Neue Rheinische Zeitung. Nr. 27. Köln, 27. Juni 1848.selbst das Kanonenfeuer kommandirt hätten. Auch das Pferd, worauf der Republikaner N. (Lucian) Bonaparte an der Seite Lamartine's saß, wurde am Schenkel verwundet. Duclerc, Finanzminister, erscheint plötzlich im Saale mit Hut, Stock und Schärpe und erzählt der Versammlung die erlebten Vorgänge des Nachmittags mit der Versicherung, daß man noch in dieser Nacht mit der Emeute fertig werde. Die Versammlung war so beruhigt, daß sie Senard fragte, ob sie im Eisenbahngesetz fortfahren werde? Caussidiere fand dies empörend und schlug der Versammlung vor, sie solle lieber sich in Fackelzug zu den Barrikaden begeben und das Volk beschwichtigen. Die Versammlung ging darauf nicht ein, sondern hob die Versammlung bis 11 Uhr auf, wo sie ganz bestimmte Berichte von ihren Generälen Bedeau und Lamoriciere vermuthete, die ihnen das Ende der Emeute anzeigen würden. Um diese Stunde hörte sie einen Bericht Garnier-Pages über die Lage von Paris an, der aber ebenso falsch ist wie die vorherigen, weil er wie sie alle den Sieg für das nächste Frühstück versprach und nicht Wort hielt. Degoussee, einer der bornirtesten Menschen in der ganzen Versammlung, die ihn deshalb zum Quästor machte, trug auf Verhaftung sämmtlicher ultra-demokratischer Redakteure der Volksblätter, namentlich der "Organisation der Arbeit" an. Er fiel jedoch vorläufig damit durch und die Versammlung trennte sich um Mitternacht. Sitzung vom 24. Juni. Ungeachtet der Permanenzerklärung wurde die Sitzung erst um acht Uhr wieder aufgenommen. Die ganze Gegend gleicht einem Kriegslager. Vom Pont St. Michel und dem Pantheon her hört man Kanonenschüsse. Präsident Senard gibt einen kurzen Bericht über die Ereignisse der Nacht. Einige Barrikaden seien wieder aufgebaut worden, indessen habe der Obergeneral so vortreffliche militärische Maßregeln getroffen, daß binnen wenigen Stunden die Faubourgs St. Jacques und St. Antoine gereinigt sein würden. Die Bürgerwehr der umliegenden Städte eile mit Eifer herbei, um ihren Kameraden der Bürgerwehr und des Heeres im Kampfe gegen die Emeutiers beizustehen. Ich schlage Ihnen darum vor, diesen Eifer nicht blos mit hohlen Dankesworten zu erwidern, sondern trage vielmehr darauf an, alle Wittwen und Kinder der in diesem Kampf Fallenden zu adoptiren (Ja, Ja! Stimmen wir sofort). Leon Faucher hat mir zu diesem Zweck bereits einen Antrag überreicht. Dieser Antrag: "Der Staat adoptirt die Kinder und Wittwen aller derjenigen Nationalgardisten, die am 23. Juni oder an den darauf folgenden Kämpfen für die Freiheit sterben," wurde mit Emsigkeit angenommen. St. Georges bittet die Versammlung, seine Abwesenheit zu entschuldigen. Sein Sohn sei gestern in den Reihen der Bürgerwehr stark verwundet worden, er müsse ihn pflegen. Bei dieser Gelegenheit erfährt die Versammlung daß derselbe noch nicht todt, sondern auf dem Wege der Besserung. Eine Kugel fuhr durch seine Brust, ohne Herz und Lunge zu beschädigen, daher ihn die Aerzte, wie Bastide versichert, noch retten würden. Clement Thomas ist nicht schwer verwundet, ebenso General Bedeau nicht; dagegen liegt Dornes, Redakteur des "National", lebensgefährlich darnieder. Die Geschlechtstheile wurden ihm weggeschossen und er hat sich einer schwierigen Amputation unterziehen müssen. Hiernächst wurde die Sitzung um 9 Uhr suspendirt. Ein halbe Stunde später erklärte sie Corbon, Vicepräsident, wieder eröffnet. Senard ersetzte ihn jedoch bald wieder und zeigte der Versammlung an, daß mehr als 5 Glieder laut des Reglements darauf antrügen, die Versammlung möge sich als Geheimen Ausschuß erklären und die öffentlichen Tribünen räumen lassen, da ein wichtiger Antrag verhandelt werden solle. Allgemeine Spannung. Das Reglement schreibt vor, daß sofort durch Sitzenbleiben und Aufstehen darüber abgestimmt werden solle, ob die Versammlung sich geheim erkläre? Der Präsident läßt abstimmen, und die Mehrheit erhob sich gegen das Geheimniß. (Erstaunen.) Pascal Duprat, bekannt durch seine Protestation gegen die Zeitungs-Kautionen, erhielt das Wort. In den gegenwärtigen Umständen, begann er, sei es wich tig, an der Spitze des Staates eine starke Hand (pouvoir) zu haben. Ich schlage der Versammlung folgenden Gesetzentwurf vor: Art 1. Paris ist in Belagerungszustand versetzt. Art 2. Alle Staatsgewalten sind in die Hände des Generals Cavaignac gelegt. (Lärm. Fürchterlicher Tumult.) Dupin sen. schreit: Das ist die Diktatur! Larabit: Der Belagerungszustand löst die Macht der Versammlung auf. (Tumult.) Seid ihr Alle einverstanden, daß Eure Macht in die Hände der Militärgewalt übergehe." (Lärm.) Antoni Thouret: Der General Cavaignac kann nur die Vollziehungsgewalt üben. Ich schlage vor am Kopf des Dekrets zu erklären, daß die Nationalversammlung zu berathen fortfahre und in Permanenz bleibe. (Jawohl. Das versteht sich von selbst.) Bougeard liest einen andern Dekretentwurf, der 1. Paris in Belagerungszustand erklärt; 2. den Sturz des Vollziehungsausschusses ausspricht; 3. das Ministerium provisorisch beibehält. Bastide, Minister des Auswärtigen: Beeilen Sie sich mit Ihren Berathungen, Bürger! In einer Stunde befindet sich das Hotel de Ville wahrscheinlich schon im Besitz der Insurgenten! (Exklamation der Ueberraschung). Präsident Senard liest die neue Redaktion des Gesetzvorschlags: Art. 1. Die Nationalversammlung berathet und bleibt in Permanenz. Art. 2. Paris ist in Belagerungszustand erklärt. Art. 3. Alle vollziehende Staatsgewalt ist dem General Cavaignac übertragen. (Angenommen!) Jules Favre: Ich schlage folgenden Zusatz vor: "Der Vollziehungsauschuß legt augenblicklich seine Amtsthätigkeit nieder." (Aufregung). Duclerc, Finanzminister: Es handelt sich, Bürger, um eine Maßregel des öffentlichen Wohles. Ich möchte keinen Groll in Ihren Votums ausgesprochen sehen. Präsident: "Ich bringe den Zusatz zur Abstimmung." (Tiefe Stille.) Der Zusatz wird mit einer schwachen Mehrheit verworfen. Die Versammlung wollte den Männern, die gestern noch der Todesgefahr trotzten, keinen Stein als Dank nachwerfen. Senard lenkte die Aufmerksamkeit noch auf eine andere Maßregel der Verzweiflung. Causidiere und einige Andern hatten nämlich gestern den Vorschlag gemacht, sich in Person zu den Barrikaden zu begeben und sie an der Spitze von Bürgerwehr und Truppenkorps anzureden. Dieser Vorschlag war verworfen worden. Der Platz der Abgeordneten sei in diesem Saale und nicht vor den Barrikaden, hatte man gerufen und den Antrag abgewiesen. Neue Anerbietungen seien indessen gemacht worden und wenn die Versammlung einwilligt, daß sich einige ihrer Glieder auf die Kampfplätze begeben. (Ja, ja, Alle, Alle!) Stimme: Ich widersetzte mich gestern diesem Vorschlage und widersetze mich ihm noch. Begäben sich hiezu Mitglieder dahin, so wollten sie Alle begleiten. Zuletzt würde Niemand auf diesen Bänken sein. Darum trage ich an, 60 Glieder durch das Loos zu bestimmen. Dem Präsident scheint dieser Weg zu blind, es seien gewisse Rücksichten der Persönlichkeit, des Sprechens, des Alters zu nehmen, er lade daher, die Versammlung ein, sich in ihre Abtheilungen zu begeben und selbst die 60 zu bestimmen. Der Berg (Louis Blanc, Considerant, Lagranze etc.) protestiren gegen diese Abgeordnenschaft. "Wir wollen keine Gliedrr einrs Martialgesetzproklamirungsausschusses sein, riefen sie und blieb n im Saale, während die andern in die Abtheilung gingen. Die Sitzung ist suspendirt. Eine Viertelstunde später wird sie wieder aufgenommen und der Präsident liest ein Schreiben vor, worin der Vollziehungs-Ausschuß sein Amt niedergelegt. Bis 4 Uhr boten die Neuigkeit keine weitere Interesse. In der Kanonade ist eine Pause eingetreten. Von Börsengeschäften keine Rede. 5 Uhr. - Gestern verkündete man hier von der Tribüne herab, daß der Sklavenkrieg unsere Kolonien verwüste. Heute ist der sociale Krieg zu Paris. Zu Martinique haben sie sich geschlagen, Schwarze und Weiße, Herren und Sklaven, weil die Revolution die Sklaverei nicht abgeschafft. Mensch gegen Mensch, was liegt an der Farbe? Zu Paris haben sie sich geschlagen, die Rothen und die Weißen, die Proletarier und die Conservateurs, weil die Revolution das Proletariat nicht abgeschafft hat. Büger gegen Bürger, was liegt an der Klasse? Der soziale Krieg, da ist er mit allen seinen Schrecken! Wagt nicht zu sagen, das furchtbare Unglück sei provozirt durch die Verschwörer, die Anarchisten, die Wühler, die Revolutionäre von Profession, wie man die erprobten Republikaner nennt, die unter dem ancien regime gekämpft haben. Es ist das Volk der Arbeiter ein Volk neu in unseren bürgerlichen Zwisten, das Volk auf die Straßen geworfen durch die Frage der Arbeit, der Familien, der Existenz. Es ist die soziale Oekonomie, die in Frage steht, wie es auf eurer Tribüne ein Repräsentant der Proletarier aussprach. Erblickt ihr nicht mitten durch den Pulverdampf hindurch die Lyoner Fahne von 1838. vivre en travaillant ou mourir en combattant. Arbeit und leben oder kämpfen und sterben? Und wer ist verantwortlich für dies furchtbare Gemetzel? Auf wen denn wälzten unsre Minister von heute und unsre fünf Könige und alle unsre neuen Herrscher das Blut von St. Alery, der Straße Transuoaine und der Barrikaden von 1830 und 1848! Auf die Bourbonen oder die Orleans, auf Polignac oder auf Guizot, auf die Unterdrücker des Vaterlandes. Wem also den socialen Krieg zuschreiben der Paris verheert! Muß man sie rein waschen Polignac und Marmont von dem im Juli vergoßenen Blut, Thiers und Bougeaud von den Metzeleier der Rue Transnonaine Louis Philippe vor dem im Juni, im April, im Mai und im Februar vergossenen Blut! Oder muß man vielmehr auch die Macht des Tages anklagen für das Unglück des Tages! Während des Monats, wo das Volk Herr der Revolution war, hatte die Republik nicht zu seufzen über blutige Zwiste, wie die von Rouen, Eboeuf, von Limoges, von Clermont, von Troyes, von Toulouse, von Gueret, von Paris. (la Vraie Republique.) 16 Paris, 24. Juni. Der Bürgerkrieg ist ausgebrochen; die Nationalgarde in Uniform schlägt sich gegen die Nationalgarde in Blouse. Das Linienmilitär ist ganz für die Bourgeois; die Mobilgarde meistentheils (nur einige Kompagnieen haben gestern mit dem Volk auf der Barrikade fraternisirt), die Republikanergarde ist uneins, eine Kompagnie ist mit dem Volke zusammen auf der Barrikade der Cite massakrirt worden, andre Kompagnieen haben zwar vive la Republique democratique et sociale gerufen, dem Barrikadenbau ruhig zugeschaut, aber nicht weiter fraternisir. Offiziere dieser Garde und der Nationalgarde sah man in der Straße St. Jacques Barrikaden machen. In diesem Augenblick erschallt Kanonendonner, wenigstens zum vierten Mal seit gestern; die Barrikaden werden mit größerer Sachkenntniß als im Februar gebaut, und General Cavaignac hat nur unter der Bedingung das Kommando aller Streitkräfte gestern übernommen, daß man ihm völlig freie Hand lasse. Artilleristen und Pferde stürzen wie in der Feldschlacht; gefochten wurde und wird vom Platz Lafayette, am Nordbahnhof, durch die ganze östliche Hälfte bis in die Straße Mouffetard am Pflanzengarten. Die westliche kleinere Hälfte ist, namentlich um die National-Assemblee herum, in ein komplettes Heerlager verwandelt; die Cirkulation ist überall gehindert und alle Läden in allen Straßen sind geschlossen. Es sind mehr Menschen gefallen als im Februar. Grundzug dieses Straßenkrieges ist der totale Mangel eines Parteikampfrufes; man hört hie und da auf den Barrikaden die Republik rouge oder Barbes hoch leben lassen, seltener Napoleon II. oder donnez du travail schreien, aber dies ist vereinzelt; ebenso schreit die Nationalgarde und Linie wenig oder nichts. Im Februar war das anders. Gesungen wird jetzt auch nichts, während im Februarkampf überall die Marseillaise und das Lied der Girardins ertönten. Man würgt sich schweigend und mit wildem Grimm. Grisetten sind mit der Fahne auf die Barrikade gestiegen und haben den Tod durch die Kugeln der Nationalgarde gefunden; Frauen halfen Steine tragen und wurden in der Barrikade der Straße St. Jacques kämpfend gefunden. Den Anlaß zu diesem jetzt bereits vierundzwanzigstündigen Abschlachten gab ein Befehl des Ministers der öffentlichen Arbeiten, Trelat, früher Arzt am weiblichen Irrenhospital Salpetriere, einer der sogenannten klassischen Republikaner alten Schrot und