Neue Rheinische Zeitung. Nr. 45. Köln, 15. Juli 1848.Hauptmanns von Schönfels, gesteigert ward. Unser Oberbefehlshaber ließ nämlich den Truppen die Kriegsartikel vorlesen und darin besonders die Stelle zu Gemüthe führen: "der Soldat dürfe, wenn er den Befehl erhalte, für Fürst und Vaterland zu streiten, weder Vater noch Mutter schonen!" Nach der Verlesung ward den Soldaten zur Anfeuerung verkündet, daß sie in Zukunft von ihren Führern mit Sie angeredet werden sollten. 130 Wien, 9. Juli. Bei dem mehr als schwarzgelben Ausfall der Wahlen arbeitet die demokratische Partei auf Umstoßung derselben. Die Nationalgarde ist seit einigen Tagen nach dieser Seite hin von der Presse hinlänglich bearbeitet worden, so daß sie eine neue Umwälzung wohl unterstützen würde. In Bezug auf die Ministerkrisis melde ich Ihnen, daß Prof. Füster ins Ministerium des Kultus, General Graf Auersperg in das des Krieges und Dr. Bach in das der Justiz eingetreten sind. In Begleitung des nach Frankfurt abgegangenen Johann befindet sich auch der Marschall Marmont. So eben hört man noch den Freiherrn von Stifft und v. Bruck als neue Minister resp. der Finanzen und des Handels, bezeichnen. Wessemberg soll das Ministerium des Auswärtigen erhalten. Aus Triest erfahren wir, daß die italienische Flotte abgezogen ist und sich an der istrischen Küste aufhält. Die Blockade betrifft jetzt lediglich noch die östreichischen Kriegsschiffe. Aus Konstanz schreiben die Seeblätter: Auch auf den katholischen Klerus erstrecken sich die Untersuchen wegen hochverrätherischer Bestrebungen. Die Zahl der vom Erzbischof in Freiburg wegen Theilnahme an den politischen Bewegungen suspendirten Geistlichen beträgt 36. Ungarn.
* Pesth, 6. Juli. Gestern wurde der ungarische Landtag durch den Erzherzog Stephan eröffnet. In der Eröffnungs- oder Thronrede kommen die Ausdrücke, vor: "offener Aufruhr in Kroatien" und: "Empörungen im Banat und an der Gränze". Recht schön! Nur daß die Kamarilla in Insbruck ganz anders gehandelt hat, als hier in des Königs (Ferdinand's) Namen geredet wird. - Rothschild hat dem ungarischen Finanzminister ein Darlehn von 40 Mill. Gulden angeboten. Belgien.
* Brüssel. Wir geben zunächst den Anklageakt des Generalprokurator Bavay über die Affaire bei Risquons-Tout. Wir werden sodann näher auf dieß juristisch-diplomatische Meisterwerk eingehen. Das Beispiel Frankreichs, das so eben den Julithron umstürzte, konnte nicht verfehlen Belgien zu erregen, wo man schon seit einiger Zeit republikanische Ideen zu verbreiten suchte. Es eclatirten also Unruhen zu Brüssel am Abend des 27. Februar, aber sie wurden unmittelbar unterdrückt und die Männer des Umsturzes gaben sich dran, die innere Emeute mit einem bewaffneten Einfall von aussen zu verbinden. In Folge dessen begab sich Spilthoorn nach Paris, unter dem Vorwand, der provisorischen Regierung eine Adresse der Association Democratique zu überbringen, aber bald erkannte man den wahren Beweggrund seiner Reise, weil eine Frau de Bie von Paris d. d. 7. März schrieb: "Es sind hier drei Deputirte angelangt, welche die Belgier von hier entsenden werden, um bei uns die Republik einzuführen und Leopold fortzujagen. Einer der drei ist Advokat Spilthoorn; ich habe ihn selbst gesprochen und er hat mir versichert, daß die Soldaten für das Volk seien und ihre Waffen wegwerfen werden, und daß König Leopold sich beeilen wird, das Land zu verlassen. Zwei tausend Mann sind schon eingeschrieben; sie werden 30,000 Musketen an der Grenze finden und auf Brüssel losmarschiren." Die erste Idee der Legionbildung gehörte einem alten Offizier, Felix Becker von Rheims, der 1831 unter General Mellinet diente und der schon den 27. Februar die Belgier zu einer Versammlung Passage Ricoli Nro. 17 berufen hatte. Die Angeklagten Blervacq und Graux hatten sich sofort an Becker angeschlossen und von diesem Augenblick an wurde der Sitz der Gesellschaft zu Bervacq, Rue Menilmontent Nro. 34 verlegt. Spilthoorn fand also bei seiner Ankunft in Paris den Kern einer insurrektionellen Legion vor. Befreundet mit Imbert, Gouverneur der Civilinvaliden und ehemaligem Vicepräsidenten der Association Demokratique zu Brüssel, erhielt er durch dessen Vermittlung Lebensmittel für die Legion und hetzte ausserdem durch aufreizende Reden bei Blervacq die Belgier auf gegen ihr Land zu marschiren, "um den Schwiegersohn des Tyrannen - zu stürzen und die Tochter Louis Philipp's zu entthronen." Die revolutionären Umtriebe Spilthorns folgen noch klarer aus einem Brief von Delestree an Imbert, einige Tage vor der Abreise der Legion worin es heißt: "Ich schulde mir selbst, Ihnen zu erklären, daß von nun an jedes Verhältniß zwischen Spilthoorn und mir aufhören wird. Diese Entscheidung ist begründet auf die Nachlässigkeit, die er in diesem Augenblick zeigt, nachdem wir überein gekommen waren, ihn zu einem der Chefs in der Leitung der revolutionären Expedition nach Belgien zu machen; auf den diktatorischen Ton, den er annimmt, auf die Indiskretionen, die er sich in gewissen Herzergiessungen erlaubt hat, bezüglich der Mittel, die uns hier zugestanden werden sollten, um nach Belgien marschiren zu können, obgleich wir uns formell verpflichtet hatten, keine Seele davon wissen zu lassen." Delestree trug die Kopie dieses Briefes bei sich, gänzlich von seiner Hand geschrieben, als er den 26. März, 11 Uhr Abends in den Straßen von Brüssel arretirt wurde. Dieser Brief beweist mehr als ein Zeugenverhör beweisen würde. Durchmustern wir nun die andern Papiere von Delestree, so begreifen wir das Motiv, daß ihn und Spilthoorn, wenige Tage vor dem Abmarsch der Belgier nach Brüssel zurückführte. Spilthoorn hatte Paris den 20. März verlassen und Delestree den 21. mit einem Einführungsschreiben, worin Bornstedt ihn den belgischen Demokraten empfahl durch die Versicherung "er werde gute Propaganda für die Republik machen." Imbert seinerseits bat die Brüsseler Demokraten ihm Vertrauen zu schenken, da er Beweise von Aufopferung in Paris gegeben. Delestree kam also nach Brüssel, um republikanische Propaganda zu machen, in demselben Augenblick, wo die Legion sich in Marsch setzen sollte, und er erklärte in einer Note bezüglich der Verhaftung Spilthoorns, daß dieser nach Gent zu demselben Zwecke gehe. Ueberdem bestätigt Blervacq die Thatsache in einer Denkschrift, die er zu Paris veröffentlicht hat, denn er sagt von einem Brief, der ihm Unterstützung vom Inland zugesagt. "Dieser Brief wurde einem Mitglied des Associationscomites übergeben, das sich nach Brüssel und nach Gent begab, begleitet vom Bürger Präsident einer demokratischen Gesellschaft in Belgien, in der Voraussicht, daß dieser verhaftet werden könnte, wie es wirklich geschah ... Der Oberst sandte gleichmäßig nach Gent drei Bürger unserer Legion, Eingeborne dieser Stadt, die durch den Bürger Tytgat vorgestellt waren, Mitglied des Comites, genannt der Sans Peur von Gent, mit einem Brief gezeichnet und besiegelt durch den Bürger D., der uns bezeichnet worden war durch den Bürger Präsidenten S. als sein zweites Selbst. Dieser Brief sollte zu Gent dieselbe Wirkung hervorbringen, wie der nach Brüssel geschickte." Der Angeklagte Spilthoorn, der Präsident der demokratischen Gesellschaft von Gent war, wurde wirklich den 20. März verhaftet, bei seiner Ankunft an der Gränze, und er war, wie er selbst anerkennen muß, von einem Arbeiter begleitet, der seinen Weg fortsetzte. Auf ihn also bezieht sich die Denkschrift von Blervacq und es geht daraus hervor, daß er nicht, wie er behauptet, von Paris zurückkehrte um einen Prozeß zu plaidiren, so wenig, wie er dort blieb, um unsere Unabhängigkeit zu vertheidigen." Spilthoorn stellt alles in Abrede. Aber wie dann die Papiere von Delestree erklären, wie das Schreiben der Frau De Bie? Obgleich die Legion die Unterstützung der zwei ersten Angeklagten verlore hatte, hatte sie im Lande noch intime Verbindungen, wie das bloße Zusammenfallen der Thatsachen beweist. Blervacq, an die Stelle Beckers getreten im Kommando der Truppen, schlug ein Feldlager auf bei Seclin in der Nähe von Lille, am Morgen des 26. März und man wußte nichts von dem Tag, wo er in Belgien einziehen würde. Der General Fleury Duray, der an der Gränze kommandirte wurde selbst überrascht, weil der Zug Blervacqs ihm erst den 29. März, um 7 Uhr Morgens, angezeigt wurde und das Treffen eine halbe Stunde später Statt hatte. Auch wurde die Bande arretirt und in die Flucht geschlagen durch einen bloßen Vortrupp. Und unterdessen hatten die Emeutieurs des Inlands, besser unterrichtet als die Regierung, eine Plünderung für denselben Tag organisirt. Des Abends hatten sie in den Straßen von Brüssel folgendermaßen abgefaßte Bülletins verbreitet: Mittwoch den 29. März 1848, 6 Uhr Abends, wird man sich in Masse nach dem Jesuitenkloster begeben. "Feuer und Blut sind die Vereinigungsprobe." Die Niederlage des Morgens vereitelte die Emeute des Abends; aber es ist klar, daß, das geringste Schwanken von Seite unsrer Soldaten eine Bewegung im Innern dem Angriff von Außen hinzugefügt hätte. Während man zu Brüssel mordbrennerische Schriften verbreitete, entpflasterte man zu Gent den Marktplatz und Arbeiterrevolutionen eklatirten zu Berinage und in den Umgebungen von Tournai. Alle diese Thatsachen begaben sich während des Abends und der Nacht vom 28. März, während Blervacq den 29. in Belgien einzog; seine Ankunft zu Seclin war schon das Signal einer Emeute zu Brüssel den Abend des 26. gewesen und den 29., im Augenblicke, wo man sich an der Gränze schlug, warf man in die Straßen von Ath Bülletins mit den Worten: "Nieder mit dem Könige! Es lebe die französische Republik!" In allem dem findet sich ein frappantes Zusammenfallen, wovon Blervacq selbst die Gründe in seiner Broschüre angibt, wenn er S. 6 sagt, daß "von neuem Leute nach Belgien abgesandt wurden, während er zu Seclin war, immer mit dem Zwecke, hier eine Bewegung vorzubereiten". Dies Zusammenfallen verpflichtete die Justiz gleichzeitig den Schuldigen des In- und Auslandes nachzuspüren und die Verhaftung Perin's brachte uns bald auf ihre Spur. Obgleich diese Verhaftung nichts mit der Angelegenheit, die uns beschäftigt, gemein hatte, wurden dem Perin Aufschlüsse abverlangt, über eine Reise, die er mit einem gewissen Dujardin nach Paris gemacht hatte, und der Angeklagte mußte zugeben, daß sie den 26. März zurückgekehrt waren; daß sie den 25. abgereist waren mit dem Zuge, welcher die erste Kolonne transportirte; daß Blervacq sich bei ihnen befand und daß sie den Zug zu Douai verlassen hatten; daß sie zu Fuß nach den Umgebungen von Ath kamen, daß sie den Eisenbahnzug von Waffles bestiegen und daß sie zu Brüssel zwischen 5 und 6 Uhr Abends ankamen. Perrin und Dujardin hatten also 12 bis 14 Meilen zu Fuß gemacht, während ein unentgeltlicher Zug bis Lille zu ihrer Verfügung stand und während sie mit regelmäßigen Pässen versehen waren. Welches also konnte das Motiv dieser sonderbaren Thatsachen sein? Wir waren auf Konjekturen angewiesen, bis eine ganz natürliche Motivirung uns durch die Denkschrift von Blervacq gegeben wurde. Wir lesen hier S. 5, daß der Oberst bei seinem Durchmarsch durch Douai, "den Bürger P., einen erprobten Republikaner, Mitglied der demokratischen Gesellschaft, Träger von Proklamationen, gezeichnet Blervacq, Graux," nach Brüssel gesandt hatte. Der angeklagte Perin also, ehemaliger Gerant des "Atelier democratique" hatte den Zug bei Douai verlassen, um sich nach Brüssel zu begeben und sein Republikanismus war um so erprobter, als er 1834 in der Aprilemeute und 1839 in der Konspiration Barbes-Blanqu; kompromittirt worden war; er ist es also, den die Broschüre bezeichnet. Die Proklamation, die er bei sich trug, erklären am besten seine Sorge, die Douanen zu vermeiden, weil sie unseren Arbeitern verkündeten, sie könnten nicht leben, so lange an der Spitze der Regierung sich Despoten befanden, Sauger des Volksschweißes, mit allen Genüssen überpropfte Menschen, während die Hungersnoth ihre Mitbürger decimire. - Es gebührt uns also, den Republikanern aller Nationen, sagt Blervacq, uns zu vereinigen um die bei dem blosen Namen der Republik erzitternden Tyrannen zu verjagen. Vergeblich ergreifen sie alle in ihrer Macht befindlichen Mittel, sie müßten wissen, daß weder die Gewalt der Bajonette, noch das Blei, noch die Mitraille ein Volk verhindern können, welches seine Rechte erobern geht. Vereinigen wir uns also, Bürger, unter dem Ruf: "Es lebe die Republik!" Perin trug noch ein andres Schriftstück bei sich, das ihn bei der Douane compromittiren konnte, weil Blervacq hinzufügte, daß ,der Bürger P. beauftragt sei, einen Brief an eine einflußreiche Person zu Brüssel abzugeben, von welcher wir ein erläuterndes Schreiben über die Stimmung der Demokraten