                         Einreden des Ministers des Innern, mit großer Majorität die Annahme des von                         der Kommission vorgelegten Gesetzentwurfs.</p>
          <p>Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Wenzelius</hi> aus Trier, hatte schon am                         24. Juni nach Annahme des Gesetzes über Unverantwortlichkeit der                         Abgeordneten, einen Antrag auf sofortige Einberufung des Abg. <hi rendition="#g">Victor Valdenaire</hi> gestellt. Die Kommission stattete                         heute Bericht darüber ab. Sie hat mit 6 gegen 2 Stimmen beschlossen, da sie                         nach aktenmäßiger Untersuchung der Sachlage, <hi rendition="#g">von der                             Unschuld des Valdenaire überzeugt sei, die Suspendirung der Untersuchung                             gegen den Angeklagten, während der Dauer der Session auszusprechen und                             dessen sofortige Einberufung zn veranlassen. </hi> Der Abg.                         Reichensperger mußte als Berichterstatter den Kommissionsantrag motiviren.                         Die Abgeordneten <hi rendition="#g">Simon</hi> und <hi rendition="#g">Stupp,</hi> die beiden Mitglieder der Minorität der Kommission, sowie                         Prof. <hi rendition="#g">Bauerband</hi> sprachen gegen den Antrag der                         sofortigen Einberufung und wollten in den Gang der Gerechtigkeit nicht                         eingreifen.</p>
          <p>Obgleich sich diese drei rheinischen Juristen bemühten, die Versammlung zu                         überzeugen, daß sie nicht vom Code Napoleon abweichen dürfe, und obgleich                         sich der geb. Justizrath <hi rendition="#g">Simons</hi> sogar bemühte, die                         Zeugenaussagen zu Gunsten Valdenaire&#x2032;s zu verdächtigen, wurde die                         Versammlung doch durch die Reden des Abgeordneten <hi rendition="#g">Borchardt</hi> aus Köln und <hi rendition="#g">Reichensperger</hi> aus                         Koblenz überzeugt.</p>
          <p>Die Versammlung beschloß hierauf mit großer Majorität dem Gutachten der                         Kommission beizutreten und der Präsident verfügte sogleich die Einberufung                         des Abgeordneten <hi rendition="#g">Victor Valdenaire</hi> in Trier.</p>
          <p>Auf Antrag des Abg. <hi rendition="#g">Borchardt</hi> wurde alsdann                         beschlossen, daß die dazu zusammengesetzte Kommission das Gesetz wegen                         Abschaffung der Todesstrafe binnen acht Tagen vorzulegen habe. Das                         Ministerium erklärt, daß es die Suspension der Vollstreckung sämmtlicher                         Todesurtheile, bis zur Erlassung dieses Gesetzes, angeordnet habe.</p>
          <p>Der Abg. <hi rendition="#g">Hildenhagen</hi> stellt den Antrag, die                         Versammlung möge den Hrn. Präsidenten ersuchen, am Schlusse jeder Sitzung                         öffentlich zu erklären, daß sich das Ministerium mit der Vorlage des                         Kommunalgesetzes beeilen möge.</p>
          <p>Der Abgeordnete <hi rendition="#g">Bredt</hi> aus Elberfeld, interpellirt das                         Staats-Ministerium:</p>
          <p>1) ob und welche Schritte Seitens der preußischen Staatsregierung, im Vereine                         mit den übrigen Zollvereinsregierungen geschehen sind, um den Beitritt                         Oestreichs, Hannovers, Oldenburgs, Mecklenburgs und der Hansestädte zum                         Zollverein zu bewirken und hierdurch die Bildung eines Allgemeinen Deutschen                         Zollvereins herbeizuführen?</p>
          <p>2) ob und inwieweit neben der Bildung eines Allgemeinen Deutschen                         Zollvereins, darauf Bedacht genommen worden, mit den genannten Regierungen,                         namentlich denjenigen der deutschen Nordseestaaten, gleichzeitig einen                         Deutschen Handels-Schifffahrtsbund zu Stande zu bringen, welcher gestützt                         auf ein gemeinsames Differenzialzollsystem, die Aufgabe hat, die bisherige                         fremde Vermittlung des deutsch- transatlantischen Handels zu beseitigen,                         dagegen den direkten Deutschlands mit den überseeischen Ländern zu                         befördern?</p>
          <p>3) und ob mit Rücksicht darauf, daß der gegenwärtige Zollvereinstarif bereits                         mit Ablauf dieses Jahres ausser Kraft tritt, eine schleunige vorläufige                         Revision desselben durch Zusammenberufung eines Abgeordneten-Kongresses der                         bisherigen Zollvereins-Staaten unter Zuziehung von Sachverständigen                         beabsichtigt, oder welche Maßregeln in dieser Beziehung provisorisch                         angeordnet werden sollen?</p>
