Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 37. Köln, 7. Juli 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

Derer, welche in der ersten Versammlung als Mitglieder des Ausschusses vorgeschlagen und von den Versammelten angenommen wurden; einige der Vorgeschlagenen sind aber dem Ausschuß niemals beigetreten.

(B. Z.-H.)
*Frankfurt, 4. Juli.

In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung stellte Rob. Blum den Antrag: die Nationalversammlung wolle von der Bundesversammlung eine amtliche Erklärung über Sinn und Bedeutung ihres Beschlusses vom 29. v. M., das Schreiben an den Erzherzog Johann betreffend, und namentlich über die darin ausgesprochene Zustimmung die Regierungen zur Wahl des Reichsverwesers verlangen.

Der Präsident der Bundesversammlung, Ritter v. Schmerling: Seit drei Wochen sei überall von der Centralgewalt die Rede gewesen. Die Regierungen hätten sich aufgefordert gefühlt, auf Grund des Kommissionsberichts die Männer zu bezeichnen, die im Falle der Annahme desselben vorzuschlagen wären. Später hätten die Regierungen sich zur Bezeichnung eines Reichsverwesers geeinigt, als man gesehen habe, daß man für eine Person sich entscheiden werde. Hiernach hätte die Bundesversammlung wohl aussprechen können, daß der Gewählte derselbe sei, den die Regierungen vorgeschlagen haben würden. Er glaube wohl, daß den Herren auf der Linken ein Zerwürfniß der Nationalversammlung mit den Regierungen angenehm gewesen wäre. (Auf der Linken: Zur Ordnung! Das ist eine Verdächtigung. Der Präsident erklärt, er finde in der Aeußerung nichts Beleidigendes.) Der Redner verlangt, daß über Blum's Antrag zur Tagesordnung gegangen werde. Vogt hält es nicht für möglich, daß während der 6 Tage, welche die Debatte gedauert, die Zustimmung der Regierungen habe eingeholt werden können. Er erklärt Schmerling's Ausfall gegen die Linke für eine Verläumdung, und wird darüber vom Präsidenten zur Ordnung gerufen. Hierauf Widerspruch und Tumult von beiden Seiten. Vogt unterstützt den Antrag auf eine amtliche Erklärung. Nachdem noch Lychnowski, Wagner und Blum das Wort genommen, wird abgestimmt und mit Mehrheit die Tagesordnung beschlossen.

Es begann nun die Berathung über Art. 1 der "Grundrechte", welcher lautet: § 1. "Jeder Deutsche hat das allgemeine deutsche Staatsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Das Recht, zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, übt er da, wo er zur Zeit seinen Wohnsitz hat." § 2. "Jeder Deutsche darf an jedem Orte eines Staates Aufenthalt nehmen, sich niederlassen, Grundeigenthum erwerben, Kunst und Gewerbe treiben, das Gemeindebürgerecht gewinnen - vorerst unter denselben Bedingungen, wie die Angehörigen des betreffenden Staates, bis ein Reichsgesetz die zwischen den Gesetzen der einzelnen Staaten noch obwaltenden Verschiedenheiten völlig ausgleicht." § 3. "Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf keinem unbescholtenen Deutschen verweigert werden."

Minoritätsgutachten: 1) "Einer besondern Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines einzelnen deutschen Staates bedarf es für den Deutschen nicht, sondern er erwirbt alle Rechte der Eingebornen durch feste Niederlassung in dem Lande." (Waitz, Tollkampf, Hergenhahn, Schüler, Beckerath, Droysen). 2. Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf an keine andern Bedingungen geknüpft werden, als welche sich auf die Unbescholtenheit und den genügenden Unterhalt des Aufzunehmenden für sich und seine Familie beziehen. (Mühlfeld, R. Mohl, Andrian, Lassaulx). Amendements werden beantragt und entwickelt von Biedermann, Fritsch, Neumann, Diskau, Jakob Grimm. Letzterer will statt Art. 1 folgenden: "Alle Deutschen sind frei, und deutscher Boden duldet keine Knechtschaft. Fremde Unfreie, die auf ihm verweilen, macht er frei." Es erhebt sich eine Debatte über die Definition des Wortes "Deutscher." Zu dem Ausdruck "jeder Deutsche" waren eine Anzahl Amendements vorgeschlagen: "Jeder Angehörige Deutschlands," "Jeder dem deutschen Bundesgebiet Angehörige" u. s. w. Die Versammlung beschließt, den Ausdruck: "Jeder Deutsche" beizubehalten. Vor Schluß der Sitzung verlangt die Linke Erledigung der Schmerling'schen Angelegenheit. Schmerling erklärt, er habe keine Beleidigung oder Verläumdung beabsichtigt und wird nachträglich zur Ordnung gerufen. Schluß der Sitzung 3 Uhr; nächste Sitzung Donnerstag.

Wien, 30. Juni.

Unter den hundert und zwanzig bereits anwesenden Deputirten machen die Polen große Sensation. Man glaubte anfangs nicht, daß die Galizier den Reichstag beschicken würden, und die anwesende Deputation bestätigte diese Ansicht, grade diese aber sind am zahlreichsten erschienen, und wie der Beweis lehrt, sind es aus dem Volke hervorgegangene Wähler. Viele unter ihnen verstehen kein Wort deutsch, und sollen sich bereits entschlossen haben, einen Dolmetsch zu wählen. Jedenfalls wird die Frage beim Reichstag auftauchen, ob jedes Mitglied deutsch verstehen müsse. Einweilen coursiren über diese politischen Reichstagsmitglieder mannichfache Anecdoten. So sollen sich 20 in einem Hotel 2 Zimmer genommen haben, und als der Kellner bedeutete, daß nicht so viel Platz zu Betten sei, forderten sie blos Stroh, sie würden schon Platz haben. Andere haben sich, da eben das poln. Regiment Nassau hier stationirt, in der Kaserne bei ihren Landsleuten einlogirt, wie man sagt, um vor den Zudringlichkeiten politischer Aufklärer und Partheiverlocker Ruhe zu haben. Im Ganzen sind bis heute 163 Wahlen bekannt.

Für Sie jedoch ist die eben brieflich einlangende Nachricht von Wichtigkeit, daß die Congregation im Agram beschlossen hat, die dreieinigen Königreiche dem deutschen Bunde anzuschließen.(???)

(Const. Bl. a. B.)
* Wien, 1. Juli.

Nach einem uns so eben zugehenden Briefe eines Deputirten aus Wien, hat der Erzherzog Johann erklärt, daß er die Stelle als Reichsverweser annehmen werde, wenn die Wahl auf ihn falle.

Prag, 1. Juni.

In jene Städte und Ortschaften am Lande, aus denen in der Pfingstwoche bewaffnete Zuzüge nach Prag gekommen sind oder kommen wollten, wurden Kommissionen zur Untersuchung des Sachverhaltes und zur Entwaffnung der betreffenden Nationalgarden abgesendet. - Heute fanden abermals mehrere Hausdurchsuchungen nach Waffen Staat, unter anderen wurde eine solche auch im Clementinum vorgenommen. Abermals begingen einige Unsinnige, wie es heißt in den Schipkaschen Mühlen, die Tollheit übers Wasser zu schießen. - In Beraun sollen Unruhen ausgebrochen seyn; gewiß ist, daß heute eine Abtheilung Husaren gegen Beraun gesandt werden.

(C. B. a. B.)
Ungarn.

Aus Temesvar wird der Ofner-Pesther Ztg. gemeldet, daß am 22. Juni der Gränzflecken Weiskirchen von einer etwa 1200 Mann starken Schaar Rajzen überfallen wurde und daß ihnen der dortige Kommandant, Oberstl. Dreyhann, auf die erste Aufforderung sämmtliche Kanonen, Munition, alle Waffen der Nationalgarde, sowie die öffentlichen Kassen des Ortes überlieferte. Auch in Temesvar besorgte man einen Ueberfall.

Vincovce, 23. Juni.

Officiellen Nachrichten zufolge haben die Türken von der Cardake Stara Boffut bis Brood einen Cordon gezogen, und zwar in der Art, daß auf Schußweite 10 bis 15 Mann postirt sind, angeblich, um den dortigen Christen, namentlich christlichen Priestern, die sie sehr grausam verfolgen, die Flucht über die Save abzuschneiden.

Französische Republik.
17 Paris, 4. Juli.

Monsieur Berger, Maire des 2. Arrondissements, wo die Fashionabeln hausen, affischirt: "er habe die Ehre den in den Nationalateliers Eingeschriebenen anzuzeigen, daß die gewöhnlichen Zahlungen" u. s. w. Diese Zahlungen geschehen an die, welche über ihr Verhalten in den Schlachttagen sich ausweisen können; so verfügte Marrast. - In den Provinzen scheint die Stimmung eine sehr getheilte zu sein; aus Borbeaux z. B. kamen zwar tausend Bourgeois uniformirt und im besten Wohlsein so eben den Parisern zu Hülfe, doch erklärt das dortige Hauptjournal: "Paris, die niederträchtige Stadt, Paris, der rebellische Abgrund, aus dem stets die giftigsten Dünste, selbst in sogenannten Friedensepochen, emporqualmen, mußte am 15. Mai schon von den Departements (?) gerettet werden; jetzt wiederum; aber wäre es diesmal fehlgeschlagen, oh, dann würden sie sich ohne Reue und Sorge von dem gefräßigen Centralisationsungeheuer am Seineufer loßreißen" u. s. w. Das Ungeheuer wird vorläufig eine Kette um den Hals kriegen, in Gestalt eines permanenten vierzigtausend Mann starken Feldlagers von Linientruppen bei Versailles, und, wie es heißt, eines kleinern dicht bei der Ringmauer. - Verbürgen kann ich auch folgendes: Barbes, im Kerker von Vincennes, wußte am Abende des Freitags bereits, daß die Klubs ihre Kräfte an's Aeußerste setzen würden. Er ließ sich rasiren, machte Toilette und bat den Gouverneur Gilan um einen Besuch. "Unsägliches Blut und Elend wird über Paris kommen, sagte er, und ich flehe Sie an, ein Ehrenmann den andern, nehmen Sie mein heiliges Wort zum Pfande, nur ich vermag jetzt noch durch mein Auftreten vorzubeugen; schicken Sie mich zurück, ich übernehme es, meine zwölfte Legion zu beschwichtigen; in einigen Stunden sehen Sie mich nach glücklichem Erfolge wieder hier im Kerker, oder ich habe mir in der Rue St. Jacques eine Kugel selbst durch den Kopf gejagt. Ich schwöre es bei der demokratisch-sozialen Republik." Der Gouverneur suchte Ausflüchte, er müsse zuerst an die Nationalassemblee berichten u. dgl. mehr; es unterblieb, aber es beweist immerhin den Adel der Gesinnung des heroischen Gefangenen. Er und seine Leidensbrüder konnten übrigens nicht aus ihren Zimmern Paris sehen; nur Albert, Repräsentant und Mitglied der provisorischen Regierung, hat eine Fernsicht aus seinem Fenster. Gehört haben sie aber gewiß Schuß um Schuß. Vermuthlich führt man diese Mai- wie Junifrevler nicht nach einer, sondern mehrern transatlantischen Besitzungen, damit sie nur ja nicht in Masse sich wiederfinden; außer Guyana (berühmt durch die Deportirung der Robespierristen) und den Marquesaseilanden lächelt ihnen Madagaskar, wo Frankreich seit zwei Jahrhunderten immer festen Fuß zu fassen sich bemühte und aus Ungeschicklichkeit mißglückte, und die sogenannte Fischerinsel Miquelon im Lorenzbusen von Kanada. Einflußreiche Nordamerikaner haben zwar zur Erwirkung einer Uebersiedlungserlaubniß vom Kongreß sich anheischig machen wollen, allein man lehnte dies höflich ab. Es seien ja nur "Brigands", und man müsse Nordamerika damit verschonen, gab die pariser Regierung zur Antwort. Uebrigens frißt die Misere grimmig um sich; viele Boutiquen stehen leer, ihre Besitzer sinken unaufhaltsam in die Reihen des Proletariats hinunter, das sie so eben auf Tod und Leben bekämpften. Seit 4 Monaten hat die französische Exportation, statistischen Publikationen zu Folge, fast dreißig Millionen weniger betragen als 1847 in der nämlichen Zeit, und sechshundert Schiffe weniger beschäftigt. Die Produktion steht still, der Austausch stockt, die reichen Fremden ziehen ab, die Falliten schlagen links und rechts ein wie Lamoriciere's Granaten; "der süße, sanfte kleine Handel" auch er schwankt zu Grabe. Nur Epicerie und einige strickt nothwendige Zweige fahren fort zu blühen. Jetzt werden die Nationalateliers überall aufgelöst, doch, wie es scheint, noch nicht die weiblichen. Viele Arbeiterinnen werden wohl die Verbannten begleiten. Um die Lücken nicht wieder sich füllen zu lassen, darf kein Arbeiter aus den Provinzen und dem Auslande mehr nach Paris reisen. Nahm doch die Regierung schon zu allerlei Quacksalbereien die Zuflucht; z. B. das Anwerben für die polnischen und italiänischen Freischaaren, namentlich das letzte skandalöse Werbebureau Rue Montmartre 47, ist von ihr unterstützt worden, um Abfluß zu schaffen, wobei der Herr Martin, Kaufmann aus den Rheinlanden, als Werbechef und Direktor eines fabelhaften "deutschen Comite zur Befreiung der Völker" plötzlich mit Buch und Kassa unsichtbar wurde. - Vielfach greift die Meinung um sich, nur Krieg könne diesem schleichenden Nervenfieber ein Ende machen; die Albernheit beruft sich dabei auf Napoleons Zeit, wo der Tagelohn fünf Franken gewesen sei. Wer dagegen behauptet, die Emittirung von Papiergeld, auf Unterpfand der Hypotheken und Assekuranzfonds und Eisenbahnen und sonstiger Nationalgüter sei ein besseres und leider bisher vernachlässigtes Mittel, der wird kurzweg ein "Socialist" gescholten, welches Wort nunmehr den Grimm des Bourgeois gerade so ausdrückt wie vor zwei Monaten: "Kommunist", und man dreht ihm den Rücken. Ich habe seit 8 Tagen oft solchen Scenen beigewohnt. Inzwischen geht das Thermidorierwesen leise seinen Gang; vorgestern, gestern ungeheure Züge von Wagen voll Flinten, die unter Begleitung von Infanteie und Reiterei den Ortschaften Bercy und Grenelle abgenommen und im langsamen Schritt ins Zeughaus von Vincennes gefahren wurden. La Chapelle, la Villete und Montmartre sind desgleichen entwaffnet; dem letztern traute man so wenig dabei, daß man Kanonen auf der Höhe Posto fassen ließ. In einer Matratze entdeckte man oft ein halb Dutzend Gewehre. - Die glänzenden Tanzlokale sind wieder eröffnet; die Loretten fluchen auf die Blousenkerle, durch deren Kugeln so mancher Lion jenseits des Kanals zurückgehalten wird. Illuminirt wird noch mächtig, aber man fängt an den Spaß kostspielig zu finden, zumal die Hauptlast davon auf die "Gutgesinnten" zu drücken scheint. Zur Anspornung der Illuminationslust tischen gewisse Blätter jeden Morgen Geschichten von Schüssen auf, die aus nicht illuminirten Fenstern und Passagen gegen Nationalgardisten gefallen. Kurz, die kleinen Triumphatoren selber sehen aus als wüßten sie von Tag zu Tage weniger, ob sie lachen oder weinen sollen; versteht sich die kleinen nur; denn die großen lachen aus vollem Halse und spielen eifrig und lustig und rufen der Republik zu: "Schach, nochmals Schach, zum dritten Schach - und matt!"