erhalten hatten, indem es uns ankündete, sie seien bereit, zu handeln." Diese einflußreiche Person konnte nur General Mellinet sein, dessen Name denselben Abend auf den Listen der provisorischen Regierung circulirte und zu dem sich Perin in einer Droschke bei seiner Ankunft auf dem Eisenbahnhof begab, denn zweifelsohne wird man auf Madame Hebert, bei der sich Perin einige Minuten aufhielt, die in der Broschüre befindliche Bezeichnung "einflußreiche Person" nicht beziehen wollen. Der Brief, dessen Träger er war, wurde zwar nicht im Domicil des Generals gefunden, aber man hat hier mehre andre gefunden, die seine Verbindungen mit Paris beweisen, und die Unterstützung, die r der insurektionellen Legion daselbst angedeihen ließ. Der wichtigste ist ein Brief Beckers an Mellinet, d. d. 4. März, worin es unter andern heißt: "Jemand, der Sie zu kennen vorgab, versicherte mir, Sie seien gestorb. zu Charleroi, wohin die Regierung, wie man zusetzte, sie verwiesen hätte. Der lebhafte Kummer, den mir diese Neuigkeit verursachte, erlaubte mir nicht, mir Sicherheit zu verschaffen, aus Furcht, ein persönliches Unglück bestätigt zu finden und einen unersetzlichen Verlust für die große Sache, die wir ergriffen haben und wofür sie, ich und unsre braven Kameraden so viel gelitten haben. Da ich Sie nicht mehr hatte, schrieb ich an Gendebien, aber Sie kennen ihn; obgleich wir auf ihn zählen mußten seiner Popularität wegen, durfte ich keine Antwort von ihm erwarten. In dieser Voraussetzung schrieb ich an Felix Delhasse, der mir sofort antwortete, daß er schwer erkrankt ist und daß die Aerzte ihm absolute Ruhe verordnet hätten. Ich schreibe an unsern braven Gillo, aber seine Wittwe antwortet mir mit der Nachricht eines uns allen gemeinschaftlichen Unglücks. Ich habe an Bartels geschrieben und warte seine Antwort ab. Heute Morgen nun erfahre ich die Wahrheit; ich springe auf vor Enthusiasmus und schreibe Ihnen. Es ist also wahr! Sie könnten mit aller Wärme Ihres alten Patriotismus das Wiedererwachen der Republik begreifen und sie werden, strebend unter ihren Lorbeeren, der allgemeinen Emancipation beiwohnen, der Verbrüderung der Völker, der socialen Reorganisation. Konnte ich in einem solchen Augenblick zurückbleiben? Konnte ich die Ihnen vor drei Jahren gemachten Versprechungen vergessen, in militärischer Beziehung das Werk fortzusetzen, was wir gemeinschaftlich begonnen hatten und worin ich unter Ihren Augen, im Angesicht des Feindes meine ersten Waffenthaten vollbrachte? Bartels, Jottrand, Gillo und unsere hingebrachten Freunde haben in Ihrer Gegenwart mein Versprechen erhalten. Die Republik hat auf sich warten lassen; ich stehe ihr zu Dienst. Präsident, General, mein Schwerdt ist nicht verrostet. Ich habe an die belgischen Patrioten appellirt, alle haben sich beeilt, mir zu antworten und alle sind bereit den Umständen nach zu handeln. Beeilen Sie sich diese Dispositionen ihren Kollegen von der Association Demokratique mitzutheilen. Diesen Abend selbst versammeln wir uns, und bereiten eine Adresse vor, worin wir positiv die Principien eurer Association anerkennen und erklären werden, uns ihr zu affiliiren. Durch diese Erklärung verpflichten wir uns, euren Instruktionen Folge zu leisten und im Einverständniß mit euch zu handeln. Ich ersuche Sie, den einliegenden Brief Pellering zukommen zu lassen, ohne den geringsten Aufschub. Lassen Sie ihn mir unverzüglich antworten und nachdem er sich mit Bartels benommen hat." Dieser Brief, worauf Mellinet den 7. März antwortete, fiel mit Spilthoorns Ankunft zu Paris zusammen. Er läßt keinen Zweifel über Beckers Absichten, der sein republikanisches Schwerdt dem General anbot, indem er ihm sagte, er sei bereit im Einverständniß mit ihm zu handeln; und der General, der den Brief am Morgen erhalten hatte, ließ ihn denselben Abend in der Association Democratique vorlesen, denn Jottrand schreibt ihm den andern Morgen: "Beckers Brief ist gestern der Association mitgetheilt und mit einstimmigen Beifallsbezeugungen aufgenommen worden." Ist es hiernach zu wundern, daß Mitglieder dieser Gesellschaft an der Emeute des 20. März Theilnahmen, daß andre sie durch Geldvertheilungen provozirten, daß endlich der General selbst ihre Organisation leitete? Er brachte in der That einen Theil des Abends des 26. im Wirtshaus der Union zu, auf dem Grossenplatz, mit Deguasco, der später unter den Emeutiers erkannt wurde, mit dem Angeklagten Kats, der am Morgen Geld vertheilte, mit den Angeklagten Ballin und Tedesko, vielleicht selbst mit dem Angeklagten Derudder. Und während man die eben im Ausbruch begriffene Emeute organisirte, empfing der General jeden Augenblick Emissaire, die ihm ins Ohr flüsterten und die beim Weggehn verschiedne Richtungen einschlugen. Er wechselte zu gleicher Zeit Verständigungszeichen mit zwei Zöglingen der polytechnischen Schule, die an einer andern Tafel saßen und den General wie seine Gesellschaft nicht zu kennen heuchelten, obgleich sie denselben Tag mit Tedesko zusammengewesen waren bei Madame Imbert und obgleich sie Ballin am Morgen besucht hatten. Diese zwei Polytechniker hatten in ihren Pässen die Eigenschaft von Notariatsschreibern angenommen; sie waren den vorigen Abend von Paris angelangt und andrerseits schloß sich die Emeute sichtbar an den Zug von Blervacq an, in dessen Gefolge andre Polytechniker waren. Antoine Kats sagte am Morgen nämlich zu Franz Vanderhayden, indem er ihm einige Geldstücke gab, es würde den Abend Unruhen setzen, daß der Eisenbahnzug von Paris Arbeiter zubringen und daß man sich mit ihnen vereinigen würde auf dem Marche de la Chapelle. Nun setzte sich grade auf diesem Marktplatz unter dem Rufe es lebe die Republik! die Emeute in Bewegung. Der Sinn der Demonstration vom 26. März ist also nicht zweifelhaft. Es steht außerdem fest durch einen Brief vom 22. April, den Derudder an Imbert schrieb und worin er ihm sagte: "Wir glaubten vor einiger Zeit, unsre Angelegenheit könnten gelingen; aber die Aristokraten dieses Landes sind für den Augenblick zu mächtig, weil sie die Fonds haben, deren wir unglücklicherweise entlehren, wäre es anders, alles wäre seit drei Wochen abgemacht. Endlich kann ich ihnen nicht besser den finanziellen Stand unsrer Kassen schildern, als wenn ich ihnen sage, daß unsrer 5 während 8 Tagen herumgelaufen sind, und höchstens 20 Fr. zur Unterstützung unsrer verhafteten Freunde aufgebracht haben." Der Brief vom 22. April wurde in dem Sekretär von Derudder abgefaßt, der vernachlässigt hatte, ihn auf die Post zu bringen, obgleich er versiegelt und unterschrieben war. In Verbindung gebracht mit den Unruhen vom 26. März und besonders mit dem Hin- und Hergehen, dem Flüstern ins Ohr und den Verständigungszeichen des Wirthshauses, erklärt er die gleichzeitige Gegenwart der Zöglinge, des Generals und seiner Anhänger, so wie den Zweck, den man erringen wollte. Auch Fosses, der einen Theil der Legion kommandirte, fragte später einen Zeugen, ob man nicht den General Mellinet arretirt hätte. Einem andern Zeugen sagte er den 23. März, ein Emissär sei von Brüssel angekommen und habe den Befehl zum Einrücken überbracht, und der Arbeiter, der Spilthorn begleitete, konnte den 23. wieder in Paris eingetroffen sein. Der General hat sich also dem Komplott associirt, indem er den Beistand der Brüsseler Demokraten zusicherte, das Signal zum Aufbrechen gab und den Zug der Legion durch eine republikanische Demonstration unterstützte; darum zweifelsohne figurirte sein Name auf der Liste der provisorischen Regierung, wovon Alter und Schwäche ihn ausschließen mußten. Eine dieser Liste wurde am Abend des 26. März selbst in dem Portefeuille von Delestree gefunden. Sie enthielt indeß nach des Letztern Aussagen nur Namen von Personen, die er kennen zu lernen wünschte, aber der "Pelleringouvrier", der sie schließt, erklärt ihren wahren Sinn. Der General hat eingestanden, daß er den 26. März Abends in dem Cabaret der "Union" anwesend war, behauptete aber in keiner Weise sich der von den Zeugen gegebenen Details zu erinnern, schrieb diese Gedächtnißabwesenheit selbst den Nervenanfällen und Ohnmachten zu, die er bei seiner Rückkehr nach Hause gehabt hätte. (Forts. folgt.) Großbritannien.
27 London, 8. Juli. Die "Fraternal Demokrats" in London haben an die Arbeiter Großbritanniens und Irlands eine Adresse erlassen, aus welcher ich Ihnen folgende Stellen mittheile: "Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit." "Die Pflicht gebietet uns, zu Euch zu reden, um unsere Brüder, die Proletarier in Paris, diese Opfer von Verräthern, Mördern und Verläumdern, in Schutz zu nehmen. - Die Pariser Bourgeoisie hat die ersehnte "Schlacht" geliefert bekommen. Die Gründer der Republik wurden niedergemetzelt, Frauen und Kinder von den Bourgeois gemordet. Sie haben sich in der Wollust des Abschlachtens im Ganzen und Großen berauscht. Und jetzt, da sie eine Regierung des Bluts und des Schreckens eingerichtet, da sie eine Einöde geschaffen, die sie "Friede" nennen, melden sie jubelnd ihren Mitschurken (comrogues) in andern Ländern: "Die Ordnung herrscht in Paris!" Die Lügner und Verläumder der Preßbande haben bei ihren Versuchen, die Ursachen des Aufstandes vom 23., 24., 25. u. 26. Juni zu verhüllen, sogar sich selbst übertroffen. Indeß die Ursachen jenes heroischen Ausbruches liegen Jedem, der den Gang der Ereignisse in Frankreich seit dem Februar beobachtet hat, klar genug vor Augen. Gleich nach ihrer Einsetzung proklamirte die provisorische Regierung, daß die Revolution, durch das Volk gemacht, auch für das Volk zu Ende gebracht werden müsse. Dieser Proklamation folgte ein Dekret, welches jedem Bürger die "Existenz durch Arbeit" garantirte. Allein außer den schlecht eingerichteten Nationalwerkstätten geschah nichts, um die dem Volke gethanen Versprechen zu erfüllen. Die Nationalversammlung verweigerte das von Louis Blanc vorgeschlagene Arbeits-Ministerium und begleitete diese Weigerung mit den gröbsten Insulten. Tag für Tag wurden die Männer in den Nationalwerkstätten von den profitmäklerischen Schurken in der Presse und der Nationalversammlung verläumdet, als "Diebe" und "unzufriedene Faullenzer" denunzirt. Zuletzt verkündigte man die beabsichtigte Schließung der Werkstätten. Den betrogenen Ouvriers wurde nur noch die Wahl gelassen, in die Armee zu treten oder sich dem Verhungern zu unterwerfen. Dieses teuflische Verfahren trieb die Arbeiter zur Empörung. Louis Blanc prophezeite die Revolution des Hungers; Paris ist Zeuge gewesen von der Insurrektion des Hungers und diese war nahe daran, eine Revolution zu werden. Man sagt euch, es lasse sich bei allgemeinem Stimmrecht keine Insurrektion rechtfertigen. Wir aber behaupten, daß durch Elend Krieg gegen die Urheber jenes Elends unter allen Umständen gerechtfertigt ist. Drei Revolutionen haben das Recht des Widerstandes gegen Unterdrückungen geheiligt. Das Elend der Proletarier ist ein Beweis der Unterdrückung. Die Regierung hatte das von ihr garantirte Recht auf "Existenz durch Arbeit" verletzt. Somit hatte Jeder der Tausende, da ihm der gesellschaftliche Vertrag länger Hauptmanns von Schönfels, gesteigert ward. Unser Oberbefehlshaber ließ nämlich den Truppen die Kriegsartikel vorlesen und darin besonders die Stelle zu Gemüthe führen: „der Soldat dürfe, wenn er den Befehl erhalte, für Fürst und Vaterland zu streiten, weder Vater noch Mutter schonen!“ Nach der Verlesung ward den Soldaten zur Anfeuerung verkündet, daß sie in Zukunft von ihren Führern mit Sie angeredet werden sollten. 130 Wien, 9. Juli. Bei dem mehr als schwarzgelben Ausfall der Wahlen arbeitet die demokratische Partei auf Umstoßung derselben. Die Nationalgarde ist seit einigen Tagen nach dieser Seite hin von der Presse hinlänglich bearbeitet worden, so daß sie eine neue Umwälzung wohl unterstützen würde. In Bezug auf die Ministerkrisis melde ich Ihnen, daß Prof. Füster ins Ministerium des Kultus, General Graf Auersperg in das des Krieges und Dr. Bach in das der Justiz eingetreten sind. In Begleitung des nach Frankfurt abgegangenen Johann befindet sich auch der Marschall Marmont. So eben hört man noch den Freiherrn von Stifft und v. Bruck als neue Minister resp. der Finanzen und des Handels, bezeichnen. Wessemberg soll das Ministerium des Auswärtigen erhalten. Aus Triest erfahren wir, daß die italienische Flotte abgezogen ist und sich an der istrischen Küste aufhält. Die Blockade betrifft jetzt lediglich noch die östreichischen Kriegsschiffe. Aus Konstanz schreiben die Seeblätter: Auch auf den katholischen Klerus erstrecken sich die Untersuchen wegen hochverrätherischer Bestrebungen. Die Zahl der vom Erzbischof in Freiburg wegen Theilnahme an den politischen Bewegungen suspendirten Geistlichen beträgt 36. Ungarn.