Korns, von dem man früher sagte: wäre er bei der Unterredung Jesu mit der Ehebrecherin zugegen gewesen, er würde selber den ersten Stein trotz Jesu geworfen haben. Dieser Herr Trelat wollte 3000 Arbeiter des Nationalateliers militärisch brigadirt nach der Sologne, vielleicht späte nach Algier zur Kolonisirung absenden. Obschon viele Unzufredenheit wegen der ziemlich moskowitischen Manier des Ministers unter ihnen herrschte, marschirten sie vorgestern doch marschfertig zum Thore, fanden dort aber nichts für ihre Weiterbeförderung bereit, und kehrten wüthend über diese Mißhendlung um. Seit dem beschlossen sie lieber allrs zu riskiren, als sich von Paris entfernen zu lassen. Es ist übrigens positiv, daß sie vor mehreren Wochen unter anständigen Garantien sich gerne zur Kolonisation (mit Frauen) in der Sologne oder Champagne, ja selbst Algier, bequemt haben würden. Aber jetzt sagten sie zu Arago, der eine Barrikade besuchte: "Bürger Arago, Sie sind ein guter Mann, wir lieben Sie, doch man hat uns zu oft getäuscht, um jetzt noch Ihnen zu glauben," und Arago sah sich genöthigt, das Feuer auf dieser Schanze zu kommandiren. Ebenso Lamartine an einer andern, nachdem auch seine Versöhnungsversuche gescheitert. In diesem Augenblicke ist, wie es heißt, der gestern schon mit dem Generalkommando aller Truppen und Garden bekleidete Kriegsminister Cavaignae zum Diktator von der Assemblee ernannt und die Kommission der Fünf kassirt worden. Man spricht von baldiger Conzentrirung der Polizeigewalt und Munizipalmacht in Händen Armand Marrasts. Ich schreibe dies um 10 Uhr früh in dem Cafe d'Orsay am Pont national; in der Ferne kracht das schwere Geschütz gegen die Pflastersteine der Cite und Straße St. Jaques; eine Schwadron Kürrassiere reitet den Säbel schwingend über den Quai und wird von der Nationalgarde am Eingang der Straße du Bac jubelnd begrüßt. So eben ward berichtet, die Redakteurs von vier Volksjournalen, unter ihnen die der "Organisation du Travail" wären Nachts verhaftet und in brutalster Weise sei bei ihnen Haussuchung gehalten worden. Die Pariser Kerker sind bald ganz gefüllt von armen Teufels, denen nicht verziehen wird, nach dem Ueberfluß der reichen Götter die grimmige Faust drohend erhoben zu haben; neben mir erzählen so eben zwei "Lions" die abgedroschene Anekdote zum hundetrsten Male: die Adjudanten des Barbes hätten ihm in der Kammer am 15. Mai zugerufen, er solle nur zwei Stunden Plünderung erlauben. Paris, 22. Juni.
(Nachtrag.) Wir tragen unsern Lesern noch einige Thatsachen nach, die über die Veranlassung der Revolution Aufklärung geben. - Man liest im Moniteur: "Die vollziehende Kommission hat Befehl gegeben, daß von morgen an in den National-Ateliers die Rekrutirung beginnt. Man erinnert sich, daß neulich ein Beschluß der vollziehenden Kommission vorschrieb, die Arbeiter von 17 bis zu 25 Jahren sollen in die Armee treten oder wenn sie sich weigern, aus den National-Ateliers entfernt werden. Man hat diese Maßregel bis jetzt aufgeschoben, um allen jungen Arbeitern die Zeit zu lassen, ihre Wahl mit der nöthigen Reife zu treffen." Die fünf regierenden Herren verlangten also, die Arbeiter sollten sich auf acht Jahre in die Armee stellen lassen oder verhungern! Schöner Vorschlag der reinen "Republikaner"! - Man erinnert sich daß die von Caussidiere gebildete republikanische Garde nach dem 15. Mai von der Fünferkommission reorganisirt wurde. Man hatte nicht den Muth, die 2500 entschlossenen alten Republikaner, aus den ehemaligen geheimen Gesellschaften der Arbeiter, auf's Pflaster zu werfen; man setzte bloß ihre Offiziere ab, die alle ehemalige Sektionschefs dieser geheimen Gesellschaften waren. Und wem wurde diese Reinigung der republikanischen Garde übertragen? Den Henkersknechten Louis Philipps, den Offizieren der alten Munizipalgarde und Gensdarmerie. Diese Edlen sassen in der Kommission die über die zu entfernenden Offiziere und ihre Ansprüche auf Entschädigung urtheilten. Diese Edlen genirten sich gar nicht sich selbst die besten Posten zuzusprechen. Ueber hundert der alten Offiziere wurden abgesetzt. Sechsundfünfzig von ihnen haben jetzt gegen dies Verfahren protestirt. - Ueber den Zug nach dem Luxemburg am 22. erfahren wir noch folgenden Details: Die Arbeiter waren heute (22.) Morgen um 9 Uhr auf verschiedenen Löhnungsplätze berufen, um befragt zu werden, ob sie sich dem Dekret unterwerfen wollten das sie unter dem Vorwande der Urbarmachung in die Provinz schickt. Die Arbeiter schickten indeß die Beamten, die diesen Auftrag vollziehen sollten, wieder nach Hause, zogen sich in Massen zusammen und marschirten nach dem Luxemburg. Der Bürger Pujol den sie zur Exekutivkommission schickten, erklärte Hrn. Marie, er werde nicht eher die Wünsche der Arbeiter aussprechen, bis noch vier Delegirte außer ihm gegenwärtig seien. Dies wurde bewilligt, und noch vier Arbeiter kamen. Pujol sprach nun ungefähr Folgendes: "Vor der Revolution des 24. Februar waren die Arbeiter Frankreichs der Willkühr und dem Egoismus der Fabrikanten preisgegeben. Um sich dieser vernichtenden Ausbeutung zu entziehen, vergossen die Arbeiter ihr Blut und stürzten die bestochene Herrschaft, die eine solche Knechtung duldete. Die Pariser Arbeiter stiegen erst von den Barrikaden herab, nachdem sie die demokratisch-sociale Republik proklamirt hatten, die dieser Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ein Ende machen sollte. Heute aber sind die Arbeiter vollständig einig darüber, daß sie durch lügnerische Versprechungen hingehalten wurden, daß die Gewalt des Säbels sie nochmals unter ein solches Knechtungssystem bringen will. Sie sind aber entschlossen, nochmals Opfer zu bringen für die Erhaltung der Freiheit. Sie haben vor allen Dingen verlangt, daß Werkstätten für alle Arten der Arbeit errichtet werden, die den Arbeitern während der stillen Geschäftszeit zur Zuflucht dienen. Von dem Allen ist aber nichts geschehen, und wir sehen nur zu klar, wohin man uns führen will. Aber wir warnen die Regierung." Herr Marie antwortete mit einiger Gereiztheit: "die Arbeiter, welche sich dem Dekret nicht unterwerfen wollten, würden durch Gewalt weggebracht werden." Zu Pujol sagte er: "Wir kennen Sie, wir haben ein Auge auf Sie; Sie haben mit mir parlamentirt nachdem Sie zuerst das Gitter der Nationalversammlung überstiegen hatten." Die vier andern Delegirten behandelte er als die Sklaven Pujols, weil sie mit diesem sympathisirten. Pujol antwortete: Bürger-Repräsentant, Sie beleidigen Bürger, die mit einem ganz ebenso heiligen Charakter bekleidet sind, wie die Volksrepräsentanten. Wir ziehen uns zurück mit der festen Ueberzeugung, daß Sie die Organisation der Arbeit und die Wohlfahrt des arbeitenden Volks nicht wollen, und daß Sie in keiner Weise dem blinden Vertrauen entsprochen haben, das wir in Sie setzten. Wir werden öffentlich über Ihren schlechten Empfang Rechenschaft ablegen und beweisen, wie bald Sie die Leute vergessen haben, welche Sie auf den Schild hoben. Die Arbeiter traten dann auf dem Platz Saint Sulpice zusammen und Pujol stattete Bericht ab über den feindseligen Empfang des Herrn Marie. Die entrüsteten Arbeiter beschlossen, die übrigen Anondissements davon zu benachrichtigen, damit alle Arbeiter sich vereinigen könnten, eine Maßregel zu vereiteln, die zum Zweck hat, sie zu zersplittern und ohnmächtig zu machen. Herr Marie soll den Delegirten buchstäblich gesagt haben: "Man hat Euch den Kopf verdreht, es ist das System von Louis Blanc, aber wir wollen nichts davon wissen! - Folgendes sind die Aechtungsbriefe, die an die Arbeiter der Nationalateliers erlassen sind. Wir führen buchstäblich an: "Die Bezirksführer sind aufgefordert, jeder den fünfzigsten Theil seines Effektivbestandes heute Abend drei Uhr in die Reitbahn zu schicken. Lalanne." "P. S. Es handelt sich um die Abmärsche, die heute, morgen und übermorgen stattfinden sollen. Ich werde selbst mit den Freiwilligen sprechen, die sich melden werden. - Die Regierung will, daß diese Abmärsche stattfinden. Ihr Wille muß unbedingt heute noch ausgeführt werden. Ich werde dafür sorgen. Lalanne." Wie erbaulich, vier Monate nach der Februarrevolution! Die Regierung will, und ohne Umstände sollen die Arbeiter wie Soldaten, hierhin und dahin geschickt werden! Herr Lalanne wird dafür sorgen! Auf dergleichen Zumuthungen gibt es keine andre Antwort als Flintenschüsse. - Ein Arbeiter schreibt der "Vraie Republique": "Es ist jetzt gewiß. Alle Prinzipien der Februarrevolution hat man verletzt, und jetzt will man den Arbeitern den Garaus machen. (on veut en finir avec les travailleurs.)" Derselbe Arbeiter erzählt, daß Arbeiter, die in die Provinz zu den dortigen Nationalwerkstätten geschickt waren, dort so schlechten Lohn fanden, daß sie ihn nicht annehmen konnten, und ihren Unterhalt, während des Rückmarsches, erbetteln mußten. In Amiens seien die Gemeindewerkstätten ebenfalls aufgelöst, und man zwinge die Arbeiter, bei den Meistern zu 75 Cent. (6 Sgr.) per Tag Arbeit zu nehmen - d. h. zu weniger als der Hälfte, ja zu 1/3 des Lohns vor der Februarrevolution! - Man hat an allen Straßenecken von Paris die Ernennung des Generals Cavaignac zum Generalkommandanten aller Truppen von Paris angeschlagen. Auf allen diesen Plakaten stand groß gedruckt: Obeissance - Force, Gehorsam - Gewalt. - Der Repräsentant Goudchaux, erster Finanzminister nach dem 24. Februar, hat in der Sitzung der Kammer vom 15. Juni folgende Worte gesprochen: "Vor Allem, macht die National-Ateliers verschwinden. (Sehr gut!) Die National-Ateliers bestehen aus verschiedenen Sorten von Leuten. Es sind darin zuerst die Arbeiter die in ihre alten Werkstätten zurückkehren können, dann diejenigen die nie Arbeiter waren und die man dahin schicken mußte wohin sie gehören (auf die Galeeren natürlich). Was haben die National-Ateliers hervorgebracht? Etwas ganz Beispielloses, nämlich Arbeiter die aufgehört haben ehrlich zu sein." selbst das Kanonenfeuer kommandirt hätten. Auch das Pferd, worauf der Republikaner N. (Lucian) Bonaparte an der Seite Lamartine's saß, wurde am Schenkel verwundet. Duclerc, Finanzminister, erscheint plötzlich im Saale mit Hut, Stock und Schärpe und erzählt der Versammlung die erlebten Vorgänge des Nachmittags mit der Versicherung, daß man noch in dieser Nacht mit der Emeute fertig werde. Die Versammlung war so beruhigt, daß sie Senard fragte, ob sie im Eisenbahngesetz fortfahren werde? Caussidiere fand dies empörend und schlug der Versammlung vor, sie solle lieber sich in Fackelzug zu den Barrikaden begeben und das Volk beschwichtigen. Die Versammlung ging darauf nicht ein, sondern hob die Versammlung bis 11 Uhr auf, wo sie ganz bestimmte Berichte von ihren Generälen Bedeau und Lamoriciere vermuthete, die ihnen das Ende der Emeute anzeigen würden. Um diese Stunde hörte sie einen Bericht Garnier-Pages über die Lage von Paris an, der aber ebenso falsch ist wie die vorherigen, weil er wie sie alle den Sieg für das nächste Frühstück versprach und nicht Wort hielt. Degoussée, einer der bornirtesten Menschen in der ganzen Versammlung, die ihn deshalb zum Quästor machte, trug auf Verhaftung sämmtlicher ultra-demokratischer Redakteure der Volksblätter, namentlich der „Organisation der Arbeit“ an. Er fiel jedoch vorläufig damit durch und die Versammlung trennte sich um Mitternacht. Sitzung vom 24. Juni. Ungeachtet der Permanenzerklärung wurde die Sitzung erst um acht Uhr wieder aufgenommen. Die ganze Gegend gleicht einem Kriegslager. Vom Pont St. Michel und dem Pantheon her hört man Kanonenschüsse. Präsident Senard gibt einen kurzen Bericht über die Ereignisse der Nacht. Einige Barrikaden seien wieder aufgebaut worden, indessen habe der Obergeneral so vortreffliche militärische Maßregeln getroffen, daß binnen wenigen Stunden die Faubourgs St. Jacques und St. Antoine gereinigt sein würden. Die Bürgerwehr der umliegenden Städte eile mit Eifer herbei, um ihren Kameraden der Bürgerwehr und des Heeres im Kampfe gegen die Emeutiers beizustehen. Ich schlage Ihnen darum vor, diesen Eifer nicht blos mit hohlen Dankesworten zu erwidern, sondern trage vielmehr darauf an, alle Wittwen und Kinder der in diesem Kampf Fallenden zu adoptiren (Ja, Ja! Stimmen wir sofort). Leon Faucher hat mir zu diesem Zweck bereits einen Antrag überreicht. Dieser Antrag: „Der Staat adoptirt die Kinder und