          <p>Diese letzte Maaßregel würde noch dringlicher durch den am 10. Juli, von der                         provisorischen Executivgewalt in Frankreich gefaßten Beschluß, zur Hebung                         der französischen Industrie, den Ausfuhrzoll auf Seide und Seidenwaaren,                         Leinen und Leinengarn, um 4 1/2 pCt. vom Werth zu erhöhen. Der inländischen                         Industrie wird durch diese Anordnung der französischen Regierung ein harter                         Schlag beigebracht und es ist nothwendig, daß so schnell wie möglich,                         geeignete Abwehrmittel ergriffen werden.</p>
          <p>Der Handelsminister <hi rendition="#g">Milde</hi> beantwortet diese Frage                         dahin, ad 1) daß bereits seit dem Monat April eine Kommission in Frankfurt                         damit beschäftigt sei, um eine gemeinsame deutsche Zollgesetzgebung zu                         Stande zu bringen; ad 2) daß man bereits im vorigen Jahre mit den deutschen                         Seestaaten behufs eines deutschen Schifffahrtsbundes und gemeinsamen                         Differenzial-Zoll-Systems in Verbindung getreten, daß aber namentlich                         Hamburg und Mecklenburg sich dagegen erklärt. Er erinnere an die                         weitläufigen Zeitungsartikel, die sich im Laufe des vorigen Jahres, wie ein                         rother Faden durch alle deutschen Zeitungen gewunden und daß die                         Zweckmäßigkeit der beregten Maßregeln sehr in Frage gestellt wurde. Der                         Handelsminister muß daher diese Frage noch als eine offene betrachten. &#x2012; ad                         3) Die in Aussicht stehende Zollvereinigung aller deutschen Staaten, hat                         bereits im Monat April die preußische Regierung veranlaßt, bei allen                         Zoll-Vereins-Regierungen anzufragen, ob es nicht besser sei, den                         vorschriftsmäßigen Kongreß der Zoll-Vereins-Staaten in diesem Jahre zu                         unterlassen und sich im Wege der Korrespondenz über das Fortbestehen des                         Zolltarifs und dessen nothwendigen Modifikationen zu vereinigen. Diese                         Korrespondenz findet gegenwärtig noch statt. &#x2012; Was die Maßregeln der                         französischen Regierung anbetrifft, so wird jetzt im Handelsministerium                         darüber berathen, ob und welche Gegenmaßregeln dagegen anzuwenden seien, vor                         Beendigung dieser Berathungen müsse er sich seines Urtheils darüber                         enthalten.</p>
          <p>Zum Schluß verlangt noch der Abgeordnete <hi rendition="#g">Gladbach</hi> in                         einer persönlichen Angelegenheit das Wort: &#x201E;Der Abg. <hi rendition="#g">Schütze</hi> habe zwar seinen Antrag zurückgenommen, womit er anträgt,                         daß mir das Mißfallen der Versammlung und der preußischen Nation durch den                         Herrn Präsidenten öffentlich zu erkennen gegeben und ich aufgefordert werde,                         mich in Zukunft solcher Aeußerungen zu enthalten, welche das Nationalgefühl                         jedes ächten Preußen verletzen und eines preußischen Nationalvertreters                         unwürdig sind, weil ich die Worte aussprach: ein Theil der Freischaaren in                         Schleswig-Holstein hat sich aufgelöst, weil er sich nicht von der                         preußischen Militär-Disciplin hat knechten lassen wollen.&#x201C; Gladbach will                         näher auf die Erläuterungen dieser Worte eingehen und das Knechten der                         Militär-Disciplin, wie es thatsächlich vorfiel, erzählen, das gefällt aber                         der Rechten nicht und sie äußern ihre Mißbilligung, da der Redner die                         Tribüne nicht verlassen will, dadurch, daß sie größtentheils den Saal                         verlassen. Gladbach beendet aber seinen Vortrag ungestört.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar051_006" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 17. Juli.</head>
          <p>Wie Pilze über Nacht aus der Erde schießen, so wachsen jetzt auf dem Boden                         der Reaktion politische Prozesse mit einer Schnelligkeit und in solcher Zahl                         empor, daß man nicht länger über unser Einlaufen in den sichern und                         gemeinschaftlichen Hafen des Polizeistaats und der &#x201E;christlich                         germanischen&#x201C;Politik, unter den geschickten Lootsen: Camphausen, Hansemann,                         Pfuel, Schreckenstein &amp; Comp. zweifeln darf. Auf dem restaurirten                         &#x201E;Rechts- und Vertrauensboden&#x201C; wird nun zwischen männlichen und weiblichen                         Verbrechern kein Unterschied mehr gemacht. Fährt der revolutionäre Geist                         erst in die Frauenwelt: so könnte es den Reaktionshelden am Ende schlimm                         ergehen. Dem muß man vorbeugen. Hier heißts:&#x201E;bange machen gilt. Sogar die                         Bäckermeisterinnen werden gegenwärtig vor die heilige Justiz gestellt. So                         ist dieser Tage die Bäckermeisterin Janetzka wegen Majestätsbeleidigung zu 2                         Jahren Zuchthausstrafe verurtheilt worden. Sie hielt sich seit einiger Zeit                         wegen eines schon über 10 Jahre schwebenden Prozesses hier auf, hatte beim                         Könige und beim Justizminister Audienz, ohne ihre Hoffnung erfüllt zu sehen                         und äußerte sich nachher über die gedachten Personen in beleidigender Weise.                         Daher der Prozeß gegen sie, der bei verschlossenen Thüren stattfand.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar051_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 18. Juli.</head>