- Mehre Lügenblätter, namentlich der Constitutionnel und die Union haben angekündigt, man habe 150,000 Fr. bei den verwundeten Arbeitern gefunden, die sich im Spital "la Pitie" befinden. Verifikation hatte Statt und die Summe reducirt sich in Wahrheit auf zwei Francs fünf und siebenzig Centimes, die man bei Einem der Arbeiter gefunden hat. Das brave Blatt von Thiers, der Constitutionnel, sieht sich gezwungen heute selbst sein lächerliches Mährchen zu widerrufen.

Der Bien public, Lamartines Blatt, signalisirt und, brandmarkt die Umtriebe der alten Linken, der Thierspartei um die Republik zu ihrem Vortheil zu escamotiren. Der Artikel schließt wie folgt:

"Republikaner des Vorabends oder Republikaner des andern Morgens, sind wir alle Republikaner der Zukunft. Wir proscribiren Niemand; wir haben weder Bevorzugung noch Antipathien. Um unsere junge Republik rufen wir alle Intelligenzen, alle Hingebungen und wir glauben, daß es ein Recht wie eine Pflicht für alle ist, ihr zu dienen oder sie zu vertheidigen. Man mißverkenne also unsere Absicht nicht. Wenn wir uns heute beklagen, so geschieht es eben deßwegen, weil man sich bemüht, wieder aufzubauen, was nicht mehr ist, indem man die alten Kategorien wieder herstellt, indem man Meinungen wieder ins Leben ruft, die wir weggefegt wähnten mit der alten Welt, die im Sturm vom 24. Februar in den Abgrund versank. Wir sehen in diesen Bemühungen eine Rückkehr zur Vergangenheit, einen Keim der Spaltung, eine Gefahr für den Frieden des Landes und für die Zukunft der Gesellschaft, und wir können den Alarmschrei nicht zurückdrängen, der immer der Brust eines devonirten Soldaten entfährt im Antlitz der Gefahr. Diese Gefahr ist ernsthaft. Es handelt sich darum zu wissen, ob die Republik auf die Proportionen einer Intrique verkürzt werden soll, ob eine Revolution, in ihrem Beginn so groß wie die Nation, so eng und so mesquine werden soll wie eine Partei. Es handelt sich darum, ob man dem Frieden, der aus der Verschmelzung der Ideen und der Interessen hervorgehen muß, den Kampf unterschieben wird, der unfehlbar herauswachsen muß aus einer Regierung der Exclusionen, aufgebaut auf den Trümmern der Monarchie, mit den Institutionen eines andern Regimes. Mögen jetzt alle aufrichtigen Republikaner ihre Pflicht thun. Sie haben ein sichres Mittel alle Komplotte zu vereiteln - es besteht darin, einig zu sein. Gegenüber der alten Linken, die sich befestigt in ihrem Feldlager, bilden wir das Feldlager der jungen Republik und möge dieß Feldlager weit sein, wie Frankreich!

- Im Peuple constituant sagt Lammenais:

"Einige Tage noch und die Erbitterung, welche Lügen und Verläumdungen unterhalten, wird sich gelegt haben. Rasch zornig, zu rasch zum Kampf geneigt, kann der Franzose nicht lange hassen. Seine großmüthige Natur führt ihn schnell zum Mitleid zurück, und seine Thränen sind der erste Balsam für die Wunden, die er geschlagen hat. Es sind auch keine Franzosen, jene Männer des Hasses, deren wildes Wort nach dem Kampf im Herzen der Sieger jene finstren Leidenschaften anbläst, die sie selbst beseelen, den Geist der Rache und kalter Grausamkeit. Es sind keine Franzosen, es sind keine menschlichen Wesen, sie gehören zu jener feigen Thierrace, deren unedle Wildheit gegen Leichname wüthet. Wir wiederholen es, einige Tage noch und die unserer kräftigen Race natürlichen Empfindungen werden in all ihrer Energie wieder erwachen. Keiner wird seinen Kindern einen Namen zurücklassen wollen, eingeschrieben in das Register der Anbeter des Todes."

- Die Nouvelles du Jour sagen: "Die Nationalversammlung hat ein Recht auf den Respekt Aller, weil sie die Tochter des Souverains ist, die Erwählte des Volkes. Aber die Zeiten sind vorbei, wo es hinreichte, der Sohn seines Vaters zu sein; heute muß man der Sohn seiner Werke sein. Die Nationalversammlung gehe also endlich einmal an's Werk.

Nationalversammlung. Sitzung vom 4. Juli. Lacrosse, Vicepräsident eröffnet dieselbe um 21/4 Uhr. Die militärischen Vorsichtsmaßregeln sind bedeutend vermindert, nur zwei Kanonen sind mit ihren Mündungen noch gegen den Eintrachtsplatz gerichtet. Der Friede ist indessen bei Weitem noch nicht hergestellt: in der Villette schlage man sich, heißt es im Saale. An der Tagesordnung war die Erwählung eines Quästors an die Stelle des gestorbenen Generals Negrier. Da die Wahl vorschriftsmäßig durch Stimmzettel oder Kugeln erfolgen muß und die Versammlung in Folge der Verfassungsprüfung sehr zahlreich aus den Büreaus strömte, so dauerte dieser Wahlakt bis nach 3 Uhr. Um 31/2 Uhr verkündigte der Präsident folgendes Resultat: Zahl der Stimmenden 709. Absolute Majorität 355. Es erhielten Laboissiere 255, General Le Breton 205, General Lafontaine 190 Stimmen. Da Keiner die erforderliche Mehrheit vereinigte, so verlor die Versammlung durch Erneuerung des Skrutins abermals eine Stunde. Während dieser Operation bestieg Corbon, der Quasisozialist und Vicepräsident, die Bühne, um seine von uns schon früher erwähnte Proposition auf Eröffnung eines Kredits von 3 Millionen Franken Behufs Assoziation zwischen Arbeiter und Meister zu erneuern. Wir konnten aber den Text selbst noch nicht zu Gesicht bekommen.

- (Nach 4 Uhr.) Alcan ist der eigentliche Vater der obigen Proposition, wovon Corbon als Glied des Arbeitsausschusses nur den Bericht vorlas. Die Versammlung zeigte indessen keine Eile, und der Vorschlag wanderte ad acta. Hiernächst zeigte der Präsident der Versammlung an, daß auch das zweite Skrutinium wegen der Quästorwahl fruchtlos ausgefallen sei, indem kein absolutes Mehr zu Stande gekommen. Es mußte sonach zu einer dritten Abstimmung geschritten werden. Während der Stimmenzählung machte ein Glied den Antrag, den nächsten Donnerstag (Todtenfeier) als einen Rasttag zu errlären, ein Antrag, der Glück hatte; denn er wurde angenommen.

Die Versammlung schritt dann zur Berathung der auf der Tagesordnung befindlichen Gehaltsfrage für den Konseilpräsidenten und die Minister. Das Gehalt des Ersteren stieß auf keinen Widerspruch.

Für die Minister schlägt der Gesetzentwurf 3000 Frkn. monatlich vor. Larochejaquelin fand dieß zu niedrig er schlug 5000 Frkn. vor. Die Versammlung entschied sich für 4000 Frkn.

In diesem Augenblick meldete der Präsident das Resultat des Skrutins. Zahl der Stimmenden 719. General Le Breton hat 319 Stimmen erhalten und wurde als Quästor proklamirt.

Der nächste Gegenstand auf der Tagesordnung war ziemlich delikater Natur. Er betrifft die Gehaltsfrage des gestürzten Vollziehungsausschusses. Sie war mit 100,000 Frkn. beantragt.

Baron Gloxin fand dieß viel zu hoch Duclerc, ehemal. Finanzminister, erlaubte sich die Erwiderung, daß die obige Summe nicht vom vereinigten Ausschuß sondern vom Finanzausschusse der Versammlung festgestellt worden. Die Versammlung, jeden Skandal scheuend, willigte ohne Diskussion ein.

Die Bildung eines mobilen Gensdarmerie-Bataillon rief schließlich einen kleinen Streit zwischen Favraud und dem Berichterstatter Brard hervor, der indessen wenig Erhebliches für's Ausland bot, da ihn Lamoriciere bald beilegte.

Favraud versicherte nämlich, daß die Wahldepartements so wenig eine Gensd'armerie-Verstärkung als das übrige Frankreich brauchten. Lamoriciere und Brard meinten, daß sie daran nicht zweifelten Larochejaquelin: Nur ein Wort! So eben sagte der Berichterstatter daß die Wahldepartements ruhig seien. Wozu also die Gensd'armerie-Verstärkung? So viel ich weiß, rief man in der Charente inferieure: Es lebe der Kaiser! In den Wahldepartements blieb es still. Trotzdem wurde das Bataillon bewilligt. - Die Sitzung wurde um 6 1/4 Uhr geschlossen.

Italien.
* Rom.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.

Derer, welche in der ersten Versammlung als Mitglieder des Ausschusses vorgeschlagen und von den Versammelten angenommen wurden; einige der Vorgeschlagenen sind aber dem Ausschuß niemals beigetreten.

(B. Z.-H.)
*Frankfurt, 4. Juli.

In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung stellte Rob. Blum den Antrag: die Nationalversammlung wolle von der Bundesversammlung eine amtliche Erklärung über Sinn und Bedeutung ihres Beschlusses vom 29. v. M., das Schreiben an den Erzherzog Johann betreffend, und namentlich über die darin ausgesprochene Zustimmung die Regierungen zur Wahl des Reichsverwesers verlangen.

