Neue Rheinische Zeitung. Nr. 49. Köln, 19. Juli 1848.es bis jetzt nicht Spekulation, sondern wirklicher Bedarf der sich geltend macht. Mag der Konsumo auch noch so sehr gefallen sein, eine gewisse Nachfrage muß sich wiedereinstellen und die gesunkenen Preise aller Rohstoffe rechtfertigen das Eintreffen von Bestellungen im höchsten Grade. Außerdem unterstützen die Kapitalisten alle industriellen und direkt produktiven Bestrebungen williger als sie es seit langen Jahren gethan haben; sie sind der wilden Spekulationen müde und sehen in dem Betrieb unsrer nächsten Ressourcen, die sicherste Garantie für ihre Vorschüsse. Natürlich wird in nicht gar langer Frist dieselbe Ueberproduktion wieder eintreten, der wie die Krisen von 1837, 1842 und 1845-1848 verdanken; natürlich werden sich unsere Fabrikanten und Kapitalisten in Kurzem wieder in dieselbe Spekulationswuth gegenseitig hineinjagen, von der wir 1845 ein so schönes Beispiel auf den Aktienbörsen sahen. Einstweilen aber erfreuen sich unsere Finanz- und Baumwoll Lords des wieder erwachenden Geschäfts und hegen gute Vorsätze - halte sie, wer da kann. Amerika.
Einem Artikel der Times entnehmen wir folgende höchst interessante Mittheilungen aus Yucatan über den Kampf der Weißen mit den Rothhäuten. Trotz aller europäischer Revolutionen mag jene Umwälzung in der neuen Welt noch Beachtung verdienen. Die Halbinsel Yucatan gehört zu Mittel-Amerika und liegt westlich von jenem schmalen die zwei Kontinente verbindenden Landstriche. Mit der äußersten Spitze reicht sie fast an das östlichste Ende Cuba's. In den besten Karten wird man außer der Küste und außer ein oder zwei Landstädten fast nichts von dem ganzen Lande verzeichnet finden. Das Innere desselben ist nach den heutigen Begriffen eigentlich auch noch wenig civilisirt. Man wird sich erinnern, daß die Entdeckung dieses Theiles von Amerika lange nach dem ersten Auffinden der amerikanischen Inseln, und einige Jahre nach dem Tode Columbus geschah. Gegen das Jahr 1542 hatten sich indeß die Spanier darin festgesetzt, und gründeten als Denkmal ihrer siegreichen Invasion die Stadt Merida. Bis zu den Revolutionen in den spanisch-amerikanischen Besitzungen blieb Yucatan ein Reich für sich, gesondert von den Regierungen von Mexiko wie von Guatemala. Nachdem aber Mexiko unabhängig geworden war, folgte auch Yucatan dem Strome der Umwälzungen, namentlich da keine großen Anstrengungen gemacht wurden, diese letzte Provinz festzuhalten und Yucatan erklärte sich zuerst für einen Anschluß an Mexiko, dann an Texas, und schließlich für eine unabhängige Republik. Heute ist die Halbinsel vielleicht wieder auf dem Punkte das zu werden, was sie im sechszehnten Jahrhundert war. Die Partei, welche nämlich in diesem Augenblick in Yucatan die Oberhand erlangt hat, besteht weder aus einer politischen noch aus einer militärischen Faktion, sondern aus einem Haufen jener sehr ursprünglichen Indianer, deren Vorfahren einst dem Schwerte Hermandez de Cordova erlagen. Verwechseln wir die Männer von Yucatan nicht mit den nördlichen Indianern Californiens, die von Zeit zu Zeit plündernd in das mexikanische Gebiet einfallen und zufrieden mit ihrer Beute eben so schnell wieder verschwinden wie sie hereinbrechen, ohne je den Versuch zu machen, sich aufs Neue dauernd an einem bestimmten Orte niederzulassen - die Yucatan-Indianer sind beständiger, sie sind im besten Zuge ihr altes Erbe wieder zu erobern. Die spanische Race der Halbinsel war lange Zeit stationär und verringerte sich sogar der Anzahl nach, während die Rothhäute immer mehr festen Fuß faßten. Die Folge davon war, daß, wie wir glauben, zum ersten Male in der Geschichte der Civilisation, die untergeordnete ursprüngliche Race die Eroberung überlebte, und daß sie nach so vielen Generationen jetzt endlich auf's Neue, ihrem alten, entarteten Feinde die Stirn bietet. Bisher ist sie mit vieler Energie und wahrhaft systematisch dabei zu Werke gegangen, so daß sie z. B. vor Kurzem, gleich nach einem Siege, einen ihrer Anführer auf demselben Orte zum Könige wählte, der einst den Ruhm der Ahnen des Stammes sah. Die ganze Bewegung dauert nun schon einige Zeit und bisher sind mit jeder Post, nur sehr ungünstige Nachrichten in Betreff der Weißen angekommen. Die letzten Berichte sind namentlich im höchsten Grade alarmirend. Der Krieg wurde von Seiten der Indianer zu einem Vertilgungskriege gemacht; kein Weißer, der in ihre Hände fiel, wurde geschont. Ihre Banden, die mit jedem Tage an Zahl und an Kühnheit zunahmen, standen unter geschickter Leitung und befanden sich augenblicklich etwa 20 Meilen von der Stadt Merida, gegen die der nächste Angriff gerichtet werden sollte. Das Innere des Landes schien ganz in ihren Händen zu sein und die Weißen waren in den Küstenstädten zusammengedrängt, welche die Indianer zu stürmen drohten. Man glaubte außerdem, daß sie sogar die britischen Besitzungen angreifen würden, weswegen man von Jamaica eine Abtheilung Truppen aussandte um die englischen Interessen in der Bai von Honduras wahrzunehmen. Wenn man die streitenden Parteien sich selbst überläßt, so ist kein Zweifel, daß das Schlimmste geschehen kann und daß wenigstens Yucatan wieder unter die Herrschaft der Rothhäute kommt. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß bei dem Unterbleiben einer auswärtigen Intervention, die Yucatan-Indianer ihren kalifornischen Brüdern auf dem Plateau von Anahuac schnell die Hand reichen werden, um gemeinschaftlich wieder in die Hallen Montezuma's einzuziehen. Man spricht schon davon, daß die nördlich wohnenden Indianer nur auf den Rückzug der amerikanischen Armee warten, um massenhafter als je über das mexikanische Gebiet herein zu brechen. Der kriegerische Herausgeber des "Vera Cruz Star" Hr. Peoples hat daher auch bereits auf eigne Faust Truppen angeworben um den Weißen in Yucatan zu Hülfe zu ziehen. In Washington scheint das Gouvernement ebenfalls eine Expedition vorzubereiten und wir müssen nun abwarten, wie das nächste Zusammentreffen der verschiedenen interessirten Parteien ausfallen wird. Jedenfalls ist die schleunigste Hülfe nöthig, wenn nicht die ganze Republik eine Beute der Indianer werden soll. Französische Republik.
17 Paris, 15. Juli. Es ist merkwürdig anzuhören wie die Leute jetzt hier vom "Untergange der menschlichen Gesellschaft" sprechen, dem die Juniemeute zugesteuert habe. Das Wort "Societät" war gewiß der Mehrzahl dieser Heuler bisher nur gäng und gäbe wenn man Sonntags en bonne societe auf der Eisenbahn rutschte, oder um die Ecke schlüpfte um unter vier Augen in einem Kabinet de societe mit seiner Lorette zu speisen. Diese naive Bedeutung des Worts ist schrecklich verändert. In jedem Tabacksladen, in jeder Weinschenk hört man jetzt predigen und Gott danken daß die grande societe humaine noch besteht. Sehr unangenehm wird die Nachbarschaft der "rebellischen Faubourgs", d. h. der größern, produktiven Hälfte von Paris. Es bleibt nichts übrig als dieselben wie eroberte Ortschaften mit Truppen besetzt zu halten, mit neuen Kasernen und Batterieen zu verschönern, und die Einwohner auf immer der Waffen zu berauben. Ich bin begierig auf das neue Nationalgardenreglement. Sehr viele scheiden freiwillig aus den Kompagnien aus, unter vorgeschützter Krankheit; die Wachstube ist unerträglich geworden, ja geradezu gefährlich. Einer meiner Freunde erregte einen wahren Sturm als er dort die "Gazette des Tribunaux" vorlas, welche bestätigt daß von den ersten siebentausend verhörten Gefangenen nur hundert entlassene Sträflinge und darunter nur drei und vierzig Galerensträflinge sind. Die Wachstube ward wüthend als er hieraus schloß die Insurgenten seien Ouvriers gewesen; obschon sogar der Chef der Executive auf der Tribüne am 3. Juli sagte: "Wir müssen gestehen, es waren die Arbeiter der Nationalateliers, die man schloß; und würde man ihnen nicht noch eine Geldsubvention gewähren, sie wären im Stande wieder zu insurgiren." - Man verlegt die Fabrik der Gobelinstapeten nach Versailles lediglich um die Arbeiter zu entfernen. Man giebt den Hungerleidern zwar Bons für Brod und Fleisch und Gemüse (mitunter auch nicht) allein sie haben keinen Heller für Kohlen, Salz und Butter, und erkranken durch diese unverdauliche Speise. Vorgestern Nachts zerstreuten die Patrouillen in der Rue Mouffetard eine Schaar verzweifelter Männer und Weiber die schon eine Barrikade halb aufgebaut, und mußten sich zurufen hören: "schlagt uns nur lieber kurzweg todt, ihr Herren Bourgeois, wir sind satt des Hungerns und Arbeit wollt ihr uns ja nicht geben." Das Geplauder der siegreichen Blätter über Aufblühen der Privatindustrie am Kanal St. Martin erweist sich als Prahlerei; bloß zwei Dampfmaschinen haben dort seit dem Juni wieder begonnen, und nicht zwölf wie es hieß. - Uebrigens ist die Haltung der Anhänger von Henri V. merkwürdig, ihre "Gazette du Midi" sagt: "wir können ruhiger zusehen als die mit Meineid und Gelddurst befleckten Philippisten, denen ohnehin die religiöse, heroische Ergebung mangelt welche nie den echten Ritter von Ehre verläßt; wir haben achtzehn Jahre geharrt, wir wollen jetzt die Personagen der dynastischen Kammermehrheit am Spieltisch lassen, ihnen hie und da weisen Rath geben gegen die gottesfrevlerische Wühlerei, diese gemeinsame Feindin, aber kompromittiren wird sich Niemand aus unserer heiligen Phalanx' u. s. w. Darauf folgen dann bittersüße Phrasen voll Anerkennung der Talente und Ordnungsliebe der Herren Barrot, Thiers und Dupin. Andere Legitimistenjournale beschenken die Welt mit Vorschlägen zur Arbeitsorganisirung. Pater Lacordaire, der Dominikaner, erklärt in seinem Journal: "Ere nouvelle", er habe seinen Abschied eingereicht als Volksvertreter weil er sich nicht kräftig genug fühlte, dem nahenden Bürger- und Gesellschaftskriege einen Damm zu setzen; schon im April sah er voraus was der Juni gebracht. Die großen Landbesitzer unterstützen dies Blatt, "das Univers und die Gazzette." Wie könnte, ruft letztere, der Handel besser wieder emporkommen als wenn alle diese zahlreichen und nobeln Familien Zutrauen faßten und ihre Gelder wieder wie unter Louis XVIII. und Karl X. auf den Markt würfen? aber sie können nicht heiter in die Zukunft schauen so lange nicht die Republik eine einzige Familie mit der Vollziehungsgewalt erblich belehnt hat." u. s. w. Die Arbeiter in den Fabrikorten sind jetzt überall in Gährung; selbst mitten im frommen Vendeerlande zu Chollet, wo zehn Manufakturen in Linnen ein starkes Proletariat erzeugt haben, sprach man von der Nothwendigkeit das Joch abzuwerfen; und die zwei Industriellen zu züchtigen welche letzthin krepirtes Rindvieh zu billigen Preisen an die Arbeiter verkauft und dadurch vierzig Mann vergiftet hatten. Der Marquis Colbert, aus dem Stamm des großen Colbert, wendete den seinem Schloß zugedachten Besuch der Bauern, durch ein Geschenk von 10,000 Franken ab. Beiläufig viertausend sind bis jetzt aus den Nationalateliers anderweitig beschäftigt, z. B. für die Eisenbahn von Angouleme; das geschieht aber so absichtlich dumm daß bereits dies pariser Corps von dem dort arbeitenden Provinzialkorps mit blutigen Köpfen empfangen ward und die Bourgeoisgarde ausrücken mußte; es gilt natürlich jetzt kein Mittelchen unbenutzt zu lassen um Zwist in die Ouvriers von Frankreich zu streuen. Dazu bietet das leider noch in allen Provinzen bestehende alte Compagnonssystem köstlichen Anlaß; man jetzt hetzt z. B. bei Angers die "Sublimes" gegen die "Souverains", beides Erdarbeiter. - In Lyon ist die Polizei der Reaktion zu schwach um eine Emeute zu erzeugen, aber um sich zu rächen entwaffnet sie jetzt alle Nationalgardisten daselbst die nicht schon vor dem Februar eingeschrieben gewesen; das dortige M litär behauptete, in Paris seien zwanzig Generale von den "Räubern" lebendig geschunden und