          <p>Ueber den im Zustand der Mythe befindlichen Trinkspruch des reichsverwesenden                         Johannes treffen wir in der &#x201E;Voss. Z.&#x201C; eine Aufklärung. Hr. General-Major a.                         D., v. Flotow, hat damals in Brühl ganz nahe bei dem Toastausbringer                         gesessen und hat aus dessen Munde folgende Worte vernommen: &#x201E; Fortan also:                         Ein Preußen! Ein Oestreich! Ein einiges Deutschland! Gott segne Eure                         Majestät!&#x201C; Einheit Preußens&#x2012; Einheit Oestreichs&#x2012; Einheit Deutschlands: drei                         Einheiten statt Einer! Was will man mehr? Wer indeß noch mehr will, dem                         stehen noch circa 3 Dutzend andere ähnliche Einheiten und Einigkeiten in                         Deutschland zu Gebote.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar051_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Berlin, 18. Juli.</head>
          <p>Die Buchdruckereibesitzer hiesiger Stadt haben &#x201E;an sämmtliche Gehülfen der                         Buchdruckerschaft&#x201C; Berlins in einem Circular erklärt, daß sie auf die                         gestellten Forderungen nicht eingehen können, und wenn auf denselben                         bestanden würde, die&#x201E;bedauerliche&#x201C; Spaltung sich zu einer unübersteiglichen                         Kluft erweitern müßte. Sie schlagen dagegen die Erwählung einer Kommission                         von Vertrauensmännern vor, welche über die gedachten Forderungen entscheiden                         soll. Hierauf haben die Gehülfen in einer am Sonntag gehaltenen Versammlung                         beschlossen, den gütlichen Vorschlag bezüglich der Schiedsrichter                         anzunehmen, jedoch unter der Bedingung, daß letztere nur zwischen den                         Minimum-Sätzen der Mainzer Versammlung und den höheren, welche die hiesigen                         Gehülfen fordern, zu entscheiden haben. In der Sitzung des &#x201E;Vereins für                         Volksrechte&#x201C; vom 14. d. kam das Verfahren der Regierung in diplomatischen                         Beziehungen zur Sprache. Die diplomatischen Verhandlungen würden selbst,                         nachdem sie zu Ende geführt seien, kaum den Resultaten nach dem Volke                         mitgetheilt, der Gang derselben sei und bleibe Geheimniß der Regierung. Die                         Zeit dieses Geheimthuns sei vorüber, das Volk habe ein Recht, Alles zu                         erfahren. Der Verein verlangt deshalb daß die Regierungen die diplomatischen                         Verhandlungen, nachdem sie zu Ende geführt, vollständig in kürzester Frist                         veröffentlichen. Es ward zugleich das Bedauern ausgesprochen, daß die                         Deputirten, welche die freiere Richtung vertreten, von der Regierung bisher                         noch nicht verlangt hätten, daß sie die diplomatische Korrespondenz der                         Kammer mittheile. Es sei dazu namentlich in der russischen Angelegenheit                         Veranlassung vorhanden gewesen und solche biete sich auch jetzt wieder in                         der schleswigschen dar. Vielleicht könnte noch jetzt die Vorlegung der                         russischen Noten verlangt werden. Es wird beschlossen, ein Anschreiben in                         diesem Sinne an den Deputirten Berends zu erlassen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar051_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>15</author></bibl> Breslau, 17. Juli</head>
          <p>Als Fortsetzung meines gestrigen Briefes folgendes: Die Vormittagssitzung                         dauerte bis 1 Uhr und begann auf's Neue um 5 Uhr. Zunächst wurde über die                         Funktionen des zu ernennenden Provinzial-Comités debattirt. Man einigte sich                         dahin: das Comité hat seinen Sitz in Breslau und besteht aus 9 Mitgliedern,                         welche der Kongreß selbst erwählt, ohne jedoch bei der Wahl nur an die                         Deputirten selbst gebunden zu sein. Gewählt wurden: Hoyoll, Stahlschmidt,                         Brehmer, Held, Rühl, Engelmann, Dellbrück, Vogtherr und Rosenhain. Ihre                         Aufgabe ist die Verwaltung der Provinzialkasse; ferner haben sie für                         Drucksachen zu sorgen, sobald irgend etwas im Sinne der Demokratie zu                         veröffentlichen ist. Sodann liegt ihnen ob, fortwährend in Korrespondenz mit                         den Kreisvereinen zu bleiben, um über den Stand der Demokratie in der                         Provinz stets unterrichtet zu sein, und dem Central-Comité in Berlin                         monatlich Bericht erstatten, so wie die Mittheilungen dieses Comités den                         Kreisvereinen übermachen zu können. Zur lebhaftern Verständigung mit der                         Provinz sollen sie außerdem jedes Vierteljahr einen Kongreß ausschreiben.                         