Der Präsident der Bundesversammlung, Ritter v. Schmerling: Seit drei Wochen sei überall von der Centralgewalt die Rede gewesen. Die Regierungen hätten sich aufgefordert gefühlt, auf Grund des Kommissionsberichts die Männer zu bezeichnen, die im Falle der Annahme desselben vorzuschlagen wären. Später hätten die Regierungen sich zur Bezeichnung eines Reichsverwesers geeinigt, als man gesehen habe, daß man für eine Person sich entscheiden werde. Hiernach hätte die Bundesversammlung wohl aussprechen können, daß der Gewählte derselbe sei, den die Regierungen vorgeschlagen haben würden. Er glaube wohl, daß den Herren auf der Linken ein Zerwürfniß der Nationalversammlung mit den Regierungen angenehm gewesen wäre. (Auf der Linken: Zur Ordnung! Das ist eine Verdächtigung. Der Präsident erklärt, er finde in der Aeußerung nichts Beleidigendes.) Der Redner verlangt, daß über Blum's Antrag zur Tagesordnung gegangen werde. Vogt hält es nicht für möglich, daß während der 6 Tage, welche die Debatte gedauert, die Zustimmung der Regierungen habe eingeholt werden können. Er erklärt Schmerling's Ausfall gegen die Linke für eine Verläumdung, und wird darüber vom Präsidenten zur Ordnung gerufen. Hierauf Widerspruch und Tumult von beiden Seiten. Vogt unterstützt den Antrag auf eine amtliche Erklärung. Nachdem noch Lychnowski, Wagner und Blum das Wort genommen, wird abgestimmt und mit Mehrheit die Tagesordnung beschlossen.

Es begann nun die Berathung über Art. 1 der „Grundrechte“, welcher lautet: § 1. „Jeder Deutsche hat das allgemeine deutsche Staatsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Das Recht, zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, übt er da, wo er zur Zeit seinen Wohnsitz hat.“ § 2. „Jeder Deutsche darf an jedem Orte eines Staates Aufenthalt nehmen, sich niederlassen, Grundeigenthum erwerben, Kunst und Gewerbe treiben, das Gemeindebürgerecht gewinnen ‒ vorerst unter denselben Bedingungen, wie die Angehörigen des betreffenden Staates, bis ein Reichsgesetz die zwischen den Gesetzen der einzelnen Staaten noch obwaltenden Verschiedenheiten völlig ausgleicht.“ § 3. „Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf keinem unbescholtenen Deutschen verweigert werden.“

Minoritätsgutachten: 1) „Einer besondern Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines einzelnen deutschen Staates bedarf es für den Deutschen nicht, sondern er erwirbt alle Rechte der Eingebornen durch feste Niederlassung in dem Lande.“ (Waitz, Tollkampf, Hergenhahn, Schüler, Beckerath, Droysen). 2. Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf an keine andern Bedingungen geknüpft werden, als welche sich auf die Unbescholtenheit und den genügenden Unterhalt des Aufzunehmenden für sich und seine Familie beziehen. (Mühlfeld, R. Mohl, Andrian, Lassaulx). Amendements werden beantragt und entwickelt von Biedermann, Fritsch, Neumann, Diskau, Jakob Grimm. Letzterer will statt Art. 1 folgenden: „Alle Deutschen sind frei, und deutscher Boden duldet keine Knechtschaft. Fremde Unfreie, die auf ihm verweilen, macht er frei.“ Es erhebt sich eine Debatte über die Definition des Wortes „Deutscher.“ Zu dem Ausdruck „jeder Deutsche“ waren eine Anzahl Amendements vorgeschlagen: „Jeder Angehörige Deutschlands,“ „Jeder dem deutschen Bundesgebiet Angehörige“ u. s. w. Die Versammlung beschließt, den Ausdruck: „Jeder Deutsche“ beizubehalten. Vor Schluß der Sitzung verlangt die Linke Erledigung der Schmerling'schen Angelegenheit. Schmerling erklärt, er habe keine Beleidigung oder Verläumdung beabsichtigt und wird nachträglich zur Ordnung gerufen. Schluß der Sitzung 3 Uhr; nächste Sitzung Donnerstag.

Wien, 30. Juni.

Unter den hundert und zwanzig bereits anwesenden Deputirten machen die Polen große Sensation. Man glaubte anfangs nicht, daß die Galizier den Reichstag beschicken würden, und die anwesende Deputation bestätigte diese Ansicht, grade diese aber sind am zahlreichsten erschienen, und wie der Beweis lehrt, sind es aus dem Volke hervorgegangene Wähler. Viele unter ihnen verstehen kein Wort deutsch, und sollen sich bereits entschlossen haben, einen Dolmetsch zu wählen. Jedenfalls wird die Frage beim Reichstag auftauchen, ob jedes Mitglied deutsch verstehen müsse. Einweilen coursiren über diese politischen Reichstagsmitglieder mannichfache Anecdoten. So sollen sich 20 in einem Hotel 2 Zimmer genommen haben, und als der Kellner bedeutete, daß nicht so viel Platz zu Betten sei, forderten sie blos Stroh, sie würden schon Platz haben. Andere haben sich, da eben das poln. Regiment Nassau hier stationirt, in der Kaserne bei ihren Landsleuten einlogirt, wie man sagt, um vor den Zudringlichkeiten politischer Aufklärer und Partheiverlocker Ruhe zu haben. Im Ganzen sind bis heute 163 Wahlen bekannt.

Für Sie jedoch ist die eben brieflich einlangende Nachricht von Wichtigkeit, daß die Congregation im Agram beschlossen hat, die dreieinigen Königreiche dem deutschen Bunde anzuschließen.(???)

(Const. Bl. a. B.)
* Wien, 1. Juli.

Nach einem uns so eben zugehenden Briefe eines Deputirten aus Wien, hat der Erzherzog Johann erklärt, daß er die Stelle als Reichsverweser annehmen werde, wenn die Wahl auf ihn falle.

Prag, 1. Juni.

In jene Städte und Ortschaften am Lande, aus denen in der Pfingstwoche bewaffnete Zuzüge nach Prag gekommen sind oder kommen wollten, wurden Kommissionen zur Untersuchung des Sachverhaltes und zur Entwaffnung der betreffenden Nationalgarden abgesendet. ‒ Heute fanden abermals mehrere Hausdurchsuchungen nach Waffen Staat, unter anderen wurde eine solche auch im Clementinum vorgenommen. Abermals begingen einige Unsinnige, wie es heißt in den Schipkaschen Mühlen, die Tollheit übers Wasser zu schießen. ‒ In Beraun sollen Unruhen ausgebrochen seyn; gewiß ist, daß heute eine Abtheilung Husaren gegen Beraun gesandt werden.

(C. B. a. B.)
Ungarn.

Aus Temesvar wird der Ofner-Pesther Ztg. gemeldet, daß am 22. Juni der Gränzflecken Weiskirchen von einer etwa 1200 Mann starken Schaar Rajzen überfallen wurde und daß ihnen der dortige Kommandant, Oberstl. Dreyhann, auf die erste Aufforderung sämmtliche Kanonen, Munition, alle Waffen der Nationalgarde, sowie die öffentlichen Kassen des Ortes überlieferte. Auch in Temesvar besorgte man einen Ueberfall.

Vincovce, 23. Juni.

Officiellen Nachrichten zufolge haben die Türken von der Cardake Stara Boffut bis Brood einen Cordon gezogen, und zwar in der Art, daß auf Schußweite 10 bis 15 Mann postirt sind, angeblich, um den dortigen Christen, namentlich christlichen Priestern, die sie sehr grausam verfolgen, die Flucht über die Save abzuschneiden.

Französische Republik.
17 Paris, 4. Juli.

Monsieur Berger, Maire des 2. Arrondissements, wo die Fashionabeln hausen, affischirt: „er habe die Ehre den in den Nationalateliers Eingeschriebenen anzuzeigen, daß die gewöhnlichen Zahlungen“ u. s. w. Diese Zahlungen geschehen an die, welche über ihr Verhalten in den Schlachttagen sich ausweisen können; so verfügte Marrast. ‒ In den Provinzen scheint die Stimmung eine sehr getheilte zu sein; aus Borbeaux z. B. kamen zwar tausend Bourgeois uniformirt und im besten Wohlsein so eben den Parisern zu Hülfe, doch erklärt das dortige Hauptjournal: „Paris, die niederträchtige Stadt, Paris, der rebellische Abgrund, aus dem stets die giftigsten Dünste, selbst in sogenannten Friedensepochen, emporqualmen, mußte am 15. Mai schon von den Departements (?) gerettet werden; jetzt wiederum; aber wäre es diesmal fehlgeschlagen, oh, dann würden sie sich ohne Reue und Sorge von dem gefräßigen Centralisationsungeheuer am Seineufer loßreißen“ u. s. w. Das Ungeheuer wird vorläufig eine Kette um den Hals kriegen, in Gestalt eines permanenten vierzigtausend Mann starken Feldlagers von Linientruppen bei Versailles, und, wie es heißt, eines kleinern dicht bei der Ringmauer. ‒ Verbürgen kann ich auch folgendes: Barbès, im Kerker von Vincennes, wußte am Abende des Freitags bereits, daß die Klubs ihre Kräfte an's Aeußerste setzen würden. Er ließ sich rasiren, machte Toilette und bat den Gouverneur Gilan um einen Besuch. „Unsägliches Blut und Elend wird über Paris kommen, sagte er, und ich flehe Sie an, ein Ehrenmann den andern, nehmen Sie mein heiliges Wort zum Pfande, nur ich vermag jetzt noch durch mein Auftreten vorzubeugen; schicken Sie mich zurück, ich übernehme es, meine zwölfte Legion zu beschwichtigen; in einigen Stunden sehen Sie mich nach glücklichem Erfolge wieder hier im Kerker, oder ich habe mir in der Rue St. Jacques eine Kugel selbst durch den Kopf gejagt. Ich schwöre es bei der demokratisch-sozialen Republik.“ Der Gouverneur suchte Ausflüchte, er müsse zuerst an die Nationalassemblée berichten u. dgl. mehr; es unterblieb, aber es beweist immerhin den Adel der Gesinnung des heroischen Gefangenen. Er und seine Leidensbrüder konnten übrigens nicht aus ihren Zimmern Paris sehen; nur Albert, Repräsentant und Mitglied der provisorischen Regierung, hat eine Fernsicht aus seinem Fenster. Gehört haben sie aber gewiß Schuß um Schuß. Vermuthlich führt man diese Mai- wie Junifrevler nicht nach einer, sondern mehrern transatlantischen Besitzungen, damit sie nur ja nicht in Masse sich wiederfinden; außer Guyana (berühmt durch die Deportirung der Robespierristen) und den Marquesaseilanden lächelt ihnen Madagaskar, wo Frankreich seit zwei Jahrhunderten immer festen Fuß zu fassen sich bemühte und aus Ungeschicklichkeit mißglückte, und die sogenannte Fischerinsel Miquelon im Lorenzbusen von Kanada. Einflußreiche Nordamerikaner haben zwar zur Erwirkung einer Uebersiedlungserlaubniß vom Kongreß sich anheischig machen wollen, allein man lehnte dies höflich ab. Es seien ja nur „Brigands“, und man müsse Nordamerika damit verschonen, gab die pariser Regierung zur Antwort. Uebrigens frißt die Misere grimmig um sich; viele Boutiquen stehen leer, ihre Besitzer sinken unaufhaltsam in die Reihen des Proletariats hinunter, das sie so eben auf Tod und Leben bekämpften. Seit 4 Monaten hat die französische Exportation, statistischen Publikationen zu Folge, fast dreißig Millionen weniger betragen als 1847 in der nämlichen Zeit, und sechshundert Schiffe weniger beschäftigt. Die Produktion steht still, der Austausch stockt, die reichen Fremden ziehen ab, die Falliten schlagen links und rechts ein wie Lamoricière's Granaten; „der süße, sanfte kleine Handel“ auch er schwankt zu Grabe. Nur Epicerie und einige strickt nothwendige Zweige fahren fort zu blühen. Jetzt werden die Nationalateliers überall aufgelöst, doch, wie es scheint, noch nicht die weiblichen. Viele Arbeiterinnen werden wohl die Verbannten begleiten. Um die Lücken nicht wieder sich füllen zu lassen, darf kein Arbeiter aus den Provinzen und dem Auslande mehr nach Paris reisen. Nahm doch die Regierung schon zu allerlei Quacksalbereien die Zuflucht; z. B. das Anwerben für die polnischen und italiänischen Freischaaren, namentlich das letzte skandalöse Werbebureau Rue Montmartre 47, ist von ihr unterstützt worden, um Abfluß zu schaffen, wobei der Herr Martin, Kaufmann aus den Rheinlanden, als Werbechef und Direktor eines fabelhaften „deutschen Comité zur Befreiung der Völker“ plötzlich mit Buch und Kassa unsichtbar wurde. ‒ Vielfach greift die Meinung um sich, nur Krieg könne diesem schleichenden Nervenfieber ein Ende machen; die Albernheit beruft sich dabei auf Napoleons Zeit, wo der Tagelohn fünf Franken gewesen sei. Wer dagegen behauptet, die Emittirung von Papiergeld, auf Unterpfand der Hypotheken und Assekuranzfonds und Eisenbahnen und sonstiger Nationalgüter sei ein besseres und leider bisher vernachlässigtes Mittel, der wird kurzweg ein „Socialist“ gescholten, welches Wort nunmehr den Grimm des Bourgeois gerade so ausdrückt wie vor zwei Monaten: „Kommunist“, und man dreht ihm den Rücken. Ich habe seit 8 Tagen oft solchen Scenen beigewohnt. Inzwischen geht das Thermidorierwesen leise seinen Gang; vorgestern, gestern ungeheure Züge von Wagen voll Flinten, die unter Begleitung von Infanteie und Reiterei den Ortschaften Bercy und Grenelle abgenommen und im langsamen Schritt ins Zeughaus von Vincennes gefahren wurden. La Chapelle, la Villete und Montmartre sind desgleichen entwaffnet; dem letztern traute man so wenig dabei, daß man Kanonen auf der Höhe Posto fassen ließ. In einer Matratze entdeckte man oft ein halb Dutzend Gewehre. ‒ Die glänzenden Tanzlokale sind wieder eröffnet; die Loretten fluchen auf die Blousenkerle, durch deren Kugeln so mancher Lion jenseits des Kanals zurückgehalten wird. Illuminirt wird noch mächtig, aber man fängt an den Spaß kostspielig zu finden, zumal die Hauptlast davon auf die „Gutgesinnten“ zu drücken scheint. Zur Anspornung der Illuminationslust tischen gewisse Blätter jeden Morgen Geschichten von Schüssen auf, die aus nicht illuminirten Fenstern und Passagen gegen Nationalgardisten gefallen. Kurz, die kleinen Triumphatoren selber sehen aus als wüßten sie von Tag zu Tage weniger, ob sie lachen oder weinen sollen; versteht sich die kleinen nur; denn die großen lachen aus vollem Halse und spielen eifrig und lustig und rufen der Republik zu: „Schach, nochmals Schach, zum dritten Schach ‒ und matt!“