verbrannt worden, dafür würde es jetzt in Lyon Strafe setzen. Das Militär glaubt noch immer jede Sylbe des Offiziers, n Paris fragte das 3. Bataillon des 42. Reg. was die Insurgenten mit "republipue sociale" sagen wollten? und bekam vom Major den Bescheid: das heiße Blut saufen und plündern - Schnell kehrten die welche schon bei dem Zuruf der Barrikaden vive la republique democratique den Kolben nach oben gestellt hatten, jetzt ihn wieder um und gaben keinen Pardon. Dies ist historisch. Die Nationalgarde von Batignolles (Paris) hat gestern in ihrer blinden Wuth wieder zwei Proletarierinnen gefährlich verwundet, die Abends in einem Kornfelde saßen und der tapfern Patrouille Aehnlichkeit mit Insurgenten zu haben schienen; eine soll bereits im Spital verstorben sein. Zwei Polizeikommissäre noch von Caussidiere eingesetzt und tüchtige Klubpräsidenten, hat gestern die Reaktion arretirt. "L'avenier national" schlägt etwas übereilt die Trennung der Stadt in zwei Theile vor, vermöge einer quer durchzuziehenden Scheidelinie, und danach in der östlichen Hälfte mehrere Quartiersforts auf neu anzulegenden Plätzen. Das anmuthige "Siecle" proponirt sogar "Modellhäuser", zu deutsch Armenhäuser, worin die Miethe nicht über zwei Prozent steigen dürfe, in jeder großen Straße der reichern Stadttheile anzulegen, für 60 Familien jedes und unter Spezialaufsicht eines Mildthätigkeitsbeamten. Die tollste Angst trübt das Gemüth der Sieger; komische Gerüchte von Unterminirung der Kasernen, Pulverfässern in den Katakomben, Brandstiften, Giftauswerfen u. s. w. verdrehen dem Bauer nicht allein sondern auch dem pariser Ladenmann das Gehirn vollends. Nicht selten stürzen die Nationalgardisten bis ins Dachstübchen eines Hauses in "verdächtigen" Stadtheilen, weil sie Funken Herauskommen gesehen; man findet ein Dienstmädchen welches ihre Wäsche trocknet, oder den Wiederschein des Mondes auf die Scheiben. Die Finanzen der "guten Stadt Paris" sind nicht minder zerrüttet; Marrast schreibt eine Anleihe von 25 Mill. aus um die hunderttausend Uniformen armer Nationalgardisten zu bezahlen, und die Straße Rivoli bis zum Hotel de Ville zu verlängern. Der ganz reaktionäre Dichter Viktor Hugo, dessen Selbstanpreisung zur Kammerwahl auf den Mauern nur durch die des Arztes Piorry an albernem Bombast übertroffen ward, ist, wie sich jetzt findet, ernstlich vom Volk am 24. Juni gesucht worden; es durchstöberte sein Haus im Marais und rief: "Wo ist der verrätherische Poet?" - Wie man weiß, ward die letzte Nummer des peuple konstituant, deren Hauptredakteur Lamennais ist, mit Beschlag gelegt. Lamennais verlangte von der Nationalversammlung, daß sie den Staatsprokurator autorisire, ihn, statt des Geranten zu verfolgen. Die Bitte wurde abgelehnt; Lamennais hat deßhalb folgendes Schreiben an den Justizminister gerichtet: Bürger Minister! Ich habe heute an den Präsidenten der Nationalversammlung einen Brief geschrieben, dessen Abschrift ich Ihnen hiermit mittheile. Er lautet: "Bürger Präsident! Wenige Tage bevor der "peuple constituant" zu erscheinen aufhörte, wurde, der alten Preßgesetzgebung gemäß, die Unterschrift eines Geranten gefordert, und von den beim Journal Beschäftigten erbot sich Jemand, provisosorisch in dieser Eigenschaft zu zeichnen. Bald nachher wurde die letzte Nummer des "peuple constituant" mit Beschlag belegt und der provisorische Gerant ist heute geladen, vor dem Instruktionsrichter zu erscheinen. Der inkriminirte Artikel ist von mir verfaßt und unterzeichnet, es wäre also im äußersten Grade unbillig, einen andern als mich dafür verantwortlich zu machen. Demnach verlange ich, daß die Nationalversammlung sofort Autorisation ertheile zu Verfolgungen gegen mich, die ohne offenbare Ungerechtigkeit gegen keinen andern gerichtet werden könnten." Die Versammlung hat mein Gesuch abgelehnt, weil sich Niemand selber denunziren könne. Sie hat nicht berücksichtigen wollen, daß der Artikel von mir gezeichnet ist, also über dessen wahren Verfasser kein Zweifel existiren kann. Inzwischen verfolgt man auf diesen Artikel hin einen Mann, der, wie ich hiermit erkläre, demselben gänzlich fremd ist, der ihn nicht einmal gelesen haben kann; denn ich lege Niemanden, wer es auch sei, vor, was ich schreibe und zeichne. Der blose Gedanke einer solchen Unbilligkeit ist empörend. Sie, Bürger Minister, können sie wieder gut machen, wenn Sie von der Nationalversammlung die Autorisation erlangen, mich, den wahren Urheber des Vergehens, zu verfolgen. Es ist unmöglich, daß dieses Gesuch, von Ihnen gestellt, von mir unterstützt, nicht sofort bewilligt werde. Es handelt sich um einen in jeder Hinsicht Unschuldigen, der sehr mit Unrecht statt meiner angeklagt wird; der Minister der Gerechtigkeit wird keinen Augenblick bestehen, meinem Verlangen Recht widerfahren zu lassen. - Hr. Outrebon, ehemaliger Notar in Paris, ist heute vor dem Zucht-Polizeigericht der Seine (6. Kammer) Vorsitz des Hrn. Lepelletier d'Aulnay, erschienen, unter der Anklage das Zutrauen mißbraucht zu haben. Er hat als Beistand den Hrn. Mahon, ehemaligen Substituten bei dem Gericht erster Instanz des Seine-Departements. Aus den Nachsuchungen ist hervorgegangen, daß seit dem Jahre 1828 bis 1847, Hr. Outrebon zum Nachtheil seiner Clienten die Summe von zwei Millionen 152,697 Franken zu anderen Zwecken verwendet hat. Der Angeklagte hat industrielle Spekulationen getrieben; er hat liegende Güter gekauft, als er schon um eine Million unter seinen Geschäften stand. Ein Haus in der Straße de la Roquette, und Matten zu Rumilly haben ihn wenigstens 100,000 Fr. gekostet. Seine eigene Haushaltung ist mit Luxus geführt worden, Hr. Outrebon hat die Ausgabe dafür auf 30 bis 40,000 Fr. jährlich angeschlagen, das heißt auf drei Viertel des Einkommens seiner Schreibstube, endlich galt er für einen großen Spieler. Um nun den immer größer werdenden Bedürfnissen zu entsprechen, scheute er sich nicht, diejenigen Gelder anzuwenden, welche ihm von seinen Clienten anvertraut wurden, die er entweder für Renteneinschreibungen auf den Staat, oder für hypothekarische Anlegungen verwenden sollte. Es ist zu vermuthen, daß ohne das Einschreiten der Gerechtigkeit er noch einige Zeit so fortgefahren hätte, obgleich er keine Hoffnung mehr haben konnte sich wieder zu erholen. Der Angeschuldigte hat von Anfang der Instruktion an, die vollständigsten Geständnisse gemacht. Die Audienz wurde zur Abhörung der ein und dreißig Zeugen, worunter die Herren von Fontenay, de la Tour-Duffint und von Turgot sich befinden, gewidmet. Morgen werden die Vertheidigungsreden beginnen. Wir lesen in der Reforme: "Die Ligue der Royalisten aller Regimes, aller Branchen ist offenkundig. Jeder Tag bringt uns einen neuen Beweis, eine neue Offenbarung jener schändlichen Manövers, die in Anwendung gebracht werden. "Vor einigen Tagen noch hatte man im Departement Isere das Gerücht verbreitet, daß in Lyon die Soldaten in die Rhone geworfen und ihre Offiziere getödtet würden. Die Soldaten von diesem Departement drangen daher plötzlich in Lyon ein und waren sehr erstaunt, als sie sahen, daß man ihren Kameraden nichts zu Leide that. "Die Lyoner Arbeiter setzen allen Aufreizungen, allen Verlockungen die größte Mäßigung entgegen. Alle Intriguen scheitern an ihrer Klugheit. Und dennoch erreicht jetzt die Reaktion durch Gewalt das, was sie durch ihre Intriguen nicht hat erlangen können. Sie wollte eine allgemeine Entwaffnung der Nationalgarde von Lyon und diese ist jetzt im Werke. Die bloße Ankündigung dieser Maßregel hat alle Welt in Staunen gesetzt. Vergebens sucht man nach einem erheblichen Grunde zu diesem Gewaltstreiche: denn ungeachtet aller Intriguen und Aufwiegelungen hat sich nicht das geringste Symptom einer Ruhestörung gezeigt. "Die Deputirten der Rhone wollen, wie man versichert, die exekutive Gewalt hinsichtlich dieser Entwaffnung der Lyoner Bürger interpelliren. In den Bureaux fährt man mit großer Lebhaftigkeit fort, den Konstitutionsentwurf zu besprechen. Zwei Systeme stehen sich vorzugsweise gegenüber. Die Wahl des Präsidenten der Republik durch das ganze Volk mittelst direkter Wahl oder blos durch die konstituirende Versammlung. "Die Einheit," sagte Cormenin, "ist die einzige für uns mögliche Form. Wir Franzosen haben einmal einen Widerwillen gegen alles zusammengesetzte, komplicirte Räderwerk. Man begreift uns, weil wir einfach sind, und das Einfache überhaupt dasjenige ist, was allen andern Völkern, selbst denjenigen, die unsre Sprache nicht verstehen, zugänglich, verständlich ist. Z. B. Sobald das ganze französische Volk sich erhoben hat wie ein Mann, und gesprochen: ich bin der Souverän, der einzige Souverän, sind alle andern Völker, die bisher dem Despotismus zu Füßen lagen, stutzig geworden, und dachten: Und wir dann, warum sollten wir nicht auch Souverän sein? Die Souveränetät des Volkes, das ist seine Einheit und deshalb habe ich folgende fünf Prinzipien adoptirt: 1) Die Souveränetät beruht in der Universalität aller Bürger; sie ist unveräußerlich. 2) Frankreich ist eine demokratische Republik, ein und untheilbar. 4) Das Stimmrecht ist direkt und allgemein. 5) Das französische Volk delegirt die exekutive Gewalt einem Mitbürger, der den Titel des Präsidenten annimmt. Diejenigen, welche für die Wahl des Präsidenten durch die konstituirende Versammlung sich aussprechen, haben die Majorität in zwei Bureaux erhalten. Sie heben namentlich hervor, daß in den jetzigen Umständen die allgemeine Wahl wiederum alle Intriguen in Bewegung setzen würde. Als Vertheidiger dieses Systems tritt Leon Faucher auf. Belgien.
* Brüssel.
Anklageakt des Generalprokurators über die Affaire von Risquons Tout. (Forts. aus Nro. 47.) Balliu hatte zu Brüssel, wie er selbst zugesteht, den Besuch zweier polytechnischen Schüler empfangen, über die wir in einem Briefe Derudder's an Imbert Aufklärung erhalten; derselbe schreibt über republikanische Modifikationen der "Alliance": "Theilen Sie, mein theurer alter Gefährte, diese Neuigkeit den Bürgern Delafosse und Roquin, Eleven der polytechnischen Schule mit, und empfehlen Sie mich und unsern Freund Balliu ihrem Andenken. Wenn ich mich nicht weiter über diese Bürger verbreite, so geschieht dies, weil ich in den ersten Tagen des Mai selbst nach Paris zu kommen hoffe, wo ich mir das Vergnügen vorbehalte, ihnen persönlich mehr zu sagen; bitten Sie dieselben, sich einstweilen mit einem brüderlichen Händedruck zu begnügen, in Erwiederung der früheren Gewogenheit, die sie für uns bethätigt haben." Diese beiden Eleven waren bei Balliu durch Imbert eingeführt worden; sie waren, wie Tedesco bekennt, am 26. März in der Union gewesen, und am 30. gleichzeitig mit Balliu, Derudder, Perin, Mathieu und (Siehe den Verfolg in der Beilage.) es bis jetzt nicht Spekulation, sondern wirklicher Bedarf der sich geltend macht. Mag der Konsumo auch noch so sehr gefallen sein, eine gewisse Nachfrage muß sich wiedereinstellen und die gesunkenen Preise aller Rohstoffe rechtfertigen das Eintreffen von Bestellungen im höchsten Grade. Außerdem unterstützen die Kapitalisten alle industriellen und direkt produktiven Bestrebungen williger als sie es seit langen Jahren gethan haben; sie sind der wilden Spekulationen müde und sehen in dem Betrieb unsrer nächsten Ressourcen, die sicherste Garantie für ihre Vorschüsse. Natürlich wird in nicht gar langer Frist dieselbe Ueberproduktion wieder eintreten, der wie die Krisen von 1837, 1842 und 1845-1848 verdanken; natürlich werden sich unsere Fabrikanten und Kapitalisten in Kurzem wieder in dieselbe Spekulationswuth gegenseitig hineinjagen, von der wir 1845 ein so schönes Beispiel auf den Aktienbörsen sahen. Einstweilen aber erfreuen sich unsere Finanz- und Baumwoll Lords des wieder erwachenden Geschäfts und hegen gute Vorsätze ‒ halte sie, wer da kann. Amerika.