Wittwen aller derjenigen Nationalgardisten, die am 23. Juni oder an den darauf folgenden Kämpfen für die Freiheit sterben,“ wurde mit Emsigkeit angenommen. St. Georges bittet die Versammlung, seine Abwesenheit zu entschuldigen. Sein Sohn sei gestern in den Reihen der Bürgerwehr stark verwundet worden, er müsse ihn pflegen. Bei dieser Gelegenheit erfährt die Versammlung daß derselbe noch nicht todt, sondern auf dem Wege der Besserung. Eine Kugel fuhr durch seine Brust, ohne Herz und Lunge zu beschädigen, daher ihn die Aerzte, wie Bastide versichert, noch retten würden. Clement Thomas ist nicht schwer verwundet, ebenso General Bedeau nicht; dagegen liegt Dornes, Redakteur des „National“, lebensgefährlich darnieder. Die Geschlechtstheile wurden ihm weggeschossen und er hat sich einer schwierigen Amputation unterziehen müssen. Hiernächst wurde die Sitzung um 9 Uhr suspendirt. Ein halbe Stunde später erklärte sie Corbon, Vicepräsident, wieder eröffnet. Senard ersetzte ihn jedoch bald wieder und zeigte der Versammlung an, daß mehr als 5 Glieder laut des Reglements darauf antrügen, die Versammlung möge sich als Geheimen Ausschuß erklären und die öffentlichen Tribünen räumen lassen, da ein wichtiger Antrag verhandelt werden solle. Allgemeine Spannung. Das Reglement schreibt vor, daß sofort durch Sitzenbleiben und Aufstehen darüber abgestimmt werden solle, ob die Versammlung sich geheim erkläre? Der Präsident läßt abstimmen, und die Mehrheit erhob sich gegen das Geheimniß. (Erstaunen.) Pascal Duprat, bekannt durch seine Protestation gegen die Zeitungs-Kautionen, erhielt das Wort. In den gegenwärtigen Umständen, begann er, sei es wich tig, an der Spitze des Staates eine starke Hand (pouvoir) zu haben. Ich schlage der Versammlung folgenden Gesetzentwurf vor: Art 1. Paris ist in Belagerungszustand versetzt. Art 2. Alle Staatsgewalten sind in die Hände des Generals Cavaignac gelegt. (Lärm. Fürchterlicher Tumult.) Dupin sen. schreit: Das ist die Diktatur! Larabit: Der Belagerungszustand löst die Macht der Versammlung auf. (Tumult.) Seid ihr Alle einverstanden, daß Eure Macht in die Hände der Militärgewalt übergehe.“ (Lärm.) Antoni Thouret: Der General Cavaignac kann nur die Vollziehungsgewalt üben. Ich schlage vor am Kopf des Dekrets zu erklären, daß die Nationalversammlung zu berathen fortfahre und in Permanenz bleibe. (Jawohl. Das versteht sich von selbst.) Bougeard liest einen andern Dekretentwurf, der 1. Paris in Belagerungszustand erklärt; 2. den Sturz des Vollziehungsausschusses ausspricht; 3. das Ministerium provisorisch beibehält. Bastide, Minister des Auswärtigen: Beeilen Sie sich mit Ihren Berathungen, Bürger! In einer Stunde befindet sich das Hotel de Ville wahrscheinlich schon im Besitz der Insurgenten! (Exklamation der Ueberraschung). Präsident Senard liest die neue Redaktion des Gesetzvorschlags: Art. 1. Die Nationalversammlung berathet und bleibt in Permanenz. Art. 2. Paris ist in Belagerungszustand erklärt. Art. 3. Alle vollziehende Staatsgewalt ist dem General Cavaignac übertragen. (Angenommen!) Jules Favre: Ich schlage folgenden Zusatz vor: „Der Vollziehungsauschuß legt augenblicklich seine Amtsthätigkeit nieder.“ (Aufregung). Duclerc, Finanzminister: Es handelt sich, Bürger, um eine Maßregel des öffentlichen Wohles. Ich möchte keinen Groll in Ihren Votums ausgesprochen sehen. Präsident: „Ich bringe den Zusatz zur Abstimmung.“ (Tiefe Stille.) Der Zusatz wird mit einer schwachen Mehrheit verworfen. Die Versammlung wollte den Männern, die gestern noch der Todesgefahr trotzten, keinen Stein als Dank nachwerfen. Senard lenkte die Aufmerksamkeit noch auf eine andere Maßregel der Verzweiflung. Causidière und einige Andern hatten nämlich gestern den Vorschlag gemacht, sich in Person zu den Barrikaden zu begeben und sie an der Spitze von Bürgerwehr und Truppenkorps anzureden. Dieser Vorschlag war verworfen worden. Der Platz der Abgeordneten sei in diesem Saale und nicht vor den Barrikaden, hatte man gerufen und den Antrag abgewiesen. Neue Anerbietungen seien indessen gemacht worden und wenn die Versammlung einwilligt, daß sich einige ihrer Glieder auf die Kampfplätze begeben. (Ja, ja, Alle, Alle!) Stimme: Ich widersetzte mich gestern diesem Vorschlage und widersetze mich ihm noch. Begäben sich hiezu Mitglieder dahin, so wollten sie Alle begleiten. Zuletzt würde Niemand auf diesen Bänken sein. Darum trage ich an, 60 Glieder durch das Loos zu bestimmen. Dem Präsident scheint dieser Weg zu blind, es seien gewisse Rücksichten der Persönlichkeit, des Sprechens, des Alters zu nehmen, er lade daher, die Versammlung ein, sich in ihre Abtheilungen zu begeben und selbst die 60 zu bestimmen. Der Berg (Louis Blanc, Considerant, Lagranze etc.) protestiren gegen diese Abgeordnenschaft. „Wir wollen keine Gliedrr einrs Martialgesetzproklamirungsausschusses sein, riefen sie und blieb n im Saale, während die andern in die Abtheilung gingen. Die Sitzung ist suspendirt. Eine Viertelstunde später wird sie wieder aufgenommen und der Präsident liest ein Schreiben vor, worin der Vollziehungs-Ausschuß sein Amt niedergelegt. Bis 4 Uhr boten die Neuigkeit keine weitere Interesse. In der Kanonade ist eine Pause eingetreten. Von Börsengeschäften keine Rede. 5 Uhr. ‒ Gestern verkündete man hier von der Tribüne herab, daß der Sklavenkrieg unsere Kolonien verwüste. Heute ist der sociale Krieg zu Paris. Zu Martinique haben sie sich geschlagen, Schwarze und Weiße, Herren und Sklaven, weil die Revolution die Sklaverei nicht abgeschafft. Mensch gegen Mensch, was liegt an der Farbe? Zu Paris haben sie sich geschlagen, die Rothen und die Weißen, die Proletarier und die Conservateurs, weil die Revolution das Proletariat nicht abgeschafft hat. Büger gegen Bürger, was liegt an der Klasse? Der soziale Krieg, da ist er mit allen seinen Schrecken! Wagt nicht zu sagen, das furchtbare Unglück sei provozirt durch die Verschwörer, die Anarchisten, die Wühler, die Revolutionäre von Profession, wie man die erprobten Republikaner nennt, die unter dem ancien regime gekämpft haben. Es ist das Volk der Arbeiter ein Volk neu in unseren bürgerlichen Zwisten, das Volk auf die Straßen geworfen durch die Frage der Arbeit, der Familien, der Existenz. Es ist die soziale Oekonomie, die in Frage steht, wie es auf eurer Tribüne ein Repräsentant der Proletarier aussprach. Erblickt ihr nicht mitten durch den Pulverdampf hindurch die Lyoner Fahne von 1838. vivre en travaillant ou mourir en combattant. Arbeit und leben oder kämpfen und sterben? Und wer ist verantwortlich für dies furchtbare Gemetzel? Auf wen denn wälzten unsre Minister von heute und unsre fünf Könige und alle unsre neuen Herrscher das Blut von St. Alèry, der Straße Transuoaine und der Barrikaden von 1830 und 1848! Auf die Bourbonen oder die Orleans, auf Polignac oder auf Guizot, auf die Unterdrücker des Vaterlandes. Wem also den socialen Krieg zuschreiben der Paris verheert! Muß man sie rein waschen Polignac und Marmont von dem im Juli vergoßenen Blut, Thiers und Bougeaud von den Metzeleier der Rue Transnonaine Louis Philippe vor dem im Juni, im April, im Mai und im Februar vergossenen Blut! Oder muß man vielmehr auch die Macht des Tages anklagen für das Unglück des Tages! Während des Monats, wo das Volk Herr der Revolution war, hatte die Republik nicht zu seufzen über blutige Zwiste, wie die von Rouen, Eboeuf, von Limoges, von Clermont, von Troyes, von Toulouse, von Guèret, von Paris. (la Vraie Rèpublique.) 16 Paris, 24. Juni. Der Bürgerkrieg ist ausgebrochen; die Nationalgarde in Uniform schlägt sich gegen die Nationalgarde in Blouse. Das Linienmilitär ist ganz für die Bourgeois; die Mobilgarde meistentheils (nur einige Kompagnieen haben gestern mit dem Volk auf der Barrikade fraternisirt), die Republikanergarde ist uneins, eine Kompagnie ist mit dem Volke zusammen auf der Barrikade der Cité massakrirt worden, andre Kompagnieen haben zwar vive la République démocratique et sociale gerufen, dem Barrikadenbau ruhig zugeschaut, aber nicht weiter fraternisir. Offiziere dieser Garde und der Nationalgarde sah man in der Straße St. Jacques Barrikaden machen. In diesem Augenblick erschallt Kanonendonner, wenigstens zum vierten Mal seit gestern; die Barrikaden werden mit größerer Sachkenntniß als im Februar gebaut, und General Cavaignac hat nur unter der Bedingung das Kommando aller Streitkräfte gestern übernommen, daß man ihm völlig freie Hand lasse. Artilleristen und Pferde stürzen wie in der Feldschlacht; gefochten wurde und wird vom Platz Lafayette, am Nordbahnhof, durch die ganze östliche Hälfte bis in die Straße Mouffetard am Pflanzengarten. Die westliche kleinere Hälfte ist, namentlich um die National-Assemblée herum, in ein komplettes Heerlager verwandelt; die Cirkulation ist überall gehindert und alle Läden in allen Straßen sind geschlossen. Es sind mehr Menschen gefallen als im Februar. Grundzug dieses Straßenkrieges ist der totale Mangel eines Parteikampfrufes; man hört hie und da auf den Barrikaden die Republik rouge oder Barbes hoch leben lassen, seltener Napoleon II. oder donnez du travail schreien, aber dies ist vereinzelt; ebenso schreit die Nationalgarde und Linie wenig oder nichts. Im Februar war das anders. Gesungen wird jetzt auch nichts, während im Februarkampf überall die Marseillaise und das Lied der Girardins ertönten. Man würgt sich schweigend und mit wildem Grimm. Grisetten sind mit der Fahne auf die Barrikade gestiegen und haben den Tod durch die Kugeln der Nationalgarde gefunden; Frauen halfen Steine tragen und wurden in der Barrikade der Straße St. Jacques kämpfend gefunden. Den Anlaß zu diesem jetzt bereits vierundzwanzigstündigen Abschlachten gab ein Befehl des Ministers der öffentlichen Arbeiten, Trelat, früher Arzt am weiblichen Irrenhospital Salpetrière, einer der sogenannten klassischen Republikaner alten Schrot und Korns, von dem man früher sagte: wäre er bei der Unterredung Jesu mit der Ehebrecherin zugegen gewesen, er würde selber den ersten Stein trotz Jesu geworfen haben. Dieser Herr Trelat wollte 3000 Arbeiter des Nationalateliers militärisch brigadirt nach der Sologne, vielleicht späte nach Algier zur Kolonisirung absenden. Obschon viele Unzufredenheit wegen der ziemlich moskowitischen Manier des Ministers unter ihnen herrschte, marschirten sie vorgestern doch marschfertig zum Thore, fanden dort aber nichts für ihre Weiterbeförderung bereit, und kehrten wüthend über diese Mißhendlung um. Seit dem beschlossen sie lieber allrs zu riskiren, als sich von Paris entfernen zu lassen. Es ist übrigens positiv, daß sie vor mehreren Wochen unter anständigen Garantien sich gerne zur Kolonisation (mit Frauen) in der Sologne oder Champagne, ja selbst Algier, bequemt haben würden. Aber jetzt sagten sie zu Arago, der eine Barrikade besuchte: „Bürger Arago, Sie sind ein guter Mann, wir lieben Sie, doch man hat uns zu oft getäuscht, um jetzt noch Ihnen zu glauben,“ und Arago sah sich genöthigt, das Feuer auf dieser Schanze zu kommandiren. Ebenso Lamartine an einer andern, nachdem auch seine Versöhnungsversuche gescheitert. In diesem Augenblicke ist, wie es heißt, der gestern schon mit dem Generalkommando aller Truppen und Garden bekleidete Kriegsminister Cavaignae zum Diktator von der Assemblée ernannt und die Kommission der Fünf kassirt worden. Man spricht von baldiger Conzentrirung der Polizeigewalt und Munizipalmacht in Händen Armand Marrasts. Ich schreibe dies um 10 Uhr früh in dem Cafe d'Orsay am Pont national; in der Ferne kracht das schwere Geschütz gegen die Pflastersteine der Cité und Straße St. Jaques; eine Schwadron Kürrassiere reitet den Säbel schwingend über den Quai und wird von der Nationalgarde am Eingang der Straße du Bac jubelnd begrüßt. So eben ward berichtet, die Redakteurs von vier Volksjournalen, unter ihnen die der „Organisation du Travail“ wären Nachts verhaftet und in brutalster Weise sei bei ihnen Haussuchung gehalten worden. Die Pariser Kerker sind bald ganz gefüllt von armen Teufels, denen nicht verziehen wird, nach dem Ueberfluß der reichen Götter die grimmige Faust drohend erhoben zu haben; neben mir erzählen so eben zwei „Lions“ die abgedroschene Anekdote zum hundetrsten Male: die Adjudanten des Barbés hätten ihm in der Kammer am 15. Mai zugerufen, er solle nur zwei Stunden Plünderung erlauben. Paris, 22. Juni.