‒ Mehre Lügenblätter, namentlich der Constitutionnel und die Union haben angekündigt, man habe 150,000 Fr. bei den verwundeten Arbeitern gefunden, die sich im Spital „la Pitié“ befinden. Verifikation hatte Statt und die Summe reducirt sich in Wahrheit auf zwei Francs fünf und siebenzig Centimes, die man bei Einem der Arbeiter gefunden hat. Das brave Blatt von Thiers, der Constitutionnel, sieht sich gezwungen heute selbst sein lächerliches Mährchen zu widerrufen.

Der Bien public, Lamartines Blatt, signalisirt und, brandmarkt die Umtriebe der alten Linken, der Thierspartei um die Republik zu ihrem Vortheil zu escamotiren. Der Artikel schließt wie folgt:

„Republikaner des Vorabends oder Republikaner des andern Morgens, sind wir alle Republikaner der Zukunft. Wir proscribiren Niemand; wir haben weder Bevorzugung noch Antipathien. Um unsere junge Republik rufen wir alle Intelligenzen, alle Hingebungen und wir glauben, daß es ein Recht wie eine Pflicht für alle ist, ihr zu dienen oder sie zu vertheidigen. Man mißverkenne also unsere Absicht nicht. Wenn wir uns heute beklagen, so geschieht es eben deßwegen, weil man sich bemüht, wieder aufzubauen, was nicht mehr ist, indem man die alten Kategorien wieder herstellt, indem man Meinungen wieder ins Leben ruft, die wir weggefegt wähnten mit der alten Welt, die im Sturm vom 24. Februar in den Abgrund versank. Wir sehen in diesen Bemühungen eine Rückkehr zur Vergangenheit, einen Keim der Spaltung, eine Gefahr für den Frieden des Landes und für die Zukunft der Gesellschaft, und wir können den Alarmschrei nicht zurückdrängen, der immer der Brust eines devonirten Soldaten entfährt im Antlitz der Gefahr. Diese Gefahr ist ernsthaft. Es handelt sich darum zu wissen, ob die Republik auf die Proportionen einer Intrique verkürzt werden soll, ob eine Revolution, in ihrem Beginn so groß wie die Nation, so eng und so mesquine werden soll wie eine Partei. Es handelt sich darum, ob man dem Frieden, der aus der Verschmelzung der Ideen und der Interessen hervorgehen muß, den Kampf unterschieben wird, der unfehlbar herauswachsen muß aus einer Regierung der Exclusionen, aufgebaut auf den Trümmern der Monarchie, mit den Institutionen eines andern Regimes. Mögen jetzt alle aufrichtigen Republikaner ihre Pflicht thun. Sie haben ein sichres Mittel alle Komplotte zu vereiteln ‒ es besteht darin, einig zu sein. Gegenüber der alten Linken, die sich befestigt in ihrem Feldlager, bilden wir das Feldlager der jungen Republik und möge dieß Feldlager weit sein, wie Frankreich!

‒ Im Peuple constituant sagt Lammenais:

„Einige Tage noch und die Erbitterung, welche Lügen und Verläumdungen unterhalten, wird sich gelegt haben. Rasch zornig, zu rasch zum Kampf geneigt, kann der Franzose nicht lange hassen. Seine großmüthige Natur führt ihn schnell zum Mitleid zurück, und seine Thränen sind der erste Balsam für die Wunden, die er geschlagen hat. Es sind auch keine Franzosen, jene Männer des Hasses, deren wildes Wort nach dem Kampf im Herzen der Sieger jene finstren Leidenschaften anbläst, die sie selbst beseelen, den Geist der Rache und kalter Grausamkeit. Es sind keine Franzosen, es sind keine menschlichen Wesen, sie gehören zu jener feigen Thierraçe, deren unedle Wildheit gegen Leichname wüthet. Wir wiederholen es, einige Tage noch und die unserer kräftigen Raçe natürlichen Empfindungen werden in all ihrer Energie wieder erwachen. Keiner wird seinen Kindern einen Namen zurücklassen wollen, eingeschrieben in das Register der Anbeter des Todes.

Die Nouvelles du Jour sagen: „Die Nationalversammlung hat ein Recht auf den Respekt Aller, weil sie die Tochter des Souverains ist, die Erwählte des Volkes. Aber die Zeiten sind vorbei, wo es hinreichte, der Sohn seines Vaters zu sein; heute muß man der Sohn seiner Werke sein. Die Nationalversammlung gehe also endlich einmal an's Werk.

Nationalversammlung. Sitzung vom 4. Juli. Lacrosse, Vicepräsident eröffnet dieselbe um 21/4 Uhr. Die militärischen Vorsichtsmaßregeln sind bedeutend vermindert, nur zwei Kanonen sind mit ihren Mündungen noch gegen den Eintrachtsplatz gerichtet. Der Friede ist indessen bei Weitem noch nicht hergestellt: in der Villette schlage man sich, heißt es im Saale. An der Tagesordnung war die Erwählung eines Quästors an die Stelle des gestorbenen Generals Negrier. Da die Wahl vorschriftsmäßig durch Stimmzettel oder Kugeln erfolgen muß und die Versammlung in Folge der Verfassungsprüfung sehr zahlreich aus den Büreaus strömte, so dauerte dieser Wahlakt bis nach 3 Uhr. Um 31/2 Uhr verkündigte der Präsident folgendes Resultat: Zahl der Stimmenden 709. Absolute Majorität 355. Es erhielten Laboissiere 255, General Le Breton 205, General Lafontaine 190 Stimmen. Da Keiner die erforderliche Mehrheit vereinigte, so verlor die Versammlung durch Erneuerung des Skrutins abermals eine Stunde. Während dieser Operation bestieg Corbon, der Quasisozialist und Vicepräsident, die Bühne, um seine von uns schon früher erwähnte Proposition auf Eröffnung eines Kredits von 3 Millionen Franken Behufs Assoziation zwischen Arbeiter und Meister zu erneuern. Wir konnten aber den Text selbst noch nicht zu Gesicht bekommen.

‒ (Nach 4 Uhr.) Alcan ist der eigentliche Vater der obigen Proposition, wovon Corbon als Glied des Arbeitsausschusses nur den Bericht vorlas. Die Versammlung zeigte indessen keine Eile, und der Vorschlag wanderte ad acta. Hiernächst zeigte der Präsident der Versammlung an, daß auch das zweite Skrutinium wegen der Quästorwahl fruchtlos ausgefallen sei, indem kein absolutes Mehr zu Stande gekommen. Es mußte sonach zu einer dritten Abstimmung geschritten werden. Während der Stimmenzählung machte ein Glied den Antrag, den nächsten Donnerstag (Todtenfeier) als einen Rasttag zu errlären, ein Antrag, der Glück hatte; denn er wurde angenommen.

Die Versammlung schritt dann zur Berathung der auf der Tagesordnung befindlichen Gehaltsfrage für den Konseilpräsidenten und die Minister. Das Gehalt des Ersteren stieß auf keinen Widerspruch.

Für die Minister schlägt der Gesetzentwurf 3000 Frkn. monatlich vor. Larochejaquelin fand dieß zu niedrig er schlug 5000 Frkn. vor. Die Versammlung entschied sich für 4000 Frkn.

In diesem Augenblick meldete der Präsident das Resultat des Skrutins. Zahl der Stimmenden 719. General Le Breton hat 319 Stimmen erhalten und wurde als Quästor proklamirt.

Der nächste Gegenstand auf der Tagesordnung war ziemlich delikater Natur. Er betrifft die Gehaltsfrage des gestürzten Vollziehungsausschusses. Sie war mit 100,000 Frkn. beantragt.

Baron Gloxin fand dieß viel zu hoch Duclerc, ehemal. Finanzminister, erlaubte sich die Erwiderung, daß die obige Summe nicht vom vereinigten Ausschuß sondern vom Finanzausschusse der Versammlung festgestellt worden. Die Versammlung, jeden Skandal scheuend, willigte ohne Diskussion ein.

Die Bildung eines mobilen Gensdarmerie-Bataillon rief schließlich einen kleinen Streit zwischen Favraud und dem Berichterstatter Brard hervor, der indessen wenig Erhebliches für's Ausland bot, da ihn Lamoriciere bald beilegte.

Favraud versicherte nämlich, daß die Wahldepartements so wenig eine Gensd'armerie-Verstärkung als das übrige Frankreich brauchten. Lamoriciere und Brard meinten, daß sie daran nicht zweifelten Larochejaquelin: Nur ein Wort! So eben sagte der Berichterstatter daß die Wahldepartements ruhig seien. Wozu also die Gensd'armerie-Verstärkung? So viel ich weiß, rief man in der Charente inferieure: Es lebe der Kaiser! In den Wahldepartements blieb es still. Trotzdem wurde das Bataillon bewilligt. ‒ Die Sitzung wurde um 6 1/4 Uhr geschlossen.