Einem Artikel der Times entnehmen wir folgende höchst interessante Mittheilungen aus Yucatan über den Kampf der Weißen mit den Rothhäuten. Trotz aller europäischer Revolutionen mag jene Umwälzung in der neuen Welt noch Beachtung verdienen. Die Halbinsel Yucatan gehört zu Mittel-Amerika und liegt westlich von jenem schmalen die zwei Kontinente verbindenden Landstriche. Mit der äußersten Spitze reicht sie fast an das östlichste Ende Cuba's. In den besten Karten wird man außer der Küste und außer ein oder zwei Landstädten fast nichts von dem ganzen Lande verzeichnet finden. Das Innere desselben ist nach den heutigen Begriffen eigentlich auch noch wenig civilisirt. Man wird sich erinnern, daß die Entdeckung dieses Theiles von Amerika lange nach dem ersten Auffinden der amerikanischen Inseln, und einige Jahre nach dem Tode Columbus geschah. Gegen das Jahr 1542 hatten sich indeß die Spanier darin festgesetzt, und gründeten als Denkmal ihrer siegreichen Invasion die Stadt Merida. Bis zu den Revolutionen in den spanisch-amerikanischen Besitzungen blieb Yucatan ein Reich für sich, gesondert von den Regierungen von Mexiko wie von Guatemala. Nachdem aber Mexiko unabhängig geworden war, folgte auch Yucatan dem Strome der Umwälzungen, namentlich da keine großen Anstrengungen gemacht wurden, diese letzte Provinz festzuhalten und Yucatan erklärte sich zuerst für einen Anschluß an Mexiko, dann an Texas, und schließlich für eine unabhängige Republik. Heute ist die Halbinsel vielleicht wieder auf dem Punkte das zu werden, was sie im sechszehnten Jahrhundert war. Die Partei, welche nämlich in diesem Augenblick in Yucatan die Oberhand erlangt hat, besteht weder aus einer politischen noch aus einer militärischen Faktion, sondern aus einem Haufen jener sehr ursprünglichen Indianer, deren Vorfahren einst dem Schwerte Hermandez de Cordova erlagen. Verwechseln wir die Männer von Yucatan nicht mit den nördlichen Indianern Californiens, die von Zeit zu Zeit plündernd in das mexikanische Gebiet einfallen und zufrieden mit ihrer Beute eben so schnell wieder verschwinden wie sie hereinbrechen, ohne je den Versuch zu machen, sich aufs Neue dauernd an einem bestimmten Orte niederzulassen ‒ die Yucatan-Indianer sind beständiger, sie sind im besten Zuge ihr altes Erbe wieder zu erobern. Die spanische Race der Halbinsel war lange Zeit stationär und verringerte sich sogar der Anzahl nach, während die Rothhäute immer mehr festen Fuß faßten. Die Folge davon war, daß, wie wir glauben, zum ersten Male in der Geschichte der Civilisation, die untergeordnete ursprüngliche Race die Eroberung überlebte, und daß sie nach so vielen Generationen jetzt endlich auf's Neue, ihrem alten, entarteten Feinde die Stirn bietet. Bisher ist sie mit vieler Energie und wahrhaft systematisch dabei zu Werke gegangen, so daß sie z. B. vor Kurzem, gleich nach einem Siege, einen ihrer Anführer auf demselben Orte zum Könige wählte, der einst den Ruhm der Ahnen des Stammes sah. Die ganze Bewegung dauert nun schon einige Zeit und bisher sind mit jeder Post, nur sehr ungünstige Nachrichten in Betreff der Weißen angekommen. Die letzten Berichte sind namentlich im höchsten Grade alarmirend. Der Krieg wurde von Seiten der Indianer zu einem Vertilgungskriege gemacht; kein Weißer, der in ihre Hände fiel, wurde geschont. Ihre Banden, die mit jedem Tage an Zahl und an Kühnheit zunahmen, standen unter geschickter Leitung und befanden sich augenblicklich etwa 20 Meilen von der Stadt Merida, gegen die der nächste Angriff gerichtet werden sollte. Das Innere des Landes schien ganz in ihren Händen zu sein und die Weißen waren in den Küstenstädten zusammengedrängt, welche die Indianer zu stürmen drohten. Man glaubte außerdem, daß sie sogar die britischen Besitzungen angreifen würden, weswegen man von Jamaica eine Abtheilung Truppen aussandte um die englischen Interessen in der Bai von Honduras wahrzunehmen. Wenn man die streitenden Parteien sich selbst überläßt, so ist kein Zweifel, daß das Schlimmste geschehen kann und daß wenigstens Yucatan wieder unter die Herrschaft der Rothhäute kommt. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß bei dem Unterbleiben einer auswärtigen Intervention, die Yucatan-Indianer ihren kalifornischen Brüdern auf dem Plateau von Anahuac schnell die Hand reichen werden, um gemeinschaftlich wieder in die Hallen Montezuma's einzuziehen. Man spricht schon davon, daß die nördlich wohnenden Indianer nur auf den Rückzug der amerikanischen Armee warten, um massenhafter als je über das mexikanische Gebiet herein zu brechen. Der kriegerische Herausgeber des „Vera Cruz Star“ Hr. Peoples hat daher auch bereits auf eigne Faust Truppen angeworben um den Weißen in Yucatan zu Hülfe zu ziehen. In Washington scheint das Gouvernement ebenfalls eine Expedition vorzubereiten und wir müssen nun abwarten, wie das nächste Zusammentreffen der verschiedenen interessirten Parteien ausfallen wird. Jedenfalls ist die schleunigste Hülfe nöthig, wenn nicht die ganze Republik eine Beute der Indianer werden soll. Französische Republik.
17 Paris, 15. Juli. Es ist merkwürdig anzuhören wie die Leute jetzt hier vom „Untergange der menschlichen Gesellschaft“ sprechen, dem die Juniemeute zugesteuert habe. Das Wort „Societät“ war gewiß der Mehrzahl dieser Heuler bisher nur gäng und gäbe wenn man Sonntags en bonne société auf der Eisenbahn rutschte, oder um die Ecke schlüpfte um unter vier Augen in einem Kabinet de société mit seiner Lorette zu speisen. Diese naive Bedeutung des Worts ist schrecklich verändert. In jedem Tabacksladen, in jeder Weinschenk hört man jetzt predigen und Gott danken daß die grande société humaine noch besteht. Sehr unangenehm wird die Nachbarschaft der „rebellischen Faubourgs“, d. h. der größern, produktiven Hälfte von Paris. Es bleibt nichts übrig als dieselben wie eroberte Ortschaften mit Truppen besetzt zu halten, mit neuen Kasernen und Batterieen zu verschönern, und die Einwohner auf immer der Waffen zu berauben. Ich bin begierig auf das neue Nationalgardenreglement. Sehr viele scheiden freiwillig aus den Kompagnien aus, unter vorgeschützter Krankheit; die Wachstube ist unerträglich geworden, ja geradezu gefährlich. Einer meiner Freunde erregte einen wahren Sturm als er dort die „Gazette des Tribunaux“ vorlas, welche bestätigt daß von den ersten siebentausend verhörten Gefangenen nur hundert entlassene Sträflinge und darunter nur drei und vierzig Galerensträflinge sind. Die Wachstube ward wüthend als er hieraus schloß die Insurgenten seien Ouvriers gewesen; obschon sogar der Chef der Executive auf der Tribüne am 3. Juli sagte: „Wir müssen gestehen, es waren die Arbeiter der Nationalateliers, die man schloß; und würde man ihnen nicht noch eine Geldsubvention gewähren, sie wären im Stande wieder zu insurgiren.“ ‒ Man verlegt die Fabrik der Gobelinstapeten nach Versailles lediglich um die Arbeiter zu entfernen. Man giebt den Hungerleidern zwar Bons für Brod und Fleisch und Gemüse (mitunter auch nicht) allein sie haben keinen Heller für Kohlen, Salz und Butter, und erkranken durch diese unverdauliche Speise. Vorgestern Nachts zerstreuten die Patrouillen in der Rue Mouffetard eine Schaar verzweifelter Männer und Weiber die schon eine Barrikade halb aufgebaut, und mußten sich zurufen hören: „schlagt uns nur lieber kurzweg todt, ihr Herren Bourgeois, wir sind satt des Hungerns und Arbeit wollt ihr uns ja nicht geben.“ Das Geplauder der siegreichen Blätter über Aufblühen der Privatindustrie am Kanal St. Martin erweist sich als Prahlerei; bloß zwei Dampfmaschinen haben dort seit dem Juni wieder begonnen, und nicht zwölf wie es hieß. ‒ Uebrigens ist die Haltung der Anhänger von Henri V. merkwürdig, ihre „Gazette du Midi“ sagt: „wir können ruhiger zusehen als die mit Meineid und Gelddurst befleckten Philippisten, denen ohnehin die religiöse, heroische Ergebung mangelt welche nie den echten Ritter von Ehre verläßt; wir haben achtzehn Jahre geharrt, wir wollen jetzt die Personagen der dynastischen Kammermehrheit am Spieltisch lassen, ihnen hie und da weisen Rath geben gegen die gottesfrevlerische Wühlerei, diese gemeinsame Feindin, aber kompromittiren wird sich Niemand aus unserer heiligen Phalanx' u. s. w. Darauf folgen dann bittersüße Phrasen voll Anerkennung der Talente und Ordnungsliebe der Herren Barrot, Thiers und Dupin. Andere Legitimistenjournale beschenken die Welt mit Vorschlägen zur Arbeitsorganisirung. Pater Lacordaire, der Dominikaner, erklärt in seinem Journal: „Ere nouvelle“, er habe seinen Abschied eingereicht als Volksvertreter weil er sich nicht kräftig genug fühlte, dem nahenden Bürger- und Gesellschaftskriege einen Damm zu setzen; schon im April sah er voraus was der Juni gebracht. Die großen Landbesitzer unterstützen dies Blatt, „das Univers und die Gazzette.“ Wie könnte, ruft letztere, der Handel besser wieder emporkommen als wenn alle diese zahlreichen und nobeln Familien Zutrauen faßten und ihre Gelder wieder wie unter Louis XVIII. und Karl X. auf den Markt würfen? aber sie können nicht heiter in die Zukunft schauen so lange nicht die Republik eine einzige Familie mit der Vollziehungsgewalt erblich belehnt hat.