* Pesth, 6. Juli. Gestern wurde der ungarische Landtag durch den Erzherzog Stephan eröffnet. In der Eröffnungs- oder Thronrede kommen die Ausdrücke, vor: „offener Aufruhr in Kroatien“ und: „Empörungen im Banat und an der Gränze“. Recht schön! Nur daß die Kamarilla in Insbruck ganz anders gehandelt hat, als hier in des Königs (Ferdinand's) Namen geredet wird. ‒ Rothschild hat dem ungarischen Finanzminister ein Darlehn von 40 Mill. Gulden angeboten. Belgien.
* Brüssel. Wir geben zunächst den Anklageakt des Generalprokurator Bavay über die Affaire bei Risquons-Tout. Wir werden sodann näher auf dieß juristisch-diplomatische Meisterwerk eingehen. Das Beispiel Frankreichs, das so eben den Julithron umstürzte, konnte nicht verfehlen Belgien zu erregen, wo man schon seit einiger Zeit republikanische Ideen zu verbreiten suchte. Es eclatirten also Unruhen zu Brüssel am Abend des 27. Februar, aber sie wurden unmittelbar unterdrückt und die Männer des Umsturzes gaben sich dran, die innere Emeute mit einem bewaffneten Einfall von aussen zu verbinden. In Folge dessen begab sich Spilthoorn nach Paris, unter dem Vorwand, der provisorischen Regierung eine Adresse der Association Democratique zu überbringen, aber bald erkannte man den wahren Beweggrund seiner Reise, weil eine Frau de Bie von Paris d. d. 7. März schrieb: „Es sind hier drei Deputirte angelangt, welche die Belgier von hier entsenden werden, um bei uns die Republik einzuführen und Leopold fortzujagen. Einer der drei ist Advokat Spilthoorn; ich habe ihn selbst gesprochen und er hat mir versichert, daß die Soldaten für das Volk seien und ihre Waffen wegwerfen werden, und daß König Leopold sich beeilen wird, das Land zu verlassen. Zwei tausend Mann sind schon eingeschrieben; sie werden 30,000 Musketen an der Grenze finden und auf Brüssel losmarschiren.“ Die erste Idee der Legionbildung gehörte einem alten Offizier, Felix Becker von Rheims, der 1831 unter General Mellinet diente und der schon den 27. Februar die Belgier zu einer Versammlung Passage Ricoli Nro. 17 berufen hatte. Die Angeklagten Blervacq und Graux hatten sich sofort an Becker angeschlossen und von diesem Augenblick an wurde der Sitz der Gesellschaft zu Bervacq, Rue Mènilmontent Nro. 34 verlegt. Spilthoorn fand also bei seiner Ankunft in Paris den Kern einer insurrektionellen Legion vor. Befreundet mit Imbert, Gouverneur der Civilinvaliden und ehemaligem Vicepräsidenten der Association Demokratique zu Brüssel, erhielt er durch dessen Vermittlung Lebensmittel für die Legion und hetzte ausserdem durch aufreizende Reden bei Blervacq die Belgier auf gegen ihr Land zu marschiren, „um den Schwiegersohn des Tyrannen ‒ zu stürzen und die Tochter Louis Philipp's zu entthronen.“ Die revolutionären Umtriebe Spilthorns folgen noch klarer aus einem Brief von Delestrèe an Imbert, einige Tage vor der Abreise der Legion worin es heißt: „Ich schulde mir selbst, Ihnen zu erklären, daß von nun an jedes Verhältniß zwischen Spilthoorn und mir aufhören wird. Diese Entscheidung ist begründet auf die Nachlässigkeit, die er in diesem Augenblick zeigt, nachdem wir überein gekommen waren, ihn zu einem der Chefs in der Leitung der revolutionären Expedition nach Belgien zu machen; auf den diktatorischen Ton, den er annimmt, auf die Indiskretionen, die er sich in gewissen Herzergiessungen erlaubt hat, bezüglich der Mittel, die uns hier zugestanden werden sollten, um nach Belgien marschiren zu können, obgleich wir uns formell verpflichtet hatten, keine Seele davon wissen zu lassen.“ Delestrèe trug die Kopie dieses Briefes bei sich, gänzlich von seiner Hand geschrieben, als er den 26. März, 11 Uhr Abends in den Straßen von Brüssel arretirt wurde. Dieser Brief beweist mehr als ein Zeugenverhör beweisen würde. Durchmustern wir nun die andern Papiere von Delestrèe, so begreifen wir das Motiv, daß ihn und Spilthoorn, wenige Tage vor dem Abmarsch der Belgier nach Brüssel zurückführte. Spilthoorn hatte Paris den 20. März verlassen und Delestrèe den 21. mit einem Einführungsschreiben, worin Bornstedt ihn den belgischen Demokraten empfahl durch die Versicherung „er werde gute Propaganda für die Republik machen.“ Imbert seinerseits bat die Brüsseler Demokraten ihm Vertrauen zu schenken, da er Beweise von Aufopferung in Paris gegeben. Delestrèe kam also nach Brüssel, um republikanische Propaganda zu machen, in demselben Augenblick, wo die Legion sich in Marsch setzen sollte, und er erklärte in einer Note bezüglich der Verhaftung Spilthoorns, daß dieser nach Gent zu demselben Zwecke gehe. Ueberdem bestätigt Blervacq die Thatsache in einer Denkschrift, die er zu Paris veröffentlicht hat, denn er sagt von einem Brief, der ihm Unterstützung vom Inland zugesagt. „Dieser Brief wurde einem Mitglied des Associationscomités übergeben, das sich nach Brüssel und nach Gent begab, begleitet vom Bürger ∗ Präsident einer demokratischen Gesellschaft in Belgien, in der Voraussicht, daß dieser verhaftet werden könnte, wie es wirklich geschah … Der Oberst sandte gleichmäßig nach Gent drei Bürger unserer Legion, Eingeborne dieser Stadt, die durch den Bürger Tytgat vorgestellt waren, Mitglied des Comités, genannt der Sans Peur von Gent, mit einem Brief gezeichnet und besiegelt durch den Bürger D., der uns bezeichnet worden war durch den Bürger Präsidenten S. als sein zweites Selbst. Dieser Brief sollte zu Gent dieselbe Wirkung hervorbringen, wie der nach Brüssel geschickte.“ Der Angeklagte Spilthoorn, der Präsident der demokratischen Gesellschaft von Gent war, wurde wirklich den 20. März verhaftet, bei seiner Ankunft an der Gränze, und er war, wie er selbst anerkennen muß, von einem Arbeiter begleitet, der seinen Weg fortsetzte. Auf ihn also bezieht sich die Denkschrift von Blervacq und es geht daraus hervor, daß er nicht, wie er behauptet, von Paris zurückkehrte um einen Prozeß zu plaidiren, so wenig, wie er dort blieb, um unsere Unabhängigkeit zu vertheidigen.“ Spilthoorn stellt alles in Abrede. Aber wie dann die Papiere von Delestrèe erklären, wie das Schreiben der Frau De Bie? Obgleich die Legion die Unterstützung der zwei ersten Angeklagten verlore hatte, hatte sie im Lande noch intime Verbindungen, wie das bloße Zusammenfallen der Thatsachen beweist. Blervacq, an die Stelle Beckers getreten im Kommando der Truppen, schlug ein Feldlager auf bei Seclin in der Nähe von Lille, am Morgen des 26. März und man wußte nichts von dem Tag, wo er in Belgien einziehen würde. Der General Fleury Duray, der an der Gränze kommandirte wurde selbst überrascht, weil der Zug Blervacqs ihm erst den 29. März, um 7 Uhr Morgens, angezeigt wurde und das Treffen eine halbe Stunde später Statt hatte. Auch wurde die Bande arretirt und in die Flucht geschlagen durch einen bloßen Vortrupp. Und unterdessen hatten die Emeutieurs des Inlands, besser unterrichtet als die Regierung, eine Plünderung für denselben Tag organisirt. Des Abends hatten sie in den Straßen von Brüssel folgendermaßen abgefaßte Bülletins verbreitet: Mittwoch den 29. März 1848, 6 Uhr Abends, wird man sich in Masse nach dem Jesuitenkloster begeben. „Feuer und Blut sind die Vereinigungsprobe.“ Die Niederlage des Morgens vereitelte die Emeute des Abends; aber es ist klar, daß, das geringste Schwanken von Seite unsrer Soldaten eine Bewegung im Innern dem Angriff von Außen hinzugefügt hätte. Während man zu Brüssel mordbrennerische Schriften verbreitete, entpflasterte man zu Gent den Marktplatz und Arbeiterrevolutionen eklatirten zu Berinage und in den Umgebungen von Tournai. Alle diese Thatsachen begaben sich während des Abends und der Nacht vom 28. März, während Blervacq den 29. in Belgien einzog; seine Ankunft zu Seclin war schon das Signal einer Emeute zu Brüssel den Abend des 26. gewesen und den 29., im Augenblicke, wo man sich an der Gränze schlug, warf man in die Straßen von Ath Bülletins mit den Worten: „Nieder mit dem Könige! Es lebe die französische Republik!“ In allem dem findet sich ein frappantes Zusammenfallen, wovon Blervacq selbst die Gründe in seiner Broschüre angibt, wenn er S. 6 sagt, daß „von neuem Leute nach Belgien abgesandt wurden, während er zu Seclin war, immer mit dem Zwecke, hier eine Bewegung vorzubereiten“. Dies Zusammenfallen verpflichtete die Justiz gleichzeitig den Schuldigen des In- und Auslandes nachzuspüren und die Verhaftung Perin's brachte uns bald auf ihre Spur. Obgleich diese Verhaftung nichts mit der Angelegenheit, die uns beschäftigt, gemein hatte, wurden dem Perin Aufschlüsse abverlangt, über eine Reise, die er mit einem gewissen Dujardin nach Paris gemacht hatte, und der Angeklagte mußte zugeben, daß sie den 26. März zurückgekehrt waren; daß sie den 25. abgereist waren mit dem Zuge, welcher die erste Kolonne transportirte; daß Blervacq sich bei ihnen befand und daß sie den Zug zu Douai verlassen hatten; daß sie zu Fuß nach den Umgebungen von Ath kamen, daß sie den Eisenbahnzug von Waffles bestiegen und daß sie zu Brüssel zwischen 5 und 6 Uhr Abends ankamen. Perrin und Dujardin hatten also 12 bis 14 Meilen zu Fuß gemacht, während ein unentgeltlicher Zug bis Lille zu ihrer Verfügung stand und während sie mit regelmäßigen Pässen versehen waren. Welches also konnte das Motiv dieser sonderbaren Thatsachen sein? Wir waren auf Konjekturen angewiesen, bis eine ganz natürliche Motivirung uns durch die Denkschrift von Blervacq gegeben wurde. Wir lesen hier S. 5, daß der Oberst bei seinem Durchmarsch durch Douai, „den Bürger P., einen erprobten Republikaner, Mitglied der demokratischen Gesellschaft, Träger von Proklamationen, gezeichnet Blervacq, Graux,“ nach Brüssel gesandt hatte. Der angeklagte Perin also, ehemaliger Gerant des „Atelier democratique“ hatte den Zug bei Douai verlassen, um sich nach Brüssel zu begeben und sein Republikanismus war um so erprobter, als er 1834 in der Aprilemeute und 1839 in der Konspiration Barbès-Blanqu; kompromittirt worden war; er ist es also, den die Broschüre bezeichnet. Die Proklamation, die er bei sich trug, erklären am besten seine Sorge, die Douanen zu vermeiden, weil sie unseren Arbeitern verkündeten, sie könnten nicht leben, so lange an der Spitze der Regierung sich Despoten befanden, Sauger des Volksschweißes, mit allen Genüssen überpropfte Menschen, während die Hungersnoth ihre Mitbürger decimire. ‒ Es gebührt uns also, den Republikanern aller Nationen, sagt Blervacq, uns zu vereinigen um die bei dem blosen Namen der Republik erzitternden Tyrannen zu verjagen. Vergeblich ergreifen sie alle in ihrer Macht befindlichen Mittel, sie müßten wissen, daß weder die Gewalt der Bajonette, noch das Blei, noch die Mitraille ein Volk verhindern können, welches seine Rechte erobern geht. Vereinigen wir uns also, Bürger, unter dem Ruf: „Es lebe die Republik!“ Perin trug noch ein andres Schriftstück bei sich, das ihn bei der Douane compromittiren konnte, weil Blervacq hinzufügte, daß ,der Bürger P. beauftragt sei, einen Brief an eine einflußreiche Person zu Brüssel abzugeben, von welcher wir ein erläuterndes Schreiben über die Stimmung der Demokraten erhalten hatten, indem es uns ankündete, sie seien bereit, zu handeln.