(Nachtrag.) Wir tragen unsern Lesern noch einige Thatsachen nach, die über die Veranlassung der Revolution Aufklärung geben. ‒ Man liest im Moniteur: „Die vollziehende Kommission hat Befehl gegeben, daß von morgen an in den National-Ateliers die Rekrutirung beginnt. Man erinnert sich, daß neulich ein Beschluß der vollziehenden Kommission vorschrieb, die Arbeiter von 17 bis zu 25 Jahren sollen in die Armee treten oder wenn sie sich weigern, aus den National-Ateliers entfernt werden. Man hat diese Maßregel bis jetzt aufgeschoben, um allen jungen Arbeitern die Zeit zu lassen, ihre Wahl mit der nöthigen Reife zu treffen.“ Die fünf regierenden Herren verlangten also, die Arbeiter sollten sich auf acht Jahre in die Armee stellen lassen oder verhungern! Schöner Vorschlag der reinen „Republikaner“! ‒ Man erinnert sich daß die von Caussidiere gebildete republikanische Garde nach dem 15. Mai von der Fünferkommission reorganisirt wurde. Man hatte nicht den Muth, die 2500 entschlossenen alten Republikaner, aus den ehemaligen geheimen Gesellschaften der Arbeiter, auf's Pflaster zu werfen; man setzte bloß ihre Offiziere ab, die alle ehemalige Sektionschefs dieser geheimen Gesellschaften waren. Und wem wurde diese Reinigung der republikanischen Garde übertragen? Den Henkersknechten Louis Philipps, den Offizieren der alten Munizipalgarde und Gensdarmerie. Diese Edlen sassen in der Kommission die über die zu entfernenden Offiziere und ihre Ansprüche auf Entschädigung urtheilten. Diese Edlen genirten sich gar nicht sich selbst die besten Posten zuzusprechen. Ueber hundert der alten Offiziere wurden abgesetzt. Sechsundfünfzig von ihnen haben jetzt gegen dies Verfahren protestirt. ‒ Ueber den Zug nach dem Luxemburg am 22. erfahren wir noch folgenden Details: Die Arbeiter waren heute (22.) Morgen um 9 Uhr auf verschiedenen Löhnungsplätze berufen, um befragt zu werden, ob sie sich dem Dekret unterwerfen wollten das sie unter dem Vorwande der Urbarmachung in die Provinz schickt. Die Arbeiter schickten indeß die Beamten, die diesen Auftrag vollziehen sollten, wieder nach Hause, zogen sich in Massen zusammen und marschirten nach dem Luxemburg. Der Bürger Pujol den sie zur Exekutivkommission schickten, erklärte Hrn. Marie, er werde nicht eher die Wünsche der Arbeiter aussprechen, bis noch vier Delegirte außer ihm gegenwärtig seien. Dies wurde bewilligt, und noch vier Arbeiter kamen. Pujol sprach nun ungefähr Folgendes: „Vor der Revolution des 24. Februar waren die Arbeiter Frankreichs der Willkühr und dem Egoismus der Fabrikanten preisgegeben. Um sich dieser vernichtenden Ausbeutung zu entziehen, vergossen die Arbeiter ihr Blut und stürzten die bestochene Herrschaft, die eine solche Knechtung duldete. Die Pariser Arbeiter stiegen erst von den Barrikaden herab, nachdem sie die demokratisch-sociale Republik proklamirt hatten, die dieser Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ein Ende machen sollte. Heute aber sind die Arbeiter vollständig einig darüber, daß sie durch lügnerische Versprechungen hingehalten wurden, daß die Gewalt des Säbels sie nochmals unter ein solches Knechtungssystem bringen will. Sie sind aber entschlossen, nochmals Opfer zu bringen für die Erhaltung der Freiheit. Sie haben vor allen Dingen verlangt, daß Werkstätten für alle Arten der Arbeit errichtet werden, die den Arbeitern während der stillen Geschäftszeit zur Zuflucht dienen. Von dem Allen ist aber nichts geschehen, und wir sehen nur zu klar, wohin man uns führen will. Aber wir warnen die Regierung.“ Herr Marie antwortete mit einiger Gereiztheit: „die Arbeiter, welche sich dem Dekret nicht unterwerfen wollten, würden durch Gewalt weggebracht werden.“ Zu Pujol sagte er: „Wir kennen Sie, wir haben ein Auge auf Sie; Sie haben mit mir parlamentirt nachdem Sie zuerst das Gitter der Nationalversammlung überstiegen hatten.“ Die vier andern Delegirten behandelte er als die Sklaven Pujols, weil sie mit diesem sympathisirten. Pujol antwortete: Bürger-Repräsentant, Sie beleidigen Bürger, die mit einem ganz ebenso heiligen Charakter bekleidet sind, wie die Volksrepräsentanten. Wir ziehen uns zurück mit der festen Ueberzeugung, daß Sie die Organisation der Arbeit und die Wohlfahrt des arbeitenden Volks nicht wollen, und daß Sie in keiner Weise dem blinden Vertrauen entsprochen haben, das wir in Sie setzten. Wir werden öffentlich über Ihren schlechten Empfang Rechenschaft ablegen und beweisen, wie bald Sie die Leute vergessen haben, welche Sie auf den Schild hoben. Die Arbeiter traten dann auf dem Platz Saint Sulpice zusammen und Pujol stattete Bericht ab über den feindseligen Empfang des Herrn Marie. Die entrüsteten Arbeiter beschlossen, die übrigen Anondissements davon zu benachrichtigen, damit alle Arbeiter sich vereinigen könnten, eine Maßregel zu vereiteln, die zum Zweck hat, sie zu zersplittern und ohnmächtig zu machen. Herr Marie soll den Delegirten buchstäblich gesagt haben: „Man hat Euch den Kopf verdreht, es ist das System von Louis Blanc, aber wir wollen nichts davon wissen! ‒ Folgendes sind die Aechtungsbriefe, die an die Arbeiter der Nationalateliers erlassen sind. Wir führen buchstäblich an: „Die Bezirksführer sind aufgefordert, jeder den fünfzigsten Theil seines Effektivbestandes heute Abend drei Uhr in die Reitbahn zu schicken. Lalanne.“ „P. S. Es handelt sich um die Abmärsche, die heute, morgen und übermorgen stattfinden sollen. Ich werde selbst mit den Freiwilligen sprechen, die sich melden werden. ‒ Die Regierung will, daß diese Abmärsche stattfinden. Ihr Wille muß unbedingt heute noch ausgeführt werden. Ich werde dafür sorgen. Lalanne.“ Wie erbaulich, vier Monate nach der Februarrevolution! Die Regierung will, und ohne Umstände sollen die Arbeiter wie Soldaten, hierhin und dahin geschickt werden! Herr Lalanne wird dafür sorgen! Auf dergleichen Zumuthungen gibt es keine andre Antwort als Flintenschüsse. ‒ Ein Arbeiter schreibt der „Vraie Republique“: „Es ist jetzt gewiß. Alle Prinzipien der Februarrevolution hat man verletzt, und jetzt will man den Arbeitern den Garaus machen. (on veut en finir avec les travailleurs.)“ Derselbe Arbeiter erzählt, daß Arbeiter, die in die Provinz zu den dortigen Nationalwerkstätten geschickt waren, dort so schlechten Lohn fanden, daß sie ihn nicht annehmen konnten, und ihren Unterhalt, während des Rückmarsches, erbetteln mußten. In Amiens seien die Gemeindewerkstätten ebenfalls aufgelöst, und man zwinge die Arbeiter, bei den Meistern zu 75 Cent. (6 Sgr.) per Tag Arbeit zu nehmen ‒ d. h. zu weniger als der Hälfte, ja zu 1/3 des Lohns vor der Februarrevolution! ‒ Man hat an allen Straßenecken von Paris die Ernennung des Generals Cavaignac zum Generalkommandanten aller Truppen von Paris angeschlagen. Auf allen diesen Plakaten stand groß gedruckt: Obèissance ‒ Force, Gehorsam ‒ Gewalt. ‒ Der Repräsentant Goudchaux, erster Finanzminister nach dem 24. Februar, hat in der Sitzung der Kammer vom 15. Juni folgende Worte gesprochen: „Vor Allem, macht die National-Ateliers verschwinden. (Sehr gut!) Die National-Ateliers bestehen aus verschiedenen Sorten von Leuten. Es sind darin zuerst die Arbeiter die in ihre alten Werkstätten zurückkehren können, dann diejenigen die nie Arbeiter waren und die man dahin schicken mußte wohin sie gehören (auf die Galeeren natürlich). Was haben die National-Ateliers hervorgebracht? Etwas ganz Beispielloses, nämlich Arbeiter die aufgehört haben ehrlich zu sein.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar027_013" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0003" n="0127"/> selbst das Kanonenfeuer kommandirt hätten. Auch das Pferd, worauf der Republikaner N. (Lucian) Bonaparte an der Seite Lamartine's saß, wurde am Schenkel verwundet. Duclerc, Finanzminister, erscheint plötzlich im Saale mit Hut, Stock und Schärpe und erzählt der Versammlung die erlebten Vorgänge des Nachmittags mit der Versicherung, daß man noch in dieser Nacht mit der Emeute fertig werde. Die Versammlung war so beruhigt, daß sie Senard fragte, ob sie im Eisenbahngesetz fortfahren werde? Caussidiere fand dies empörend und schlug der Versammlung vor, sie solle lieber sich in Fackelzug zu den Barrikaden begeben und das Volk beschwichtigen. Die Versammlung ging darauf nicht ein, sondern hob die Versammlung bis 11 Uhr auf, wo sie ganz bestimmte Berichte von ihren Generälen Bedeau und Lamoriciere vermuthete, die ihnen das Ende der Emeute anzeigen würden. Um diese Stunde hörte sie einen Bericht Garnier-Pages über die Lage von Paris an, der aber ebenso falsch ist wie die vorherigen, weil er wie sie alle den Sieg für das nächste Frühstück versprach und nicht Wort hielt. Degoussée, einer der bornirtesten Menschen in der ganzen Versammlung, die ihn deshalb zum Quästor machte, trug auf Verhaftung sämmtlicher ultra-demokratischer Redakteure der Volksblätter, namentlich der „Organisation der Arbeit“ an. Er fiel jedoch vorläufig damit durch und die Versammlung trennte sich um Mitternacht.</p> <p><hi rendition="#g">Sitzung vom 24. Juni</hi>.</p> <p>Ungeachtet der Permanenzerklärung wurde die Sitzung erst um acht Uhr wieder aufgenommen. Die ganze Gegend gleicht einem Kriegslager. Vom Pont St. Michel und dem Pantheon her hört man Kanonenschüsse. Präsident Senard gibt einen kurzen Bericht über die Ereignisse der Nacht. Einige Barrikaden seien wieder aufgebaut worden, indessen habe der Obergeneral so vortreffliche militärische Maßregeln getroffen, daß binnen wenigen Stunden die Faubourgs St. Jacques und St. Antoine gereinigt sein würden. Die Bürgerwehr der umliegenden Städte eile mit Eifer herbei, um ihren Kameraden der Bürgerwehr und des Heeres im Kampfe gegen die Emeutiers beizustehen. Ich schlage Ihnen darum vor, diesen Eifer nicht blos mit hohlen Dankesworten zu erwidern, sondern trage vielmehr darauf an, alle Wittwen und Kinder der in diesem Kampf Fallenden zu adoptiren (Ja, Ja! Stimmen wir sofort). Leon Faucher hat mir zu diesem Zweck bereits einen Antrag überreicht. Dieser Antrag: „Der Staat adoptirt die Kinder und Wittwen aller derjenigen Nationalgardisten, die am 23. Juni oder an den darauf folgenden Kämpfen für die Freiheit sterben,“ wurde mit Emsigkeit angenommen. St. Georges bittet die Versammlung, seine Abwesenheit zu entschuldigen. Sein Sohn sei gestern in den Reihen der Bürgerwehr stark verwundet worden, er müsse ihn pflegen. Bei dieser Gelegenheit erfährt die Versammlung daß derselbe noch nicht todt, sondern auf dem Wege der Besserung. Eine Kugel fuhr durch seine Brust, ohne Herz und Lunge zu beschädigen, daher ihn die Aerzte, wie Bastide versichert, noch retten würden. Clement Thomas ist nicht schwer verwundet, ebenso General Bedeau nicht; dagegen liegt Dornes, Redakteur des „National“, lebensgefährlich darnieder. Die Geschlechtstheile wurden ihm weggeschossen und er hat sich einer schwierigen Amputation unterziehen müssen. Hiernächst wurde die Sitzung um 9 Uhr suspendirt. Ein halbe Stunde später erklärte sie Corbon, Vicepräsident, wieder eröffnet. Senard ersetzte ihn jedoch bald wieder und zeigte der Versammlung an, daß mehr als 5 Glieder laut des Reglements darauf antrügen, die Versammlung möge sich als Geheimen Ausschuß erklären und die öffentlichen Tribünen räumen lassen, da ein wichtiger Antrag verhandelt werden solle. Allgemeine Spannung. Das Reglement schreibt vor, daß sofort durch Sitzenbleiben und Aufstehen darüber abgestimmt werden solle, ob die Versammlung sich geheim erkläre? Der Präsident läßt abstimmen, und die Mehrheit erhob sich gegen das Geheimniß. (Erstaunen.) Pascal Duprat, bekannt durch seine Protestation gegen die Zeitungs-Kautionen, erhielt das Wort. In den gegenwärtigen Umständen, begann er, sei es wich tig, an der Spitze des Staates eine starke Hand (pouvoir) zu haben. Ich schlage der Versammlung folgenden Gesetzentwurf vor:</p> <p>Art 1. Paris ist in Belagerungszustand versetzt. Art 2. Alle Staatsgewalten sind in die Hände des Generals Cavaignac gelegt. (Lärm. Fürchterlicher Tumult.) Dupin sen. schreit: Das ist die Diktatur!