“ u. s. w. Die Arbeiter in den Fabrikorten sind jetzt überall in Gährung; selbst mitten im frommen Vendeerlande zu Chollet, wo zehn Manufakturen in Linnen ein starkes Proletariat erzeugt haben, sprach man von der Nothwendigkeit das Joch abzuwerfen; und die zwei Industriellen zu züchtigen welche letzthin krepirtes Rindvieh zu billigen Preisen an die Arbeiter verkauft und dadurch vierzig Mann vergiftet hatten. Der Marquis Colbert, aus dem Stamm des großen Colbert, wendete den seinem Schloß zugedachten Besuch der Bauern, durch ein Geschenk von 10,000 Franken ab. Beiläufig viertausend sind bis jetzt aus den Nationalateliers anderweitig beschäftigt, z. B. für die Eisenbahn von Angouleme; das geschieht aber so absichtlich dumm daß bereits dies pariser Corps von dem dort arbeitenden Provinzialkorps mit blutigen Köpfen empfangen ward und die Bourgeoisgarde ausrücken mußte; es gilt natürlich jetzt kein Mittelchen unbenutzt zu lassen um Zwist in die Ouvriers von Frankreich zu streuen. Dazu bietet das leider noch in allen Provinzen bestehende alte Compagnonssystem köstlichen Anlaß; man jetzt hetzt z. B. bei Angers die „Sublimes“ gegen die „Souverains“, beides Erdarbeiter. ‒ In Lyon ist die Polizei der Reaktion zu schwach um eine Emeute zu erzeugen, aber um sich zu rächen entwaffnet sie jetzt alle Nationalgardisten daselbst die nicht schon vor dem Februar eingeschrieben gewesen; das dortige M litär behauptete, in Paris seien zwanzig Generale von den „Räubern“ lebendig geschunden und verbrannt worden, dafür würde es jetzt in Lyon Strafe setzen. Das Militär glaubt noch immer jede Sylbe des Offiziers, n Paris fragte das 3. Bataillon des 42. Reg. was die Insurgenten mit „republipue sociale“ sagen wollten? und bekam vom Major den Bescheid: das heiße Blut saufen und plündern ‒ Schnell kehrten die welche schon bei dem Zuruf der Barrikaden vive la republique démocratique den Kolben nach oben gestellt hatten, jetzt ihn wieder um und gaben keinen Pardon. Dies ist historisch. Die Nationalgarde von Batignolles (Paris) hat gestern in ihrer blinden Wuth wieder zwei Proletarierinnen gefährlich verwundet, die Abends in einem Kornfelde saßen und der tapfern Patrouille Aehnlichkeit mit Insurgenten zu haben schienen; eine soll bereits im Spital verstorben sein. Zwei Polizeikommissäre noch von Caussidiere eingesetzt und tüchtige Klubpräsidenten, hat gestern die Reaktion arretirt. „L'avenier national“ schlägt etwas übereilt die Trennung der Stadt in zwei Theile vor, vermöge einer quer durchzuziehenden Scheidelinie, und danach in der östlichen Hälfte mehrere Quartiersforts auf neu anzulegenden Plätzen. Das anmuthige „Siecle“ proponirt sogar „Modellhäuser“, zu deutsch Armenhäuser, worin die Miethe nicht über zwei Prozent steigen dürfe, in jeder großen Straße der reichern Stadttheile anzulegen, für 60 Familien jedes und unter Spezialaufsicht eines Mildthätigkeitsbeamten. Die tollste Angst trübt das Gemüth der Sieger; komische Gerüchte von Unterminirung der Kasernen, Pulverfässern in den Katakomben, Brandstiften, Giftauswerfen u. s. w. verdrehen dem Bauer nicht allein sondern auch dem pariser Ladenmann das Gehirn vollends. Nicht selten stürzen die Nationalgardisten bis ins Dachstübchen eines Hauses in „verdächtigen“ Stadtheilen, weil sie Funken Herauskommen gesehen; man findet ein Dienstmädchen welches ihre Wäsche trocknet, oder den Wiederschein des Mondes auf die Scheiben. Die Finanzen der „guten Stadt Paris“ sind nicht minder zerrüttet; Marrast schreibt eine Anleihe von 25 Mill. aus um die hunderttausend Uniformen armer Nationalgardisten zu bezahlen, und die Straße Rivoli bis zum Hotel de Ville zu verlängern. Der ganz reaktionäre Dichter Viktor Hugo, dessen Selbstanpreisung zur Kammerwahl auf den Mauern nur durch die des Arztes Piorry an albernem Bombast übertroffen ward, ist, wie sich jetzt findet, ernstlich vom Volk am 24. Juni gesucht worden; es durchstöberte sein Haus im Marais und rief: „Wo ist der verrätherische Poet?“ ‒ Wie man weiß, ward die letzte Nummer des peuple konstituant, deren Hauptredakteur Lamennais ist, mit Beschlag gelegt. Lamennais verlangte von der Nationalversammlung, daß sie den Staatsprokurator autorisire, ihn, statt des Geranten zu verfolgen. Die Bitte wurde abgelehnt; Lamennais hat deßhalb folgendes Schreiben an den Justizminister gerichtet: Bürger Minister! Ich habe heute an den Präsidenten der Nationalversammlung einen Brief geschrieben, dessen Abschrift ich Ihnen hiermit mittheile. Er lautet: „Bürger Präsident! Wenige Tage bevor der „peuple constituant“ zu erscheinen aufhörte, wurde, der alten Preßgesetzgebung gemäß, die Unterschrift eines Geranten gefordert, und von den beim Journal Beschäftigten erbot sich Jemand, provisosorisch in dieser Eigenschaft zu zeichnen. Bald nachher wurde die letzte Nummer des „peuple constituant“ mit Beschlag belegt und der provisorische Gerant ist heute geladen, vor dem Instruktionsrichter zu erscheinen. Der inkriminirte Artikel ist von mir verfaßt und unterzeichnet, es wäre also im äußersten Grade unbillig, einen andern als mich dafür verantwortlich zu machen. Demnach verlange ich, daß die Nationalversammlung sofort Autorisation ertheile zu Verfolgungen gegen mich, die ohne offenbare Ungerechtigkeit gegen keinen andern gerichtet werden könnten.“ Die Versammlung hat mein Gesuch abgelehnt, weil sich Niemand selber denunziren könne. Sie hat nicht berücksichtigen wollen, daß der Artikel von mir gezeichnet ist, also über dessen wahren Verfasser kein Zweifel existiren kann. Inzwischen verfolgt man auf diesen Artikel hin einen Mann, der, wie ich hiermit erkläre, demselben gänzlich fremd ist, der ihn nicht einmal gelesen haben kann; denn ich lege Niemanden, wer es auch sei, vor, was ich schreibe und zeichne. Der blose Gedanke einer solchen Unbilligkeit ist empörend. Sie, Bürger Minister, können sie wieder gut machen, wenn Sie von der Nationalversammlung die Autorisation erlangen, mich, den wahren Urheber des Vergehens, zu verfolgen. Es ist unmöglich, daß dieses Gesuch, von Ihnen gestellt, von mir unterstützt, nicht sofort bewilligt werde. Es handelt sich um einen in jeder Hinsicht Unschuldigen, der sehr mit Unrecht statt meiner angeklagt wird; der Minister der Gerechtigkeit wird keinen Augenblick bestehen, meinem Verlangen Recht widerfahren zu lassen. ‒ Hr. Outrebon, ehemaliger Notar in Paris, ist heute vor dem Zucht-Polizeigericht der Seine (6. Kammer) Vorsitz des Hrn. Lepelletier d'Aulnay, erschienen, unter der Anklage das Zutrauen mißbraucht zu haben. Er hat als Beistand den Hrn. Mahon, ehemaligen Substituten bei dem Gericht erster Instanz des Seine-Departements. Aus den Nachsuchungen ist hervorgegangen, daß seit dem Jahre 1828 bis 1847, Hr. Outrebon zum Nachtheil seiner Clienten die Summe von zwei Millionen 152,697 Franken zu anderen Zwecken verwendet hat. Der Angeklagte hat industrielle Spekulationen getrieben; er hat liegende Güter gekauft, als er schon um eine Million unter seinen Geschäften stand. Ein Haus in der Straße de la Roquette, und Matten zu Rumilly haben ihn wenigstens 100,000 Fr. gekostet. Seine eigene Haushaltung ist mit Luxus geführt worden, Hr. Outrebon hat die Ausgabe dafür auf 30 bis 40,000 Fr. jährlich angeschlagen, das heißt auf drei Viertel des Einkommens seiner Schreibstube, endlich galt er für einen großen Spieler. Um nun den immer größer werdenden Bedürfnissen zu entsprechen, scheute er sich nicht, diejenigen Gelder anzuwenden, welche ihm von seinen Clienten anvertraut wurden, die er entweder für Renteneinschreibungen auf den Staat, oder für hypothekarische Anlegungen verwenden sollte. Es ist zu vermuthen, daß ohne das Einschreiten der Gerechtigkeit er noch einige Zeit so fortgefahren hätte, obgleich er keine Hoffnung mehr haben konnte sich wieder zu erholen. Der Angeschuldigte hat von Anfang der Instruktion an, die vollständigsten Geständnisse gemacht. Die Audienz wurde zur Abhörung der ein und dreißig Zeugen, worunter die Herren von Fontenay, de la Tour-Duffint und von Turgot sich befinden, gewidmet. Morgen werden die Vertheidigungsreden beginnen. Wir lesen in der Reforme: „Die Ligue der Royalisten aller Regimes, aller Branchen ist offenkundig. Jeder Tag bringt uns einen neuen Beweis, eine neue Offenbarung jener schändlichen Manövers, die in Anwendung gebracht werden. „Vor einigen Tagen noch hatte man im Departement Isère das Gerücht verbreitet, daß in Lyon die Soldaten in die Rhone geworfen und ihre Offiziere getödtet würden. Die Soldaten von diesem Departement drangen daher plötzlich in Lyon ein und waren sehr erstaunt, als sie sahen, daß man ihren Kameraden nichts zu Leide that. „Die Lyoner Arbeiter setzen allen Aufreizungen, allen Verlockungen die größte Mäßigung entgegen. Alle Intriguen scheitern an ihrer Klugheit. Und dennoch erreicht jetzt die Reaktion durch Gewalt das, was sie durch ihre Intriguen nicht hat erlangen können. Sie wollte eine allgemeine Entwaffnung der Nationalgarde von Lyon und diese ist jetzt im Werke. Die bloße Ankündigung dieser Maßregel hat alle Welt in Staunen gesetzt. Vergebens sucht man nach einem erheblichen Grunde zu diesem Gewaltstreiche: denn ungeachtet aller Intriguen und Aufwiegelungen hat sich nicht das geringste Symptom einer Ruhestörung gezeigt. „Die Deputirten der Rhone wollen, wie man versichert, die exekutive Gewalt hinsichtlich dieser Entwaffnung der Lyoner Bürger interpelliren. In den Bureaux fährt man mit großer Lebhaftigkeit fort, den Konstitutionsentwurf zu besprechen. Zwei Systeme stehen sich vorzugsweise gegenüber. Die Wahl des Präsidenten der Republik durch das ganze Volk mittelst direkter Wahl oder blos durch die konstituirende Versammlung. „Die Einheit,“ sagte Cormenin, „ist die einzige für uns mögliche Form. Wir Franzosen haben einmal einen Widerwillen gegen alles zusammengesetzte, komplicirte Räderwerk. Man begreift uns, weil wir einfach sind, und das Einfache überhaupt dasjenige ist, was allen andern Völkern, selbst denjenigen, die unsre Sprache nicht verstehen, zugänglich, verständlich ist. Z. B. Sobald das ganze französische Volk sich erhoben hat wie ein Mann, und gesprochen: ich bin der Souverän, der einzige Souverän, sind alle andern Völker, die bisher dem Despotismus zu Füßen lagen, stutzig geworden, und dachten: Und wir dann, warum sollten wir nicht auch Souverän sein? Die Souveränetät des Volkes, das ist seine Einheit und deshalb habe ich folgende fünf Prinzipien adoptirt: 1) Die Souveränetät beruht in der Universalität aller Bürger; sie ist unveräußerlich. 2) Frankreich ist eine demokratische Republik, ein und untheilbar. 4) Das Stimmrecht ist direkt und allgemein. 5) Das französische Volk delegirt die exekutive Gewalt einem Mitbürger, der den Titel des Präsidenten annimmt. Diejenigen, welche für die Wahl des Präsidenten durch die konstituirende Versammlung sich aussprechen, haben die Majorität in zwei Bureaux erhalten. Sie heben namentlich hervor, daß in den jetzigen Umständen die allgemeine Wahl wiederum alle Intriguen in Bewegung setzen würde. Als Vertheidiger dieses Systems tritt Leon Faucher auf. Belgien.
* Brüssel.