Bei wichtigen Gelegenheiten haben sie einen außerordentlichen Kongreß zu                         berufen. Hierauf ging man zur Debatte über soziale Verhältnisse über. Es                         waren folgende Anträge gestellt worden: der Staat garantirt Jedem den                         nothwendigen Lebensunterhalt; die Domänen sollen kolonisirt werden; der                         demokratische Kongreß möge den Wunsch aussprechen, daß sämmtliche                         demokratischen Vereine die soziale Frage diskutiren; endlich, es möge eine                         Kommission niedergesetzt werden zur Untersuchung der Verhältnisse des                         städtischen und ländlichen Proletariats. Es wurde lange hin und her                         gestritten; man wollte den Arbeitern zeigen, daß der Vorwurf, die Demokratie                         beschäftige sich nicht mit der socialen Frage, ungegründet sei. Wie                         vorauszusehen, gelangte man zu keinem andern Resultat, als daß beschlossen                         wurde, die demokratischen Vereine mögen sämmtlich an die Berathung über die                         soziale Frage gehen, und dann ihre Mittheilungen an das Provinzial-Comité                         gelangen lassen; letzteres solle dann für die Ausarbeitung einer Denkschrift                         über die soziale Frage sorgen, und zur Berathung dieser <hi rendition="#g">Frage allein</hi> einen neuen Kongreß ausschreiben. Vorher jedoch                         erklärte die Versammlung durch Aufstehen: die Lösung der sozialen Frage ist                         die erste und letzte Aufgabe der Demokratie. Es gibt keine andere Demokratie                         als die soziale. Die nun folgende Frage rief ebenfalls eine interessante und                         lebhafte Debatte hervor. Sie betraf die schreckenerregende Noth im                         Eulengebirge. Die Deputirten aus jener Gegend gaben die umfassendsten                         Details. Schon viele Jahre vor der Revolution begann dort die Noth. Männer,                         die unter dem gestürzten System durch Schilderung und Aufdeckung des                         grausigen Elends zur Hülfe anregen wollten, scheiterten an dem schönen                         Institut der Censur. Der Censor Ebertz, Schönfeldt und wie die Herren weiter                         heißen, wußten mit dem Rothstift alle Uebel so viel wie möglich zu                         vertilgen. Nach den Märztagen konnte das Unterstützungs-Comité seine                         Thätigkeit erweitern. Es wandte sich an die Regierung. Die Antwort lautete:                         sie könne für jene Leute nichts thun, auch müsse man sich daran gewöhnen,                         nicht Alles von der Regierung zu verlangen, sondern sich mehr auf seine                         eigene selbstständige Thätigkeit verlassen. Es wurde am Ende der Beschluß                         gefaßt, durch die Deputirten schleunigst in allen Städten Comité's zur                         Unterstützung zu bilden und durch Plakate die Mitbürger zu Beiträgen                         aufzufordern und eine Petition an die Nationalversammlung zu erlassen.</p>
          <p>Fast hätte ich noch einen wichtigen Beschluß vergessen. Er lautet dahin: Die                         Deputirten sollen sich eine möglichst genaue Einsicht in die Administration                         verschaffen, um bei Reorganisation der Behörden die Absetzung mißliebiger                         und reaktionärer Beamten und die
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0252/0002] [Deutschland] 122 Arnsberg, den 13. Juli. Etwas Lokales.‒ Heute war Sitzung der hiesigen Stadtverordneten. Sollten Sie es wohl für möglich halten, daß unser „ Hochweiser Magistrat und Stadtverordneten (7/8 Beamten alten Korns) eine Petition an das Ministerium wegen „Belassung der bestehenden Staatsbehörden“ gleich nach dem Berliner Märzunsinn eingereicht hätten? Und doch ist es so!‒ Die Resolution des Justizministeriums darauf wurde heute in öffentlicher Sitzung verlesen. Sie lautete nach ihrem kurzen Inhalte, daß es der Verfassung und künftigen Gesetzgebung vorbehalten bleiben müsse, inwiefern „ die Alten“ am Ruder bleiben könnten oder nicht! ‒ Und sie machten halt alle a ellenlang′s G′sicht! Als das beseitigt war, kam etwas sehr Wichtiges zur Sprache. Es handelte sich nämlich darum: „ ob die Stadt aus dem Stadtwalde‒ wir haben ausgezeichnete Waldungen‒ 10 bis 15 Eichbäume der Reichsversammlung in Frankfurt für die deutsche Flotte zur Disposition stellen wolle?