Italien.
* Rom.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div xml:id="ar037_006" type="jArticle">
          <p><pb facs="#f0003" n="0185"/>
Derer, welche in der ersten                         Versammlung als Mitglieder des Ausschusses vorgeschlagen und von den                         Versammelten angenommen wurden; einige der Vorgeschlagenen sind aber dem                         Ausschuß niemals beigetreten.</p>
          <bibl>(B. Z.-H.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar037_007" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl>Frankfurt, 4. Juli.</head>
          <p>In der heutigen <hi rendition="#g">Sitzung der Nationalversammlung</hi> stellte <hi rendition="#g">Rob. Blum</hi> den Antrag: die                         Nationalversammlung wolle von der Bundesversammlung eine amtliche Erklärung                         über Sinn und Bedeutung ihres Beschlusses vom 29. v. M., das Schreiben an                         den Erzherzog <hi rendition="#g">Johann</hi> betreffend, und namentlich über                         die darin ausgesprochene Zustimmung die Regierungen zur Wahl des                         Reichsverwesers verlangen.</p>
          <p>Der Präsident der Bundesversammlung, Ritter v. <hi rendition="#g">Schmerling:</hi> Seit drei Wochen sei überall von der Centralgewalt die                         Rede gewesen. Die Regierungen hätten sich aufgefordert gefühlt, auf Grund                         des Kommissionsberichts die Männer zu bezeichnen, die im Falle der Annahme                         desselben vorzuschlagen wären. Später hätten die Regierungen sich zur                         Bezeichnung eines Reichsverwesers geeinigt, als man gesehen habe, daß man                         für <hi rendition="#g">eine</hi> Person sich entscheiden werde. Hiernach                         hätte die Bundesversammlung wohl aussprechen können, daß der Gewählte                         derselbe sei, den die Regierungen vorgeschlagen haben würden. Er glaube                         wohl, daß den Herren auf der Linken ein Zerwürfniß der Nationalversammlung                         mit den Regierungen angenehm gewesen wäre. (Auf der Linken: Zur Ordnung! Das                         ist eine Verdächtigung. Der Präsident erklärt, er finde in der Aeußerung                         nichts Beleidigendes.) Der Redner verlangt, daß über Blum's Antrag zur                         Tagesordnung gegangen werde. <hi rendition="#g">Vogt</hi> hält es nicht für                         möglich, daß während der 6 Tage, welche die Debatte gedauert, die Zustimmung                         der Regierungen habe eingeholt werden können. Er erklärt Schmerling's                         Ausfall gegen die Linke für eine Verläumdung, und wird darüber vom                         Präsidenten zur Ordnung gerufen. Hierauf Widerspruch und Tumult von beiden                         Seiten. Vogt unterstützt den Antrag auf eine amtliche Erklärung. Nachdem                         noch Lychnowski, Wagner und Blum das Wort genommen, wird abgestimmt und mit                         Mehrheit die Tagesordnung beschlossen.</p>
          <p>Es begann nun die Berathung über Art. 1 der &#x201E;Grundrechte&#x201C;, welcher lautet: §                         1. &#x201E;Jeder Deutsche hat das allgemeine deutsche Staatsbürgerrecht. Die ihm                         kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben.                         Das Recht, zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, übt er da, wo er zur                         Zeit seinen Wohnsitz hat.&#x201C; § 2. &#x201E;Jeder Deutsche darf an jedem Orte eines                         Staates Aufenthalt nehmen, sich niederlassen, Grundeigenthum erwerben, Kunst                         und Gewerbe treiben, das Gemeindebürgerecht gewinnen &#x2012; vorerst unter                         denselben Bedingungen, wie die Angehörigen des betreffenden Staates, bis ein                         Reichsgesetz die zwischen den Gesetzen der einzelnen Staaten noch                         obwaltenden Verschiedenheiten völlig ausgleicht.&#x201C; § 3. &#x201E;Die Aufnahme in das                         Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf keinem unbescholtenen                         Deutschen verweigert werden.&#x201C;</p>
          <p>Minoritätsgutachten: 1) &#x201E;Einer besondern Aufnahme in das Staatsbürgerthum                         eines einzelnen deutschen Staates bedarf es für den Deutschen nicht, sondern                         er erwirbt alle Rechte der Eingebornen durch feste Niederlassung in dem                         Lande.&#x201C; (Waitz, Tollkampf, Hergenhahn, Schüler, Beckerath, Droysen). 2. Die                         Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf an keine                         andern Bedingungen geknüpft werden, als welche sich auf die Unbescholtenheit                         und den genügenden Unterhalt des Aufzunehmenden für sich und seine Familie                         beziehen. (Mühlfeld, R. Mohl, Andrian, Lassaulx). Amendements werden                         beantragt und entwickelt von <hi rendition="#g">Biedermann, Fritsch,                             Neumann, Diskau, Jakob Grimm.</hi> Letzterer will statt Art. 1                         folgenden: &#x201E;Alle Deutschen sind frei, und deutscher Boden duldet keine                         Knechtschaft. Fremde Unfreie, die auf ihm verweilen, macht er frei.&#x201C; Es                         erhebt sich eine Debatte über die Definition des Wortes &#x201E;Deutscher.&#x201C; Zu dem                         Ausdruck &#x201E;jeder Deutsche&#x201C; waren eine Anzahl Amendements vorgeschlagen:                         &#x201E;Jeder Angehörige Deutschlands,&#x201C; &#x201E;Jeder dem deutschen Bundesgebiet                         Angehörige&#x201C; u. s. w. Die Versammlung beschließt, den Ausdruck: &#x201E;Jeder                         Deutsche&#x201C; beizubehalten. Vor Schluß der Sitzung verlangt die Linke                         Erledigung der Schmerling'schen Angelegenheit. Schmerling erklärt, er habe                         keine Beleidigung oder Verläumdung beabsichtigt und wird nachträglich zur                         Ordnung gerufen. Schluß der Sitzung 3 Uhr; nächste Sitzung Donnerstag.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar037_008" type="jArticle">
          <head>Wien, 30. Juni.</head>
          <p>Unter den hundert und zwanzig bereits anwesenden Deputirten machen die Polen                         große Sensation. Man glaubte anfangs nicht, daß die Galizier den Reichstag                         beschicken würden, und die anwesende Deputation bestätigte diese Ansicht,                         grade diese aber sind am zahlreichsten erschienen, und wie der Beweis lehrt,                         sind es aus dem Volke hervorgegangene Wähler. Viele unter ihnen verstehen                         kein Wort deutsch, und sollen sich bereits entschlossen haben, einen                         Dolmetsch zu wählen. Jedenfalls wird die Frage beim Reichstag auftauchen, ob                         jedes Mitglied deutsch verstehen müsse. Einweilen coursiren über diese                         politischen Reichstagsmitglieder mannichfache Anecdoten. So sollen sich 20                         in einem Hotel 2 Zimmer genommen haben, und als der Kellner bedeutete, daß                         nicht so viel Platz zu Betten sei, forderten sie blos Stroh, sie würden                         schon Platz haben. Andere haben sich, da eben das poln. Regiment Nassau hier                         stationirt, in der Kaserne bei ihren Landsleuten einlogirt, wie man sagt, um                         vor den Zudringlichkeiten politischer Aufklärer und Partheiverlocker Ruhe zu                         haben. Im Ganzen sind bis heute 163 Wahlen bekannt.</p>
          <p>Für Sie jedoch ist die eben brieflich einlangende Nachricht von Wichtigkeit,                         daß die Congregation im Agram beschlossen hat, die dreieinigen Königreiche                         dem deutschen Bunde anzuschließen.(???)</p>
          <bibl>(Const. Bl. a. B.)</bibl>
        </div>
        <div xml:id="ar037_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 1. Juli.</head>
          <p>Nach einem uns so eben zugehenden Briefe eines Deputirten aus Wien, hat der                         Erzherzog Johann erklärt, daß er die Stelle als Reichsverweser annehmen                         werde, wenn die Wahl auf ihn falle.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar037_010" type="jArticle">
          <head>Prag, 1. Juni.</head>
          <p>In jene Städte und Ortschaften am Lande, aus denen in der Pfingstwoche                         bewaffnete Zuzüge nach Prag gekommen sind oder kommen wollten, wurden                         Kommissionen zur Untersuchung des Sachverhaltes und zur Entwaffnung der                         betreffenden Nationalgarden abgesendet. &#x2012; Heute fanden abermals mehrere                         Hausdurchsuchungen nach Waffen Staat, unter anderen wurde eine solche auch                         im Clementinum vorgenommen. Abermals begingen einige Unsinnige, wie es heißt                         in den Schipkaschen Mühlen, die Tollheit übers Wasser zu schießen. &#x2012; In                         Beraun sollen Unruhen ausgebrochen seyn; gewiß ist, daß heute eine                         Abtheilung Husaren gegen Beraun gesandt werden.</p>
          <bibl>(C. B. a. B.)</bibl>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Ungarn.</head>
        <div xml:id="ar037_011" type="jArticle">
          <p>Aus <hi rendition="#b">Temesvar</hi> wird der Ofner-Pesther Ztg. gemeldet,                         daß am 22. Juni der Gränzflecken Weiskirchen von einer etwa 1200 Mann                         starken Schaar Rajzen überfallen wurde und daß ihnen der dortige Kommandant,                         Oberstl. Dreyhann, auf die erste Aufforderung sämmtliche Kanonen, Munition,                         alle Waffen der Nationalgarde, sowie die öffentlichen Kassen des Ortes                         überlieferte. Auch in Temesvar besorgte man einen Ueberfall.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar037_012" type="jArticle">
          <head>Vincovce, 23. Juni.</head>
          <p>Officiellen Nachrichten zufolge haben die Türken von der Cardake Stara Boffut                         bis Brood einen Cordon gezogen, und zwar in der Art, daß auf Schußweite 10                         bis 15 Mann postirt sind, angeblich, um den dortigen Christen, namentlich                         christlichen Priestern, die sie sehr grausam verfolgen, die Flucht über die                         Save abzuschneiden.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Französische Republik.</head>
        <div xml:id="ar037_013" type="jArticle">
          <head><bibl><author>17</author></bibl> Paris, 4. Juli.</head>
          <p>Monsieur Berger, Maire des 2. Arrondissements, wo die Fashionabeln hausen,                         affischirt: &#x201E;<hi rendition="#g">er habe die Ehre</hi> den in den                         Nationalateliers Eingeschriebenen anzuzeigen, daß die gewöhnlichen                         Zahlungen&#x201C; u. s. w. Diese Zahlungen geschehen an die, welche über ihr                         Verhalten in den Schlachttagen sich ausweisen können; so verfügte Marrast. &#x2012;                         In den Provinzen scheint die Stimmung eine sehr getheilte zu sein; aus                         Borbeaux z. B. kamen zwar tausend Bourgeois uniformirt und im besten                         Wohlsein so eben den Parisern zu Hülfe, doch erklärt das dortige                         Hauptjournal: &#x201E;Paris, die <hi rendition="#g">niederträchtige</hi> Stadt,                         Paris, der rebellische Abgrund, aus dem stets die giftigsten Dünste, selbst                         in sogenannten Friedensepochen, emporqualmen, mußte am 15. Mai schon von den                         Departements (?) gerettet werden; jetzt wiederum; aber wäre es diesmal                         fehlgeschlagen, oh, dann würden sie sich ohne Reue und Sorge von dem <hi rendition="#g">gefräßigen Centralisationsungeheuer</hi> am Seineufer <hi rendition="#g">loßreißen</hi>&#x201C; u. s. w. Das Ungeheuer wird vorläufig                         eine Kette um den Hals kriegen, in Gestalt eines permanenten vierzigtausend                         Mann starken Feldlagers von Linientruppen bei Versailles, und, wie es heißt,                         eines kleinern dicht bei der Ringmauer. &#x2012; <hi rendition="#g">Verbürgen</hi> kann ich auch folgendes: Barbès, im Kerker von Vincennes, wußte am Abende                         des Freitags bereits, daß die Klubs ihre Kräfte an's Aeußerste setzen                         würden. Er ließ sich rasiren, machte Toilette und bat den Gouverneur Gilan                         um einen Besuch. &#x201E;Unsägliches Blut und Elend wird über Paris kommen, sagte                         er, und ich flehe Sie an, ein Ehrenmann den andern, nehmen Sie mein heiliges                         Wort zum Pfande, nur ich vermag jetzt noch durch mein Auftreten vorzubeugen;                         schicken Sie mich zurück, ich übernehme es, meine zwölfte Legion zu                         beschwichtigen; in einigen Stunden sehen Sie mich nach glücklichem Erfolge                         wieder hier im Kerker, oder ich habe mir in der Rue St. Jacques eine Kugel                         selbst durch den Kopf gejagt. Ich schwöre es bei der demokratisch-sozialen                         Republik.