“ Diese einflußreiche Person konnte nur General Mellinet sein, dessen Name denselben Abend auf den Listen der provisorischen Regierung circulirte und zu dem sich Perin in einer Droschke bei seiner Ankunft auf dem Eisenbahnhof begab, denn zweifelsohne wird man auf Madame Hebert, bei der sich Perin einige Minuten aufhielt, die in der Broschüre befindliche Bezeichnung „einflußreiche Person“ nicht beziehen wollen. Der Brief, dessen Träger er war, wurde zwar nicht im Domicil des Generals gefunden, aber man hat hier mehre andre gefunden, die seine Verbindungen mit Paris beweisen, und die Unterstützung, die r der insurektionellen Legion daselbst angedeihen ließ. Der wichtigste ist ein Brief Beckers an Mellinet, d. d. 4. März, worin es unter andern heißt: „Jemand, der Sie zu kennen vorgab, versicherte mir, Sie seien gestorb. zu Charleroi, wohin die Regierung, wie man zusetzte, sie verwiesen hätte. Der lebhafte Kummer, den mir diese Neuigkeit verursachte, erlaubte mir nicht, mir Sicherheit zu verschaffen, aus Furcht, ein persönliches Unglück bestätigt zu finden und einen unersetzlichen Verlust für die große Sache, die wir ergriffen haben und wofür sie, ich und unsre braven Kameraden so viel gelitten haben. Da ich Sie nicht mehr hatte, schrieb ich an Gendebien, aber Sie kennen ihn; obgleich wir auf ihn zählen mußten seiner Popularität wegen, durfte ich keine Antwort von ihm erwarten. In dieser Voraussetzung schrieb ich an Felix Delhasse, der mir sofort antwortete, daß er schwer erkrankt ist und daß die Aerzte ihm absolute Ruhe verordnet hätten. Ich schreibe an unsern braven Gillo, aber seine Wittwe antwortet mir mit der Nachricht eines uns allen gemeinschaftlichen Unglücks. Ich habe an Bartels geschrieben und warte seine Antwort ab. Heute Morgen nun erfahre ich die Wahrheit; ich springe auf vor Enthusiasmus und schreibe Ihnen. Es ist also wahr! Sie könnten mit aller Wärme Ihres alten Patriotismus das Wiedererwachen der Republik begreifen und sie werden, strebend unter ihren Lorbeeren, der allgemeinen Emancipation beiwohnen, der Verbrüderung der Völker, der socialen Reorganisation. Konnte ich in einem solchen Augenblick zurückbleiben? Konnte ich die Ihnen vor drei Jahren gemachten Versprechungen vergessen, in militärischer Beziehung das Werk fortzusetzen, was wir gemeinschaftlich begonnen hatten und worin ich unter Ihren Augen, im Angesicht des Feindes meine ersten Waffenthaten vollbrachte? Bartels, Jottrand, Gillo und unsere hingebrachten Freunde haben in Ihrer Gegenwart mein Versprechen erhalten. Die Republik hat auf sich warten lassen; ich stehe ihr zu Dienst. Präsident, General, mein Schwerdt ist nicht verrostet. Ich habe an die belgischen Patrioten appellirt, alle haben sich beeilt, mir zu antworten und alle sind bereit den Umständen nach zu handeln. Beeilen Sie sich diese Dispositionen ihren Kollegen von der Association Demokratique mitzutheilen. Diesen Abend selbst versammeln wir uns, und bereiten eine Adresse vor, worin wir positiv die Principien eurer Association anerkennen und erklären werden, uns ihr zu affiliiren. Durch diese Erklärung verpflichten wir uns, euren Instruktionen Folge zu leisten und im Einverständniß mit euch zu handeln. Ich ersuche Sie, den einliegenden Brief Pellering zukommen zu lassen, ohne den geringsten Aufschub. Lassen Sie ihn mir unverzüglich antworten und nachdem er sich mit Bartels benommen hat.“ Dieser Brief, worauf Mellinet den 7. März antwortete, fiel mit Spilthoorns Ankunft zu Paris zusammen. Er läßt keinen Zweifel über Beckers Absichten, der sein republikanisches Schwerdt dem General anbot, indem er ihm sagte, er sei bereit im Einverständniß mit ihm zu handeln; und der General, der den Brief am Morgen erhalten hatte, ließ ihn denselben Abend in der Association Democratique vorlesen, denn Jottrand schreibt ihm den andern Morgen: „Beckers Brief ist gestern der Association mitgetheilt und mit einstimmigen Beifallsbezeugungen aufgenommen worden.“ Ist es hiernach zu wundern, daß Mitglieder dieser Gesellschaft an der Emeute des 20. März Theilnahmen, daß andre sie durch Geldvertheilungen provozirten, daß endlich der General selbst ihre Organisation leitete? Er brachte in der That einen Theil des Abends des 26. im Wirtshaus der Union zu, auf dem Grossenplatz, mit Deguasco, der später unter den Emeutiers erkannt wurde, mit dem Angeklagten Kats, der am Morgen Geld vertheilte, mit den Angeklagten Ballin und Tedesko, vielleicht selbst mit dem Angeklagten Derudder. Und während man die eben im Ausbruch begriffene Emeute organisirte, empfing der General jeden Augenblick Emissaire, die ihm ins Ohr flüsterten und die beim Weggehn verschiedne Richtungen einschlugen. Er wechselte zu gleicher Zeit Verständigungszeichen mit zwei Zöglingen der polytechnischen Schule, die an einer andern Tafel saßen und den General wie seine Gesellschaft nicht zu kennen heuchelten, obgleich sie denselben Tag mit Tedesko zusammengewesen waren bei Madame Imbert und obgleich sie Ballin am Morgen besucht hatten. Diese zwei Polytechniker hatten in ihren Pässen die Eigenschaft von Notariatsschreibern angenommen; sie waren den vorigen Abend von Paris angelangt und andrerseits schloß sich die Emeute sichtbar an den Zug von Blervacq an, in dessen Gefolge andre Polytechniker waren. Antoine Kats sagte am Morgen nämlich zu Franz Vanderhayden, indem er ihm einige Geldstücke gab, es würde den Abend Unruhen setzen, daß der Eisenbahnzug von Paris Arbeiter zubringen und daß man sich mit ihnen vereinigen würde auf dem Marchè de la Chapelle. Nun setzte sich grade auf diesem Marktplatz unter dem Rufe es lebe die Republik! die Emeute in Bewegung. Der Sinn der Demonstration vom 26. März ist also nicht zweifelhaft. Es steht außerdem fest durch einen Brief vom 22. April, den Derudder an Imbert schrieb und worin er ihm sagte: „Wir glaubten vor einiger Zeit, unsre Angelegenheit könnten gelingen; aber die Aristokraten dieses Landes sind für den Augenblick zu mächtig, weil sie die Fonds haben, deren wir unglücklicherweise entlehren, wäre es anders, alles wäre seit drei Wochen abgemacht. Endlich kann ich ihnen nicht besser den finanziellen Stand unsrer Kassen schildern, als wenn ich ihnen sage, daß unsrer 5 während 8 Tagen herumgelaufen sind, und höchstens 20 Fr. zur Unterstützung unsrer verhafteten Freunde aufgebracht haben.“ Der Brief vom 22. April wurde in dem Sekretär von Derudder abgefaßt, der vernachlässigt hatte, ihn auf die Post zu bringen, obgleich er versiegelt und unterschrieben war. In Verbindung gebracht mit den Unruhen vom 26. März und besonders mit dem Hin- und Hergehen, dem Flüstern ins Ohr und den Verständigungszeichen des Wirthshauses, erklärt er die gleichzeitige Gegenwart der Zöglinge, des Generals und seiner Anhänger, so wie den Zweck, den man erringen wollte. Auch Fosses, der einen Theil der Legion kommandirte, fragte später einen Zeugen, ob man nicht den General Mellinet arretirt hätte. Einem andern Zeugen sagte er den 23. März, ein Emissär sei von Brüssel angekommen und habe den Befehl zum Einrücken überbracht, und der Arbeiter, der Spilthorn begleitete, konnte den 23. wieder in Paris eingetroffen sein. Der General hat sich also dem Komplott associirt, indem er den Beistand der Brüsseler Demokraten zusicherte, das Signal zum Aufbrechen gab und den Zug der Legion durch eine republikanische Demonstration unterstützte; darum zweifelsohne figurirte sein Name auf der Liste der provisorischen Regierung, wovon Alter und Schwäche ihn ausschließen mußten. Eine dieser Liste wurde am Abend des 26. März selbst in dem Portefeuille von Delestrée gefunden. Sie enthielt indeß nach des Letztern Aussagen nur Namen von Personen, die er kennen zu lernen wünschte, aber der „Pelleringouvrier“, der sie schließt, erklärt ihren wahren Sinn. Der General hat eingestanden, daß er den 26. März Abends in dem Cabaret der „Union“ anwesend war, behauptete aber in keiner Weise sich der von den Zeugen gegebenen Details zu erinnern, schrieb diese Gedächtnißabwesenheit selbst den Nervenanfällen und Ohnmachten zu, die er bei seiner Rückkehr nach Hause gehabt hätte. (Forts. folgt.) Großbritannien.
27 London, 8. Juli. Die „Fraternal Demokrats“ in London haben an die Arbeiter Großbritanniens und Irlands eine Adresse erlassen, aus welcher ich Ihnen folgende Stellen mittheile: „Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit.“ „Die Pflicht gebietet uns, zu Euch zu reden, um unsere Brüder, die Proletarier in Paris, diese Opfer von Verräthern, Mördern und Verläumdern, in Schutz zu nehmen. ‒ Die Pariser Bourgeoisie hat die ersehnte „Schlacht“ geliefert bekommen. Die Gründer der Republik wurden niedergemetzelt, Frauen und Kinder von den Bourgeois gemordet. Sie haben sich in der Wollust des Abschlachtens im Ganzen und Großen berauscht. Und jetzt, da sie eine Regierung des Bluts und des Schreckens eingerichtet, da sie eine Einöde geschaffen, die sie „Friede“ nennen, melden sie jubelnd ihren Mitschurken (comrogues) in andern Ländern: „Die Ordnung herrscht in Paris!“ Die Lügner und Verläumder der Preßbande haben bei ihren Versuchen, die Ursachen des Aufstandes vom 23., 24., 25. u. 26. Juni zu verhüllen, sogar sich selbst übertroffen. Indeß die Ursachen jenes heroischen Ausbruches liegen Jedem, der den Gang der Ereignisse in Frankreich seit dem Februar beobachtet hat, klar genug vor Augen. Gleich nach ihrer Einsetzung proklamirte die provisorische Regierung, daß die Revolution, durch das Volk gemacht, auch für das Volk zu Ende gebracht werden müsse. Dieser Proklamation folgte ein Dekret, welches jedem Bürger die „Existenz durch Arbeit“ garantirte. Allein außer den schlecht eingerichteten Nationalwerkstätten geschah nichts, um die dem Volke gethanen Versprechen zu erfüllen. Die Nationalversammlung verweigerte das von Louis Blanc vorgeschlagene Arbeits-Ministerium und begleitete diese Weigerung mit den gröbsten Insulten. Tag für Tag wurden die Männer in den Nationalwerkstätten von den profitmäklerischen Schurken in der Presse und der Nationalversammlung verläumdet, als „Diebe“ und „unzufriedene Faullenzer“ denunzirt. Zuletzt verkündigte man die beabsichtigte Schließung der Werkstätten. Den betrogenen Ouvriers wurde nur noch die Wahl gelassen, in die Armee zu treten oder sich dem Verhungern zu unterwerfen. Dieses teuflische Verfahren trieb die Arbeiter zur Empörung. Louis Blanc prophezeite die Revolution des Hungers; Paris ist Zeuge gewesen von der Insurrektion des Hungers und diese war nahe daran, eine Revolution zu werden. Man sagt euch, es lasse sich bei allgemeinem Stimmrecht keine Insurrektion rechtfertigen. Wir aber behaupten, daß durch Elend Krieg gegen die Urheber jenes Elends unter allen Umständen gerechtfertigt ist. Drei Revolutionen haben das Recht des Widerstandes gegen Unterdrückungen geheiligt. Das Elend der Proletarier ist ein Beweis der Unterdrückung. Die Regierung hatte das von ihr garantirte Recht auf „Existenz durch Arbeit“ verletzt. Somit hatte Jeder der Tausende, da ihm der gesellschaftliche Vertrag länger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar045_013" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0223"/> Hauptmanns von Schönfels, gesteigert ward. Unser Oberbefehlshaber ließ nämlich den Truppen die Kriegsartikel vorlesen und darin besonders die Stelle zu Gemüthe führen: „der Soldat dürfe, wenn er den Befehl erhalte, für Fürst und Vaterland zu streiten, weder Vater noch Mutter schonen!“ Nach der Verlesung ward den Soldaten zur Anfeuerung verkündet, daß sie in Zukunft von ihren Führern mit <hi rendition="#g">Sie</hi> angeredet werden sollten.</p> <bibl>(M. Ztg.)</bibl> </div> <div xml:id="ar045_014" type="jArticle"> <head><bibl><author>130</author></bibl> Wien, 9. Juli.</head> <p>Bei dem mehr als schwarzgelben Ausfall der Wahlen arbeitet die demokratische Partei auf Umstoßung derselben. Die Nationalgarde ist seit einigen Tagen nach dieser Seite hin von der Presse hinlänglich bearbeitet worden, so daß sie eine neue Umwälzung wohl unterstützen würde. In Bezug auf die Ministerkrisis melde ich Ihnen, daß Prof. Füster ins Ministerium des Kultus, General Graf Auersperg in das des Krieges und Dr. Bach in das der Justiz eingetreten sind. In Begleitung des nach Frankfurt abgegangenen Johann befindet sich auch der Marschall Marmont. So eben hört man noch den Freiherrn von Stifft und v. Bruck als neue Minister resp. der Finanzen und des Handels, bezeichnen. Wessemberg soll das Ministerium des Auswärtigen erhalten.</p> <p>Aus Triest erfahren wir, daß die italienische Flotte abgezogen ist und sich an der istrischen Küste aufhält. Die Blockade betrifft jetzt lediglich noch die östreichischen Kriegsschiffe.</p> <p>Aus <hi rendition="#b">Konstanz</hi> schreiben die Seeblätter: Auch auf den katholischen Klerus erstrecken sich die Untersuchen wegen hochverrätherischer Bestrebungen. Die Zahl der vom Erzbischof in Freiburg wegen Theilnahme an den politischen Bewegungen suspendirten Geistlichen beträgt 36.