</p> <p><hi rendition="#g">Larabit:</hi> Der Belagerungszustand löst die Macht der Versammlung auf. (Tumult.) Seid ihr Alle einverstanden, daß Eure Macht in die Hände der Militärgewalt übergehe.“ (Lärm.) <hi rendition="#g">Antoni Thouret:</hi> Der General Cavaignac kann nur die Vollziehungsgewalt üben. Ich schlage vor am Kopf des Dekrets zu erklären, daß die Nationalversammlung zu berathen fortfahre und in Permanenz bleibe. (Jawohl. Das versteht sich von selbst.) <hi rendition="#g">Bougeard</hi> liest einen andern Dekretentwurf, der 1. Paris in Belagerungszustand erklärt; 2. den Sturz des Vollziehungsausschusses ausspricht; 3. das Ministerium provisorisch beibehält.</p> <p><hi rendition="#g">Bastide,</hi> Minister des Auswärtigen: Beeilen Sie sich mit Ihren Berathungen, Bürger! In einer Stunde befindet sich das Hotel de Ville wahrscheinlich schon im Besitz der Insurgenten! (Exklamation der Ueberraschung). Präsident Senard liest die neue Redaktion des Gesetzvorschlags: Art. 1. Die Nationalversammlung berathet und bleibt in Permanenz. Art. 2. Paris ist in Belagerungszustand erklärt. Art. 3. Alle vollziehende Staatsgewalt ist dem General Cavaignac übertragen. (Angenommen!) <hi rendition="#g">Jules Favre:</hi> Ich schlage folgenden Zusatz vor: „Der Vollziehungsauschuß legt augenblicklich seine Amtsthätigkeit nieder.“ (Aufregung). <hi rendition="#g">Duclerc,</hi> Finanzminister: Es handelt sich, Bürger, um eine Maßregel des öffentlichen Wohles. Ich möchte keinen Groll in Ihren Votums ausgesprochen sehen. <hi rendition="#g">Präsident:</hi> „Ich bringe den Zusatz zur Abstimmung.“ (Tiefe Stille.) Der Zusatz wird mit einer schwachen Mehrheit <hi rendition="#g">verworfen.</hi> Die Versammlung wollte den Männern, die gestern noch der Todesgefahr trotzten, keinen Stein als Dank nachwerfen.</p> <p><hi rendition="#g">Senard</hi> lenkte die Aufmerksamkeit noch auf eine andere Maßregel der Verzweiflung. <hi rendition="#g">Causidière</hi> und einige Andern hatten nämlich gestern den Vorschlag gemacht, sich in Person zu den Barrikaden zu begeben und sie an der Spitze von Bürgerwehr und Truppenkorps anzureden. Dieser Vorschlag war verworfen worden. Der Platz der Abgeordneten sei in diesem Saale und nicht vor den Barrikaden, hatte man gerufen und den Antrag abgewiesen. Neue Anerbietungen seien indessen gemacht worden und wenn die Versammlung einwilligt, daß sich einige ihrer Glieder auf die Kampfplätze begeben. (Ja, ja, Alle, Alle!) <hi rendition="#g">Stimme:</hi> Ich widersetzte mich gestern diesem Vorschlage und widersetze mich ihm noch. Begäben sich hiezu Mitglieder dahin, so wollten sie Alle begleiten. Zuletzt würde Niemand auf diesen Bänken sein. Darum trage ich an, 60 Glieder durch das Loos zu bestimmen. Dem Präsident scheint dieser Weg zu blind, es seien gewisse Rücksichten der Persönlichkeit, des Sprechens, des Alters zu nehmen, er lade daher, die Versammlung ein, sich in ihre Abtheilungen zu begeben und selbst die 60 zu bestimmen. Der Berg (Louis Blanc, Considerant, Lagranze etc.) protestiren gegen diese Abgeordnenschaft. „Wir wollen keine Gliedrr einrs Martialgesetzproklamirungsausschusses sein, riefen sie und blieb n im Saale, während die andern in die Abtheilung gingen. Die Sitzung ist suspendirt.</p> <p>Eine Viertelstunde später wird sie wieder aufgenommen und der Präsident liest ein Schreiben vor, worin der Vollziehungs-Ausschuß sein Amt niedergelegt.</p> <p>Bis 4 Uhr boten die Neuigkeit keine weitere Interesse. In der Kanonade ist eine Pause eingetreten.</p> <p>Von Börsengeschäften keine Rede. 5 Uhr.</p> <p>‒ Gestern verkündete man hier von der Tribüne herab, daß der <hi rendition="#g">Sklavenkrieg</hi> unsere <hi rendition="#g">Kolonien</hi> verwüste. Heute ist der <hi rendition="#g">sociale Krieg</hi> zu <hi rendition="#g">Paris.</hi> Zu Martinique haben sie sich geschlagen, Schwarze und Weiße, Herren und Sklaven, weil die Revolution die Sklaverei nicht abgeschafft. Mensch gegen Mensch, was liegt an der Farbe?</p> <p>Zu Paris haben sie sich geschlagen, die Rothen und die Weißen, die Proletarier und die Conservateurs, weil die Revolution das Proletariat nicht abgeschafft hat. Büger gegen Bürger, was liegt an der Klasse?</p> <p>Der soziale Krieg, da ist er mit allen seinen Schrecken! Wagt nicht zu sagen, das furchtbare Unglück sei provozirt durch die Verschwörer, die Anarchisten, die Wühler, die Revolutionäre von Profession, wie man die erprobten Republikaner nennt, die unter dem ancien regime gekämpft haben. Es ist das Volk der Arbeiter ein Volk neu in unseren bürgerlichen Zwisten, das Volk auf die Straßen geworfen durch die Frage der Arbeit, der Familien, der Existenz. Es ist die soziale Oekonomie, die in Frage steht, wie es auf eurer Tribüne ein Repräsentant der Proletarier aussprach. Erblickt ihr nicht mitten durch den Pulverdampf hindurch die Lyoner Fahne von 1838. vivre en travaillant ou mourir en combattant. Arbeit und leben oder kämpfen und sterben?</p> <p>Und wer ist verantwortlich für dies furchtbare Gemetzel?</p> <p>Auf wen denn wälzten unsre Minister von heute und unsre fünf Könige und alle unsre neuen Herrscher das Blut von St. Alèry, der Straße Transuoaine und der Barrikaden von 1830 und 1848!</p> <p>Auf die Bourbonen oder die Orleans, auf Polignac oder auf Guizot, auf die Unterdrücker des Vaterlandes.</p> <p>Wem also den socialen Krieg zuschreiben der Paris verheert!</p> <p>Muß man sie rein waschen Polignac und Marmont von dem im Juli vergoßenen Blut, Thiers und Bougeaud von den Metzeleier der Rue Transnonaine Louis Philippe vor dem im Juni, im April, im Mai und im Februar vergossenen Blut!</p> <p>Oder muß man vielmehr auch die Macht des Tages anklagen für das Unglück des Tages!</p> <p>Während des Monats, wo das Volk Herr der Revolution war, hatte die Republik nicht zu seufzen über blutige Zwiste, wie die von Rouen, Eboeuf, von Limoges, von Clermont, von Troyes, von Toulouse, von Guèret, von Paris. (la Vraie Rèpublique.)</p> </div> <div xml:id="ar027_015" type="jArticle"> <head><bibl><author>16</author></bibl> Paris, 24. Juni.</head> <p>Der Bürgerkrieg ist ausgebrochen; die Nationalgarde in Uniform schlägt sich gegen die Nationalgarde in Blouse. Das Linienmilitär ist ganz für die Bourgeois; die Mobilgarde meistentheils (nur einige Kompagnieen haben gestern mit dem Volk auf der Barrikade fraternisirt), die Republikanergarde ist uneins, eine Kompagnie ist mit dem Volke zusammen auf der Barrikade der Cité massakrirt worden, andre Kompagnieen haben zwar vive la République démocratique et sociale gerufen, dem Barrikadenbau ruhig zugeschaut, aber nicht weiter fraternisir. Offiziere dieser Garde und der Nationalgarde sah man in der Straße St. Jacques Barrikaden machen. In diesem Augenblick erschallt Kanonendonner, wenigstens zum vierten Mal seit gestern; die Barrikaden werden mit größerer Sachkenntniß als im Februar gebaut, und General Cavaignac hat nur unter der Bedingung das Kommando aller Streitkräfte gestern übernommen, daß man ihm völlig freie Hand lasse. Artilleristen und Pferde stürzen wie in der Feldschlacht; gefochten wurde und wird vom Platz Lafayette, am Nordbahnhof, durch die ganze östliche Hälfte bis in die Straße Mouffetard am Pflanzengarten. Die westliche kleinere Hälfte ist, namentlich um die National-Assemblée herum, in ein komplettes Heerlager verwandelt; die Cirkulation ist überall gehindert und alle Läden in allen Straßen sind geschlossen. Es sind mehr Menschen gefallen als im Februar. Grundzug dieses Straßenkrieges ist der totale Mangel eines Parteikampfrufes; man hört hie und da auf den Barrikaden die Republik rouge oder Barbes hoch leben lassen, seltener Napoleon II. oder donnez du travail schreien, aber dies ist vereinzelt; ebenso schreit die Nationalgarde und Linie wenig oder nichts. Im Februar war das anders. Gesungen wird jetzt auch nichts, während im Februarkampf überall die Marseillaise und das Lied der Girardins ertönten. Man würgt sich schweigend und mit wildem Grimm. Grisetten sind mit der Fahne auf die Barrikade gestiegen und haben den Tod durch die Kugeln der Nationalgarde gefunden; Frauen halfen Steine tragen und wurden in der Barrikade der Straße St. Jacques kämpfend gefunden. Den Anlaß zu diesem jetzt bereits vierundzwanzigstündigen Abschlachten gab ein Befehl des Ministers der öffentlichen Arbeiten, Trelat, früher Arzt am weiblichen Irrenhospital Salpetrière, einer der sogenannten klassischen Republikaner alten Schrot und Korns, von dem man früher sagte: wäre er bei der Unterredung Jesu mit der Ehebrecherin zugegen gewesen, er würde selber den ersten Stein trotz Jesu geworfen haben. Dieser Herr Trelat wollte 3000 Arbeiter des Nationalateliers militärisch brigadirt nach der Sologne, vielleicht späte nach Algier zur Kolonisirung absenden. Obschon viele Unzufredenheit wegen der ziemlich moskowitischen Manier des Ministers unter ihnen herrschte, marschirten sie vorgestern doch marschfertig zum Thore, fanden dort aber nichts für ihre Weiterbeförderung bereit, und kehrten wüthend über diese Mißhendlung um. Seit dem beschlossen sie lieber allrs zu riskiren, als sich von Paris entfernen zu lassen. Es ist übrigens positiv, daß sie vor mehreren Wochen unter anständigen Garantien sich gerne zur Kolonisation (mit Frauen) in der Sologne oder Champagne, ja selbst Algier, bequemt haben würden. Aber jetzt sagten sie zu Arago, der eine Barrikade besuchte: „Bürger Arago, Sie sind ein guter Mann, wir lieben Sie, doch man hat uns zu oft getäuscht, um jetzt noch Ihnen zu glauben,“ und Arago sah sich genöthigt, das Feuer auf dieser Schanze zu kommandiren. Ebenso Lamartine an einer andern, nachdem auch seine Versöhnungsversuche gescheitert. In diesem Augenblicke ist, wie es heißt, der gestern schon mit dem Generalkommando aller Truppen und Garden bekleidete Kriegsminister Cavaignae zum Diktator von der Assemblée ernannt und die Kommission der Fünf kassirt worden. Man spricht von baldiger Conzentrirung der Polizeigewalt und Munizipalmacht in Händen Armand Marrasts. Ich schreibe dies um 10 Uhr früh in dem Cafe d'Orsay am Pont national; in der Ferne kracht das schwere Geschütz gegen die Pflastersteine der Cité und Straße St. Jaques; eine Schwadron Kürrassiere reitet den Säbel schwingend über den Quai und wird von der Nationalgarde am Eingang der Straße du Bac jubelnd begrüßt. So eben ward berichtet, die Redakteurs von vier Volksjournalen, unter ihnen die der „Organisation du Travail“ wären Nachts verhaftet und in brutalster Weise sei bei ihnen Haussuchung gehalten worden. Die Pariser Kerker sind bald ganz gefüllt von armen Teufels, denen nicht verziehen wird, nach dem Ueberfluß der reichen Götter die grimmige Faust drohend erhoben zu haben; neben mir erzählen so eben zwei „Lions“ die abgedroschene Anekdote zum hundetrsten Male: die Adjudanten des Barbés hätten ihm in der Kammer am 15. Mai zugerufen, er solle nur zwei Stunden Plünderung erlauben.