Anklageakt des Generalprokurators über die Affaire von Risquons Tout. (Forts. aus Nro. 47.) Balliu hatte zu Brüssel, wie er selbst zugesteht, den Besuch zweier polytechnischen Schüler empfangen, über die wir in einem Briefe Derudder's an Imbert Aufklärung erhalten; derselbe schreibt über republikanische Modifikationen der „Alliance“: „Theilen Sie, mein theurer alter Gefährte, diese Neuigkeit den Bürgern Delafosse und Roquin, Elèven der polytechnischen Schule mit, und empfehlen Sie mich und unsern Freund Balliu ihrem Andenken. Wenn ich mich nicht weiter über diese Bürger verbreite, so geschieht dies, weil ich in den ersten Tagen des Mai selbst nach Paris zu kommen hoffe, wo ich mir das Vergnügen vorbehalte, ihnen persönlich mehr zu sagen; bitten Sie dieselben, sich einstweilen mit einem brüderlichen Händedruck zu begnügen, in Erwiederung der früheren Gewogenheit, die sie für uns bethätigt haben.“ Diese beiden Elèven waren bei Balliu durch Imbert eingeführt worden; sie waren, wie Tedesco bekennt, am 26. März in der Union gewesen, und am 30. gleichzeitig mit Balliu, Derudder, Perin, Mathieu und (Siehe den Verfolg in der Beilage.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar049_018" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0243"/> es bis jetzt nicht Spekulation, sondern wirklicher Bedarf der sich geltend macht. Mag der Konsumo auch noch so sehr gefallen sein, eine gewisse Nachfrage muß sich wiedereinstellen und die gesunkenen Preise aller Rohstoffe rechtfertigen das Eintreffen von Bestellungen im höchsten Grade.</p> <p>Außerdem unterstützen die Kapitalisten alle industriellen und direkt produktiven Bestrebungen williger als sie es seit langen Jahren gethan haben; sie sind der wilden Spekulationen müde und sehen in dem Betrieb unsrer nächsten Ressourcen, die sicherste Garantie für ihre Vorschüsse.</p> <p>Natürlich wird in nicht gar langer Frist dieselbe Ueberproduktion wieder eintreten, der wie die Krisen von 1837, 1842 und 1845-1848 verdanken; natürlich werden sich unsere Fabrikanten und Kapitalisten in Kurzem wieder in dieselbe Spekulationswuth gegenseitig hineinjagen, von der wir 1845 ein so schönes Beispiel auf den Aktienbörsen sahen. Einstweilen aber erfreuen sich unsere Finanz- und Baumwoll Lords des wieder erwachenden Geschäfts und hegen gute Vorsätze ‒ halte sie, wer da kann.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Amerika.</head> <div xml:id="ar049_019" type="jArticle"> <p>Einem Artikel der Times entnehmen wir folgende höchst interessante Mittheilungen aus Yucatan über den Kampf der Weißen mit den Rothhäuten. Trotz aller europäischer Revolutionen mag jene Umwälzung in der neuen Welt noch Beachtung verdienen. Die Halbinsel Yucatan gehört zu Mittel-Amerika und liegt westlich von jenem schmalen die zwei Kontinente verbindenden Landstriche. Mit der äußersten Spitze reicht sie fast an das östlichste Ende Cuba's. In den besten Karten wird man außer der Küste und außer ein oder zwei Landstädten fast nichts von dem ganzen Lande verzeichnet finden. Das Innere desselben ist nach den heutigen Begriffen eigentlich auch noch wenig civilisirt. Man wird sich erinnern, daß die Entdeckung dieses Theiles von Amerika lange nach dem ersten Auffinden der amerikanischen Inseln, und einige Jahre nach dem Tode Columbus geschah. Gegen das Jahr 1542 hatten sich indeß die Spanier darin festgesetzt, und gründeten als Denkmal ihrer siegreichen Invasion die Stadt Merida.</p> <p>Bis zu den Revolutionen in den spanisch-amerikanischen Besitzungen blieb Yucatan ein Reich für sich, gesondert von den Regierungen von Mexiko wie von Guatemala. Nachdem aber Mexiko unabhängig geworden war, folgte auch Yucatan dem Strome der Umwälzungen, namentlich da keine großen Anstrengungen gemacht wurden, diese letzte Provinz festzuhalten und Yucatan erklärte sich zuerst für einen Anschluß an Mexiko, dann an Texas, und schließlich für eine unabhängige Republik. Heute ist die Halbinsel vielleicht wieder auf dem Punkte das zu werden, was sie im sechszehnten Jahrhundert war. Die Partei, welche nämlich in diesem Augenblick in Yucatan die Oberhand erlangt hat, besteht weder aus einer politischen noch aus einer militärischen Faktion, sondern aus einem Haufen jener sehr ursprünglichen Indianer, deren Vorfahren einst dem Schwerte Hermandez de Cordova erlagen. Verwechseln wir die Männer von Yucatan nicht mit den nördlichen Indianern Californiens, die von Zeit zu Zeit plündernd in das mexikanische Gebiet einfallen und zufrieden mit ihrer Beute eben so schnell wieder verschwinden wie sie hereinbrechen, ohne je den Versuch zu machen, sich aufs Neue dauernd an einem bestimmten Orte niederzulassen ‒ die Yucatan-Indianer sind beständiger, sie sind im besten Zuge ihr altes Erbe wieder zu erobern. Die spanische Race der Halbinsel war lange Zeit stationär und verringerte sich sogar der Anzahl nach, während die Rothhäute immer mehr festen Fuß faßten. Die Folge davon war, daß, wie wir glauben, zum ersten Male in der Geschichte der Civilisation, die untergeordnete ursprüngliche Race die Eroberung überlebte, und daß sie nach so vielen Generationen jetzt endlich auf's Neue, ihrem alten, entarteten Feinde die Stirn bietet. Bisher ist sie mit vieler Energie und wahrhaft systematisch dabei zu Werke gegangen, so daß sie z. B. vor Kurzem, gleich nach einem Siege, einen ihrer Anführer auf demselben Orte zum Könige wählte, der einst den Ruhm der Ahnen des Stammes sah. Die ganze Bewegung dauert nun schon einige Zeit und bisher sind mit jeder Post, nur sehr ungünstige Nachrichten in Betreff der Weißen angekommen. Die letzten Berichte sind namentlich im höchsten Grade alarmirend.</p> <p>Der Krieg wurde von Seiten der Indianer zu einem Vertilgungskriege gemacht; kein Weißer, der in ihre Hände fiel, wurde geschont. Ihre Banden, die mit jedem Tage an Zahl und an Kühnheit zunahmen, standen unter geschickter Leitung und befanden sich augenblicklich etwa 20 Meilen von der Stadt Merida, gegen die der nächste Angriff gerichtet werden sollte. Das Innere des Landes schien ganz in ihren Händen zu sein und die Weißen waren in den Küstenstädten zusammengedrängt, welche die Indianer zu stürmen drohten. Man glaubte außerdem, daß sie sogar die britischen Besitzungen angreifen würden, weswegen man von Jamaica eine Abtheilung Truppen aussandte um die englischen Interessen in der Bai von Honduras wahrzunehmen.</p> <p>Wenn man die streitenden Parteien sich selbst überläßt, so ist kein Zweifel, daß das Schlimmste geschehen kann und daß wenigstens Yucatan wieder unter die Herrschaft der Rothhäute kommt. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß bei dem Unterbleiben einer auswärtigen Intervention, die Yucatan-Indianer ihren kalifornischen Brüdern auf dem Plateau von Anahuac schnell die Hand reichen werden, um gemeinschaftlich wieder in die Hallen Montezuma's einzuziehen.</p> <p>Man spricht schon davon, daß die nördlich wohnenden Indianer nur auf den Rückzug der amerikanischen Armee warten, um massenhafter als je über das mexikanische Gebiet herein zu brechen. Der kriegerische Herausgeber des „Vera Cruz Star“ Hr. Peoples hat daher auch bereits auf eigne Faust Truppen angeworben um den Weißen in Yucatan zu Hülfe zu ziehen. In Washington scheint das Gouvernement ebenfalls eine Expedition vorzubereiten und wir müssen nun abwarten, wie das nächste Zusammentreffen der verschiedenen interessirten Parteien ausfallen wird.</p> <p>Jedenfalls ist die schleunigste Hülfe nöthig, wenn nicht die ganze Republik eine Beute der Indianer werden soll.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar049_020" type="jArticle"> <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 15. Juli.</head> <p>Es ist merkwürdig anzuhören wie die Leute jetzt hier vom „Untergange der menschlichen Gesellschaft“ sprechen, dem die Juniemeute zugesteuert habe. Das Wort „Societät“ war gewiß der Mehrzahl dieser Heuler bisher nur gäng und gäbe wenn man Sonntags en bonne société auf der Eisenbahn rutschte, oder um die Ecke schlüpfte um unter vier Augen in einem Kabinet de société mit seiner Lorette zu speisen. Diese naive Bedeutung des Worts ist schrecklich verändert. In jedem Tabacksladen, in jeder Weinschenk hört man jetzt predigen und Gott danken daß die grande société humaine noch besteht. Sehr unangenehm wird die Nachbarschaft der „rebellischen Faubourgs“, d. h. der größern, produktiven Hälfte von Paris. Es bleibt nichts übrig als dieselben wie eroberte Ortschaften mit Truppen besetzt zu halten, mit neuen Kasernen und Batterieen zu verschönern, und die Einwohner auf immer der Waffen zu berauben. Ich bin begierig auf das neue Nationalgardenreglement. Sehr viele scheiden freiwillig aus den Kompagnien aus, unter vorgeschützter Krankheit; die Wachstube ist unerträglich geworden, ja geradezu gefährlich. Einer meiner Freunde erregte einen wahren Sturm als er dort die „Gazette des Tribunaux“ vorlas, welche bestätigt daß <hi rendition="#g">von den ersten siebentausend verhörten Gefangenen nur hundert entlassene Sträflinge und darunter nur drei und vierzig Galerensträflinge sind.</hi> Die Wachstube ward wüthend als er hieraus schloß die Insurgenten seien Ouvriers gewesen; obschon sogar der Chef der Executive auf der Tribüne am 3. Juli sagte: „Wir müssen gestehen, es waren die Arbeiter der Nationalateliers, die man schloß; und würde man ihnen nicht noch eine Geldsubvention gewähren, sie <hi rendition="#g">wären im Stande wieder zu insurgiren.</hi>“ ‒ Man verlegt die Fabrik der Gobelinstapeten nach Versailles lediglich um die Arbeiter zu entfernen. Man giebt den Hungerleidern zwar Bons für Brod und Fleisch und Gemüse (mitunter auch nicht) allein sie haben keinen Heller für Kohlen, Salz und Butter, und erkranken durch diese unverdauliche Speise. Vorgestern Nachts zerstreuten die Patrouillen in der Rue Mouffetard eine Schaar verzweifelter Männer und Weiber die schon eine Barrikade halb aufgebaut, und mußten sich zurufen hören: „schlagt uns nur lieber kurzweg todt, ihr Herren Bourgeois, wir sind satt des Hungerns und Arbeit wollt ihr uns ja nicht geben.“ Das Geplauder der siegreichen Blätter über Aufblühen der Privatindustrie am Kanal St. Martin erweist sich als Prahlerei; bloß <hi rendition="#g">zwei</hi> Dampfmaschinen haben dort seit dem Juni wieder begonnen, und nicht <hi rendition="#g">zwölf</hi> wie es hieß. ‒ Uebrigens ist die Haltung der Anhänger von Henri V. merkwürdig, ihre „Gazette du Midi“ sagt: „wir können ruhiger zusehen als die mit Meineid und Gelddurst befleckten Philippisten, denen ohnehin die religiöse, heroische Ergebung mangelt welche nie den <hi rendition="#g">echten Ritter von Ehre</hi> verläßt; wir haben achtzehn Jahre geharrt, wir wollen jetzt die Personagen der dynastischen Kammermehrheit am Spieltisch lassen, ihnen hie und da weisen Rath geben gegen die gottesfrevlerische Wühlerei, diese gemeinsame Feindin, aber kompromittiren wird sich Niemand aus unserer heiligen Phalanx' u. s. w. Darauf folgen dann bittersüße Phrasen voll Anerkennung der Talente und Ordnungsliebe der Herren Barrot, Thiers und Dupin. Andere Legitimistenjournale beschenken die Welt mit Vorschlägen zur Arbeitsorganisirung. Pater Lacordaire, der Dominikaner, erklärt in seinem Journal: „Ere nouvelle“, er habe seinen Abschied eingereicht als Volksvertreter weil er sich nicht kräftig genug fühlte, dem nahenden Bürger- und Gesellschaftskriege einen Damm zu setzen; schon im April sah er voraus was der Juni gebracht. Die großen Landbesitzer unterstützen dies Blatt, „das <hi rendition="#g">Univers</hi> und die <hi rendition="#g">Gazzette.</hi>“ Wie könnte, ruft letztere, der Handel besser wieder emporkommen als wenn alle diese zahlreichen und nobeln Familien Zutrauen faßten und ihre Gelder wieder wie unter Louis XVIII. und Karl X. auf den Markt würfen? aber sie können nicht heiter in die Zukunft schauen so lange nicht die Republik eine einzige Familie mit der Vollziehungsgewalt erblich belehnt hat.