“ Unser Magistrat hatte auseinandergesetzt, wie sich der Herr von Radowitz freuen würde, wenn er gerade aus Arnsberg, wofür er gewählt, Materialien zur deutschen Flotte erhielte und der Herr Stadtverordneten-Vorsteher hatte schon ein sehr nettes Schreiben concipirt, womit der Reichsversammlung der Beschluß über die zur Disposition gestellten Eichen angezeigt werden sollte. Es erhob sich ein Sturm sondergleichen. Ein kleiner Advokat stellte die spitzfindigsten Fragen: Sollen wir die Eichen hinbringen oder sollen sie sie abholen? Sollen wir die Zöpfe hier behalten oder kriegen sie die auch? Von welcher Ecke des Waldes sollen sie hergegeben werden, wie lang und dick sollen sie sein, wie viel Werth sollen sie haben? Sollen wir nicht zuvor eine Taxe anfertigen lassen und da wir ohnehin Schulden genug haben, (das ist leider nur zu wahr), sollen wir lieber nicht ganz davon abstehen? „ Und die Gesichter hätten Sie sehen sollen, wenn ein Redner von einem freien Deutschland sprach. Hier ist die Parole:„ Preußen über Alles.“ Um aber auf die Eichen und Zöpfe zur deutschen Flotte wieder zurückzukommen, so wurde beschlossen: es sollen 10 Eichen zur Disposition gestellt, vorher aber untersucht werden, ob sie ohne dem Walde Lücken beizubringen abgegeben werden könnten, es sollte erst ein Gutachten, dann eine Taxe angefertigt, dann wieder Vortrag gehalten werden, dann… 103 Berlin, 18. Juli. Nach Eröffnung der heutigen Sitzung der Vereinbarungskammer wurde eine kön. Botschaft verlesen, welche der Versammlung einen Gesetzentwurf, wegen Umgestaltung der Domänen und Forsten „zur Erklärung“ vorlegt. Der Abg. Reichensperger I., der gegenwärtig als Abgeordneter in Frankfurt fungirt, hat dem Präsidenten der hiesigen Versammlung seine Entlassung eingesandt und wird demnach im Kreise Berncastel eine neue Wahl statt finden. Waldeck berichtet als Vorsitzender der Verfassungskommission über den Fortschritt der Arbeiten. Ueber die Arbeiterfrage oder das Recht des Arbeiters, vom Staat Arbeit zu verlangen, habe sich die Kommission mit den früher geäußerten Ansichten des Ministeriums einverstanden erklärt, konnte sich aber über einen desfallsigen Paragraph, der in der Verfassung aufzunehmen sei, nicht einigen und hat deshalb beschlossen, diese Frage ganz unberührt zu lassen. Der Vorsitzende der Verfassungskommission theilte ferner mit, daß dieselbe beschlossen, den Staat künftig in Bezirke, Kreise und Gemeinden einzutheilen. Die bisherige Eintheilung in Provinzen und Regierungsbezirke hört auf. Alle innern Angelegenheiten sollen der eigenen, selbstgewählten Verwaltung der Kreise und Gemeinden überlassen bleiben und alle Berathungen der Behörden sollen öffentlich sein. Was den politischen Theil der Verfassung betrifft, so habe sich die Kommission für das Zweikammersystem erklärt, wovon die zweite Kammer aus 350 Mitgliedern bestehend alle drei Jahre durch Urwahlen neu gewählt werden soll. Was die erste Kammer anbetrifft, der man den Namen Senat beigelegt, so soll dieselbe aus 175 Senatoren, mindestens 40 Jahre alt, bestehen, welche alle sechs Jahre von den sich dazu vereinigenden Bezirks- und Kreisvertretern gewählt werden sollen. Ein achter Bekannter ist noch Herr Kreuz ‒ sieht aus wie eine chinesische Figur, die man auf die Komode stellt. Er lebte immer, aber Niemand weiß wovon. Vor allen Dingen zeichnet er sich durch seinen Appetit aus. Er ißt zwei Teller Suppe, sieben Stück Rindfleisch, neun Gurken, einen halben Pudding, viel Braten, und trinkt den Wein mit Wasser. Glücklich der Wirth, der ihn zu seinem Gast hat! Der Advokat Verdammlich ist der neunte Mann in unsrer Mitte. Er ist der Hort aller Wittwen und Waisen. Er liebt Prozesse und Rheinwein und lebt im Andenken vieler Menschen. Er spricht das Gegentheil von dem was er denkt, und denkt das Gegentheil von dem was er spricht. Er kennt alle Menschen und er kennt sich selbst. Sein Vortheil und der Vortheil andrer Menschen stehen in umgekehrtem Verhältniß. Das Gesetz giebt ihm zu essen, und die Gerechtigkeit giebt ihm zu trinken. Der Advokat Verdammlich ist ein Ehrenmann. Vor allen Dingen ist er ein schwacher und sterblicher Mensch und der Herr wird Mitleid mit ihm haben am jüngsten Tage ‒ ‒ Doch wozu diese ganze Schilderung? weshalb suche ich sie alle zu zeichnen, meine treuen Bekannten, meine alten Freunde, die ich jeden Tag sehe, den Steuerkontrolleur Ehrlich, den Rentner Dürr, den Maler Pinsel, den Professor Fuchs, den Quadratfüßler Geyer, den Herrn von der Windmühle, den Holzhändler Puff, den Feinschmecker Kreuz, den Advokaten Verdammlich? Sitze ich nicht täglich mit ihnen in den Schenken unsrer guten Stadt Köln, den kühlen Moselwein zu trinken, auf daß wir alle unsere Leiden vergessen, unsre Schulden, unsre bösen Frauen, unsre hungrigen Kinder, unsre langweiligen Vettern, unsre kahlen Glatzen, unsre Hühneraugen, unsre Zukunft und unsre Vergangenheit? Gewiß! O, verbunden sind wir in Liebe und Freundschaft; miteinander zu trinken, miteinander zu reden, uns zu wehren gegen die Laster des Jahrhunderts, gegen Revolution und Anarchie, gegen Kommunisten und Republikaner. ‒ Ja, eine Phalanx sind wir groß und gewaltig: der heiligen Stadt Köln berühmteste Heuler! [Deutschland] Der Minister des Innern, Kühlwetter, erklärt hierauf wegen Erlassung eines Kommunalgesetzes, daß von allen Seiten des Landes ein großes Drängen danach erfolge; dieses Gesetz wäre