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Ungarn.</head> <div xml:id="ar045_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Pesth, 6. Juli.</head> <p>Gestern wurde der ungarische Landtag durch den Erzherzog Stephan eröffnet. In der Eröffnungs- oder Thronrede kommen die Ausdrücke, vor: „offener Aufruhr in Kroatien“ und: „Empörungen im Banat und an der Gränze“. Recht schön! Nur daß die Kamarilla in Insbruck ganz anders gehandelt hat, als hier in des Königs (Ferdinand's) Namen geredet wird. ‒ Rothschild hat dem ungarischen Finanzminister ein Darlehn von 40 Mill. Gulden angeboten.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Belgien.</head> <div xml:id="ar045_016" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl> Brüssel.</head> <p>Wir geben zunächst den <hi rendition="#g">Anklageakt</hi> des Generalprokurator Bavay über die Affaire bei <hi rendition="#g">Risquons-Tout.</hi> Wir werden sodann näher auf dieß juristisch-diplomatische Meisterwerk eingehen.</p> <p>Das Beispiel Frankreichs, das so eben den Julithron umstürzte, konnte nicht verfehlen Belgien zu erregen, wo man schon seit einiger Zeit republikanische Ideen zu verbreiten suchte. Es eclatirten also Unruhen zu Brüssel am Abend des 27. Februar, aber sie wurden unmittelbar unterdrückt und die Männer des Umsturzes gaben sich dran, die innere Emeute mit einem bewaffneten Einfall von aussen zu verbinden. In <hi rendition="#g">Folge</hi> dessen begab sich <hi rendition="#g">Spilthoorn</hi> nach Paris, unter dem Vorwand, der provisorischen Regierung eine Adresse der Association Democratique zu überbringen, aber bald erkannte man den wahren Beweggrund seiner Reise, weil eine Frau <hi rendition="#g">de Bie</hi> von Paris d. d. 7. März schrieb: „Es sind hier drei Deputirte angelangt, welche die Belgier von hier entsenden werden, um bei uns die Republik einzuführen und Leopold fortzujagen. Einer der drei ist Advokat Spilthoorn; ich habe ihn selbst gesprochen und er hat mir versichert, daß die Soldaten für das Volk seien und ihre Waffen wegwerfen werden, und daß König Leopold sich beeilen wird, das Land zu verlassen. Zwei tausend Mann sind schon eingeschrieben; sie werden 30,000 Musketen an der Grenze finden und auf Brüssel losmarschiren.“ Die erste Idee der Legionbildung gehörte einem alten Offizier, <hi rendition="#g">Felix Becker</hi> von Rheims, der 1831 unter <hi rendition="#g">General Mellinet</hi> diente und der schon den 27. Februar die Belgier zu einer Versammlung Passage Ricoli Nro. 17 berufen hatte. Die Angeklagten <hi rendition="#g">Blervacq</hi> und <hi rendition="#g">Graux</hi> hatten sich sofort an Becker angeschlossen und von diesem Augenblick an wurde der Sitz der Gesellschaft zu Bervacq, Rue Mènilmontent Nro. 34 verlegt. Spilthoorn fand also bei seiner Ankunft in Paris den Kern einer insurrektionellen Legion vor. Befreundet mit <hi rendition="#g">Imbert,</hi> Gouverneur der Civilinvaliden und ehemaligem Vicepräsidenten der Association Demokratique zu Brüssel, erhielt er durch dessen Vermittlung Lebensmittel für die Legion und hetzte ausserdem durch aufreizende Reden bei Blervacq die Belgier auf gegen ihr Land zu marschiren, „um den Schwiegersohn des Tyrannen ‒ zu stürzen und die Tochter Louis Philipp's zu entthronen.“</p> <p>Die revolutionären Umtriebe Spilthorns folgen noch klarer aus einem Brief von <hi rendition="#g">Delestrèe</hi> an Imbert, einige Tage vor der Abreise der Legion worin es heißt:</p> <p>„Ich schulde mir selbst, Ihnen zu erklären, daß von nun an jedes Verhältniß zwischen Spilthoorn und mir aufhören wird. Diese Entscheidung ist begründet auf die Nachlässigkeit, die er in diesem Augenblick zeigt, nachdem wir überein gekommen waren, ihn zu einem der Chefs in der Leitung der revolutionären Expedition nach Belgien zu machen; auf den diktatorischen Ton, den er annimmt, auf die Indiskretionen, die er sich in gewissen Herzergiessungen erlaubt hat, bezüglich der Mittel, die uns hier zugestanden werden sollten, um nach Belgien marschiren zu können, obgleich wir uns formell verpflichtet hatten, keine Seele davon wissen zu lassen.“</p> <p><hi rendition="#g">Delestrèe</hi> trug die Kopie dieses Briefes bei sich, gänzlich von seiner Hand geschrieben, als er den 26. März, 11 Uhr Abends in den Straßen von Brüssel arretirt wurde. Dieser Brief beweist mehr als ein Zeugenverhör beweisen würde.</p> <p>Durchmustern wir nun die andern Papiere von Delestrèe, so begreifen wir das Motiv, daß ihn und Spilthoorn, wenige Tage vor dem Abmarsch der Belgier nach Brüssel zurückführte.</p> <p>Spilthoorn hatte Paris den 20. März verlassen und Delestrèe den 21. mit einem Einführungsschreiben, worin Bornstedt ihn den belgischen Demokraten empfahl durch die Versicherung „er werde gute Propaganda für die Republik machen.“ Imbert seinerseits bat die Brüsseler Demokraten ihm Vertrauen zu schenken, da er Beweise von Aufopferung in Paris gegeben. Delestrèe kam also nach Brüssel, um republikanische Propaganda zu machen, in demselben Augenblick, wo die Legion sich in Marsch setzen sollte, und er erklärte in einer Note bezüglich der Verhaftung Spilthoorns, daß dieser nach Gent zu demselben Zwecke gehe. Ueberdem bestätigt Blervacq die Thatsache in einer Denkschrift, die er zu Paris veröffentlicht hat, denn er sagt von einem Brief, der ihm Unterstützung vom Inland zugesagt. „Dieser Brief wurde einem Mitglied des Associationscomités übergeben, das sich nach Brüssel und nach Gent begab, begleitet vom Bürger ∗ Präsident einer demokratischen Gesellschaft in Belgien, in der Voraussicht, daß dieser verhaftet werden könnte, wie es wirklich geschah … Der Oberst sandte gleichmäßig nach Gent drei Bürger unserer Legion, Eingeborne dieser Stadt, die durch den Bürger Tytgat vorgestellt waren, Mitglied des Comités, genannt der Sans Peur von Gent, mit einem Brief gezeichnet und besiegelt durch den Bürger D., der uns bezeichnet worden war durch den Bürger Präsidenten S. als sein zweites Selbst. Dieser Brief sollte zu Gent dieselbe Wirkung hervorbringen, wie der nach Brüssel geschickte.“ Der Angeklagte Spilthoorn, der Präsident der demokratischen Gesellschaft von Gent war, wurde wirklich den 20. März verhaftet, bei seiner Ankunft an der Gränze, und er war, wie er selbst anerkennen muß, von einem Arbeiter begleitet, der seinen Weg fortsetzte. Auf ihn also bezieht sich die Denkschrift von Blervacq und es geht daraus hervor, daß er nicht, wie er behauptet, von Paris zurückkehrte um einen Prozeß zu plaidiren, so wenig, wie er dort blieb, um unsere Unabhängigkeit zu vertheidigen.“</p> <p>Spilthoorn stellt alles in Abrede. Aber wie dann die Papiere von Delestrèe erklären, wie das Schreiben der Frau De Bie?</p> <p>Obgleich die Legion die Unterstützung der zwei ersten Angeklagten verlore hatte, hatte sie im Lande noch intime Verbindungen, wie das bloße Zusammenfallen der Thatsachen beweist.</p> <p><hi rendition="#g">Blervacq,</hi> an die Stelle Beckers getreten im Kommando der Truppen, schlug ein Feldlager auf bei Seclin in der Nähe von Lille, am Morgen des 26. März und man wußte nichts von dem Tag, wo er in Belgien einziehen würde. Der General Fleury Duray, der an der Gränze kommandirte wurde selbst überrascht, weil der Zug Blervacqs ihm erst den 29. März, um 7 Uhr Morgens, angezeigt wurde und das Treffen eine halbe Stunde später Statt hatte. Auch wurde die Bande arretirt und in die Flucht geschlagen durch einen bloßen Vortrupp. Und unterdessen hatten die Emeutieurs des Inlands, besser unterrichtet als die Regierung, eine Plünderung für denselben Tag organisirt. Des Abends hatten sie in den Straßen von Brüssel folgendermaßen abgefaßte Bülletins verbreitet: Mittwoch den 29. März 1848, 6 Uhr Abends, wird man sich in Masse nach dem Jesuitenkloster begeben. „Feuer und Blut sind die Vereinigungsprobe.“ Die Niederlage des Morgens vereitelte die Emeute des Abends; aber es ist klar, daß, das geringste Schwanken von Seite unsrer Soldaten eine Bewegung im Innern dem Angriff von Außen hinzugefügt hätte.</p> <p>Während man zu Brüssel mordbrennerische Schriften verbreitete, entpflasterte man zu Gent den Marktplatz und Arbeiterrevolutionen eklatirten zu Berinage und in den Umgebungen von Tournai. Alle diese Thatsachen begaben sich während des Abends und der Nacht vom 28. März, während Blervacq den 29. in Belgien einzog; seine Ankunft zu Seclin war schon das Signal einer Emeute zu Brüssel den Abend des 26. gewesen und den 29., im Augenblicke, wo man sich an der Gränze schlug, warf man in die Straßen von Ath Bülletins mit den Worten: „Nieder mit dem Könige! Es lebe die französische Republik!“ In allem dem findet sich ein frappantes Zusammenfallen, wovon Blervacq selbst die Gründe in seiner Broschüre angibt, wenn er S. 6 sagt, daß „von neuem Leute nach Belgien abgesandt wurden, während er zu Seclin war, immer mit dem Zwecke, hier eine Bewegung vorzubereiten“.</p> <p>Dies Zusammenfallen verpflichtete die Justiz gleichzeitig den Schuldigen des In- und Auslandes nachzuspüren und die Verhaftung <hi rendition="#g">Perin's</hi> brachte uns bald auf ihre Spur.</p> <p>Obgleich diese Verhaftung nichts mit der Angelegenheit, die uns beschäftigt, gemein hatte, wurden dem Perin Aufschlüsse abverlangt, über eine Reise, die er mit einem gewissen Dujardin nach Paris gemacht hatte, und der Angeklagte mußte zugeben, daß sie den 26. März zurückgekehrt waren; daß sie den 25. abgereist waren mit dem Zuge, welcher die erste Kolonne transportirte; daß Blervacq sich bei ihnen befand und daß sie den Zug zu Douai verlassen hatten; daß sie zu Fuß nach den Umgebungen von Ath kamen, daß sie den Eisenbahnzug von Waffles bestiegen und daß sie zu Brüssel zwischen 5 und 6 Uhr Abends ankamen. Perrin und Dujardin hatten also 12 bis 14 Meilen zu Fuß gemacht, während ein unentgeltlicher Zug bis Lille zu ihrer Verfügung stand und während sie mit regelmäßigen Pässen versehen waren. Welches also konnte das Motiv dieser sonderbaren Thatsachen sein? Wir waren auf Konjekturen angewiesen, bis eine ganz natürliche Motivirung uns durch die Denkschrift von Blervacq gegeben wurde. Wir lesen hier S. 5, daß der Oberst bei seinem Durchmarsch durch Douai, „den Bürger P., einen erprobten Republikaner, Mitglied der demokratischen Gesellschaft, Träger von Proklamationen, gezeichnet Blervacq, Graux,“ nach Brüssel gesandt hatte. Der angeklagte Perin also, ehemaliger Gerant des „Atelier democratique“ hatte den Zug bei Douai verlassen, um sich nach Brüssel zu begeben und sein Republikanismus war um so erprobter, als er 1834 in der Aprilemeute und 1839 in der Konspiration Barbès-Blanqu; kompromittirt worden war; er ist es also, den die Broschüre bezeichnet.</p> <p>Die Proklamation, die er bei sich trug, erklären am besten seine Sorge, die Douanen zu vermeiden, weil sie unseren Arbeitern verkündeten, sie könnten nicht leben, so lange an der Spitze der Regierung sich Despoten befanden, Sauger des Volksschweißes, mit allen Genüssen überpropfte Menschen, während die Hungersnoth ihre Mitbürger decimire. ‒ Es gebührt uns also, den Republikanern aller Nationen, sagt Blervacq, uns zu vereinigen um die bei dem blosen Namen der Republik erzitternden Tyrannen zu verjagen. Vergeblich ergreifen sie alle in ihrer Macht befindlichen Mittel, sie müßten wissen, daß weder die Gewalt der Bajonette, noch das Blei, noch die Mitraille ein Volk verhindern können, welches seine Rechte erobern geht. Vereinigen wir uns also, Bürger, unter dem Ruf: „Es lebe die Republik!“ Perin trug noch ein andres Schriftstück bei sich, das ihn bei der Douane compromittiren konnte, weil Blervacq hinzufügte, daß ,der Bürger P. beauftragt sei, einen Brief an eine einflußreiche Person zu Brüssel abzugeben, von welcher wir ein erläuterndes Schreiben über die Stimmung der Demokraten erhalten hatten, indem es uns ankündete, sie seien bereit, zu handeln.