“ u. s. w. Die Arbeiter in den Fabrikorten sind jetzt überall in Gährung; selbst mitten im frommen Vendeerlande zu Chollet, wo zehn Manufakturen in Linnen ein starkes Proletariat erzeugt haben, sprach man von der Nothwendigkeit das Joch abzuwerfen; und die zwei Industriellen zu züchtigen welche letzthin krepirtes Rindvieh zu billigen Preisen an die Arbeiter verkauft und dadurch vierzig Mann vergiftet hatten. Der Marquis Colbert, aus dem Stamm des großen Colbert, wendete den seinem Schloß zugedachten Besuch der Bauern, durch ein Geschenk von 10,000 Franken ab. Beiläufig viertausend sind bis jetzt aus den Nationalateliers anderweitig beschäftigt, z. B. für die Eisenbahn von Angouleme; das geschieht aber so absichtlich dumm daß bereits dies pariser Corps von dem dort arbeitenden Provinzialkorps mit blutigen Köpfen empfangen ward und die Bourgeoisgarde ausrücken mußte; es gilt natürlich jetzt kein Mittelchen unbenutzt zu lassen um Zwist in die Ouvriers von Frankreich zu streuen. Dazu bietet das leider noch in allen Provinzen bestehende alte Compagnonssystem köstlichen Anlaß; man jetzt hetzt z. B. bei Angers die „Sublimes“ gegen die „Souverains“, beides Erdarbeiter. ‒ In Lyon ist die Polizei der Reaktion zu schwach um eine Emeute zu erzeugen, aber um sich zu rächen entwaffnet sie jetzt alle Nationalgardisten daselbst die nicht schon vor dem Februar eingeschrieben gewesen; das dortige M litär behauptete, in Paris seien zwanzig Generale von den „Räubern“ lebendig geschunden und verbrannt worden, dafür würde es jetzt in Lyon Strafe setzen. Das Militär glaubt noch immer jede Sylbe des Offiziers, n Paris fragte das 3. Bataillon des 42. Reg. was die Insurgenten mit „republipue sociale“ sagen wollten? und bekam vom Major den Bescheid: das heiße Blut saufen und plündern ‒ Schnell kehrten die welche schon bei dem Zuruf der Barrikaden vive la republique démocratique den Kolben nach oben gestellt hatten, jetzt ihn wieder um und gaben keinen Pardon. Dies ist historisch.</p> <p>Die Nationalgarde von Batignolles (Paris) hat gestern in ihrer blinden Wuth wieder zwei Proletarierinnen gefährlich verwundet, die Abends in einem Kornfelde saßen und der tapfern Patrouille Aehnlichkeit mit Insurgenten zu haben schienen; eine soll bereits im Spital verstorben sein. Zwei Polizeikommissäre noch von Caussidiere eingesetzt und tüchtige Klubpräsidenten, hat gestern die Reaktion arretirt. „L'avenier national“ schlägt etwas übereilt die Trennung der Stadt in zwei Theile vor, vermöge einer quer durchzuziehenden Scheidelinie, und danach in der östlichen Hälfte mehrere Quartiersforts auf neu anzulegenden Plätzen. Das anmuthige „Siecle“ proponirt sogar „Modellhäuser“, zu deutsch Armenhäuser, worin die Miethe nicht über zwei Prozent steigen dürfe, in jeder großen Straße der reichern Stadttheile anzulegen, für 60 Familien jedes und unter Spezialaufsicht eines Mildthätigkeitsbeamten.</p> <p>Die tollste Angst trübt das Gemüth der Sieger; komische Gerüchte von Unterminirung der Kasernen, Pulverfässern in den Katakomben, Brandstiften, Giftauswerfen u. s. w. verdrehen dem Bauer nicht allein sondern auch dem pariser Ladenmann das Gehirn vollends. Nicht selten stürzen die Nationalgardisten bis ins Dachstübchen eines Hauses in „verdächtigen“ Stadtheilen, weil sie Funken Herauskommen gesehen; man findet ein Dienstmädchen welches ihre Wäsche trocknet, oder den Wiederschein des Mondes auf die Scheiben. Die Finanzen der „guten Stadt Paris“ sind nicht minder zerrüttet; Marrast schreibt eine Anleihe von 25 Mill. aus um die hunderttausend Uniformen armer Nationalgardisten zu bezahlen, und die Straße Rivoli bis zum Hotel de Ville zu verlängern.</p> <p>Der ganz reaktionäre Dichter Viktor Hugo, dessen Selbstanpreisung zur Kammerwahl auf den Mauern nur durch die des Arztes Piorry an albernem Bombast übertroffen ward, ist, wie sich jetzt findet, ernstlich vom Volk am 24. Juni gesucht worden; es durchstöberte sein Haus im Marais und rief: „Wo ist der verrätherische Poet?“</p> <p>‒ Wie man weiß, ward die letzte Nummer des peuple konstituant, deren Hauptredakteur Lamennais ist, mit Beschlag gelegt. Lamennais verlangte von der Nationalversammlung, daß sie den Staatsprokurator autorisire, ihn, statt des Geranten zu verfolgen. Die Bitte wurde abgelehnt; Lamennais hat deßhalb folgendes Schreiben an den Justizminister gerichtet:</p> <p>Bürger Minister!</p> <p>Ich habe heute an den Präsidenten der Nationalversammlung einen Brief geschrieben, dessen Abschrift ich Ihnen hiermit mittheile. Er lautet: „Bürger Präsident! Wenige Tage bevor der „peuple constituant“ zu erscheinen aufhörte, wurde, der alten Preßgesetzgebung gemäß, die Unterschrift eines Geranten gefordert, und von den beim Journal Beschäftigten erbot sich Jemand, provisosorisch in dieser Eigenschaft zu zeichnen. Bald nachher wurde die letzte Nummer des „peuple constituant“ mit Beschlag belegt und der provisorische Gerant ist heute geladen, vor dem Instruktionsrichter zu erscheinen. Der inkriminirte Artikel ist von mir verfaßt und unterzeichnet, es wäre also im äußersten Grade unbillig, einen andern als mich dafür verantwortlich zu machen. Demnach verlange ich, daß die Nationalversammlung sofort Autorisation ertheile zu Verfolgungen gegen mich, die ohne offenbare Ungerechtigkeit gegen keinen andern gerichtet werden könnten.“</p> <p>Die Versammlung hat mein Gesuch abgelehnt, weil sich Niemand selber denunziren könne. Sie hat nicht berücksichtigen wollen, daß der Artikel von mir gezeichnet ist, also über dessen wahren Verfasser kein Zweifel existiren kann.</p> <p>Inzwischen verfolgt man auf diesen Artikel hin einen Mann, der, wie ich hiermit erkläre, demselben gänzlich fremd ist, der ihn nicht einmal gelesen haben kann; denn ich lege Niemanden, wer es auch sei, vor, was ich schreibe und zeichne.</p> <p>Der blose Gedanke einer solchen Unbilligkeit ist empörend. Sie, Bürger Minister, können sie wieder gut machen, wenn Sie von der Nationalversammlung die Autorisation erlangen, mich, den wahren Urheber des Vergehens, zu verfolgen. Es ist unmöglich, daß dieses Gesuch, von Ihnen gestellt, von mir unterstützt, nicht sofort bewilligt werde.</p> <p>Es handelt sich um einen in jeder Hinsicht Unschuldigen, der sehr mit Unrecht statt meiner angeklagt wird; der Minister der <hi rendition="#g">Gerechtigkeit</hi> wird keinen Augenblick bestehen, meinem Verlangen Recht widerfahren zu lassen.</p> <p>‒ Hr. Outrebon, ehemaliger Notar in Paris, ist heute vor dem Zucht-Polizeigericht der Seine (6. Kammer) Vorsitz des Hrn. Lepelletier d'Aulnay, erschienen, unter der Anklage das Zutrauen mißbraucht zu haben. Er hat als Beistand den Hrn. Mahon, ehemaligen Substituten bei dem Gericht erster Instanz des Seine-Departements. Aus den Nachsuchungen ist hervorgegangen, daß seit dem Jahre 1828 bis 1847, Hr. Outrebon zum Nachtheil seiner Clienten die Summe von zwei Millionen 152,697 Franken zu anderen Zwecken verwendet hat. Der Angeklagte hat industrielle Spekulationen getrieben; er hat liegende Güter gekauft, als er schon um eine Million unter seinen Geschäften stand. Ein Haus in der Straße de la Roquette, und Matten zu Rumilly haben ihn wenigstens 100,000 Fr. gekostet.</p> <p>Seine eigene Haushaltung ist mit Luxus geführt worden, Hr. Outrebon hat die Ausgabe dafür auf 30 bis 40,000 Fr. jährlich angeschlagen, das heißt auf drei Viertel des Einkommens seiner Schreibstube, endlich galt er für einen großen Spieler. Um nun den immer größer werdenden Bedürfnissen zu entsprechen, scheute er sich nicht, diejenigen Gelder anzuwenden, welche ihm von seinen Clienten anvertraut wurden, die er entweder für Renteneinschreibungen auf den Staat, oder für hypothekarische Anlegungen verwenden sollte. Es ist zu vermuthen, daß ohne das Einschreiten der Gerechtigkeit er noch einige Zeit so fortgefahren hätte, obgleich er keine Hoffnung mehr haben konnte sich wieder zu erholen.</p> <p>Der Angeschuldigte hat von Anfang der Instruktion an, die vollständigsten Geständnisse gemacht.</p> <p>Die Audienz wurde zur Abhörung der ein und dreißig Zeugen, worunter die Herren von Fontenay, de la Tour-Duffint und von Turgot sich befinden, gewidmet.</p> <p>Morgen werden die Vertheidigungsreden beginnen.</p> <p>Wir lesen in der Reforme:</p> <p>„Die Ligue der Royalisten aller Regimes, aller Branchen ist offenkundig. Jeder Tag bringt uns einen neuen Beweis, eine neue Offenbarung jener schändlichen Manövers, die in Anwendung gebracht werden.</p> <p>„Vor einigen Tagen noch hatte man im Departement Isère das Gerücht verbreitet, daß in Lyon die Soldaten in die Rhone geworfen und ihre Offiziere getödtet würden. Die Soldaten von diesem Departement drangen daher plötzlich in Lyon ein und waren sehr erstaunt, als sie sahen, daß man ihren Kameraden nichts zu Leide that.</p> <p>„Die Lyoner Arbeiter setzen allen Aufreizungen, allen Verlockungen die größte Mäßigung entgegen. Alle Intriguen scheitern an ihrer Klugheit. Und dennoch erreicht jetzt die Reaktion durch Gewalt das, was sie durch ihre Intriguen nicht hat erlangen können. Sie wollte eine allgemeine Entwaffnung der Nationalgarde von Lyon und diese ist jetzt im Werke.</p> <p>Die bloße Ankündigung dieser Maßregel hat alle Welt in Staunen gesetzt. Vergebens sucht man nach einem erheblichen Grunde zu diesem Gewaltstreiche: denn ungeachtet aller Intriguen und Aufwiegelungen hat sich nicht das geringste Symptom einer Ruhestörung gezeigt.</p> <p>„Die Deputirten der Rhone wollen, wie man versichert, die exekutive Gewalt hinsichtlich dieser Entwaffnung der Lyoner Bürger interpelliren.</p> <p>In den Bureaux fährt man mit großer Lebhaftigkeit fort, den Konstitutionsentwurf zu besprechen. Zwei Systeme stehen sich vorzugsweise gegenüber. Die Wahl des Präsidenten der Republik durch das ganze Volk mittelst direkter Wahl oder blos durch die konstituirende Versammlung.</p> <p>„Die Einheit,“ sagte Cormenin, „ist die einzige für uns mögliche Form. Wir Franzosen haben einmal einen Widerwillen gegen alles zusammengesetzte, komplicirte Räderwerk. Man begreift uns, weil wir einfach sind, und das Einfache überhaupt dasjenige ist, was allen andern Völkern, selbst denjenigen, die unsre Sprache nicht verstehen, zugänglich, verständlich ist.</p> <p>Z. B. Sobald das ganze französische Volk sich erhoben hat wie ein Mann, und gesprochen: ich bin der Souverän, der einzige Souverän, sind alle andern Völker, die bisher dem Despotismus zu Füßen lagen, stutzig geworden, und dachten: Und wir dann, warum sollten wir nicht auch Souverän sein?</p> <p>Die Souveränetät des Volkes, das ist seine Einheit und deshalb habe ich folgende fünf Prinzipien adoptirt:</p> <p>1) Die Souveränetät beruht in der Universalität aller Bürger; sie ist unveräußerlich.</p> <p>2) Frankreich ist eine demokratische Republik, ein und untheilbar.</p> <p>4) Das Stimmrecht ist direkt und allgemein.</p> <p>5) Das französische Volk delegirt die exekutive Gewalt einem Mitbürger, der den Titel des Präsidenten annimmt.</p> <p>Diejenigen, welche für die Wahl des Präsidenten durch die konstituirende Versammlung sich aussprechen, haben die Majorität in zwei Bureaux erhalten. Sie heben namentlich hervor, daß in den jetzigen Umständen die allgemeine Wahl wiederum alle Intriguen in Bewegung setzen würde. Als Vertheidiger dieses Systems tritt Leon Faucher auf.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Belgien.</head> <div xml:id="ar049_021" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Brüssel.</head> <p>Anklageakt des Generalprokurators über die Affaire von Risquons Tout. (Forts. aus Nro. 47.)</p> <p>Balliu hatte zu Brüssel, wie er selbst zugesteht, den Besuch zweier polytechnischen Schüler empfangen, über die wir in einem Briefe Derudder's an Imbert Aufklärung erhalten; derselbe schreibt über republikanische Modifikationen der „Alliance“: „Theilen Sie, mein theurer alter Gefährte, diese Neuigkeit den Bürgern Delafosse und Roquin, Elèven der polytechnischen Schule mit, und empfehlen Sie mich und unsern Freund Balliu ihrem Andenken. Wenn ich mich nicht weiter über diese Bürger verbreite, so geschieht dies, weil ich in den ersten Tagen des Mai selbst nach Paris zu kommen hoffe, wo ich mir das Vergnügen vorbehalte, ihnen persönlich mehr zu sagen; bitten Sie dieselben, sich einstweilen mit einem brüderlichen Händedruck zu begnügen, in Erwiederung der früheren Gewogenheit, die sie für uns bethätigt haben.“ Diese beiden Elèven waren bei Balliu durch Imbert eingeführt worden; sie waren, wie Tedesco bekennt, am 26. März in der Union gewesen, und am 30. gleichzeitig mit Balliu, Derudder, Perin, Mathieu und</p> <p> <ref type="link"> <hi rendition="#b">(Siehe den Verfolg in der Beilage.)</hi> </ref> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0243/0003]
es bis jetzt nicht Spekulation, sondern wirklicher Bedarf der sich geltend macht. Mag der Konsumo auch noch so sehr gefallen sein, eine gewisse Nachfrage muß sich wiedereinstellen und die gesunkenen Preise aller Rohstoffe rechtfertigen das Eintreffen von Bestellungen im höchsten Grade.