&#x201C; Der Gouverneur suchte Ausflüchte, er müsse zuerst an die                         Nationalassemblée berichten u. dgl. mehr; es unterblieb, aber es beweist                         immerhin den Adel der Gesinnung des heroischen Gefangenen. Er und seine                         Leidensbrüder konnten übrigens nicht aus ihren Zimmern Paris sehen; nur                         Albert, Repräsentant und Mitglied der provisorischen Regierung, hat eine                         Fernsicht aus seinem Fenster. Gehört haben sie aber gewiß Schuß um Schuß.                         Vermuthlich führt man diese Mai- wie Junifrevler nicht nach einer, sondern                         mehrern transatlantischen Besitzungen, damit sie nur ja nicht in Masse sich                         wiederfinden; außer Guyana (berühmt durch die Deportirung der                         Robespierristen) und den Marquesaseilanden lächelt ihnen Madagaskar, wo                         Frankreich seit zwei Jahrhunderten immer festen Fuß zu fassen sich bemühte                         und aus Ungeschicklichkeit mißglückte, und die sogenannte Fischerinsel                         Miquelon im Lorenzbusen von Kanada. Einflußreiche Nordamerikaner haben zwar                         zur Erwirkung einer Uebersiedlungserlaubniß vom Kongreß sich anheischig                         machen wollen, allein man lehnte dies höflich ab. Es seien ja nur                         &#x201E;Brigands&#x201C;, und man müsse Nordamerika damit verschonen, gab die pariser                         Regierung zur Antwort. Uebrigens frißt die Misere grimmig um sich; viele                         Boutiquen stehen leer, ihre Besitzer sinken unaufhaltsam in die Reihen des                         Proletariats hinunter, das sie so eben auf Tod und Leben bekämpften. Seit 4                         Monaten hat die französische Exportation, statistischen Publikationen zu                         Folge, fast dreißig Millionen weniger betragen als 1847 in der nämlichen                         Zeit, und sechshundert Schiffe weniger beschäftigt. Die Produktion steht                         still, der Austausch stockt, die reichen Fremden ziehen ab, die Falliten                         schlagen links und rechts ein wie Lamoricière's Granaten; &#x201E;der süße, sanfte                         kleine Handel&#x201C; auch er schwankt zu Grabe. Nur Epicerie und einige strickt                         nothwendige Zweige fahren fort zu blühen. Jetzt werden die Nationalateliers                         überall aufgelöst, doch, wie es scheint, noch nicht die weiblichen. Viele                         Arbeiterinnen werden wohl die Verbannten begleiten. Um die Lücken nicht                         wieder sich füllen zu lassen, darf kein Arbeiter aus den Provinzen und dem                         Auslande mehr nach Paris reisen. Nahm doch die Regierung schon zu allerlei                         Quacksalbereien die Zuflucht; z. B. das Anwerben für die polnischen und                         italiänischen Freischaaren, namentlich das letzte skandalöse Werbebureau Rue                         Montmartre 47, ist von ihr unterstützt worden, um Abfluß zu schaffen, wobei                         der Herr Martin, Kaufmann aus den Rheinlanden, als Werbechef und Direktor                         eines fabelhaften &#x201E;deutschen Comité zur Befreiung der Völker&#x201C; plötzlich mit                         Buch und Kassa unsichtbar wurde. &#x2012; Vielfach greift die Meinung um sich, nur                         Krieg könne diesem schleichenden Nervenfieber ein Ende machen; die                         Albernheit beruft sich dabei auf Napoleons Zeit, wo der Tagelohn fünf                         Franken gewesen sei. Wer dagegen behauptet, die Emittirung von Papiergeld,                         auf Unterpfand der Hypotheken und Assekuranzfonds und Eisenbahnen und                         sonstiger Nationalgüter sei ein besseres und leider bisher vernachlässigtes                         Mittel, der wird kurzweg ein &#x201E;Socialist&#x201C; gescholten, welches Wort nunmehr                         den Grimm des Bourgeois gerade so ausdrückt wie vor zwei Monaten:                         &#x201E;Kommunist&#x201C;, und man dreht ihm den Rücken. Ich habe seit 8 Tagen oft solchen                         Scenen beigewohnt. Inzwischen geht das Thermidorierwesen leise seinen Gang;                         vorgestern, gestern ungeheure Züge von Wagen voll Flinten, die unter                         Begleitung von Infanteie und Reiterei den Ortschaften Bercy und Grenelle                         abgenommen und im langsamen Schritt ins Zeughaus von Vincennes gefahren                         wurden. La Chapelle, la Villete und Montmartre sind desgleichen entwaffnet;                         dem letztern traute man so wenig dabei, daß man <hi rendition="#g">Kanonen</hi> auf der Höhe Posto fassen ließ. In einer Matratze                         entdeckte man oft ein halb Dutzend Gewehre. &#x2012; Die glänzenden Tanzlokale sind                         wieder eröffnet; die Loretten fluchen auf die Blousenkerle, durch deren                         Kugeln so mancher Lion jenseits des Kanals zurückgehalten wird. Illuminirt                         wird noch mächtig, aber man fängt an den Spaß kostspielig zu finden, zumal                         die Hauptlast davon auf die &#x201E;Gutgesinnten&#x201C; zu drücken scheint. Zur                         Anspornung der Illuminationslust tischen gewisse Blätter jeden Morgen                         Geschichten von Schüssen auf, die aus <hi rendition="#g">nicht</hi> illuminirten Fenstern und Passagen gegen Nationalgardisten gefallen. Kurz,                         die kleinen Triumphatoren selber sehen aus als wüßten sie von Tag zu Tage                         weniger, ob sie lachen oder weinen sollen; versteht sich die <hi rendition="#g">kleinen</hi> nur; denn die <hi rendition="#g">großen</hi> lachen aus vollem Halse und spielen eifrig und lustig und rufen der Republik                         zu: &#x201E;Schach, nochmals Schach, zum dritten Schach &#x2012; und matt!&#x201C;</p>
          <p>&#x2012; Mehre Lügenblätter, namentlich der <hi rendition="#g">Constitutionnel</hi> und die <hi rendition="#g">Union</hi> haben angekündigt, man habe 150,000                         Fr. bei den verwundeten Arbeitern gefunden, die sich im Spital &#x201E;la Pitié&#x201C;                         befinden. Verifikation hatte Statt und die Summe reducirt sich in Wahrheit                         auf <hi rendition="#g">zwei Francs fünf und siebenzig Centimes,</hi> die man                         bei <hi rendition="#g">Einem</hi> der Arbeiter gefunden hat. Das brave Blatt                         von Thiers, der <hi rendition="#g">Constitutionnel,</hi> sieht sich                         gezwungen heute selbst sein lächerliches Mährchen zu widerrufen.</p>
          <p>Der <hi rendition="#g">Bien public, Lamartines</hi> Blatt, signalisirt und,                         brandmarkt die Umtriebe der <hi rendition="#g">alten Linken,</hi> der                         Thierspartei um die Republik zu ihrem Vortheil zu escamotiren. Der Artikel                         schließt wie folgt:</p>
          <p>&#x201E;Republikaner des Vorabends oder Republikaner des andern Morgens, sind wir                         alle Republikaner der Zukunft. Wir proscribiren Niemand; wir haben weder                         Bevorzugung noch Antipathien. Um unsere junge Republik rufen wir alle                         Intelligenzen, alle Hingebungen und wir glauben, daß es ein Recht wie eine                         Pflicht für alle ist, ihr zu dienen oder sie zu vertheidigen. Man                         mißverkenne also unsere Absicht nicht. Wenn wir uns heute beklagen, so                         geschieht es eben deßwegen, weil man sich bemüht, wieder aufzubauen, was                         nicht mehr ist, indem man die alten Kategorien wieder herstellt, indem man                         Meinungen wieder ins Leben ruft, die wir weggefegt wähnten mit der alten                         Welt, die im Sturm vom 24. Februar in den Abgrund versank. Wir sehen in                         diesen Bemühungen eine Rückkehr zur Vergangenheit, einen Keim der Spaltung,                         eine Gefahr für den Frieden des Landes und für die Zukunft der Gesellschaft,                         und wir können den Alarmschrei nicht zurückdrängen, der immer der Brust                         eines devonirten Soldaten entfährt im Antlitz der Gefahr. Diese Gefahr ist                         ernsthaft. Es handelt sich darum zu wissen, ob die Republik auf die                         Proportionen einer Intrique verkürzt werden soll, ob eine Revolution, in                         ihrem Beginn so groß wie die Nation, so eng und so mesquine werden soll wie                         eine Partei. Es handelt sich darum, ob man dem Frieden, der aus der                         Verschmelzung der Ideen und der Interessen hervorgehen muß, den Kampf                         unterschieben wird, der unfehlbar herauswachsen muß aus einer Regierung der                         Exclusionen, aufgebaut auf den Trümmern der Monarchie, mit den Institutionen                         eines andern Regimes. Mögen jetzt alle aufrichtigen Republikaner ihre                         Pflicht thun. Sie haben ein sichres Mittel alle Komplotte zu vereiteln &#x2012; es                         besteht darin, <hi rendition="#g">einig</hi> zu sein. Gegenüber der alten                         Linken, die sich befestigt in ihrem Feldlager, bilden wir das Feldlager der                         jungen Republik und möge dieß Feldlager weit sein, wie Frankreich!</p>
          <p>&#x2012; Im <hi rendition="#g">Peuple constituant</hi> sagt <hi rendition="#g">Lammenais:</hi></p>
          <p>&#x201E;Einige Tage noch und die Erbitterung, welche Lügen und Verläumdungen                         unterhalten, wird sich gelegt haben. Rasch zornig, zu rasch zum Kampf                         geneigt, kann der Franzose nicht lange hassen. Seine großmüthige Natur führt                         ihn schnell zum Mitleid zurück, und seine Thränen sind der erste Balsam für                         die Wunden, die er geschlagen hat. Es sind auch keine <hi rendition="#g">Franzosen,</hi> jene Männer des Hasses, deren wildes Wort <hi rendition="#g">nach</hi> dem Kampf im Herzen der Sieger jene finstren                         Leidenschaften anbläst, die sie selbst beseelen, den Geist der Rache und                         kalter Grausamkeit. Es sind keine Franzosen, es sind keine menschlichen                         Wesen, sie gehören zu jener feigen Thierraçe, deren unedle Wildheit gegen                         Leichname wüthet. Wir wiederholen es, einige Tage noch und die unserer                         kräftigen Raçe natürlichen Empfindungen werden in all ihrer Energie wieder                         erwachen. Keiner wird seinen Kindern einen Namen zurücklassen wollen,                         eingeschrieben in das Register der <hi rendition="#g">Anbeter des                             Todes.</hi>&#x201C;</p>
          <p>&#x2012; <hi rendition="#g">Die Nouvelles du Jour</hi> sagen: &#x201E;Die                         Nationalversammlung hat ein Recht auf den Respekt Aller, weil sie die                         Tochter des Souverains ist, die Erwählte des Volkes. Aber die Zeiten sind                         vorbei, wo es hinreichte, der Sohn seines Vaters zu sein; heute muß man der                         Sohn seiner Werke sein. Die Nationalversammlung gehe also endlich einmal                         an's Werk.</p>