</p> </div> <div xml:id="ar027_016" type="jArticle"> <head>Paris, 22. Juni.</head> <p>(Nachtrag.) Wir tragen unsern Lesern noch einige Thatsachen nach, die über die Veranlassung der Revolution Aufklärung geben.</p> <p>‒ Man liest im <hi rendition="#g">Moniteur:</hi> „Die vollziehende Kommission hat Befehl gegeben, daß von morgen an in den National-Ateliers die Rekrutirung beginnt. Man erinnert sich, daß neulich ein Beschluß der vollziehenden Kommission vorschrieb, die Arbeiter von 17 bis zu 25 Jahren sollen in die <hi rendition="#g">Armee</hi> treten oder wenn sie sich weigern, <hi rendition="#g">aus den National-Ateliers entfernt</hi> werden. Man hat diese Maßregel bis jetzt aufgeschoben, um allen jungen Arbeitern die Zeit zu lassen, ihre Wahl mit der nöthigen Reife zu treffen.“</p> <p>Die fünf regierenden Herren verlangten also, die Arbeiter sollten sich auf acht Jahre in die Armee stellen lassen oder verhungern! Schöner Vorschlag der reinen „Republikaner“!</p> <p>‒ Man erinnert sich daß die von <hi rendition="#g">Caussidiere</hi> gebildete <hi rendition="#g">republikanische Garde</hi> nach dem 15. Mai von der Fünferkommission reorganisirt wurde. Man hatte nicht den Muth, die 2500 entschlossenen alten Republikaner, aus den ehemaligen geheimen Gesellschaften der Arbeiter, auf's Pflaster zu werfen; man setzte bloß ihre Offiziere ab, die alle ehemalige Sektionschefs dieser geheimen Gesellschaften waren. Und wem wurde diese Reinigung der republikanischen Garde übertragen? Den Henkersknechten Louis Philipps, den Offizieren der alten Munizipalgarde und Gensdarmerie. Diese Edlen sassen in der Kommission die über die zu entfernenden Offiziere und ihre Ansprüche auf Entschädigung urtheilten. Diese Edlen genirten sich gar nicht sich selbst die besten Posten zuzusprechen. Ueber hundert der alten Offiziere wurden abgesetzt. Sechsundfünfzig von ihnen haben jetzt gegen dies Verfahren protestirt.</p> <p>‒ Ueber den Zug nach dem Luxemburg am 22. erfahren wir noch folgenden Details:</p> <p>Die Arbeiter waren heute (22.) Morgen um 9 Uhr auf verschiedenen Löhnungsplätze berufen, um befragt zu werden, ob sie sich dem Dekret unterwerfen wollten das sie unter dem Vorwande der Urbarmachung in die Provinz schickt. Die Arbeiter schickten indeß die Beamten, die diesen Auftrag vollziehen sollten, wieder nach Hause, zogen sich in Massen zusammen und marschirten nach dem Luxemburg. Der Bürger Pujol den sie zur Exekutivkommission schickten, erklärte Hrn. Marie, er werde nicht eher die Wünsche der Arbeiter aussprechen, bis noch vier Delegirte außer ihm gegenwärtig seien. Dies wurde bewilligt, und noch vier Arbeiter kamen. Pujol sprach nun ungefähr Folgendes:</p> <p>„Vor der Revolution des 24. Februar waren die Arbeiter Frankreichs der Willkühr und dem Egoismus der Fabrikanten preisgegeben. Um sich dieser vernichtenden Ausbeutung zu entziehen, vergossen die Arbeiter ihr Blut und stürzten die bestochene Herrschaft, die eine solche Knechtung duldete. Die Pariser Arbeiter stiegen erst von den Barrikaden herab, nachdem sie die demokratisch-sociale Republik proklamirt hatten, die dieser Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ein Ende machen sollte. Heute aber sind die Arbeiter vollständig einig darüber, daß sie durch lügnerische Versprechungen hingehalten wurden, daß die Gewalt des Säbels sie nochmals unter ein solches Knechtungssystem bringen will. Sie sind aber entschlossen, nochmals Opfer zu bringen für die Erhaltung der Freiheit. Sie haben vor allen Dingen verlangt, daß <hi rendition="#g">Werkstätten</hi> für <hi rendition="#g">alle Arten der Arbeit</hi> errichtet werden, die den Arbeitern während der stillen Geschäftszeit zur Zuflucht dienen. Von dem Allen ist aber nichts geschehen, und wir sehen nur zu klar, wohin man uns führen will. Aber wir warnen die Regierung.“</p> <p>Herr Marie antwortete mit einiger Gereiztheit: „die Arbeiter, welche sich dem Dekret nicht unterwerfen wollten, würden <hi rendition="#g">durch Gewalt weggebracht werden.“</hi></p> <p>Zu Pujol sagte er: „Wir kennen Sie, wir haben ein Auge auf Sie; Sie haben mit mir parlamentirt nachdem Sie zuerst das Gitter der Nationalversammlung überstiegen hatten.“ Die vier andern Delegirten behandelte er als die Sklaven Pujols, weil sie mit diesem sympathisirten. Pujol antwortete: Bürger-Repräsentant, Sie beleidigen Bürger, die mit einem ganz ebenso heiligen Charakter bekleidet sind, wie die Volksrepräsentanten. Wir ziehen uns zurück mit der festen Ueberzeugung, daß Sie die Organisation der Arbeit und die Wohlfahrt des arbeitenden Volks nicht wollen, und daß Sie in keiner Weise dem blinden Vertrauen entsprochen haben, das wir in Sie setzten. Wir werden öffentlich über Ihren schlechten Empfang Rechenschaft ablegen und beweisen, wie bald Sie die Leute vergessen haben, welche Sie auf den Schild hoben.</p> <p>Die Arbeiter traten dann auf dem Platz Saint Sulpice zusammen und Pujol stattete Bericht ab über den feindseligen Empfang des Herrn Marie. Die entrüsteten Arbeiter beschlossen, die übrigen Anondissements davon zu benachrichtigen, damit alle Arbeiter sich vereinigen könnten, eine Maßregel zu vereiteln, die zum Zweck hat, sie zu zersplittern und ohnmächtig zu machen.</p> <p>Herr Marie soll den Delegirten buchstäblich gesagt haben: <hi rendition="#g">„Man hat Euch den Kopf verdreht, es ist das System von Louis Blanc, aber wir wollen nichts davon wissen!</hi></p> <p>‒ Folgendes sind die Aechtungsbriefe, die an die Arbeiter der Nationalateliers erlassen sind. Wir führen buchstäblich an:</p> <p>„Die Bezirksführer sind aufgefordert, jeder den fünfzigsten Theil seines Effektivbestandes heute Abend drei Uhr in die Reitbahn zu schicken.</p> <p rendition="#et"> <hi rendition="#g">Lalanne.“</hi> </p> <p>„P. S. Es handelt sich um die Abmärsche, die heute, morgen und übermorgen stattfinden sollen. Ich werde selbst mit den Freiwilligen sprechen, die sich melden werden. ‒ Die Regierung <hi rendition="#g">will,</hi> daß diese Abmärsche stattfinden. Ihr Wille muß unbedingt heute noch ausgeführt werden. Ich werde dafür sorgen.</p> <p rendition="#et"> <hi rendition="#g">Lalanne.“</hi> </p> <p>Wie erbaulich, vier Monate nach der Februarrevolution! Die Regierung <hi rendition="#g">will,</hi> und ohne Umstände sollen die Arbeiter wie Soldaten, hierhin und dahin geschickt werden! Herr Lalanne wird dafür sorgen!</p> <p>Auf dergleichen Zumuthungen gibt es keine andre Antwort als Flintenschüsse.</p> <p>‒ Ein Arbeiter schreibt der „Vraie Republique“: „Es ist jetzt gewiß. Alle Prinzipien der Februarrevolution hat man verletzt, und jetzt will man den Arbeitern den Garaus machen. (on veut en finir avec les travailleurs.)“</p> <p>Derselbe Arbeiter erzählt, daß Arbeiter, die in die Provinz zu den dortigen Nationalwerkstätten geschickt waren, dort so schlechten Lohn fanden, daß sie ihn nicht annehmen konnten, und ihren Unterhalt, während des Rückmarsches, erbetteln mußten. In Amiens seien die Gemeindewerkstätten ebenfalls aufgelöst, und man zwinge die Arbeiter, bei den <hi rendition="#g">Meistern</hi> zu 75 Cent. (6 Sgr.) per Tag Arbeit zu nehmen ‒ d. h. zu weniger als der Hälfte, ja zu 1/3 des Lohns <hi rendition="#g">vor</hi> der Februarrevolution!</p> <p>‒ Man hat an allen Straßenecken von Paris die Ernennung des Generals Cavaignac zum Generalkommandanten aller Truppen von Paris angeschlagen. Auf allen diesen Plakaten stand groß gedruckt: <hi rendition="#g">Obèissance ‒ Force, Gehorsam ‒ Gewalt.</hi></p> <p>‒ Der Repräsentant Goudchaux, erster Finanzminister nach dem 24. Februar, hat in der Sitzung der Kammer vom 15. Juni folgende Worte gesprochen: „Vor Allem, <hi rendition="#g">macht die National-Ateliers verschwinden.</hi> (Sehr gut!) Die National-Ateliers bestehen aus verschiedenen Sorten von Leuten. Es sind darin zuerst die Arbeiter die in ihre alten Werkstätten zurückkehren können, dann diejenigen die nie Arbeiter waren und die man dahin schicken mußte wohin sie gehören (auf die Galeeren natürlich). Was haben die National-Ateliers hervorgebracht? Etwas ganz Beispielloses, nämlich <hi rendition="#g">Arbeiter</hi> die aufgehört haben ehrlich zu sein.“</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0127/0003]
selbst das Kanonenfeuer kommandirt hätten. Auch das Pferd, worauf der Republikaner N. (Lucian) Bonaparte an der Seite Lamartine's saß, wurde am Schenkel verwundet. Duclerc, Finanzminister, erscheint plötzlich im Saale mit Hut, Stock und Schärpe und erzählt der Versammlung die erlebten Vorgänge des Nachmittags mit der Versicherung, daß man noch in dieser Nacht mit der Emeute fertig werde. Die Versammlung war so beruhigt, daß sie Senard fragte, ob sie im Eisenbahngesetz fortfahren werde? Caussidiere fand dies empörend und schlug der Versammlung vor, sie solle lieber sich in Fackelzug zu den Barrikaden begeben und das Volk beschwichtigen. Die Versammlung ging darauf nicht ein, sondern hob die Versammlung bis 11 Uhr auf, wo sie ganz bestimmte Berichte von ihren Generälen Bedeau und Lamoriciere vermuthete, die ihnen das Ende der Emeute anzeigen würden. Um diese Stunde hörte sie einen Bericht Garnier-Pages über die Lage von Paris an, der aber ebenso falsch ist wie die vorherigen, weil er wie sie alle den Sieg für das nächste Frühstück versprach und nicht Wort hielt. Degoussée, einer der bornirtesten Menschen in der ganzen Versammlung, die ihn deshalb zum Quästor machte, trug auf Verhaftung sämmtlicher ultra-demokratischer Redakteure der Volksblätter, namentlich der „Organisation der Arbeit“ an. Er fiel jedoch vorläufig damit durch und die Versammlung trennte sich um Mitternacht.