Außerdem unterstützen die Kapitalisten alle industriellen und direkt produktiven Bestrebungen williger als sie es seit langen Jahren gethan haben; sie sind der wilden Spekulationen müde und sehen in dem Betrieb unsrer nächsten Ressourcen, die sicherste Garantie für ihre Vorschüsse.
Natürlich wird in nicht gar langer Frist dieselbe Ueberproduktion wieder eintreten, der wie die Krisen von 1837, 1842 und 1845-1848 verdanken; natürlich werden sich unsere Fabrikanten und Kapitalisten in Kurzem wieder in dieselbe Spekulationswuth gegenseitig hineinjagen, von der wir 1845 ein so schönes Beispiel auf den Aktienbörsen sahen. Einstweilen aber erfreuen sich unsere Finanz- und Baumwoll Lords des wieder erwachenden Geschäfts und hegen gute Vorsätze ‒ halte sie, wer da kann.
Amerika. Einem Artikel der Times entnehmen wir folgende höchst interessante Mittheilungen aus Yucatan über den Kampf der Weißen mit den Rothhäuten. Trotz aller europäischer Revolutionen mag jene Umwälzung in der neuen Welt noch Beachtung verdienen. Die Halbinsel Yucatan gehört zu Mittel-Amerika und liegt westlich von jenem schmalen die zwei Kontinente verbindenden Landstriche. Mit der äußersten Spitze reicht sie fast an das östlichste Ende Cuba's. In den besten Karten wird man außer der Küste und außer ein oder zwei Landstädten fast nichts von dem ganzen Lande verzeichnet finden. Das Innere desselben ist nach den heutigen Begriffen eigentlich auch noch wenig civilisirt. Man wird sich erinnern, daß die Entdeckung dieses Theiles von Amerika lange nach dem ersten Auffinden der amerikanischen Inseln, und einige Jahre nach dem Tode Columbus geschah. Gegen das Jahr 1542 hatten sich indeß die Spanier darin festgesetzt, und gründeten als Denkmal ihrer siegreichen Invasion die Stadt Merida.
Bis zu den Revolutionen in den spanisch-amerikanischen Besitzungen blieb Yucatan ein Reich für sich, gesondert von den Regierungen von Mexiko wie von Guatemala. Nachdem aber Mexiko unabhängig geworden war, folgte auch Yucatan dem Strome der Umwälzungen, namentlich da keine großen Anstrengungen gemacht wurden, diese letzte Provinz festzuhalten und Yucatan erklärte sich zuerst für einen Anschluß an Mexiko, dann an Texas, und schließlich für eine unabhängige Republik. Heute ist die Halbinsel vielleicht wieder auf dem Punkte das zu werden, was sie im sechszehnten Jahrhundert war. Die Partei, welche nämlich in diesem Augenblick in Yucatan die Oberhand erlangt hat, besteht weder aus einer politischen noch aus einer militärischen Faktion, sondern aus einem Haufen jener sehr ursprünglichen Indianer, deren Vorfahren einst dem Schwerte Hermandez de Cordova erlagen. Verwechseln wir die Männer von Yucatan nicht mit den nördlichen Indianern Californiens, die von Zeit zu Zeit plündernd in das mexikanische Gebiet einfallen und zufrieden mit ihrer Beute eben so schnell wieder verschwinden wie sie hereinbrechen, ohne je den Versuch zu machen, sich aufs Neue dauernd an einem bestimmten Orte niederzulassen ‒ die Yucatan-Indianer sind beständiger, sie sind im besten Zuge ihr altes Erbe wieder zu erobern. Die spanische Race der Halbinsel war lange Zeit stationär und verringerte sich sogar der Anzahl nach, während die Rothhäute immer mehr festen Fuß faßten. Die Folge davon war, daß, wie wir glauben, zum ersten Male in der Geschichte der Civilisation, die untergeordnete ursprüngliche Race die Eroberung überlebte, und daß sie nach so vielen Generationen jetzt endlich auf's Neue, ihrem alten, entarteten Feinde die Stirn bietet. Bisher ist sie mit vieler Energie und wahrhaft systematisch dabei zu Werke gegangen, so daß sie z. B. vor Kurzem, gleich nach einem Siege, einen ihrer Anführer auf demselben Orte zum Könige wählte, der einst den Ruhm der Ahnen des Stammes sah. Die ganze Bewegung dauert nun schon einige Zeit und bisher sind mit jeder Post, nur sehr ungünstige Nachrichten in Betreff der Weißen angekommen. Die letzten Berichte sind namentlich im höchsten Grade alarmirend.
Der Krieg wurde von Seiten der Indianer zu einem Vertilgungskriege gemacht; kein Weißer, der in ihre Hände fiel, wurde geschont. Ihre Banden, die mit jedem Tage an Zahl und an Kühnheit zunahmen, standen unter geschickter Leitung und befanden sich augenblicklich etwa 20 Meilen von der Stadt Merida, gegen die der nächste Angriff gerichtet werden sollte. Das Innere des Landes schien ganz in ihren Händen zu sein und die Weißen waren in den Küstenstädten zusammengedrängt, welche die Indianer zu stürmen drohten. Man glaubte außerdem, daß sie sogar die britischen Besitzungen angreifen würden, weswegen man von Jamaica eine Abtheilung Truppen aussandte um die englischen Interessen in der Bai von Honduras wahrzunehmen.
Wenn man die streitenden Parteien sich selbst überläßt, so ist kein Zweifel, daß das Schlimmste geschehen kann und daß wenigstens Yucatan wieder unter die Herrschaft der Rothhäute kommt. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, daß bei dem Unterbleiben einer auswärtigen Intervention, die Yucatan-Indianer ihren kalifornischen Brüdern auf dem Plateau von Anahuac schnell die Hand reichen werden, um gemeinschaftlich wieder in die Hallen Montezuma's einzuziehen.
Man spricht schon davon, daß die nördlich wohnenden Indianer nur auf den Rückzug der amerikanischen Armee warten, um massenhafter als je über das mexikanische Gebiet herein zu brechen. Der kriegerische Herausgeber des „Vera Cruz Star“ Hr. Peoples hat daher auch bereits auf eigne Faust Truppen angeworben um den Weißen in Yucatan zu Hülfe zu ziehen. In Washington scheint das Gouvernement ebenfalls eine Expedition vorzubereiten und wir müssen nun abwarten, wie das nächste Zusammentreffen der verschiedenen interessirten Parteien ausfallen wird.
Jedenfalls ist die schleunigste Hülfe nöthig, wenn nicht die ganze Republik eine Beute der Indianer werden soll.
Französische Republik. 17 Paris, 15. Juli. Es ist merkwürdig anzuhören wie die Leute jetzt hier vom „Untergange der menschlichen Gesellschaft“ sprechen, dem die Juniemeute zugesteuert habe. Das Wort „Societät“ war gewiß der Mehrzahl dieser Heuler bisher nur gäng und gäbe wenn man Sonntags en bonne société auf der Eisenbahn rutschte, oder um die Ecke schlüpfte um unter vier Augen in einem Kabinet de société mit seiner Lorette zu speisen. Diese naive Bedeutung des Worts ist schrecklich verändert. In jedem Tabacksladen, in jeder Weinschenk hört man jetzt predigen und Gott danken daß die grande société humaine noch besteht. Sehr unangenehm wird die Nachbarschaft der „rebellischen Faubourgs“, d. h. der größern, produktiven Hälfte von Paris. Es bleibt nichts übrig als dieselben wie eroberte Ortschaften mit Truppen besetzt zu halten, mit neuen Kasernen und Batterieen zu verschönern, und die Einwohner auf immer der Waffen zu berauben. Ich bin begierig auf das neue Nationalgardenreglement. Sehr viele scheiden freiwillig aus den Kompagnien aus, unter vorgeschützter Krankheit; die Wachstube ist unerträglich geworden, ja geradezu gefährlich. Einer meiner Freunde erregte einen wahren Sturm als er dort die „Gazette des Tribunaux“ vorlas, welche bestätigt daß von den ersten siebentausend verhörten Gefangenen nur hundert entlassene Sträflinge und darunter nur drei und vierzig Galerensträflinge sind. Die Wachstube ward wüthend als er hieraus schloß die Insurgenten seien Ouvriers gewesen; obschon sogar der Chef der Executive auf der Tribüne am 3. Juli sagte: „Wir müssen gestehen, es waren die Arbeiter der Nationalateliers, die man schloß; und würde man ihnen nicht noch eine Geldsubvention gewähren, sie wären im Stande wieder zu insurgiren.“ ‒ Man verlegt die Fabrik der Gobelinstapeten nach Versailles lediglich um die Arbeiter zu entfernen. Man giebt den Hungerleidern zwar Bons für Brod und Fleisch und Gemüse (mitunter auch nicht) allein sie haben keinen Heller für Kohlen, Salz und Butter, und erkranken durch diese unverdauliche Speise. Vorgestern Nachts zerstreuten die Patrouillen in der Rue Mouffetard eine Schaar verzweifelter Männer und Weiber die schon eine Barrikade halb aufgebaut, und mußten sich zurufen hören: „schlagt uns nur lieber kurzweg todt, ihr Herren Bourgeois, wir sind satt des Hungerns und Arbeit wollt ihr uns ja nicht geben.“ Das Geplauder der siegreichen Blätter über Aufblühen der Privatindustrie am Kanal St. Martin erweist sich als Prahlerei; bloß zwei Dampfmaschinen haben dort seit dem Juni wieder begonnen, und nicht zwölf wie es hieß. ‒ Uebrigens ist die Haltung der Anhänger von Henri V. merkwürdig, ihre „Gazette du Midi“ sagt: „wir können ruhiger zusehen als die mit Meineid und Gelddurst befleckten Philippisten, denen ohnehin die religiöse, heroische Ergebung mangelt welche nie den echten Ritter von Ehre verläßt; wir haben achtzehn Jahre geharrt, wir wollen jetzt die Personagen der dynastischen Kammermehrheit am Spieltisch lassen, ihnen hie und da weisen Rath geben gegen die gottesfrevlerische Wühlerei, diese gemeinsame Feindin, aber kompromittiren wird sich Niemand aus unserer heiligen Phalanx' u. s. w. Darauf folgen dann bittersüße Phrasen voll Anerkennung der Talente und Ordnungsliebe der Herren Barrot, Thiers und Dupin. Andere Legitimistenjournale beschenken die Welt mit Vorschlägen zur Arbeitsorganisirung. Pater Lacordaire, der Dominikaner, erklärt in seinem Journal: „Ere nouvelle“, er habe seinen Abschied eingereicht als Volksvertreter weil er sich nicht kräftig genug fühlte, dem nahenden Bürger- und Gesellschaftskriege einen Damm zu setzen; schon im April sah er voraus was der Juni gebracht. Die großen Landbesitzer unterstützen dies Blatt, „das Univers und die Gazzette.“ Wie könnte, ruft letztere, der Handel besser wieder emporkommen als wenn alle diese zahlreichen und nobeln Familien Zutrauen faßten und ihre Gelder wieder wie unter Louis XVIII. und Karl X. auf den Markt würfen? aber sie können nicht heiter in die Zukunft schauen so lange nicht die Republik eine einzige Familie mit der Vollziehungsgewalt erblich belehnt hat.“ u. s. w. Die Arbeiter in den Fabrikorten sind jetzt überall in Gährung; selbst mitten im frommen Vendeerlande zu Chollet, wo zehn Manufakturen in Linnen ein starkes Proletariat erzeugt haben, sprach man von der Nothwendigkeit das Joch abzuwerfen; und die zwei Industriellen zu züchtigen welche letzthin krepirtes Rindvieh zu billigen Preisen an die Arbeiter verkauft und dadurch vierzig Mann vergiftet hatten. Der Marquis Colbert, aus dem Stamm des großen Colbert, wendete den seinem Schloß zugedachten Besuch der Bauern, durch ein Geschenk von 10,000 Franken ab. Beiläufig viertausend sind bis jetzt aus den Nationalateliers anderweitig beschäftigt, z. B. für die Eisenbahn von Angouleme; das geschieht aber so absichtlich dumm daß bereits dies pariser Corps von dem dort arbeitenden Provinzialkorps mit blutigen Köpfen empfangen ward und die Bourgeoisgarde ausrücken mußte; es gilt natürlich jetzt kein Mittelchen unbenutzt zu lassen um Zwist in die Ouvriers von Frankreich zu streuen. Dazu bietet das leider noch in allen Provinzen bestehende alte Compagnonssystem köstlichen Anlaß; man jetzt hetzt z. B. bei Angers die „Sublimes“ gegen die „Souverains“, beides Erdarbeiter. ‒ In Lyon ist die Polizei der Reaktion zu schwach um eine Emeute zu erzeugen, aber um sich zu rächen entwaffnet sie jetzt alle Nationalgardisten daselbst die nicht schon vor dem Februar eingeschrieben gewesen; das dortige M litär behauptete, in Paris seien zwanzig Generale von den „Räubern“ lebendig geschunden und verbrannt worden, dafür würde es jetzt in Lyon Strafe setzen. Das Militär glaubt noch immer jede Sylbe des Offiziers, n Paris fragte das 3. Bataillon des 42. Reg. was die Insurgenten mit „republipue sociale“ sagen wollten? und bekam vom Major den Bescheid: das heiße Blut saufen und plündern ‒ Schnell kehrten die welche schon bei dem Zuruf der Barrikaden vive la republique démocratique den Kolben nach oben gestellt hatten, jetzt ihn wieder um und gaben keinen Pardon. Dies ist historisch.