aber von zu großer Wichtigkeit, um einer gründlichen Berathung entbehren zu können. Es hat sich das Gerede verbreitet, daß bereits vom vorigen Ministerium ein Gesetzentwurf ausgearbeitet gewesen, welcher aber vom jetzigen, als zu freisinnig zurückgenommen sei. Der Minister des Innern weiß nicht woher es kommt, daß das jetzige Ministerium weniger freisinnig sein solle, als das abgegangene. Das Gesetz wird eifrig berathen und nähert sich seinem Schlusse und es sollen sogar mehrere Mitglieder der Versammlung zu einer Vorberathung desselben eingeladen werden. Endlich wurde in heutiger Sitzung die beabsichtigte Adresse als Antwort auf die kön. Thronrede zu Grabe getragen. Der Bericht der Adreß-Kommission, welcher auch schon vom 2. Juli datirt wurde, ist ohne alle Debatte einstimmig angenommen, nachdem der Ministerpräsident erklärt hatte, daß Seitens des Ministeriums kein Grund vorliege, auf die Debattirung der Adresse einzugehen. Auf den Antrag von 24 Abgeordneten war eine Kommission ernannt, welche heute ein Gesetz vorlegte, daß die bisherigen Befugnisse der Kreisstände, Auflagen und Steuern zu beschließen, welche alle Kreiseingesessenen verpflichten, aufgehoben ist. Der Minister des Innern erklärt sich dagegen und glaubt, daß es hinreichend sei, wenn das Ministerium den Regierungen den Befehl zukommen läßt, von jetzt an bis zur Erlassung der neuen Gesetze, die Steuerausschreibungen nicht zu genehmigen. Dieses wird aber von vielen Rednern für ungenügend gehalten und die Versammlung beschließt, trotz der Einreden des Ministers des Innern, mit großer Majorität die Annahme des von der Kommission vorgelegten Gesetzentwurfs. Der Abgeordnete Wenzelius aus Trier, hatte schon am 24. Juni nach Annahme des Gesetzes über Unverantwortlichkeit der Abgeordneten, einen Antrag auf sofortige Einberufung des Abg. Victor Valdenaire gestellt. Die Kommission stattete heute Bericht darüber ab. Sie hat mit 6 gegen 2 Stimmen beschlossen, da sie nach aktenmäßiger Untersuchung der Sachlage, von der Unschuld des Valdenaire überzeugt sei, die Suspendirung der Untersuchung gegen den Angeklagten, während der Dauer der Session auszusprechen und dessen sofortige Einberufung zn veranlassen. Der Abg. Reichensperger mußte als Berichterstatter den Kommissionsantrag motiviren. Die Abgeordneten Simon und Stupp, die beiden Mitglieder der Minorität der Kommission, sowie Prof. Bauerband sprachen gegen den Antrag der sofortigen Einberufung und wollten in den Gang der Gerechtigkeit nicht eingreifen. Obgleich sich diese drei rheinischen Juristen bemühten, die Versammlung zu überzeugen, daß sie nicht vom Code Napoleon abweichen dürfe, und obgleich sich der geb. Justizrath Simons sogar bemühte, die Zeugenaussagen zu Gunsten Valdenaire′s zu verdächtigen, wurde die Versammlung doch durch die Reden des Abgeordneten Borchardt aus Köln und Reichensperger aus Koblenz überzeugt. Die Versammlung beschloß hierauf mit großer Majorität dem Gutachten der Kommission beizutreten und der Präsident verfügte sogleich die Einberufung des Abgeordneten Victor Valdenaire in Trier. Auf Antrag des Abg. Borchardt wurde alsdann beschlossen, daß die dazu zusammengesetzte Kommission das Gesetz wegen Abschaffung der Todesstrafe binnen acht Tagen vorzulegen habe. Das Ministerium erklärt, daß es die Suspension der Vollstreckung sämmtlicher Todesurtheile, bis zur Erlassung dieses Gesetzes, angeordnet habe. Der Abg. Hildenhagen stellt den Antrag, die Versammlung möge den Hrn. Präsidenten ersuchen, am Schlusse jeder Sitzung öffentlich zu erklären, daß sich das Ministerium mit der Vorlage des Kommunalgesetzes beeilen möge. Der Abgeordnete Bredt aus Elberfeld, interpellirt das Staats-Ministerium: 1) ob und welche Schritte Seitens der preußischen Staatsregierung, im Vereine mit den übrigen Zollvereinsregierungen geschehen sind, um den Beitritt Oestreichs, Hannovers, Oldenburgs, Mecklenburgs und der Hansestädte zum Zollverein zu bewirken und hierdurch die Bildung eines Allgemeinen Deutschen Zollvereins herbeizuführen? 2) ob und inwieweit neben der Bildung eines Allgemeinen Deutschen Zollvereins, darauf Bedacht genommen worden, mit den genannten Regierungen, namentlich denjenigen der deutschen Nordseestaaten, gleichzeitig einen Deutschen Handels-Schifffahrtsbund zu Stande zu bringen, welcher gestützt auf ein gemeinsames Differenzialzollsystem, die Aufgabe hat, die bisherige fremde Vermittlung des deutsch- transatlantischen Handels zu beseitigen, dagegen den direkten Deutschlands mit den überseeischen Ländern zu befördern? 