Sitzung vom 24. Juni.
Ungeachtet der Permanenzerklärung wurde die Sitzung erst um acht Uhr wieder aufgenommen. Die ganze Gegend gleicht einem Kriegslager. Vom Pont St. Michel und dem Pantheon her hört man Kanonenschüsse. Präsident Senard gibt einen kurzen Bericht über die Ereignisse der Nacht. Einige Barrikaden seien wieder aufgebaut worden, indessen habe der Obergeneral so vortreffliche militärische Maßregeln getroffen, daß binnen wenigen Stunden die Faubourgs St. Jacques und St. Antoine gereinigt sein würden. Die Bürgerwehr der umliegenden Städte eile mit Eifer herbei, um ihren Kameraden der Bürgerwehr und des Heeres im Kampfe gegen die Emeutiers beizustehen. Ich schlage Ihnen darum vor, diesen Eifer nicht blos mit hohlen Dankesworten zu erwidern, sondern trage vielmehr darauf an, alle Wittwen und Kinder der in diesem Kampf Fallenden zu adoptiren (Ja, Ja! Stimmen wir sofort). Leon Faucher hat mir zu diesem Zweck bereits einen Antrag überreicht. Dieser Antrag: „Der Staat adoptirt die Kinder und Wittwen aller derjenigen Nationalgardisten, die am 23. Juni oder an den darauf folgenden Kämpfen für die Freiheit sterben,“ wurde mit Emsigkeit angenommen. St. Georges bittet die Versammlung, seine Abwesenheit zu entschuldigen. Sein Sohn sei gestern in den Reihen der Bürgerwehr stark verwundet worden, er müsse ihn pflegen. Bei dieser Gelegenheit erfährt die Versammlung daß derselbe noch nicht todt, sondern auf dem Wege der Besserung. Eine Kugel fuhr durch seine Brust, ohne Herz und Lunge zu beschädigen, daher ihn die Aerzte, wie Bastide versichert, noch retten würden. Clement Thomas ist nicht schwer verwundet, ebenso General Bedeau nicht; dagegen liegt Dornes, Redakteur des „National“, lebensgefährlich darnieder. Die Geschlechtstheile wurden ihm weggeschossen und er hat sich einer schwierigen Amputation unterziehen müssen. Hiernächst wurde die Sitzung um 9 Uhr suspendirt. Ein halbe Stunde später erklärte sie Corbon, Vicepräsident, wieder eröffnet. Senard ersetzte ihn jedoch bald wieder und zeigte der Versammlung an, daß mehr als 5 Glieder laut des Reglements darauf antrügen, die Versammlung möge sich als Geheimen Ausschuß erklären und die öffentlichen Tribünen räumen lassen, da ein wichtiger Antrag verhandelt werden solle. Allgemeine Spannung. Das Reglement schreibt vor, daß sofort durch Sitzenbleiben und Aufstehen darüber abgestimmt werden solle, ob die Versammlung sich geheim erkläre? Der Präsident läßt abstimmen, und die Mehrheit erhob sich gegen das Geheimniß. (Erstaunen.) Pascal Duprat, bekannt durch seine Protestation gegen die Zeitungs-Kautionen, erhielt das Wort. In den gegenwärtigen Umständen, begann er, sei es wich tig, an der Spitze des Staates eine starke Hand (pouvoir) zu haben. Ich schlage der Versammlung folgenden Gesetzentwurf vor:
Art 1. Paris ist in Belagerungszustand versetzt. Art 2. Alle Staatsgewalten sind in die Hände des Generals Cavaignac gelegt. (Lärm. Fürchterlicher Tumult.) Dupin sen. schreit: Das ist die Diktatur!
Larabit: Der Belagerungszustand löst die Macht der Versammlung auf. (Tumult.) Seid ihr Alle einverstanden, daß Eure Macht in die Hände der Militärgewalt übergehe.“ (Lärm.) Antoni Thouret: Der General Cavaignac kann nur die Vollziehungsgewalt üben. Ich schlage vor am Kopf des Dekrets zu erklären, daß die Nationalversammlung zu berathen fortfahre und in Permanenz bleibe. (Jawohl. Das versteht sich von selbst.) Bougeard liest einen andern Dekretentwurf, der 1. Paris in Belagerungszustand erklärt; 2. den Sturz des Vollziehungsausschusses ausspricht; 3. das Ministerium provisorisch beibehält.
Bastide, Minister des Auswärtigen: Beeilen Sie sich mit Ihren Berathungen, Bürger! In einer Stunde befindet sich das Hotel de Ville wahrscheinlich schon im Besitz der Insurgenten! (Exklamation der Ueberraschung). Präsident Senard liest die neue Redaktion des Gesetzvorschlags: Art. 1. Die Nationalversammlung berathet und bleibt in Permanenz. Art. 2. Paris ist in Belagerungszustand erklärt. Art. 3. Alle vollziehende Staatsgewalt ist dem General Cavaignac übertragen. (Angenommen!) Jules Favre: Ich schlage folgenden Zusatz vor: „Der Vollziehungsauschuß legt augenblicklich seine Amtsthätigkeit nieder.“ (Aufregung). Duclerc, Finanzminister: Es handelt sich, Bürger, um eine Maßregel des öffentlichen Wohles. Ich möchte keinen Groll in Ihren Votums ausgesprochen sehen. Präsident: „Ich bringe den Zusatz zur Abstimmung.“ (Tiefe Stille.) Der Zusatz wird mit einer schwachen Mehrheit verworfen. Die Versammlung wollte den Männern, die gestern noch der Todesgefahr trotzten, keinen Stein als Dank nachwerfen.
Senard lenkte die Aufmerksamkeit noch auf eine andere Maßregel der Verzweiflung. Causidière und einige Andern hatten nämlich gestern den Vorschlag gemacht, sich in Person zu den Barrikaden zu begeben und sie an der Spitze von Bürgerwehr und Truppenkorps anzureden. Dieser Vorschlag war verworfen worden. Der Platz der Abgeordneten sei in diesem Saale und nicht vor den Barrikaden, hatte man gerufen und den Antrag abgewiesen. Neue Anerbietungen seien indessen gemacht worden und wenn die Versammlung einwilligt, daß sich einige ihrer Glieder auf die Kampfplätze begeben. (Ja, ja, Alle, Alle!) Stimme: Ich widersetzte mich gestern diesem Vorschlage und widersetze mich ihm noch. Begäben sich hiezu Mitglieder dahin, so wollten sie Alle begleiten. Zuletzt würde Niemand auf diesen Bänken sein. Darum trage ich an, 60 Glieder durch das Loos zu bestimmen. Dem Präsident scheint dieser Weg zu blind, es seien gewisse Rücksichten der Persönlichkeit, des Sprechens, des Alters zu nehmen, er lade daher, die Versammlung ein, sich in ihre Abtheilungen zu begeben und selbst die 60 zu bestimmen. Der Berg (Louis Blanc, Considerant, Lagranze etc.) protestiren gegen diese Abgeordnenschaft. „Wir wollen keine Gliedrr einrs Martialgesetzproklamirungsausschusses sein, riefen sie und blieb n im Saale, während die andern in die Abtheilung gingen. Die Sitzung ist suspendirt.
Eine Viertelstunde später wird sie wieder aufgenommen und der Präsident liest ein Schreiben vor, worin der Vollziehungs-Ausschuß sein Amt niedergelegt.
Bis 4 Uhr boten die Neuigkeit keine weitere Interesse. In der Kanonade ist eine Pause eingetreten.
Von Börsengeschäften keine Rede. 5 Uhr.
‒ Gestern verkündete man hier von der Tribüne herab, daß der Sklavenkrieg unsere Kolonien verwüste. Heute ist der sociale Krieg zu Paris. Zu Martinique haben sie sich geschlagen, Schwarze und Weiße, Herren und Sklaven, weil die Revolution die Sklaverei nicht abgeschafft. Mensch gegen Mensch, was liegt an der Farbe?
Zu Paris haben sie sich geschlagen, die Rothen und die Weißen, die Proletarier und die Conservateurs, weil die Revolution das Proletariat nicht abgeschafft hat. Büger gegen Bürger, was liegt an der Klasse?
Der soziale Krieg, da ist er mit allen seinen Schrecken! Wagt nicht zu sagen, das furchtbare Unglück sei provozirt durch die Verschwörer, die Anarchisten, die Wühler, die Revolutionäre von Profession, wie man die erprobten Republikaner nennt, die unter dem ancien regime gekämpft haben. Es ist das Volk der Arbeiter ein Volk neu in unseren bürgerlichen Zwisten, das Volk auf die Straßen geworfen durch die Frage der Arbeit, der Familien, der Existenz. Es ist die soziale Oekonomie, die in Frage steht, wie es auf eurer Tribüne ein Repräsentant der Proletarier aussprach. Erblickt ihr nicht mitten durch den Pulverdampf hindurch die Lyoner Fahne von 1838. vivre en travaillant ou mourir en combattant. Arbeit und leben oder kämpfen und sterben?
Und wer ist verantwortlich für dies furchtbare Gemetzel?
Auf wen denn wälzten unsre Minister von heute und unsre fünf Könige und alle unsre neuen Herrscher das Blut von St. Alèry, der Straße Transuoaine und der Barrikaden von 1830 und 1848!
Auf die Bourbonen oder die Orleans, auf Polignac oder auf Guizot, auf die Unterdrücker des Vaterlandes.
Wem also den socialen Krieg zuschreiben der Paris verheert!
Muß man sie rein waschen Polignac und Marmont von dem im Juli vergoßenen Blut, Thiers und Bougeaud von den Metzeleier der Rue Transnonaine Louis Philippe vor dem im Juni, im April, im Mai und im Februar vergossenen Blut!
Oder muß man vielmehr auch die Macht des Tages anklagen für das Unglück des Tages!
Während des Monats, wo das Volk Herr der Revolution war, hatte die Republik nicht zu seufzen über blutige Zwiste, wie die von Rouen, Eboeuf, von Limoges, von Clermont, von Troyes, von Toulouse, von Guèret, von Paris. (la Vraie Rèpublique.)