“ Diese einflußreiche Person konnte nur General Mellinet sein, dessen Name denselben Abend auf den Listen der provisorischen Regierung circulirte und zu dem sich Perin in einer Droschke bei seiner Ankunft auf dem Eisenbahnhof begab, denn zweifelsohne wird man auf Madame Hebert, bei der sich Perin einige Minuten aufhielt, die in der Broschüre befindliche Bezeichnung „einflußreiche Person“ nicht beziehen wollen. Der Brief, dessen Träger er war, wurde zwar nicht im Domicil des Generals gefunden, aber man hat hier mehre andre gefunden, die seine Verbindungen mit Paris beweisen, und die Unterstützung, die r der insurektionellen Legion daselbst angedeihen ließ. Der wichtigste ist ein Brief Beckers an Mellinet, d. d. 4. März, worin es unter andern heißt: „Jemand, der Sie zu kennen vorgab, versicherte mir, Sie seien gestorb. zu Charleroi, wohin die Regierung, wie man zusetzte, sie verwiesen hätte. Der lebhafte Kummer, den mir diese Neuigkeit verursachte, erlaubte mir nicht, mir Sicherheit zu verschaffen, aus Furcht, ein persönliches Unglück bestätigt zu finden und einen unersetzlichen Verlust für die große Sache, die wir ergriffen haben und wofür sie, ich und unsre braven Kameraden so viel gelitten haben. Da ich Sie nicht mehr hatte, schrieb ich an Gendebien, aber Sie kennen ihn; obgleich wir auf ihn zählen mußten seiner Popularität wegen, durfte ich keine Antwort von ihm erwarten. In dieser Voraussetzung schrieb ich an <hi rendition="#g">Felix Delhasse,</hi> der mir sofort antwortete, daß er schwer erkrankt ist und daß die Aerzte ihm absolute Ruhe verordnet hätten. Ich schreibe an unsern braven Gillo, aber seine Wittwe antwortet mir mit der Nachricht eines uns allen gemeinschaftlichen Unglücks. Ich habe an Bartels geschrieben und warte seine Antwort ab. Heute Morgen nun erfahre ich die Wahrheit; ich springe auf vor Enthusiasmus und schreibe Ihnen. Es ist also wahr! Sie könnten mit aller Wärme Ihres alten Patriotismus das Wiedererwachen der Republik begreifen und sie werden, strebend unter ihren Lorbeeren, der allgemeinen Emancipation beiwohnen, der Verbrüderung der Völker, der socialen Reorganisation. Konnte ich in einem solchen Augenblick zurückbleiben? Konnte ich die Ihnen vor drei Jahren gemachten Versprechungen vergessen, in militärischer Beziehung das Werk fortzusetzen, was wir gemeinschaftlich begonnen hatten und worin ich unter Ihren Augen, im Angesicht des Feindes meine ersten Waffenthaten vollbrachte? Bartels, Jottrand, Gillo und unsere hingebrachten Freunde haben in Ihrer Gegenwart mein Versprechen erhalten. Die Republik hat auf sich warten lassen; ich stehe ihr zu Dienst. Präsident, General, mein Schwerdt ist nicht verrostet. Ich habe an die belgischen Patrioten appellirt, alle haben sich beeilt, mir zu antworten und alle sind bereit den Umständen nach zu handeln. Beeilen Sie sich diese Dispositionen ihren Kollegen von der Association Demokratique mitzutheilen. Diesen Abend selbst versammeln wir uns, und bereiten eine Adresse vor, worin wir positiv die Principien eurer Association anerkennen und erklären werden, uns ihr zu affiliiren. Durch diese Erklärung verpflichten wir uns, euren Instruktionen Folge zu leisten und im Einverständniß mit euch zu handeln. Ich ersuche Sie, den einliegenden Brief <hi rendition="#g">Pellering</hi> zukommen zu lassen, ohne den geringsten Aufschub. Lassen Sie ihn mir unverzüglich antworten und nachdem er sich mit Bartels benommen hat.“</p> <p>Dieser Brief, worauf Mellinet den 7. März antwortete, fiel mit Spilthoorns Ankunft zu Paris zusammen. Er läßt keinen Zweifel über Beckers Absichten, der sein republikanisches Schwerdt dem General anbot, indem er ihm sagte, er sei bereit im Einverständniß mit ihm zu handeln; und der General, der den Brief am Morgen erhalten hatte, ließ ihn denselben Abend in der Association Democratique vorlesen, denn <hi rendition="#g">Jottrand</hi> schreibt ihm den andern Morgen: „Beckers Brief ist gestern der Association mitgetheilt und mit einstimmigen Beifallsbezeugungen aufgenommen worden.“ Ist es hiernach zu wundern, daß Mitglieder dieser Gesellschaft an der Emeute des 20. März Theilnahmen, daß andre sie durch Geldvertheilungen provozirten, daß endlich der General selbst ihre Organisation leitete? Er brachte in der That einen Theil des Abends des 26. im Wirtshaus der <hi rendition="#g">Union</hi> zu, auf dem Grossenplatz, mit <hi rendition="#g">Deguasco,</hi> der später unter den Emeutiers erkannt wurde, mit dem Angeklagten <hi rendition="#g">Kats,</hi> der am Morgen Geld vertheilte, mit den Angeklagten <hi rendition="#g">Ballin</hi> und <hi rendition="#g">Tedesko,</hi> vielleicht selbst mit dem Angeklagten <hi rendition="#g">Derudder.</hi> Und während man die eben im Ausbruch begriffene Emeute organisirte, empfing der General jeden Augenblick Emissaire, die ihm ins Ohr flüsterten und die beim Weggehn verschiedne Richtungen einschlugen. Er wechselte zu gleicher Zeit Verständigungszeichen mit zwei Zöglingen der polytechnischen Schule, die an einer andern Tafel saßen und den General wie seine Gesellschaft nicht zu kennen heuchelten, obgleich sie denselben Tag mit Tedesko zusammengewesen waren bei Madame Imbert und obgleich sie Ballin am Morgen besucht hatten. Diese zwei Polytechniker hatten in ihren Pässen die Eigenschaft von Notariatsschreibern angenommen; sie waren den vorigen Abend von Paris angelangt und andrerseits schloß sich die Emeute sichtbar an den Zug von Blervacq an, in dessen Gefolge andre Polytechniker waren. Antoine Kats sagte am Morgen nämlich zu Franz Vanderhayden, indem er ihm einige Geldstücke gab, es würde den Abend Unruhen setzen, daß der Eisenbahnzug von Paris Arbeiter zubringen und daß man sich mit ihnen vereinigen würde auf dem Marchè de la Chapelle. Nun setzte sich grade auf diesem Marktplatz unter dem Rufe es lebe die Republik! die Emeute in Bewegung.</p> <p>Der Sinn der Demonstration vom 26. März ist also nicht zweifelhaft. Es steht außerdem fest durch einen Brief vom 22. April, den Derudder an Imbert schrieb und worin er ihm sagte: „Wir glaubten vor einiger Zeit, unsre Angelegenheit könnten gelingen; aber die Aristokraten dieses Landes sind für den Augenblick zu mächtig, weil sie die Fonds haben, deren wir unglücklicherweise entlehren, wäre es anders, alles wäre seit drei Wochen abgemacht. Endlich kann ich ihnen nicht besser den finanziellen Stand unsrer Kassen schildern, als wenn ich ihnen sage, daß unsrer 5 während 8 Tagen herumgelaufen sind, und höchstens 20 Fr. zur Unterstützung unsrer verhafteten Freunde aufgebracht haben.“</p> <p>Der Brief vom 22. April wurde in dem Sekretär von Derudder abgefaßt, der vernachlässigt hatte, ihn auf die Post zu bringen, obgleich er versiegelt und unterschrieben war. In Verbindung gebracht mit den Unruhen vom 26. März und besonders mit dem Hin- und Hergehen, dem Flüstern ins Ohr und den Verständigungszeichen des Wirthshauses, erklärt er die gleichzeitige Gegenwart der Zöglinge, des Generals und seiner Anhänger, so wie den Zweck, den man erringen wollte. Auch <hi rendition="#g">Fosses,</hi> der einen Theil der Legion kommandirte, fragte später einen Zeugen, ob man nicht den General Mellinet arretirt hätte. Einem andern Zeugen sagte er den 23. März, ein Emissär sei von Brüssel angekommen und habe den Befehl zum Einrücken überbracht, und der Arbeiter, der Spilthorn begleitete, konnte den 23. wieder in Paris eingetroffen sein. Der General hat sich also dem Komplott associirt, indem er den Beistand der Brüsseler Demokraten zusicherte, das Signal zum Aufbrechen gab und den Zug der Legion durch eine republikanische Demonstration unterstützte; darum zweifelsohne figurirte sein Name auf der Liste der provisorischen Regierung, wovon Alter und Schwäche ihn ausschließen mußten. Eine dieser Liste wurde am Abend des 26. März selbst in dem Portefeuille von Delestrée gefunden. Sie enthielt indeß nach des Letztern Aussagen nur Namen von Personen, die er kennen zu lernen wünschte, aber der „<hi rendition="#g">Pelleringouvrier</hi>“, der sie schließt, erklärt ihren wahren Sinn.</p> <p>Der General hat eingestanden, daß er den 26. März Abends in dem Cabaret der <hi rendition="#g">„Union“</hi> anwesend war, behauptete aber in keiner Weise sich der von den Zeugen gegebenen Details zu erinnern, schrieb diese Gedächtnißabwesenheit selbst den Nervenanfällen und Ohnmachten zu, die er bei seiner Rückkehr nach Hause gehabt hätte.</p> <p> <ref type="link">(Forts. folgt.)</ref> </p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar045_017" type="jArticle"> <head><bibl><author>27</author></bibl> London, 8. Juli.</head> <p>Die „Fraternal Demokrats“ in London haben an die Arbeiter Großbritanniens und Irlands eine Adresse erlassen, aus welcher ich Ihnen folgende Stellen mittheile:</p> <p rendition="#et">„Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit.“<lb/> Brüder!</p> <p>„Die Pflicht gebietet uns, zu Euch zu reden, um unsere Brüder, die Proletarier in Paris, diese Opfer von Verräthern, Mördern und Verläumdern, in Schutz zu nehmen. ‒ Die Pariser Bourgeoisie hat die ersehnte „Schlacht“ geliefert bekommen. Die Gründer der Republik wurden niedergemetzelt, Frauen und Kinder von den Bourgeois gemordet. Sie haben sich in der Wollust des Abschlachtens im Ganzen und Großen berauscht. Und jetzt, da sie eine Regierung des Bluts und des Schreckens eingerichtet, da sie eine Einöde geschaffen, die sie „Friede“ nennen, melden sie jubelnd ihren Mitschurken (comrogues) in andern Ländern: „Die Ordnung herrscht in Paris!“</p> <p>Die Lügner und Verläumder der Preßbande haben bei ihren Versuchen, die Ursachen des Aufstandes vom 23., 24., 25. u. 26. Juni zu verhüllen, sogar sich selbst übertroffen. Indeß die Ursachen jenes heroischen Ausbruches liegen Jedem, der den Gang der Ereignisse in Frankreich seit dem Februar beobachtet hat, klar genug vor Augen. Gleich nach ihrer Einsetzung proklamirte die provisorische Regierung, daß die Revolution, <hi rendition="#g">durch</hi> das Volk gemacht, auch <hi rendition="#g">für</hi> das Volk zu Ende gebracht werden müsse. Dieser Proklamation folgte ein Dekret, welches jedem Bürger die „Existenz durch Arbeit“ garantirte. Allein außer den schlecht eingerichteten Nationalwerkstätten geschah nichts, um die dem Volke gethanen Versprechen zu erfüllen. Die Nationalversammlung verweigerte das von Louis Blanc vorgeschlagene Arbeits-Ministerium und begleitete diese Weigerung mit den gröbsten Insulten. Tag für Tag wurden die Männer in den Nationalwerkstätten von den profitmäklerischen Schurken in der Presse und der Nationalversammlung verläumdet, als „Diebe“ und „unzufriedene Faullenzer“ denunzirt. Zuletzt verkündigte man die beabsichtigte Schließung der Werkstätten. Den betrogenen Ouvriers wurde nur noch die Wahl gelassen, in die Armee zu treten oder sich dem Verhungern zu unterwerfen. Dieses teuflische Verfahren trieb die Arbeiter zur Empörung.</p> <p>Louis Blanc prophezeite die Revolution des Hungers; Paris ist Zeuge gewesen von der <hi rendition="#g">Insurrektion</hi> des Hungers und diese war nahe daran, eine Revolution zu werden. Man sagt euch, es lasse sich bei allgemeinem Stimmrecht keine Insurrektion rechtfertigen. Wir aber behaupten, daß durch Elend Krieg gegen die Urheber jenes Elends unter allen Umständen gerechtfertigt ist.</p> <p>Drei Revolutionen haben das Recht des Widerstandes gegen Unterdrückungen geheiligt. Das Elend der Proletarier ist ein Beweis der Unterdrückung. Die Regierung hatte das von ihr garantirte Recht auf „Existenz durch Arbeit“ verletzt. Somit hatte Jeder der Tausende, da ihm der gesellschaftliche Vertrag länger </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0223/0003]
Hauptmanns von Schönfels, gesteigert ward. Unser Oberbefehlshaber ließ nämlich den Truppen die Kriegsartikel vorlesen und darin besonders die Stelle zu Gemüthe führen: „der Soldat dürfe, wenn er den Befehl erhalte, für Fürst und Vaterland zu streiten, weder Vater noch Mutter schonen!“ Nach der Verlesung ward den Soldaten zur Anfeuerung verkündet, daß sie in Zukunft von ihren Führern mit Sie angeredet werden sollten.