3) und ob mit Rücksicht darauf, daß der gegenwärtige Zollvereinstarif bereits mit Ablauf dieses Jahres ausser Kraft tritt, eine schleunige vorläufige Revision desselben durch Zusammenberufung eines Abgeordneten-Kongresses der bisherigen Zollvereins-Staaten unter Zuziehung von Sachverständigen beabsichtigt, oder welche Maßregeln in dieser Beziehung provisorisch angeordnet werden sollen? Diese letzte Maaßregel würde noch dringlicher durch den am 10. Juli, von der provisorischen Executivgewalt in Frankreich gefaßten Beschluß, zur Hebung der französischen Industrie, den Ausfuhrzoll auf Seide und Seidenwaaren, Leinen und Leinengarn, um 4 1/2 pCt. vom Werth zu erhöhen. Der inländischen Industrie wird durch diese Anordnung der französischen Regierung ein harter Schlag beigebracht und es ist nothwendig, daß so schnell wie möglich, geeignete Abwehrmittel ergriffen werden. Der Handelsminister Milde beantwortet diese Frage dahin, ad 1) daß bereits seit dem Monat April eine Kommission in Frankfurt damit beschäftigt sei, um eine gemeinsame deutsche Zollgesetzgebung zu Stande zu bringen; ad 2) daß man bereits im vorigen Jahre mit den deutschen Seestaaten behufs eines deutschen Schifffahrtsbundes und gemeinsamen Differenzial-Zoll-Systems in Verbindung getreten, daß aber namentlich Hamburg und Mecklenburg sich dagegen erklärt. Er erinnere an die weitläufigen Zeitungsartikel, die sich im Laufe des vorigen Jahres, wie ein rother Faden durch alle deutschen Zeitungen gewunden und daß die Zweckmäßigkeit der beregten Maßregeln sehr in Frage gestellt wurde. Der Handelsminister muß daher diese Frage noch als eine offene betrachten. ‒ ad 3) Die in Aussicht stehende Zollvereinigung aller deutschen Staaten, hat bereits im Monat April die preußische Regierung veranlaßt, bei allen Zoll-Vereins-Regierungen anzufragen, ob es nicht besser sei, den vorschriftsmäßigen Kongreß der Zoll-Vereins-Staaten in diesem Jahre zu unterlassen und sich im Wege der Korrespondenz über das Fortbestehen des Zolltarifs und dessen nothwendigen Modifikationen zu vereinigen. Diese Korrespondenz findet gegenwärtig noch statt. ‒ Was die Maßregeln der französischen Regierung anbetrifft, so wird jetzt im Handelsministerium darüber berathen, ob und welche Gegenmaßregeln dagegen anzuwenden seien, vor Beendigung dieser Berathungen müsse er sich seines Urtheils darüber enthalten. Zum Schluß verlangt noch der Abgeordnete Gladbach in einer persönlichen Angelegenheit das Wort: „Der Abg. Schütze habe zwar seinen Antrag zurückgenommen, womit er anträgt, daß mir das Mißfallen der Versammlung und der preußischen Nation durch den Herrn Präsidenten öffentlich zu erkennen gegeben und ich aufgefordert werde, mich in Zukunft solcher Aeußerungen zu enthalten, welche das Nationalgefühl jedes ächten Preußen verletzen und eines preußischen Nationalvertreters unwürdig sind, weil ich die Worte aussprach: ein Theil der Freischaaren in Schleswig-Holstein hat sich aufgelöst, weil er sich nicht von der preußischen Militär-Disciplin hat knechten lassen wollen.“ Gladbach will näher auf die Erläuterungen dieser Worte eingehen und das Knechten der Militär-Disciplin, wie es thatsächlich vorfiel, erzählen, das gefällt aber der Rechten nicht und sie äußern ihre Mißbilligung, da der Redner die Tribüne nicht verlassen will, dadurch, daß sie größtentheils den Saal verlassen. Gladbach beendet aber seinen Vortrag ungestört. * Berlin, 17. Juli. Wie Pilze über Nacht aus der Erde schießen, so wachsen jetzt auf dem Boden der Reaktion politische Prozesse mit einer Schnelligkeit und in solcher Zahl empor, daß man nicht länger über unser Einlaufen in den sichern und gemeinschaftlichen Hafen des Polizeistaats und der „christlich germanischen“Politik, unter den geschickten Lootsen: Camphausen, Hansemann, Pfuel, Schreckenstein & Comp. zweifeln darf. Auf dem restaurirten „Rechts- und Vertrauensboden“ wird nun zwischen männlichen und weiblichen Verbrechern kein Unterschied mehr gemacht. Fährt der revolutionäre Geist erst in die Frauenwelt: so könnte es den Reaktionshelden am Ende schlimm ergehen. Dem muß man vorbeugen. Hier heißts:„bange machen gilt. Sogar die Bäckermeisterinnen werden gegenwärtig vor die heilige Justiz gestellt. So ist dieser Tage die Bäckermeisterin Janetzka wegen Majestätsbeleidigung zu 2 Jahren Zuchthausstrafe verurtheilt worden. Sie hielt sich seit einiger Zeit wegen eines schon über 10 Jahre schwebenden Prozesses hier auf, hatte beim Könige und beim Justizminister Audienz, ohne ihre Hoffnung erfüllt zu sehen und äußerte sich nachher über die gedachten Personen in beleidigender Weise. Daher der Prozeß gegen sie, der bei verschlossenen Thüren stattfand. * Berlin, 18. Juli. Ueber den im Zustand der Mythe befindlichen Trinkspruch des reichsverwesenden Johannes treffen wir in der „Voss. Z.“ eine Aufklärung. Hr. General-Major a. D., v. Flotow, hat damals in Brühl ganz nahe bei dem Toastausbringer gesessen und hat aus dessen Munde folgende Worte vernommen: „ Fortan also: Ein Preußen! Ein Oestreich! Ein einiges Deutschland! Gott segne Eure Majestät!“ Einheit Preußens‒ Einheit Oestreichs‒ Einheit Deutschlands: drei Einheiten statt Einer! Was will man mehr? Wer indeß noch mehr will, dem stehen noch circa 3 Dutzend andere ähnliche Einheiten und Einigkeiten in Deutschland zu Gebote. * Berlin, 18. Juli. Die Buchdruckereibesitzer hiesiger Stadt haben „an sämmtliche Gehülfen der Buchdruckerschaft“ Berlins in einem Circular erklärt, daß sie auf die gestellten Forderungen nicht eingehen können, und wenn auf denselben bestanden würde, die„bedauerliche“ Spaltung sich zu einer unübersteiglichen Kluft erweitern müßte. Sie schlagen dagegen die Erwählung einer Kommission von Vertrauensmännern vor, welche über die gedachten Forderungen entscheiden soll. Hierauf haben die Gehülfen in einer am Sonntag gehaltenen Versammlung beschlossen, den gütlichen Vorschlag bezüglich der Schiedsrichter anzunehmen, jedoch unter der Bedingung, daß letztere