16 Paris, 24. Juni. Der Bürgerkrieg ist ausgebrochen; die Nationalgarde in Uniform schlägt sich gegen die Nationalgarde in Blouse. Das Linienmilitär ist ganz für die Bourgeois; die Mobilgarde meistentheils (nur einige Kompagnieen haben gestern mit dem Volk auf der Barrikade fraternisirt), die Republikanergarde ist uneins, eine Kompagnie ist mit dem Volke zusammen auf der Barrikade der Cité massakrirt worden, andre Kompagnieen haben zwar vive la République démocratique et sociale gerufen, dem Barrikadenbau ruhig zugeschaut, aber nicht weiter fraternisir. Offiziere dieser Garde und der Nationalgarde sah man in der Straße St. Jacques Barrikaden machen. In diesem Augenblick erschallt Kanonendonner, wenigstens zum vierten Mal seit gestern; die Barrikaden werden mit größerer Sachkenntniß als im Februar gebaut, und General Cavaignac hat nur unter der Bedingung das Kommando aller Streitkräfte gestern übernommen, daß man ihm völlig freie Hand lasse. Artilleristen und Pferde stürzen wie in der Feldschlacht; gefochten wurde und wird vom Platz Lafayette, am Nordbahnhof, durch die ganze östliche Hälfte bis in die Straße Mouffetard am Pflanzengarten. Die westliche kleinere Hälfte ist, namentlich um die National-Assemblée herum, in ein komplettes Heerlager verwandelt; die Cirkulation ist überall gehindert und alle Läden in allen Straßen sind geschlossen. Es sind mehr Menschen gefallen als im Februar. Grundzug dieses Straßenkrieges ist der totale Mangel eines Parteikampfrufes; man hört hie und da auf den Barrikaden die Republik rouge oder Barbes hoch leben lassen, seltener Napoleon II. oder donnez du travail schreien, aber dies ist vereinzelt; ebenso schreit die Nationalgarde und Linie wenig oder nichts. Im Februar war das anders. Gesungen wird jetzt auch nichts, während im Februarkampf überall die Marseillaise und das Lied der Girardins ertönten. Man würgt sich schweigend und mit wildem Grimm. Grisetten sind mit der Fahne auf die Barrikade gestiegen und haben den Tod durch die Kugeln der Nationalgarde gefunden; Frauen halfen Steine tragen und wurden in der Barrikade der Straße St. Jacques kämpfend gefunden. Den Anlaß zu diesem jetzt bereits vierundzwanzigstündigen Abschlachten gab ein Befehl des Ministers der öffentlichen Arbeiten, Trelat, früher Arzt am weiblichen Irrenhospital Salpetrière, einer der sogenannten klassischen Republikaner alten Schrot und Korns, von dem man früher sagte: wäre er bei der Unterredung Jesu mit der Ehebrecherin zugegen gewesen, er würde selber den ersten Stein trotz Jesu geworfen haben. Dieser Herr Trelat wollte 3000 Arbeiter des Nationalateliers militärisch brigadirt nach der Sologne, vielleicht späte nach Algier zur Kolonisirung absenden. Obschon viele Unzufredenheit wegen der ziemlich moskowitischen Manier des Ministers unter ihnen herrschte, marschirten sie vorgestern doch marschfertig zum Thore, fanden dort aber nichts für ihre Weiterbeförderung bereit, und kehrten wüthend über diese Mißhendlung um. Seit dem beschlossen sie lieber allrs zu riskiren, als sich von Paris entfernen zu lassen. Es ist übrigens positiv, daß sie vor mehreren Wochen unter anständigen Garantien sich gerne zur Kolonisation (mit Frauen) in der Sologne oder Champagne, ja selbst Algier, bequemt haben würden. Aber jetzt sagten sie zu Arago, der eine Barrikade besuchte: „Bürger Arago, Sie sind ein guter Mann, wir lieben Sie, doch man hat uns zu oft getäuscht, um jetzt noch Ihnen zu glauben,“ und Arago sah sich genöthigt, das Feuer auf dieser Schanze zu kommandiren. Ebenso Lamartine an einer andern, nachdem auch seine Versöhnungsversuche gescheitert. In diesem Augenblicke ist, wie es heißt, der gestern schon mit dem Generalkommando aller Truppen und Garden bekleidete Kriegsminister Cavaignae zum Diktator von der Assemblée ernannt und die Kommission der Fünf kassirt worden. Man spricht von baldiger Conzentrirung der Polizeigewalt und Munizipalmacht in Händen Armand Marrasts. Ich schreibe dies um 10 Uhr früh in dem Cafe d'Orsay am Pont national; in der Ferne kracht das schwere Geschütz gegen die Pflastersteine der Cité und Straße St. Jaques; eine Schwadron Kürrassiere reitet den Säbel schwingend über den Quai und wird von der Nationalgarde am Eingang der Straße du Bac jubelnd begrüßt. So eben ward berichtet, die Redakteurs von vier Volksjournalen, unter ihnen die der „Organisation du Travail“ wären Nachts verhaftet und in brutalster Weise sei bei ihnen Haussuchung gehalten worden. Die Pariser Kerker sind bald ganz gefüllt von armen Teufels, denen nicht verziehen wird, nach dem Ueberfluß der reichen Götter die grimmige Faust drohend erhoben zu haben; neben mir erzählen so eben zwei „Lions“ die abgedroschene Anekdote zum hundetrsten Male: die Adjudanten des Barbés hätten ihm in der Kammer am 15. Mai zugerufen, er solle nur zwei Stunden Plünderung erlauben.
Paris, 22. Juni. (Nachtrag.) Wir tragen unsern Lesern noch einige Thatsachen nach, die über die Veranlassung der Revolution Aufklärung geben.
‒ Man liest im Moniteur: „Die vollziehende Kommission hat Befehl gegeben, daß von morgen an in den National-Ateliers die Rekrutirung beginnt. Man erinnert sich, daß neulich ein Beschluß der vollziehenden Kommission vorschrieb, die Arbeiter von 17 bis zu 25 Jahren sollen in die Armee treten oder wenn sie sich weigern, aus den National-Ateliers entfernt werden. Man hat diese Maßregel bis jetzt aufgeschoben, um allen jungen Arbeitern die Zeit zu lassen, ihre Wahl mit der nöthigen Reife zu treffen.“
Die fünf regierenden Herren verlangten also, die Arbeiter sollten sich auf acht Jahre in die Armee stellen lassen oder verhungern! Schöner Vorschlag der reinen „Republikaner“!
‒ Man erinnert sich daß die von Caussidiere gebildete republikanische Garde nach dem 15. Mai von der Fünferkommission reorganisirt wurde. Man hatte nicht den Muth, die 2500 entschlossenen alten Republikaner, aus den ehemaligen geheimen Gesellschaften der Arbeiter, auf's Pflaster zu werfen; man setzte bloß ihre Offiziere ab, die alle ehemalige Sektionschefs dieser geheimen Gesellschaften waren. Und wem wurde diese Reinigung der republikanischen Garde übertragen? Den Henkersknechten Louis Philipps, den Offizieren der alten Munizipalgarde und Gensdarmerie. Diese Edlen sassen in der Kommission die über die zu entfernenden Offiziere und ihre Ansprüche auf Entschädigung urtheilten. Diese Edlen genirten sich gar nicht sich selbst die besten Posten zuzusprechen. Ueber hundert der alten Offiziere wurden abgesetzt. Sechsundfünfzig von ihnen haben jetzt gegen dies Verfahren protestirt.
‒ Ueber den Zug nach dem Luxemburg am 22. erfahren wir noch folgenden Details:
Die Arbeiter waren heute (22.) Morgen um 9 Uhr auf verschiedenen Löhnungsplätze berufen, um befragt zu werden, ob sie sich dem Dekret unterwerfen wollten das sie unter dem Vorwande der Urbarmachung in die Provinz schickt. Die Arbeiter schickten indeß die Beamten, die diesen Auftrag vollziehen sollten, wieder nach Hause, zogen sich in Massen zusammen und marschirten nach dem Luxemburg. Der Bürger Pujol den sie zur Exekutivkommission schickten, erklärte Hrn. Marie, er werde nicht eher die Wünsche der Arbeiter aussprechen, bis noch vier Delegirte außer ihm gegenwärtig seien. Dies wurde bewilligt, und noch vier Arbeiter kamen. Pujol sprach nun ungefähr Folgendes:
„Vor der Revolution des 24. Februar waren die Arbeiter Frankreichs der Willkühr und dem Egoismus der Fabrikanten preisgegeben. Um sich dieser vernichtenden Ausbeutung zu entziehen, vergossen die Arbeiter ihr Blut und stürzten die bestochene Herrschaft, die eine solche Knechtung duldete. Die Pariser Arbeiter stiegen erst von den Barrikaden herab, nachdem sie die demokratisch-sociale Republik proklamirt hatten, die dieser Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ein Ende machen sollte. Heute aber sind die Arbeiter vollständig einig darüber, daß sie durch lügnerische Versprechungen hingehalten wurden, daß die Gewalt des Säbels sie nochmals unter ein solches Knechtungssystem bringen will. Sie sind aber entschlossen, nochmals Opfer zu bringen für die Erhaltung der Freiheit. Sie haben vor allen Dingen verlangt, daß Werkstätten für alle Arten der Arbeit errichtet werden, die den Arbeitern während der stillen Geschäftszeit zur Zuflucht dienen. Von dem Allen ist aber nichts geschehen, und wir sehen nur zu klar, wohin man uns führen will. Aber wir warnen die Regierung.“
Herr Marie antwortete mit einiger Gereiztheit: „die Arbeiter, welche sich dem Dekret nicht unterwerfen wollten, würden durch Gewalt weggebracht werden.“
Zu Pujol sagte er: „Wir kennen Sie, wir haben ein Auge auf Sie; Sie haben mit mir parlamentirt nachdem Sie zuerst das Gitter der Nationalversammlung überstiegen hatten.“ Die vier andern Delegirten behandelte er als die Sklaven Pujols, weil sie mit diesem sympathisirten. Pujol antwortete: Bürger-Repräsentant, Sie beleidigen Bürger, die mit einem ganz ebenso heiligen Charakter bekleidet sind, wie die Volksrepräsentanten. Wir ziehen uns zurück mit der festen Ueberzeugung, daß Sie die Organisation der Arbeit und die Wohlfahrt des arbeitenden Volks nicht wollen, und daß Sie in keiner Weise dem blinden Vertrauen entsprochen haben, das wir in Sie setzten. Wir werden öffentlich über Ihren schlechten Empfang Rechenschaft ablegen und beweisen, wie bald Sie die Leute vergessen haben, welche Sie auf den Schild hoben.
Die Arbeiter traten dann auf dem Platz Saint Sulpice zusammen und Pujol stattete Bericht ab über den feindseligen Empfang des Herrn Marie. Die entrüsteten Arbeiter beschlossen, die übrigen Anondissements davon zu benachrichtigen, damit alle Arbeiter sich vereinigen könnten, eine Maßregel zu vereiteln, die zum Zweck hat, sie zu zersplittern und ohnmächtig zu machen.
Herr Marie soll den Delegirten buchstäblich gesagt haben: „Man hat Euch den Kopf verdreht, es ist das System von Louis Blanc, aber wir wollen nichts davon wissen!
‒ Folgendes sind die Aechtungsbriefe, die an die Arbeiter der Nationalateliers erlassen sind. Wir führen buchstäblich an:
„Die Bezirksführer sind aufgefordert, jeder den fünfzigsten Theil seines Effektivbestandes heute Abend drei Uhr in die Reitbahn zu schicken.
Lalanne.“
„P. S. Es handelt sich um die Abmärsche, die heute, morgen und übermorgen stattfinden sollen. Ich werde selbst mit den Freiwilligen sprechen, die sich melden werden. ‒ Die Regierung will, daß diese Abmärsche stattfinden. Ihr Wille muß unbedingt heute noch ausgeführt werden. Ich werde dafür sorgen.
Lalanne.“
Wie erbaulich, vier Monate nach der Februarrevolution! Die Regierung will, und ohne Umstände sollen die Arbeiter wie Soldaten, hierhin und dahin geschickt werden! Herr Lalanne wird dafür sorgen!
Auf dergleichen Zumuthungen gibt es keine andre Antwort als Flintenschüsse.
‒ Ein Arbeiter schreibt der „Vraie Republique“: „Es ist jetzt gewiß. Alle Prinzipien der Februarrevolution hat man verletzt, und jetzt will man den Arbeitern den Garaus machen. (on veut en finir avec les travailleurs.)“
Derselbe Arbeiter erzählt, daß Arbeiter, die in die Provinz zu den dortigen Nationalwerkstätten geschickt waren, dort so schlechten Lohn fanden, daß sie ihn nicht annehmen konnten, und ihren Unterhalt, während des Rückmarsches, erbetteln mußten. In Amiens seien die Gemeindewerkstätten ebenfalls aufgelöst, und man zwinge die Arbeiter, bei den Meistern zu 75 Cent. (6 Sgr.) per Tag Arbeit zu nehmen ‒ d. h. zu weniger als der Hälfte, ja zu 1/3 des Lohns vor der Februarrevolution!
‒ Man hat an allen Straßenecken von Paris die Ernennung des Generals Cavaignac zum Generalkommandanten aller Truppen von Paris angeschlagen. Auf allen diesen Plakaten stand groß gedruckt: Obèissance ‒ Force, Gehorsam ‒ Gewalt.
‒ Der Repräsentant Goudchaux, erster Finanzminister nach dem 24. Februar, hat in der Sitzung der Kammer vom 15. Juni folgende Worte gesprochen: „Vor Allem, macht die National-Ateliers verschwinden. (Sehr gut!) Die National-Ateliers bestehen aus verschiedenen Sorten von Leuten. Es sind darin zuerst die Arbeiter die in ihre alten Werkstätten zurückkehren können, dann diejenigen die nie Arbeiter waren und die man dahin schicken mußte wohin sie gehören (auf die Galeeren natürlich). Was haben die National-Ateliers hervorgebracht? Etwas ganz Beispielloses, nämlich Arbeiter die aufgehört haben ehrlich zu sein.“
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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