Die Nationalgarde von Batignolles (Paris) hat gestern in ihrer blinden Wuth wieder zwei Proletarierinnen gefährlich verwundet, die Abends in einem Kornfelde saßen und der tapfern Patrouille Aehnlichkeit mit Insurgenten zu haben schienen; eine soll bereits im Spital verstorben sein. Zwei Polizeikommissäre noch von Caussidiere eingesetzt und tüchtige Klubpräsidenten, hat gestern die Reaktion arretirt. „L'avenier national“ schlägt etwas übereilt die Trennung der Stadt in zwei Theile vor, vermöge einer quer durchzuziehenden Scheidelinie, und danach in der östlichen Hälfte mehrere Quartiersforts auf neu anzulegenden Plätzen. Das anmuthige „Siecle“ proponirt sogar „Modellhäuser“, zu deutsch Armenhäuser, worin die Miethe nicht über zwei Prozent steigen dürfe, in jeder großen Straße der reichern Stadttheile anzulegen, für 60 Familien jedes und unter Spezialaufsicht eines Mildthätigkeitsbeamten.
Die tollste Angst trübt das Gemüth der Sieger; komische Gerüchte von Unterminirung der Kasernen, Pulverfässern in den Katakomben, Brandstiften, Giftauswerfen u. s. w. verdrehen dem Bauer nicht allein sondern auch dem pariser Ladenmann das Gehirn vollends. Nicht selten stürzen die Nationalgardisten bis ins Dachstübchen eines Hauses in „verdächtigen“ Stadtheilen, weil sie Funken Herauskommen gesehen; man findet ein Dienstmädchen welches ihre Wäsche trocknet, oder den Wiederschein des Mondes auf die Scheiben. Die Finanzen der „guten Stadt Paris“ sind nicht minder zerrüttet; Marrast schreibt eine Anleihe von 25 Mill. aus um die hunderttausend Uniformen armer Nationalgardisten zu bezahlen, und die Straße Rivoli bis zum Hotel de Ville zu verlängern.
Der ganz reaktionäre Dichter Viktor Hugo, dessen Selbstanpreisung zur Kammerwahl auf den Mauern nur durch die des Arztes Piorry an albernem Bombast übertroffen ward, ist, wie sich jetzt findet, ernstlich vom Volk am 24. Juni gesucht worden; es durchstöberte sein Haus im Marais und rief: „Wo ist der verrätherische Poet?“
‒ Wie man weiß, ward die letzte Nummer des peuple konstituant, deren Hauptredakteur Lamennais ist, mit Beschlag gelegt. Lamennais verlangte von der Nationalversammlung, daß sie den Staatsprokurator autorisire, ihn, statt des Geranten zu verfolgen. Die Bitte wurde abgelehnt; Lamennais hat deßhalb folgendes Schreiben an den Justizminister gerichtet:
Bürger Minister!
Ich habe heute an den Präsidenten der Nationalversammlung einen Brief geschrieben, dessen Abschrift ich Ihnen hiermit mittheile. Er lautet: „Bürger Präsident! Wenige Tage bevor der „peuple constituant“ zu erscheinen aufhörte, wurde, der alten Preßgesetzgebung gemäß, die Unterschrift eines Geranten gefordert, und von den beim Journal Beschäftigten erbot sich Jemand, provisosorisch in dieser Eigenschaft zu zeichnen. Bald nachher wurde die letzte Nummer des „peuple constituant“ mit Beschlag belegt und der provisorische Gerant ist heute geladen, vor dem Instruktionsrichter zu erscheinen. Der inkriminirte Artikel ist von mir verfaßt und unterzeichnet, es wäre also im äußersten Grade unbillig, einen andern als mich dafür verantwortlich zu machen. Demnach verlange ich, daß die Nationalversammlung sofort Autorisation ertheile zu Verfolgungen gegen mich, die ohne offenbare Ungerechtigkeit gegen keinen andern gerichtet werden könnten.“
Die Versammlung hat mein Gesuch abgelehnt, weil sich Niemand selber denunziren könne. Sie hat nicht berücksichtigen wollen, daß der Artikel von mir gezeichnet ist, also über dessen wahren Verfasser kein Zweifel existiren kann.
Inzwischen verfolgt man auf diesen Artikel hin einen Mann, der, wie ich hiermit erkläre, demselben gänzlich fremd ist, der ihn nicht einmal gelesen haben kann; denn ich lege Niemanden, wer es auch sei, vor, was ich schreibe und zeichne.
Der blose Gedanke einer solchen Unbilligkeit ist empörend. Sie, Bürger Minister, können sie wieder gut machen, wenn Sie von der Nationalversammlung die Autorisation erlangen, mich, den wahren Urheber des Vergehens, zu verfolgen. Es ist unmöglich, daß dieses Gesuch, von Ihnen gestellt, von mir unterstützt, nicht sofort bewilligt werde.
Es handelt sich um einen in jeder Hinsicht Unschuldigen, der sehr mit Unrecht statt meiner angeklagt wird; der Minister der Gerechtigkeit wird keinen Augenblick bestehen, meinem Verlangen Recht widerfahren zu lassen.
‒ Hr. Outrebon, ehemaliger Notar in Paris, ist heute vor dem Zucht-Polizeigericht der Seine (6. Kammer) Vorsitz des Hrn. Lepelletier d'Aulnay, erschienen, unter der Anklage das Zutrauen mißbraucht zu haben. Er hat als Beistand den Hrn. Mahon, ehemaligen Substituten bei dem Gericht erster Instanz des Seine-Departements. Aus den Nachsuchungen ist hervorgegangen, daß seit dem Jahre 1828 bis 1847, Hr. Outrebon zum Nachtheil seiner Clienten die Summe von zwei Millionen 152,697 Franken zu anderen Zwecken verwendet hat. Der Angeklagte hat industrielle Spekulationen getrieben; er hat liegende Güter gekauft, als er schon um eine Million unter seinen Geschäften stand. Ein Haus in der Straße de la Roquette, und Matten zu Rumilly haben ihn wenigstens 100,000 Fr. gekostet.
Seine eigene Haushaltung ist mit Luxus geführt worden, Hr. Outrebon hat die Ausgabe dafür auf 30 bis 40,000 Fr. jährlich angeschlagen, das heißt auf drei Viertel des Einkommens seiner Schreibstube, endlich galt er für einen großen Spieler. Um nun den immer größer werdenden Bedürfnissen zu entsprechen, scheute er sich nicht, diejenigen Gelder anzuwenden, welche ihm von seinen Clienten anvertraut wurden, die er entweder für Renteneinschreibungen auf den Staat, oder für hypothekarische Anlegungen verwenden sollte. Es ist zu vermuthen, daß ohne das Einschreiten der Gerechtigkeit er noch einige Zeit so fortgefahren hätte, obgleich er keine Hoffnung mehr haben konnte sich wieder zu erholen.
Der Angeschuldigte hat von Anfang der Instruktion an, die vollständigsten Geständnisse gemacht.
Die Audienz wurde zur Abhörung der ein und dreißig Zeugen, worunter die Herren von Fontenay, de la Tour-Duffint und von Turgot sich befinden, gewidmet.
Morgen werden die Vertheidigungsreden beginnen.
Wir lesen in der Reforme:
„Die Ligue der Royalisten aller Regimes, aller Branchen ist offenkundig. Jeder Tag bringt uns einen neuen Beweis, eine neue Offenbarung jener schändlichen Manövers, die in Anwendung gebracht werden.
„Vor einigen Tagen noch hatte man im Departement Isère das Gerücht verbreitet, daß in Lyon die Soldaten in die Rhone geworfen und ihre Offiziere getödtet würden. Die Soldaten von diesem Departement drangen daher plötzlich in Lyon ein und waren sehr erstaunt, als sie sahen, daß man ihren Kameraden nichts zu Leide that.
„Die Lyoner Arbeiter setzen allen Aufreizungen, allen Verlockungen die größte Mäßigung entgegen. Alle Intriguen scheitern an ihrer Klugheit. Und dennoch erreicht jetzt die Reaktion durch Gewalt das, was sie durch ihre Intriguen nicht hat erlangen können. Sie wollte eine allgemeine Entwaffnung der Nationalgarde von Lyon und diese ist jetzt im Werke.
Die bloße Ankündigung dieser Maßregel hat alle Welt in Staunen gesetzt. Vergebens sucht man nach einem erheblichen Grunde zu diesem Gewaltstreiche: denn ungeachtet aller Intriguen und Aufwiegelungen hat sich nicht das geringste Symptom einer Ruhestörung gezeigt.
„Die Deputirten der Rhone wollen, wie man versichert, die exekutive Gewalt hinsichtlich dieser Entwaffnung der Lyoner Bürger interpelliren.
In den Bureaux fährt man mit großer Lebhaftigkeit fort, den Konstitutionsentwurf zu besprechen. Zwei Systeme stehen sich vorzugsweise gegenüber. Die Wahl des Präsidenten der Republik durch das ganze Volk mittelst direkter Wahl oder blos durch die konstituirende Versammlung.
„Die Einheit,“ sagte Cormenin, „ist die einzige für uns mögliche Form. Wir Franzosen haben einmal einen Widerwillen gegen alles zusammengesetzte, komplicirte Räderwerk. Man begreift uns, weil wir einfach sind, und das Einfache überhaupt dasjenige ist, was allen andern Völkern, selbst denjenigen, die unsre Sprache nicht verstehen, zugänglich, verständlich ist.
Z. B. Sobald das ganze französische Volk sich erhoben hat wie ein Mann, und gesprochen: ich bin der Souverän, der einzige Souverän, sind alle andern Völker, die bisher dem Despotismus zu Füßen lagen, stutzig geworden, und dachten: Und wir dann, warum sollten wir nicht auch Souverän sein?
Die Souveränetät des Volkes, das ist seine Einheit und deshalb habe ich folgende fünf Prinzipien adoptirt:
1) Die Souveränetät beruht in der Universalität aller Bürger; sie ist unveräußerlich.
2) Frankreich ist eine demokratische Republik, ein und untheilbar.
4) Das Stimmrecht ist direkt und allgemein.
5) Das französische Volk delegirt die exekutive Gewalt einem Mitbürger, der den Titel des Präsidenten annimmt.
Diejenigen, welche für die Wahl des Präsidenten durch die konstituirende Versammlung sich aussprechen, haben die Majorität in zwei Bureaux erhalten. Sie heben namentlich hervor, daß in den jetzigen Umständen die allgemeine Wahl wiederum alle Intriguen in Bewegung setzen würde. Als Vertheidiger dieses Systems tritt Leon Faucher auf.
Belgien. * Brüssel. Anklageakt des Generalprokurators über die Affaire von Risquons Tout. (Forts. aus Nro. 47.)
Balliu hatte zu Brüssel, wie er selbst zugesteht, den Besuch zweier polytechnischen Schüler empfangen, über die wir in einem Briefe Derudder's an Imbert Aufklärung erhalten; derselbe schreibt über republikanische Modifikationen der „Alliance“: „Theilen Sie, mein theurer alter Gefährte, diese Neuigkeit den Bürgern Delafosse und Roquin, Elèven der polytechnischen Schule mit, und empfehlen Sie mich und unsern Freund Balliu ihrem Andenken. Wenn ich mich nicht weiter über diese Bürger verbreite, so geschieht dies, weil ich in den ersten Tagen des Mai selbst nach Paris zu kommen hoffe, wo ich mir das Vergnügen vorbehalte, ihnen persönlich mehr zu sagen; bitten Sie dieselben, sich einstweilen mit einem brüderlichen Händedruck zu begnügen, in Erwiederung der früheren Gewogenheit, die sie für uns bethätigt haben.“ Diese beiden Elèven waren bei Balliu durch Imbert eingeführt worden; sie waren, wie Tedesco bekennt, am 26. März in der Union gewesen, und am 30. gleichzeitig mit Balliu, Derudder, Perin, Mathieu und
(Siehe den Verfolg in der Beilage.)
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(2017-03-20T13:08:10Z)
Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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