nur zwischen den Minimum-Sätzen der Mainzer Versammlung und den höheren, welche die hiesigen Gehülfen fordern, zu entscheiden haben. In der Sitzung des „Vereins für Volksrechte“ vom 14. d. kam das Verfahren der Regierung in diplomatischen Beziehungen zur Sprache. Die diplomatischen Verhandlungen würden selbst, nachdem sie zu Ende geführt seien, kaum den Resultaten nach dem Volke mitgetheilt, der Gang derselben sei und bleibe Geheimniß der Regierung. Die Zeit dieses Geheimthuns sei vorüber, das Volk habe ein Recht, Alles zu erfahren. Der Verein verlangt deshalb daß die Regierungen die diplomatischen Verhandlungen, nachdem sie zu Ende geführt, vollständig in kürzester Frist veröffentlichen. Es ward zugleich das Bedauern ausgesprochen, daß die Deputirten, welche die freiere Richtung vertreten, von der Regierung bisher noch nicht verlangt hätten, daß sie die diplomatische Korrespondenz der Kammer mittheile. Es sei dazu namentlich in der russischen Angelegenheit Veranlassung vorhanden gewesen und solche biete sich auch jetzt wieder in der schleswigschen dar. Vielleicht könnte noch jetzt die Vorlegung der russischen Noten verlangt werden. Es wird beschlossen, ein Anschreiben in diesem Sinne an den Deputirten Berends zu erlassen. 15 Breslau, 17. JuliAls Fortsetzung meines gestrigen Briefes folgendes: Die Vormittagssitzung dauerte bis 1 Uhr und begann auf's Neue um 5 Uhr. Zunächst wurde über die Funktionen des zu ernennenden Provinzial-Comités debattirt. Man einigte sich dahin: das Comité hat seinen Sitz in Breslau und besteht aus 9 Mitgliedern, welche der Kongreß selbst erwählt, ohne jedoch bei der Wahl nur an die Deputirten selbst gebunden zu sein. Gewählt wurden: Hoyoll, Stahlschmidt, Brehmer, Held, Rühl, Engelmann, Dellbrück, Vogtherr und Rosenhain. Ihre Aufgabe ist die Verwaltung der Provinzialkasse; ferner haben sie für Drucksachen zu sorgen, sobald irgend etwas im Sinne der Demokratie zu veröffentlichen ist. Sodann liegt ihnen ob, fortwährend in Korrespondenz mit den Kreisvereinen zu bleiben, um über den Stand der Demokratie in der Provinz stets unterrichtet zu sein, und dem Central-Comité in Berlin monatlich Bericht erstatten, so wie die Mittheilungen dieses Comités den Kreisvereinen übermachen zu können. Zur lebhaftern Verständigung mit der Provinz sollen sie außerdem jedes Vierteljahr einen Kongreß ausschreiben. Bei wichtigen Gelegenheiten haben sie einen außerordentlichen Kongreß zu berufen. Hierauf ging man zur Debatte über soziale Verhältnisse über. Es waren folgende Anträge gestellt worden: der Staat garantirt Jedem den nothwendigen Lebensunterhalt; die Domänen sollen kolonisirt werden; der demokratische Kongreß möge den Wunsch aussprechen, daß sämmtliche demokratischen Vereine die soziale Frage diskutiren; endlich, es möge eine Kommission niedergesetzt werden zur Untersuchung der Verhältnisse des städtischen und ländlichen Proletariats. Es wurde lange hin und her gestritten; man wollte den Arbeitern zeigen, daß der Vorwurf, die Demokratie beschäftige sich nicht mit der socialen Frage, ungegründet sei. Wie vorauszusehen, gelangte man zu keinem andern Resultat, als daß beschlossen wurde, die demokratischen Vereine mögen sämmtlich an die Berathung über die soziale Frage gehen, und dann ihre Mittheilungen an das Provinzial-Comité gelangen lassen; letzteres solle dann für die Ausarbeitung einer Denkschrift über die soziale Frage sorgen, und zur Berathung dieser Frage allein einen neuen Kongreß ausschreiben. Vorher jedoch erklärte die Versammlung durch Aufstehen: die Lösung der sozialen Frage ist die erste und letzte Aufgabe der Demokratie. Es gibt keine andere Demokratie als die soziale. Die nun folgende Frage rief ebenfalls eine interessante und lebhafte Debatte hervor. Sie betraf die schreckenerregende Noth im Eulengebirge. Die Deputirten aus jener Gegend gaben die umfassendsten Details. Schon viele Jahre vor der Revolution begann dort die Noth. Männer, die unter dem gestürzten System durch Schilderung und Aufdeckung des grausigen Elends zur Hülfe anregen wollten, scheiterten an dem schönen Institut der Censur. Der Censor Ebertz, Schönfeldt und wie die Herren weiter heißen, wußten mit dem Rothstift alle Uebel so viel wie möglich zu vertilgen. Nach den Märztagen konnte das Unterstützungs-Comité seine Thätigkeit erweitern. Es wandte sich an die Regierung. Die Antwort lautete: sie könne für jene Leute nichts thun, auch müsse man sich daran gewöhnen, nicht Alles von der Regierung zu verlangen, sondern sich mehr auf seine eigene selbstständige Thätigkeit verlassen. Es wurde am Ende der Beschluß gefaßt, durch die Deputirten schleunigst in allen Städten Comité's zur Unterstützung zu bilden und durch Plakate die Mitbürger zu Beiträgen aufzufordern und eine Petition an die Nationalversammlung zu erlassen. Fast hätte ich noch einen wichtigen Beschluß vergessen. Er lautet dahin: Die Deputirten sollen sich eine möglichst genaue Einsicht in die Administration verschaffen, um bei Reorganisation der Behörden die Absetzung mißliebiger und reaktionärer Beamten und die

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 51. Köln, 21. Juli 1848, S. 0252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz051_1848/2>, abgerufen am 24.11.2024.