          <p><hi rendition="#g">Nationalversammlung.</hi> Sitzung vom 4. Juli. <hi rendition="#g">Lacrosse,</hi> Vicepräsident eröffnet dieselbe um 21/4                         Uhr. Die militärischen Vorsichtsmaßregeln sind bedeutend vermindert, nur                         zwei Kanonen sind mit ihren Mündungen noch gegen den Eintrachtsplatz                         gerichtet. Der Friede ist indessen bei Weitem noch nicht hergestellt: <hi rendition="#g">in der Villette schlage man sich,</hi> heißt es im Saale.                         An der Tagesordnung war die Erwählung eines Quästors an die Stelle des                         gestorbenen Generals Negrier. Da die Wahl vorschriftsmäßig durch Stimmzettel                         oder Kugeln erfolgen muß und die Versammlung in Folge der Verfassungsprüfung                         sehr zahlreich aus den Büreaus strömte, so dauerte dieser Wahlakt bis nach 3                         Uhr. Um 31/2 Uhr verkündigte der Präsident folgendes Resultat: Zahl der                         Stimmenden 709. Absolute Majorität 355. Es erhielten Laboissiere 255,                         General Le Breton 205, General Lafontaine 190 Stimmen. Da Keiner die                         erforderliche Mehrheit vereinigte, so verlor die Versammlung durch                         Erneuerung des Skrutins abermals eine Stunde. Während dieser Operation                         bestieg Corbon, der Quasisozialist und Vicepräsident, die Bühne, um seine                         von uns schon früher erwähnte Proposition auf Eröffnung eines Kredits von 3                         Millionen Franken Behufs Assoziation zwischen Arbeiter und Meister zu                         erneuern. Wir konnten aber den Text selbst noch nicht zu Gesicht                         bekommen.</p>
          <p>&#x2012; (Nach 4 Uhr.) <hi rendition="#g">Alcan</hi> ist der eigentliche Vater der                         obigen Proposition, wovon Corbon als Glied des Arbeitsausschusses nur den                         Bericht vorlas. Die Versammlung zeigte indessen keine Eile, und der                         Vorschlag wanderte ad acta. Hiernächst zeigte der Präsident der Versammlung                         an, daß auch das zweite Skrutinium wegen der Quästorwahl fruchtlos                         ausgefallen sei, indem kein absolutes Mehr zu Stande gekommen. Es mußte                         sonach zu einer dritten Abstimmung geschritten werden. Während der                         Stimmenzählung machte ein Glied den Antrag, den nächsten Donnerstag                         (Todtenfeier) als einen Rasttag zu errlären, ein Antrag, der Glück hatte;                         denn er wurde angenommen.</p>
          <p>Die Versammlung schritt dann zur Berathung der auf der Tagesordnung                         befindlichen Gehaltsfrage für den Konseilpräsidenten und die Minister. Das                         Gehalt des Ersteren stieß auf keinen Widerspruch.</p>
          <p>Für die Minister schlägt der Gesetzentwurf 3000 Frkn. monatlich vor.                         Larochejaquelin fand dieß zu niedrig er schlug 5000 Frkn. vor. Die                         Versammlung entschied sich für 4000 Frkn.</p>
          <p>In diesem Augenblick meldete der Präsident das Resultat des Skrutins. Zahl                         der Stimmenden 719. General Le Breton hat 319 Stimmen erhalten und wurde als                         Quästor proklamirt.</p>
          <p>Der nächste Gegenstand auf der Tagesordnung war ziemlich delikater Natur. Er                         betrifft die Gehaltsfrage des gestürzten Vollziehungsausschusses. Sie war                         mit 100,000 Frkn. beantragt.</p>
          <p>Baron Gloxin fand dieß viel zu hoch Duclerc, ehemal. Finanzminister, erlaubte                         sich die Erwiderung, daß die obige Summe nicht vom vereinigten Ausschuß                         sondern vom Finanzausschusse der Versammlung festgestellt worden. Die                         Versammlung, jeden Skandal scheuend, willigte ohne Diskussion ein.</p>
          <p>Die Bildung eines mobilen Gensdarmerie-Bataillon rief schließlich einen                         kleinen Streit zwischen Favraud und dem Berichterstatter Brard hervor, der                         indessen wenig Erhebliches für's Ausland bot, da ihn Lamoriciere bald                         beilegte.</p>
          <p>Favraud versicherte nämlich, daß die Wahldepartements so wenig eine                         Gensd'armerie-Verstärkung als das übrige Frankreich brauchten. Lamoriciere                         und Brard meinten, daß sie daran nicht zweifelten Larochejaquelin: Nur ein                         Wort! So eben sagte der Berichterstatter daß die Wahldepartements ruhig                         seien. Wozu also die Gensd'armerie-Verstärkung? So viel ich weiß, rief man                         in der Charente inferieure: Es lebe der Kaiser! In den Wahldepartements                         blieb es still. Trotzdem wurde das Bataillon bewilligt. &#x2012; Die Sitzung wurde                         um 6 1/4 Uhr geschlossen.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
        <div xml:id="ar037_014_c" type="jArticle">
          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Italien. 7. Juli 1848. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 277.</bibl></note>
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Rom.</head>
          <gap reason="copyright"/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0185/0003] Derer, welche in der ersten Versammlung als Mitglieder des Ausschusses vorgeschlagen und von den Versammelten angenommen wurden; einige der Vorgeschlagenen sind aber dem Ausschuß niemals beigetreten. (B. Z.-H.) *Frankfurt, 4. Juli. In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung stellte Rob. Blum den Antrag: die Nationalversammlung wolle von der Bundesversammlung eine amtliche Erklärung über Sinn und Bedeutung ihres Beschlusses vom 29. v. M., das Schreiben an den Erzherzog Johann betreffend, und namentlich über die darin ausgesprochene Zustimmung die Regierungen zur Wahl des Reichsverwesers verlangen. Der Präsident der Bundesversammlung, Ritter v. Schmerling: Seit drei Wochen sei überall von der Centralgewalt die Rede gewesen. Die Regierungen hätten sich aufgefordert gefühlt, auf Grund des Kommissionsberichts die Männer zu bezeichnen, die im Falle der Annahme desselben vorzuschlagen wären. Später hätten die Regierungen sich zur Bezeichnung eines Reichsverwesers geeinigt, als man gesehen habe, daß man für eine Person sich entscheiden werde. Hiernach hätte die Bundesversammlung wohl aussprechen können, daß der Gewählte derselbe sei, den die Regierungen vorgeschlagen haben würden. Er glaube wohl, daß den Herren auf der Linken ein Zerwürfniß der Nationalversammlung mit den Regierungen angenehm gewesen wäre. (Auf der Linken: Zur Ordnung! Das ist eine Verdächtigung. Der Präsident erklärt, er finde in der Aeußerung nichts Beleidigendes.) Der Redner verlangt, daß über Blum's Antrag zur Tagesordnung gegangen werde. Vogt hält es nicht für möglich, daß während der 6 Tage, welche die Debatte gedauert, die Zustimmung der Regierungen habe eingeholt werden können. Er erklärt Schmerling's Ausfall gegen die Linke für eine Verläumdung, und wird darüber vom Präsidenten zur Ordnung gerufen. Hierauf Widerspruch und Tumult von beiden Seiten. Vogt unterstützt den Antrag auf eine amtliche Erklärung. Nachdem noch Lychnowski, Wagner und Blum das Wort genommen, wird abgestimmt und mit Mehrheit die Tagesordnung beschlossen. Es begann nun die Berathung über Art. 1 der „Grundrechte“, welcher lautet: § 1. „Jeder Deutsche hat das allgemeine deutsche Staatsbürgerrecht. Die ihm kraft dessen zustehenden Rechte kann er in jedem deutschen Lande ausüben. Das Recht, zur deutschen Reichsversammlung zu wählen, übt er da, wo er zur Zeit seinen Wohnsitz hat.“ § 2. „Jeder Deutsche darf an jedem Orte eines Staates Aufenthalt nehmen, sich niederlassen, Grundeigenthum erwerben, Kunst und Gewerbe treiben, das Gemeindebürgerecht gewinnen ‒ vorerst unter denselben Bedingungen, wie die Angehörigen des betreffenden Staates, bis ein Reichsgesetz die zwischen den Gesetzen der einzelnen Staaten noch obwaltenden Verschiedenheiten völlig ausgleicht.“ § 3. „Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf keinem unbescholtenen Deutschen verweigert werden.“ Minoritätsgutachten: 1) „Einer besondern Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines einzelnen deutschen Staates bedarf es für den Deutschen nicht, sondern er erwirbt alle Rechte der Eingebornen durch feste Niederlassung in dem Lande.“ (Waitz, Tollkampf, Hergenhahn, Schüler, Beckerath, Droysen). 2. Die Aufnahme in das Staatsbürgerthum eines deutschen Staates darf an keine andern Bedingungen geknüpft werden, als welche sich auf die Unbescholtenheit und den genügenden Unterhalt des Aufzunehmenden für sich und seine Familie beziehen. (Mühlfeld, R. Mohl, Andrian, Lassaulx). Amendements werden beantragt und entwickelt von Biedermann, Fritsch, Neumann, Diskau, Jakob Grimm. Letzterer will statt Art. 1 folgenden: „Alle Deutschen sind frei, und deutscher Boden duldet keine Knechtschaft. Fremde Unfreie, die auf ihm verweilen, macht er frei.“ Es erhebt sich eine Debatte über die Definition des Wortes „Deutscher.“ Zu dem Ausdruck „jeder Deutsche“ waren eine Anzahl Amendements vorgeschlagen: „Jeder Angehörige Deutschlands,“ „Jeder dem deutschen Bundesgebiet Angehörige“ u. s. w. Die Versammlung beschließt, den Ausdruck: „Jeder Deutsche“ beizubehalten. Vor Schluß der Sitzung verlangt die Linke Erledigung der Schmerling'schen Angelegenheit. Schmerling erklärt, er habe keine Beleidigung oder Verläumdung beabsichtigt und wird nachträglich zur Ordnung gerufen. Schluß der Sitzung 3 Uhr; nächste Sitzung Donnerstag. Wien, 30. Juni. Unter den hundert und zwanzig bereits anwesenden Deputirten machen die Polen große Sensation. Man glaubte anfangs nicht, daß die Galizier den Reichstag beschicken würden, und die anwesende Deputation bestätigte diese Ansicht, grade diese aber sind am zahlreichsten erschienen, und wie der Beweis lehrt, sind es aus dem Volke hervorgegangene Wähler. Viele unter ihnen verstehen kein Wort deutsch, und sollen sich bereits entschlossen haben, einen Dolmetsch zu wählen. Jedenfalls wird die Frage beim Reichstag auftauchen, ob jedes Mitglied deutsch verstehen müsse. Einweilen coursiren über diese politischen Reichstagsmitglieder mannichfache Anecdoten. So sollen sich 20 in einem Hotel 2 Zimmer genommen haben, und als der Kellner bedeutete, daß nicht so viel Platz zu Betten sei, forderten sie blos Stroh, sie würden schon Platz haben. Andere haben sich, da eben das poln. Regiment Nassau hier stationirt, in der Kaserne bei ihren Landsleuten einlogirt, wie man sagt, um vor den Zudringlichkeiten politischer Aufklärer und Partheiverlocker Ruhe zu haben. Im Ganzen sind bis heute 163 Wahlen bekannt. Für Sie jedoch ist die eben brieflich einlangende Nachricht von Wichtigkeit, daß die Congregation im Agram beschlossen hat, die dreieinigen Königreiche dem deutschen Bunde anzuschließen.(???) (Const. Bl. a. B.) * Wien, 1. Juli. Nach einem uns so eben zugehenden Briefe eines Deputirten aus Wien, hat der Erzherzog Johann erklärt, daß er die Stelle als Reichsverweser annehmen werde, wenn die Wahl auf ihn falle. Prag, 1. Juni. In jene Städte und Ortschaften am Lande, aus denen in der Pfingstwoche bewaffnete Zuzüge nach Prag gekommen sind oder kommen wollten, wurden Kommissionen zur Untersuchung des Sachverhaltes und zur Entwaffnung der betreffenden Nationalgarden abgesendet. ‒ Heute fanden abermals mehrere Hausdurchsuchungen nach Waffen Staat, unter anderen wurde eine solche auch im Clementinum vorgenommen. Abermals begingen einige Unsinnige, wie es heißt in den Schipkaschen Mühlen, die Tollheit übers Wasser zu schießen. ‒ In Beraun sollen Unruhen ausgebrochen seyn; gewiß ist, daß heute eine Abtheilung Husaren gegen Beraun gesandt werden. (C. B. a. B.) Ungarn. Aus Temesvar wird der Ofner-Pesther Ztg. gemeldet, daß am 22. Juni der Gränzflecken Weiskirchen von einer etwa 1200 Mann starken Schaar Rajzen überfallen wurde und daß ihnen der dortige Kommandant, Oberstl. Dreyhann, auf die erste Aufforderung sämmtliche Kanonen, Munition, alle Waffen der Nationalgarde, sowie die öffentlichen Kassen des Ortes überlieferte. Auch in Temesvar besorgte man einen Ueberfall. Vincovce, 23. Juni. Officiellen Nachrichten zufolge haben die Türken von der Cardake Stara Boffut bis Brood einen Cordon gezogen, und zwar in der Art, daß auf Schußweite 10 bis 15 Mann postirt sind, angeblich, um den dortigen Christen, namentlich christlichen Priestern, die sie sehr grausam verfolgen, die Flucht über die Save abzuschneiden. Französische Republik. 17 Paris, 4. Juli. Monsieur Berger, Maire des 2. Arrondissements, wo die Fashionabeln hausen, affischirt: „er habe die Ehre den in den Nationalateliers Eingeschriebenen anzuzeigen, daß die gewöhnlichen Zahlungen“ u. s. w. Diese Zahlungen geschehen an die, welche über ihr Verhalten in den Schlachttagen sich ausweisen können; so verfügte Marrast. ‒ In den Provinzen scheint die Stimmung eine sehr getheilte zu sein; aus Borbeaux z. B. kamen zwar tausend Bourgeois uniformirt und im besten Wohlsein so eben den Parisern zu Hülfe, doch erklärt das dortige Hauptjournal: „Paris, die niederträchtige Stadt, Paris, der rebellische Abgrund, aus dem stets die giftigsten Dünste, selbst in sogenannten Friedensepochen, emporqualmen, mußte am 15. Mai schon von den Departements (?) gerettet werden; jetzt wiederum; aber wäre es diesmal fehlgeschlagen, oh, dann würden sie sich ohne Reue und Sorge von dem gefräßigen Centralisationsungeheuer am Seineufer loßreißen“ u. s. w. Das Ungeheuer wird vorläufig eine Kette um den Hals kriegen, in Gestalt eines permanenten vierzigtausend Mann starken Feldlagers von Linientruppen bei Versailles, und, wie es heißt, eines kleinern dicht bei der Ringmauer. ‒ Verbürgen kann ich auch folgendes: Barbès, im Kerker von Vincennes, wußte am Abende des Freitags bereits, daß die Klubs ihre Kräfte an's Aeußerste setzen würden. Er ließ sich rasiren, machte Toilette und bat den Gouverneur Gilan um einen Besuch. „Unsägliches Blut und Elend wird über Paris kommen, sagte er, und ich flehe Sie an, ein Ehrenmann den andern, nehmen Sie mein heiliges Wort zum Pfande, nur ich vermag jetzt noch durch mein Auftreten vorzubeugen; schicken Sie mich zurück, ich übernehme es, meine zwölfte Legion zu beschwichtigen; in einigen Stunden sehen Sie mich nach glücklichem Erfolge wieder hier im Kerker, oder ich habe mir in der Rue St. Jacques eine Kugel selbst durch den Kopf gejagt. Ich schwöre es bei der demokratisch-sozialen Republik.