(M. Ztg.) 130 Wien, 9. Juli. Bei dem mehr als schwarzgelben Ausfall der Wahlen arbeitet die demokratische Partei auf Umstoßung derselben. Die Nationalgarde ist seit einigen Tagen nach dieser Seite hin von der Presse hinlänglich bearbeitet worden, so daß sie eine neue Umwälzung wohl unterstützen würde. In Bezug auf die Ministerkrisis melde ich Ihnen, daß Prof. Füster ins Ministerium des Kultus, General Graf Auersperg in das des Krieges und Dr. Bach in das der Justiz eingetreten sind. In Begleitung des nach Frankfurt abgegangenen Johann befindet sich auch der Marschall Marmont. So eben hört man noch den Freiherrn von Stifft und v. Bruck als neue Minister resp. der Finanzen und des Handels, bezeichnen. Wessemberg soll das Ministerium des Auswärtigen erhalten.
Aus Triest erfahren wir, daß die italienische Flotte abgezogen ist und sich an der istrischen Küste aufhält. Die Blockade betrifft jetzt lediglich noch die östreichischen Kriegsschiffe.
Aus Konstanz schreiben die Seeblätter: Auch auf den katholischen Klerus erstrecken sich die Untersuchen wegen hochverrätherischer Bestrebungen. Die Zahl der vom Erzbischof in Freiburg wegen Theilnahme an den politischen Bewegungen suspendirten Geistlichen beträgt 36.
Ungarn. * Pesth, 6. Juli. Gestern wurde der ungarische Landtag durch den Erzherzog Stephan eröffnet. In der Eröffnungs- oder Thronrede kommen die Ausdrücke, vor: „offener Aufruhr in Kroatien“ und: „Empörungen im Banat und an der Gränze“. Recht schön! Nur daß die Kamarilla in Insbruck ganz anders gehandelt hat, als hier in des Königs (Ferdinand's) Namen geredet wird. ‒ Rothschild hat dem ungarischen Finanzminister ein Darlehn von 40 Mill. Gulden angeboten.
Belgien. * Brüssel. Wir geben zunächst den Anklageakt des Generalprokurator Bavay über die Affaire bei Risquons-Tout. Wir werden sodann näher auf dieß juristisch-diplomatische Meisterwerk eingehen.
Das Beispiel Frankreichs, das so eben den Julithron umstürzte, konnte nicht verfehlen Belgien zu erregen, wo man schon seit einiger Zeit republikanische Ideen zu verbreiten suchte. Es eclatirten also Unruhen zu Brüssel am Abend des 27. Februar, aber sie wurden unmittelbar unterdrückt und die Männer des Umsturzes gaben sich dran, die innere Emeute mit einem bewaffneten Einfall von aussen zu verbinden. In Folge dessen begab sich Spilthoorn nach Paris, unter dem Vorwand, der provisorischen Regierung eine Adresse der Association Democratique zu überbringen, aber bald erkannte man den wahren Beweggrund seiner Reise, weil eine Frau de Bie von Paris d. d. 7. März schrieb: „Es sind hier drei Deputirte angelangt, welche die Belgier von hier entsenden werden, um bei uns die Republik einzuführen und Leopold fortzujagen. Einer der drei ist Advokat Spilthoorn; ich habe ihn selbst gesprochen und er hat mir versichert, daß die Soldaten für das Volk seien und ihre Waffen wegwerfen werden, und daß König Leopold sich beeilen wird, das Land zu verlassen. Zwei tausend Mann sind schon eingeschrieben; sie werden 30,000 Musketen an der Grenze finden und auf Brüssel losmarschiren.“ Die erste Idee der Legionbildung gehörte einem alten Offizier, Felix Becker von Rheims, der 1831 unter General Mellinet diente und der schon den 27. Februar die Belgier zu einer Versammlung Passage Ricoli Nro. 17 berufen hatte. Die Angeklagten Blervacq und Graux hatten sich sofort an Becker angeschlossen und von diesem Augenblick an wurde der Sitz der Gesellschaft zu Bervacq, Rue Mènilmontent Nro. 34 verlegt. Spilthoorn fand also bei seiner Ankunft in Paris den Kern einer insurrektionellen Legion vor. Befreundet mit Imbert, Gouverneur der Civilinvaliden und ehemaligem Vicepräsidenten der Association Demokratique zu Brüssel, erhielt er durch dessen Vermittlung Lebensmittel für die Legion und hetzte ausserdem durch aufreizende Reden bei Blervacq die Belgier auf gegen ihr Land zu marschiren, „um den Schwiegersohn des Tyrannen ‒ zu stürzen und die Tochter Louis Philipp's zu entthronen.“
Die revolutionären Umtriebe Spilthorns folgen noch klarer aus einem Brief von Delestrèe an Imbert, einige Tage vor der Abreise der Legion worin es heißt:
„Ich schulde mir selbst, Ihnen zu erklären, daß von nun an jedes Verhältniß zwischen Spilthoorn und mir aufhören wird. Diese Entscheidung ist begründet auf die Nachlässigkeit, die er in diesem Augenblick zeigt, nachdem wir überein gekommen waren, ihn zu einem der Chefs in der Leitung der revolutionären Expedition nach Belgien zu machen; auf den diktatorischen Ton, den er annimmt, auf die Indiskretionen, die er sich in gewissen Herzergiessungen erlaubt hat, bezüglich der Mittel, die uns hier zugestanden werden sollten, um nach Belgien marschiren zu können, obgleich wir uns formell verpflichtet hatten, keine Seele davon wissen zu lassen.“
Delestrèe trug die Kopie dieses Briefes bei sich, gänzlich von seiner Hand geschrieben, als er den 26. März, 11 Uhr Abends in den Straßen von Brüssel arretirt wurde. Dieser Brief beweist mehr als ein Zeugenverhör beweisen würde.
Durchmustern wir nun die andern Papiere von Delestrèe, so begreifen wir das Motiv, daß ihn und Spilthoorn, wenige Tage vor dem Abmarsch der Belgier nach Brüssel zurückführte.
Spilthoorn hatte Paris den 20. März verlassen und Delestrèe den 21. mit einem Einführungsschreiben, worin Bornstedt ihn den belgischen Demokraten empfahl durch die Versicherung „er werde gute Propaganda für die Republik machen.“ Imbert seinerseits bat die Brüsseler Demokraten ihm Vertrauen zu schenken, da er Beweise von Aufopferung in Paris gegeben. Delestrèe kam also nach Brüssel, um republikanische Propaganda zu machen, in demselben Augenblick, wo die Legion sich in Marsch setzen sollte, und er erklärte in einer Note bezüglich der Verhaftung Spilthoorns, daß dieser nach Gent zu demselben Zwecke gehe. Ueberdem bestätigt Blervacq die Thatsache in einer Denkschrift, die er zu Paris veröffentlicht hat, denn er sagt von einem Brief, der ihm Unterstützung vom Inland zugesagt. „Dieser Brief wurde einem Mitglied des Associationscomités übergeben, das sich nach Brüssel und nach Gent begab, begleitet vom Bürger ∗ Präsident einer demokratischen Gesellschaft in Belgien, in der Voraussicht, daß dieser verhaftet werden könnte, wie es wirklich geschah … Der Oberst sandte gleichmäßig nach Gent drei Bürger unserer Legion, Eingeborne dieser Stadt, die durch den Bürger Tytgat vorgestellt waren, Mitglied des Comités, genannt der Sans Peur von Gent, mit einem Brief gezeichnet und besiegelt durch den Bürger D., der uns bezeichnet worden war durch den Bürger Präsidenten S. als sein zweites Selbst. Dieser Brief sollte zu Gent dieselbe Wirkung hervorbringen, wie der nach Brüssel geschickte.“ Der Angeklagte Spilthoorn, der Präsident der demokratischen Gesellschaft von Gent war, wurde wirklich den 20. März verhaftet, bei seiner Ankunft an der Gränze, und er war, wie er selbst anerkennen muß, von einem Arbeiter begleitet, der seinen Weg fortsetzte. Auf ihn also bezieht sich die Denkschrift von Blervacq und es geht daraus hervor, daß er nicht, wie er behauptet, von Paris zurückkehrte um einen Prozeß zu plaidiren, so wenig, wie er dort blieb, um unsere Unabhängigkeit zu vertheidigen.“
Spilthoorn stellt alles in Abrede. Aber wie dann die Papiere von Delestrèe erklären, wie das Schreiben der Frau De Bie?
Obgleich die Legion die Unterstützung der zwei ersten Angeklagten verlore hatte, hatte sie im Lande noch intime Verbindungen, wie das bloße Zusammenfallen der Thatsachen beweist.
Blervacq, an die Stelle Beckers getreten im Kommando der Truppen, schlug ein Feldlager auf bei Seclin in der Nähe von Lille, am Morgen des 26. März und man wußte nichts von dem Tag, wo er in Belgien einziehen würde. Der General Fleury Duray, der an der Gränze kommandirte wurde selbst überrascht, weil der Zug Blervacqs ihm erst den 29. März, um 7 Uhr Morgens, angezeigt wurde und das Treffen eine halbe Stunde später Statt hatte. Auch wurde die Bande arretirt und in die Flucht geschlagen durch einen bloßen Vortrupp. Und unterdessen hatten die Emeutieurs des Inlands, besser unterrichtet als die Regierung, eine Plünderung für denselben Tag organisirt. Des Abends hatten sie in den Straßen von Brüssel folgendermaßen abgefaßte Bülletins verbreitet: Mittwoch den 29. März 1848, 6 Uhr Abends, wird man sich in Masse nach dem Jesuitenkloster begeben. „Feuer und Blut sind die Vereinigungsprobe.“ Die Niederlage des Morgens vereitelte die Emeute des Abends; aber es ist klar, daß, das geringste Schwanken von Seite unsrer Soldaten eine Bewegung im Innern dem Angriff von Außen hinzugefügt hätte.
Während man zu Brüssel mordbrennerische Schriften verbreitete, entpflasterte man zu Gent den Marktplatz und Arbeiterrevolutionen eklatirten zu Berinage und in den Umgebungen von Tournai. Alle diese Thatsachen begaben sich während des Abends und der Nacht vom 28. März, während Blervacq den 29. in Belgien einzog; seine Ankunft zu Seclin war schon das Signal einer Emeute zu Brüssel den Abend des 26. gewesen und den 29., im Augenblicke, wo man sich an der Gränze schlug, warf man in die Straßen von Ath Bülletins mit den Worten: „Nieder mit dem Könige! Es lebe die französische Republik!“ In allem dem findet sich ein frappantes Zusammenfallen, wovon Blervacq selbst die Gründe in seiner Broschüre angibt, wenn er S. 6 sagt, daß „von neuem Leute nach Belgien abgesandt wurden, während er zu Seclin war, immer mit dem Zwecke, hier eine Bewegung vorzubereiten“.
Dies Zusammenfallen verpflichtete die Justiz gleichzeitig den Schuldigen des In- und Auslandes nachzuspüren und die Verhaftung Perin's brachte uns bald auf ihre Spur.
Obgleich diese Verhaftung nichts mit der Angelegenheit, die uns beschäftigt, gemein hatte, wurden dem Perin Aufschlüsse abverlangt, über eine Reise, die er mit einem gewissen Dujardin nach Paris gemacht hatte, und der Angeklagte mußte zugeben, daß sie den 26. März zurückgekehrt waren; daß sie den 25. abgereist waren mit dem Zuge, welcher die erste Kolonne transportirte; daß Blervacq sich bei ihnen befand und daß sie den Zug zu Douai verlassen hatten; daß sie zu Fuß nach den Umgebungen von Ath kamen, daß sie den Eisenbahnzug von Waffles bestiegen und daß sie zu Brüssel zwischen 5 und 6 Uhr Abends ankamen. Perrin und Dujardin hatten also 12 bis 14 Meilen zu Fuß gemacht, während ein unentgeltlicher Zug bis Lille zu ihrer Verfügung stand und während sie mit regelmäßigen Pässen versehen waren. Welches also konnte das Motiv dieser sonderbaren Thatsachen sein? Wir waren auf Konjekturen angewiesen, bis eine ganz natürliche Motivirung uns durch die Denkschrift von Blervacq gegeben wurde. Wir lesen hier S. 5, daß der Oberst bei seinem Durchmarsch durch Douai, „den Bürger P., einen erprobten Republikaner, Mitglied der demokratischen Gesellschaft, Träger von Proklamationen, gezeichnet Blervacq, Graux,“ nach Brüssel gesandt hatte. Der angeklagte Perin also, ehemaliger Gerant des „Atelier democratique“ hatte den Zug bei Douai verlassen, um sich nach Brüssel zu begeben und sein Republikanismus war um so erprobter, als er 1834 in der Aprilemeute und 1839 in der Konspiration Barbès-Blanqu; kompromittirt worden war; er ist es also, den die Broschüre bezeichnet.
Die Proklamation, die er bei sich trug, erklären am besten seine Sorge, die Douanen zu vermeiden, weil sie unseren Arbeitern verkündeten, sie könnten nicht leben, so lange an der Spitze der Regierung sich Despoten befanden, Sauger des Volksschweißes, mit allen Genüssen überpropfte Menschen, während die Hungersnoth ihre Mitbürger decimire. ‒ Es gebührt uns also, den Republikanern aller Nationen, sagt Blervacq, uns zu vereinigen um die bei dem blosen Namen der Republik erzitternden Tyrannen zu verjagen. Vergeblich ergreifen sie alle in ihrer Macht befindlichen Mittel, sie müßten wissen, daß weder die Gewalt der Bajonette, noch das Blei, noch die Mitraille ein Volk verhindern können, welches seine Rechte erobern geht. Vereinigen wir uns also, Bürger, unter dem Ruf: „Es lebe die Republik!“ Perin trug noch ein andres Schriftstück bei sich, das ihn bei der Douane compromittiren konnte, weil Blervacq hinzufügte, daß ,der Bürger P. beauftragt sei, einen Brief an eine einflußreiche Person zu Brüssel abzugeben, von welcher wir ein erläuterndes Schreiben über die Stimmung der Demokraten erhalten hatten, indem es uns ankündete, sie seien bereit, zu handeln.“ Diese einflußreiche Person konnte nur General Mellinet sein, dessen Name denselben Abend auf den Listen der provisorischen Regierung circulirte und zu dem sich Perin in einer Droschke bei seiner Ankunft auf dem Eisenbahnhof begab, denn zweifelsohne wird man auf Madame Hebert, bei der sich Perin einige Minuten aufhielt, die in der Broschüre befindliche Bezeichnung „einflußreiche Person“ nicht beziehen wollen. Der Brief, dessen Träger er war, wurde zwar nicht im Domicil des Generals gefunden, aber man hat hier mehre andre gefunden, die seine Verbindungen mit Paris beweisen, und die Unterstützung, die r der insurektionellen Legion daselbst angedeihen ließ. Der wichtigste ist ein Brief Beckers an Mellinet, d. d. 4. März, worin es unter andern heißt: „Jemand, der Sie zu kennen vorgab, versicherte mir, Sie seien gestorb. zu Charleroi, wohin die Regierung, wie man zusetzte, sie verwiesen hätte. Der lebhafte Kummer, den mir diese Neuigkeit verursachte, erlaubte mir nicht, mir Sicherheit zu verschaffen, aus Furcht, ein persönliches Unglück bestätigt zu finden und einen unersetzlichen Verlust für die große Sache, die wir ergriffen haben und wofür sie, ich und unsre braven Kameraden so viel gelitten haben. Da ich Sie nicht mehr hatte, schrieb ich an Gendebien, aber Sie kennen ihn; obgleich wir auf ihn zählen mußten seiner Popularität wegen, durfte ich keine Antwort von ihm erwarten. In dieser Voraussetzung schrieb ich an Felix Delhasse, der mir sofort antwortete, daß er schwer erkrankt ist und daß die Aerzte ihm absolute Ruhe verordnet hätten. Ich schreibe an unsern braven Gillo, aber seine Wittwe antwortet mir mit der Nachricht eines uns allen gemeinschaftlichen Unglücks. Ich habe an Bartels geschrieben und warte seine Antwort ab. Heute Morgen nun erfahre ich die Wahrheit; ich springe auf vor Enthusiasmus und schreibe Ihnen. Es ist also wahr! Sie könnten mit aller Wärme Ihres alten Patriotismus das Wiedererwachen der Republik begreifen und sie werden, strebend unter ihren Lorbeeren, der allgemeinen Emancipation beiwohnen, der Verbrüderung der Völker, der socialen Reorganisation. Konnte ich in einem solchen Augenblick zurückbleiben? Konnte ich die Ihnen vor drei Jahren gemachten Versprechungen vergessen, in militärischer Beziehung das Werk fortzusetzen, was wir gemeinschaftlich begonnen hatten und worin ich unter Ihren Augen, im Angesicht des Feindes meine ersten Waffenthaten vollbrachte? Bartels, Jottrand, Gillo und unsere hingebrachten Freunde haben in Ihrer Gegenwart mein Versprechen erhalten. Die Republik hat auf sich warten lassen; ich stehe ihr zu Dienst. Präsident, General, mein Schwerdt ist nicht verrostet. Ich habe an die belgischen Patrioten appellirt, alle haben sich beeilt, mir zu antworten und alle sind bereit den Umständen nach zu handeln. Beeilen Sie sich diese Dispositionen ihren Kollegen von der Association Demokratique mitzutheilen. Diesen Abend selbst versammeln wir uns, und bereiten eine Adresse vor, worin wir positiv die Principien eurer Association anerkennen und erklären werden, uns ihr zu affiliiren. Durch diese Erklärung verpflichten wir uns, euren Instruktionen Folge zu leisten und im Einverständniß mit euch zu handeln. Ich ersuche Sie, den einliegenden Brief Pellering zukommen zu lassen, ohne den geringsten Aufschub. Lassen Sie ihn mir unverzüglich antworten und nachdem er sich mit Bartels benommen hat.“
Dieser Brief, worauf Mellinet den 7. März antwortete, fiel mit Spilthoorns Ankunft zu Paris zusammen. Er läßt keinen Zweifel über Beckers Absichten, der sein republikanisches Schwerdt dem General anbot, indem er ihm sagte, er sei bereit im Einverständniß mit ihm zu handeln; und der General, der den Brief am Morgen erhalten hatte, ließ ihn denselben Abend in der Association Democratique vorlesen, denn Jottrand schreibt ihm den andern Morgen: „Beckers Brief ist gestern der Association mitgetheilt und mit einstimmigen Beifallsbezeugungen aufgenommen worden.“ Ist es hiernach zu wundern, daß Mitglieder dieser Gesellschaft an der Emeute des 20. März Theilnahmen, daß andre sie durch Geldvertheilungen provozirten, daß endlich der General selbst ihre Organisation leitete? Er brachte in der That einen Theil des Abends des 26. im Wirtshaus der Union zu, auf dem Grossenplatz, mit Deguasco, der später unter den Emeutiers erkannt wurde, mit dem Angeklagten Kats, der am Morgen Geld vertheilte, mit den Angeklagten Ballin und Tedesko, vielleicht selbst mit dem Angeklagten Derudder. Und während man die eben im Ausbruch begriffene Emeute organisirte, empfing der General jeden Augenblick Emissaire, die ihm ins Ohr flüsterten und die beim Weggehn verschiedne Richtungen einschlugen. Er wechselte zu gleicher Zeit Verständigungszeichen mit zwei Zöglingen der polytechnischen Schule, die an einer andern Tafel saßen und den General wie seine Gesellschaft nicht zu kennen heuchelten, obgleich sie denselben Tag mit Tedesko zusammengewesen waren bei Madame Imbert und obgleich sie Ballin am Morgen besucht hatten. Diese zwei Polytechniker hatten in ihren Pässen die Eigenschaft von Notariatsschreibern angenommen; sie waren den vorigen Abend von Paris angelangt und andrerseits schloß sich die Emeute sichtbar an den Zug von Blervacq an, in dessen Gefolge andre Polytechniker waren. Antoine Kats sagte am Morgen nämlich zu Franz Vanderhayden, indem er ihm einige Geldstücke gab, es würde den Abend Unruhen setzen, daß der Eisenbahnzug von Paris Arbeiter zubringen und daß man sich mit ihnen vereinigen würde auf dem Marchè de la Chapelle. Nun setzte sich grade auf diesem Marktplatz unter dem Rufe es lebe die Republik! die Emeute in Bewegung.
Der Sinn der Demonstration vom 26. März ist also nicht zweifelhaft. Es steht außerdem fest durch einen Brief vom 22. April, den Derudder an Imbert schrieb und worin er ihm sagte: „Wir glaubten vor einiger Zeit, unsre Angelegenheit könnten gelingen; aber die Aristokraten dieses Landes sind für den Augenblick zu mächtig, weil sie die Fonds haben, deren wir unglücklicherweise entlehren, wäre es anders, alles wäre seit drei Wochen abgemacht. Endlich kann ich ihnen nicht besser den finanziellen Stand unsrer Kassen schildern, als wenn ich ihnen sage, daß unsrer 5 während 8 Tagen herumgelaufen sind, und höchstens 20 Fr. zur Unterstützung unsrer verhafteten Freunde aufgebracht haben.“
Der Brief vom 22. April wurde in dem Sekretär von Derudder abgefaßt, der vernachlässigt hatte, ihn auf die Post zu bringen, obgleich er versiegelt und unterschrieben war. In Verbindung gebracht mit den Unruhen vom 26. März und besonders mit dem Hin- und Hergehen, dem Flüstern ins Ohr und den Verständigungszeichen des Wirthshauses, erklärt er die gleichzeitige Gegenwart der Zöglinge, des Generals und seiner Anhänger, so wie den Zweck, den man erringen wollte. Auch Fosses, der einen Theil der Legion kommandirte, fragte später einen Zeugen, ob man nicht den General Mellinet arretirt hätte. Einem andern Zeugen sagte er den 23. März, ein Emissär sei von Brüssel angekommen und habe den Befehl zum Einrücken überbracht, und der Arbeiter, der Spilthorn begleitete, konnte den 23. wieder in Paris eingetroffen sein. Der General hat sich also dem Komplott associirt, indem er den Beistand der Brüsseler Demokraten zusicherte, das Signal zum Aufbrechen gab und den Zug der Legion durch eine republikanische Demonstration unterstützte; darum zweifelsohne figurirte sein Name auf der Liste der provisorischen Regierung, wovon Alter und Schwäche ihn ausschließen mußten. Eine dieser Liste wurde am Abend des 26. März selbst in dem Portefeuille von Delestrée gefunden. Sie enthielt indeß nach des Letztern Aussagen nur Namen von Personen, die er kennen zu lernen wünschte, aber der „Pelleringouvrier“, der sie schließt, erklärt ihren wahren Sinn.
Der General hat eingestanden, daß er den 26. März Abends in dem Cabaret der „Union“ anwesend war, behauptete aber in keiner Weise sich der von den Zeugen gegebenen Details zu erinnern, schrieb diese Gedächtnißabwesenheit selbst den Nervenanfällen und Ohnmachten zu, die er bei seiner Rückkehr nach Hause gehabt hätte.
(Forts. folgt.)
Großbritannien. 27 London, 8. Juli. Die „Fraternal Demokrats“ in London haben an die Arbeiter Großbritanniens und Irlands eine Adresse erlassen, aus welcher ich Ihnen folgende Stellen mittheile:
„Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit.“
Brüder!
„Die Pflicht gebietet uns, zu Euch zu reden, um unsere Brüder, die Proletarier in Paris, diese Opfer von Verräthern, Mördern und Verläumdern, in Schutz zu nehmen. ‒ Die Pariser Bourgeoisie hat die ersehnte „Schlacht“ geliefert bekommen. Die Gründer der Republik wurden niedergemetzelt, Frauen und Kinder von den Bourgeois gemordet. Sie haben sich in der Wollust des Abschlachtens im Ganzen und Großen berauscht. Und jetzt, da sie eine Regierung des Bluts und des Schreckens eingerichtet, da sie eine Einöde geschaffen, die sie „Friede“ nennen, melden sie jubelnd ihren Mitschurken (comrogues) in andern Ländern: „Die Ordnung herrscht in Paris!“
Die Lügner und Verläumder der Preßbande haben bei ihren Versuchen, die Ursachen des Aufstandes vom 23., 24., 25. u. 26. Juni zu verhüllen, sogar sich selbst übertroffen. Indeß die Ursachen jenes heroischen Ausbruches liegen Jedem, der den Gang der Ereignisse in Frankreich seit dem Februar beobachtet hat, klar genug vor Augen. Gleich nach ihrer Einsetzung proklamirte die provisorische Regierung, daß die Revolution, durch das Volk gemacht, auch für das Volk zu Ende gebracht werden müsse. Dieser Proklamation folgte ein Dekret, welches jedem Bürger die „Existenz durch Arbeit“ garantirte. Allein außer den schlecht eingerichteten Nationalwerkstätten geschah nichts, um die dem Volke gethanen Versprechen zu erfüllen. Die Nationalversammlung verweigerte das von Louis Blanc vorgeschlagene Arbeits-Ministerium und begleitete diese Weigerung mit den gröbsten Insulten. Tag für Tag wurden die Männer in den Nationalwerkstätten von den profitmäklerischen Schurken in der Presse und der Nationalversammlung verläumdet, als „Diebe“ und „unzufriedene Faullenzer“ denunzirt. Zuletzt verkündigte man die beabsichtigte Schließung der Werkstätten. Den betrogenen Ouvriers wurde nur noch die Wahl gelassen, in die Armee zu treten oder sich dem Verhungern zu unterwerfen. Dieses teuflische Verfahren trieb die Arbeiter zur Empörung.
Louis Blanc prophezeite die Revolution des Hungers; Paris ist Zeuge gewesen von der Insurrektion des Hungers und diese war nahe daran, eine Revolution zu werden. Man sagt euch, es lasse sich bei allgemeinem Stimmrecht keine Insurrektion rechtfertigen. Wir aber behaupten, daß durch Elend Krieg gegen die Urheber jenes Elends unter allen Umständen gerechtfertigt ist.
Drei Revolutionen haben das Recht des Widerstandes gegen Unterdrückungen geheiligt. Das Elend der Proletarier ist ein Beweis der Unterdrückung. Die Regierung hatte das von ihr garantirte Recht auf „Existenz durch Arbeit“ verletzt. Somit hatte Jeder der Tausende, da ihm der gesellschaftliche Vertrag länger
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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