“ Der Gouverneur suchte Ausflüchte, er müsse zuerst an die Nationalassemblée berichten u. dgl. mehr; es unterblieb, aber es beweist immerhin den Adel der Gesinnung des heroischen Gefangenen. Er und seine Leidensbrüder konnten übrigens nicht aus ihren Zimmern Paris sehen; nur Albert, Repräsentant und Mitglied der provisorischen Regierung, hat eine Fernsicht aus seinem Fenster. Gehört haben sie aber gewiß Schuß um Schuß. Vermuthlich führt man diese Mai- wie Junifrevler nicht nach einer, sondern mehrern transatlantischen Besitzungen, damit sie nur ja nicht in Masse sich wiederfinden; außer Guyana (berühmt durch die Deportirung der Robespierristen) und den Marquesaseilanden lächelt ihnen Madagaskar, wo Frankreich seit zwei Jahrhunderten immer festen Fuß zu fassen sich bemühte und aus Ungeschicklichkeit mißglückte, und die sogenannte Fischerinsel Miquelon im Lorenzbusen von Kanada. Einflußreiche Nordamerikaner haben zwar zur Erwirkung einer Uebersiedlungserlaubniß vom Kongreß sich anheischig machen wollen, allein man lehnte dies höflich ab. Es seien ja nur „Brigands“, und man müsse Nordamerika damit verschonen, gab die pariser Regierung zur Antwort. Uebrigens frißt die Misere grimmig um sich; viele Boutiquen stehen leer, ihre Besitzer sinken unaufhaltsam in die Reihen des Proletariats hinunter, das sie so eben auf Tod und Leben bekämpften. Seit 4 Monaten hat die französische Exportation, statistischen Publikationen zu Folge, fast dreißig Millionen weniger betragen als 1847 in der nämlichen Zeit, und sechshundert Schiffe weniger beschäftigt. Die Produktion steht still, der Austausch stockt, die reichen Fremden ziehen ab, die Falliten schlagen links und rechts ein wie Lamoricière's Granaten; „der süße, sanfte kleine Handel“ auch er schwankt zu Grabe. Nur Epicerie und einige strickt nothwendige Zweige fahren fort zu blühen. Jetzt werden die Nationalateliers überall aufgelöst, doch, wie es scheint, noch nicht die weiblichen. Viele Arbeiterinnen werden wohl die Verbannten begleiten. Um die Lücken nicht wieder sich füllen zu lassen, darf kein Arbeiter aus den Provinzen und dem Auslande mehr nach Paris reisen. Nahm doch die Regierung schon zu allerlei Quacksalbereien die Zuflucht; z. B. das Anwerben für die polnischen und italiänischen Freischaaren, namentlich das letzte skandalöse Werbebureau Rue Montmartre 47, ist von ihr unterstützt worden, um Abfluß zu schaffen, wobei der Herr Martin, Kaufmann aus den Rheinlanden, als Werbechef und Direktor eines fabelhaften „deutschen Comité zur Befreiung der Völker“ plötzlich mit Buch und Kassa unsichtbar wurde. ‒ Vielfach greift die Meinung um sich, nur Krieg könne diesem schleichenden Nervenfieber ein Ende machen; die Albernheit beruft sich dabei auf Napoleons Zeit, wo der Tagelohn fünf Franken gewesen sei. Wer dagegen behauptet, die Emittirung von Papiergeld, auf Unterpfand der Hypotheken und Assekuranzfonds und Eisenbahnen und sonstiger Nationalgüter sei ein besseres und leider bisher vernachlässigtes Mittel, der wird kurzweg ein „Socialist“ gescholten, welches Wort nunmehr den Grimm des Bourgeois gerade so ausdrückt wie vor zwei Monaten: „Kommunist“, und man dreht ihm den Rücken. Ich habe seit 8 Tagen oft solchen Scenen beigewohnt. Inzwischen geht das Thermidorierwesen leise seinen Gang; vorgestern, gestern ungeheure Züge von Wagen voll Flinten, die unter Begleitung von Infanteie und Reiterei den Ortschaften Bercy und Grenelle abgenommen und im langsamen Schritt ins Zeughaus von Vincennes gefahren wurden. La Chapelle, la Villete und Montmartre sind desgleichen entwaffnet; dem letztern traute man so wenig dabei, daß man Kanonen auf der Höhe Posto fassen ließ. In einer Matratze entdeckte man oft ein halb Dutzend Gewehre. ‒ Die glänzenden Tanzlokale sind wieder eröffnet; die Loretten fluchen auf die Blousenkerle, durch deren Kugeln so mancher Lion jenseits des Kanals zurückgehalten wird. Illuminirt wird noch mächtig, aber man fängt an den Spaß kostspielig zu finden, zumal die Hauptlast davon auf die „Gutgesinnten“ zu drücken scheint. Zur Anspornung der Illuminationslust tischen gewisse Blätter jeden Morgen Geschichten von Schüssen auf, die aus nicht illuminirten Fenstern und Passagen gegen Nationalgardisten gefallen. Kurz, die kleinen Triumphatoren selber sehen aus als wüßten sie von Tag zu Tage weniger, ob sie lachen oder weinen sollen; versteht sich die kleinen nur; denn die großen lachen aus vollem Halse und spielen eifrig und lustig und rufen der Republik zu: „Schach, nochmals Schach, zum dritten Schach ‒ und matt!“ ‒ Mehre Lügenblätter, namentlich der Constitutionnel und die Union haben angekündigt, man habe 150,000 Fr. bei den verwundeten Arbeitern gefunden, die sich im Spital „la Pitié“ befinden. Verifikation hatte Statt und die Summe reducirt sich in Wahrheit auf zwei Francs fünf und siebenzig Centimes, die man bei Einem der Arbeiter gefunden hat. Das brave Blatt von Thiers, der Constitutionnel, sieht sich gezwungen heute selbst sein lächerliches Mährchen zu widerrufen. Der Bien public, Lamartines Blatt, signalisirt und, brandmarkt die Umtriebe der alten Linken, der Thierspartei um die Republik zu ihrem Vortheil zu escamotiren. Der Artikel schließt wie folgt: „Republikaner des Vorabends oder Republikaner des andern Morgens, sind wir alle Republikaner der Zukunft. Wir proscribiren Niemand; wir haben weder Bevorzugung noch Antipathien. Um unsere junge Republik rufen wir alle Intelligenzen, alle Hingebungen und wir glauben, daß es ein Recht wie eine Pflicht für alle ist, ihr zu dienen oder sie zu vertheidigen. Man mißverkenne also unsere Absicht nicht. Wenn wir uns heute beklagen, so geschieht es eben deßwegen, weil man sich bemüht, wieder aufzubauen, was nicht mehr ist, indem man die alten Kategorien wieder herstellt, indem man Meinungen wieder ins Leben ruft, die wir weggefegt wähnten mit der alten Welt, die im Sturm vom 24. Februar in den Abgrund versank. Wir sehen in diesen Bemühungen eine Rückkehr zur Vergangenheit, einen Keim der Spaltung, eine Gefahr für den Frieden des Landes und für die Zukunft der Gesellschaft, und wir können den Alarmschrei nicht zurückdrängen, der immer der Brust eines devonirten Soldaten entfährt im Antlitz der Gefahr. Diese Gefahr ist ernsthaft. Es handelt sich darum zu wissen, ob die Republik auf die Proportionen einer Intrique verkürzt werden soll, ob eine Revolution, in ihrem Beginn so groß wie die Nation, so eng und so mesquine werden soll wie eine Partei. Es handelt sich darum, ob man dem Frieden, der aus der Verschmelzung der Ideen und der Interessen hervorgehen muß, den Kampf unterschieben wird, der unfehlbar herauswachsen muß aus einer Regierung der Exclusionen, aufgebaut auf den Trümmern der Monarchie, mit den Institutionen eines andern Regimes. Mögen jetzt alle aufrichtigen Republikaner ihre Pflicht thun. Sie haben ein sichres Mittel alle Komplotte zu vereiteln ‒ es besteht darin, einig zu sein. Gegenüber der alten Linken, die sich befestigt in ihrem Feldlager, bilden wir das Feldlager der jungen Republik und möge dieß Feldlager weit sein, wie Frankreich! ‒ Im Peuple constituant sagt Lammenais: „Einige Tage noch und die Erbitterung, welche Lügen und Verläumdungen unterhalten, wird sich gelegt haben. Rasch zornig, zu rasch zum Kampf geneigt, kann der Franzose nicht lange hassen. Seine großmüthige Natur führt ihn schnell zum Mitleid zurück, und seine Thränen sind der erste Balsam für die Wunden, die er geschlagen hat. Es sind auch keine Franzosen, jene Männer des Hasses, deren wildes Wort nach dem Kampf im Herzen der Sieger jene finstren Leidenschaften anbläst, die sie selbst beseelen, den Geist der Rache und kalter Grausamkeit. Es sind keine Franzosen, es sind keine menschlichen Wesen, sie gehören zu jener feigen Thierraçe, deren unedle Wildheit gegen Leichname wüthet. Wir wiederholen es, einige Tage noch und die unserer kräftigen Raçe natürlichen Empfindungen werden in all ihrer Energie wieder erwachen. Keiner wird seinen Kindern einen Namen zurücklassen wollen, eingeschrieben in das Register der Anbeter des Todes.“ ‒ Die Nouvelles du Jour sagen: „Die Nationalversammlung hat ein Recht auf den Respekt Aller, weil sie die Tochter des Souverains ist, die Erwählte des Volkes. Aber die Zeiten sind vorbei, wo es hinreichte, der Sohn seines Vaters zu sein; heute muß man der Sohn seiner Werke sein. Die Nationalversammlung gehe also endlich einmal an's Werk. Nationalversammlung. Sitzung vom 4. Juli. Lacrosse, Vicepräsident eröffnet dieselbe um 21/4 Uhr. Die militärischen Vorsichtsmaßregeln sind bedeutend vermindert, nur zwei Kanonen sind mit ihren Mündungen noch gegen den Eintrachtsplatz gerichtet. Der Friede ist indessen bei Weitem noch nicht hergestellt: in der Villette schlage man sich, heißt es im Saale. An der Tagesordnung war die Erwählung eines Quästors an die Stelle des gestorbenen Generals Negrier. Da die Wahl vorschriftsmäßig durch Stimmzettel oder Kugeln erfolgen muß und die Versammlung in Folge der Verfassungsprüfung sehr zahlreich aus den Büreaus strömte, so dauerte dieser Wahlakt bis nach 3 Uhr. Um 31/2 Uhr verkündigte der Präsident folgendes Resultat: Zahl der Stimmenden 709. Absolute Majorität 355. Es erhielten Laboissiere 255, General Le Breton 205, General Lafontaine 190 Stimmen. Da Keiner die erforderliche Mehrheit vereinigte, so verlor die Versammlung durch Erneuerung des Skrutins abermals eine Stunde. Während dieser Operation bestieg Corbon, der Quasisozialist und Vicepräsident, die Bühne, um seine von uns schon früher erwähnte Proposition auf Eröffnung eines Kredits von 3 Millionen Franken Behufs Assoziation zwischen Arbeiter und Meister zu erneuern. Wir konnten aber den Text selbst noch nicht zu Gesicht bekommen. ‒ (Nach 4 Uhr.) Alcan ist der eigentliche Vater der obigen Proposition, wovon Corbon als Glied des Arbeitsausschusses nur den Bericht vorlas. Die Versammlung zeigte indessen keine Eile, und der Vorschlag wanderte ad acta. Hiernächst zeigte der Präsident der Versammlung an, daß auch das zweite Skrutinium wegen der Quästorwahl fruchtlos ausgefallen sei, indem kein absolutes Mehr zu Stande gekommen. Es mußte sonach zu einer dritten Abstimmung geschritten werden. Während der Stimmenzählung machte ein Glied den Antrag, den nächsten Donnerstag (Todtenfeier) als einen Rasttag zu errlären, ein Antrag, der Glück hatte; denn er wurde angenommen. Die Versammlung schritt dann zur Berathung der auf der Tagesordnung befindlichen Gehaltsfrage für den Konseilpräsidenten und die Minister. Das Gehalt des Ersteren stieß auf keinen Widerspruch. Für die Minister schlägt der Gesetzentwurf 3000 Frkn. monatlich vor. Larochejaquelin fand dieß zu niedrig er schlug 5000 Frkn. vor. Die Versammlung entschied sich für 4000 Frkn. In diesem Augenblick meldete der Präsident das Resultat des Skrutins. Zahl der Stimmenden 719. General Le Breton hat 319 Stimmen erhalten und wurde als Quästor proklamirt. Der nächste Gegenstand auf der Tagesordnung war ziemlich delikater Natur. Er betrifft die Gehaltsfrage des gestürzten Vollziehungsausschusses. Sie war mit 100,000 Frkn. beantragt. Baron Gloxin fand dieß viel zu hoch Duclerc, ehemal. Finanzminister, erlaubte sich die Erwiderung, daß die obige Summe nicht vom vereinigten Ausschuß sondern vom Finanzausschusse der Versammlung festgestellt worden. Die Versammlung, jeden Skandal scheuend, willigte ohne Diskussion ein. Die Bildung eines mobilen Gensdarmerie-Bataillon rief schließlich einen kleinen Streit zwischen Favraud und dem Berichterstatter Brard hervor, der indessen wenig Erhebliches für's Ausland bot, da ihn Lamoriciere bald beilegte. Favraud versicherte nämlich, daß die Wahldepartements so wenig eine Gensd'armerie-Verstärkung als das übrige Frankreich brauchten. Lamoriciere und Brard meinten, daß sie daran nicht zweifelten Larochejaquelin: Nur ein Wort! So eben sagte der Berichterstatter daß die Wahldepartements ruhig seien. Wozu also die Gensd'armerie-Verstärkung? So viel ich weiß, rief man in der Charente inferieure: Es lebe der Kaiser! In den Wahldepartements blieb es still. Trotzdem wurde das Bataillon bewilligt. ‒ Die Sitzung wurde um 6 1/4 Uhr geschlossen. Italien. * Rom. _

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz037_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz037_1848/3
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 37. Köln, 7. Juli 1848, S. 0185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz037_1848/3>, abgerufen am 18.12.2024.