Neue Rheinische Zeitung. Nr. 19. Köln, 19. Juni 1848.Wien, 14. Juni. Die Wiener Zeitung enthält folgende zwei Kaiserliche Erlasse : In Erwägung der dringenden Umstände, durch welche Unser Ministerrath zu den einstweiligen, in den Cirkulavien Unserer niederösterreichischen Landes-Regierung vom 22. Mai 1848 enthaltenen Verfügungen über die Verwechselung der Noten der Oesterreichischen Nationalbank und deren Verwendung als Zahlungsmittel bestimmt wurde, haben Wir Uns bewogen gefunden, dieen Verfügungen nachträglich Unsere landesfürstliche Genehmigung zu ertheilen. Hiernach ist die Nationalbank nebst der in der Verwechselung ihrer Noten in Silbergeld eingetretenen Einschränkung berechtigt, Noten zu einem und zwei Gulden auszugeben. Ferner ist Jedermann gehalten, die Noten der priviligirten österreichischen Nationalbank bei allen Zahlungen nach ihrem vollen Nennwerthe anzunehmen. Wenn jedoch die Zahlung in Gold- oder in ausländischen Silbermünzen gebühret, so ist sie, nach der Wahl des Schuldners, in diesen Münzen oder nach dem Werthe der letzteren, wie er zur Zeit der Zahlung besteht, in Banknoten zu leisten. Die Bestimmungen über der Beschränkung der Notenverwechselung gegen Silbergeld und über die Verwendung der Banknoten zu Zahlungen haben nur einstweilen und so lange die gegenwärtigen außerordentlichen Umstände dauern zu gelten. Sollten die Bestimmungen nicht vor dem Zusammentritte des ersten Reichstages außer Anwendung gesetzt werden, so machen Wir es Unserem Ministerium zur besonderen Pflicht, dem gedachten Reichstage die entsprechenden Gesetze zur Feststellung dieser wichtigen Angelegenheit in Vorschlag zu bringen. Gegeben in unserer Kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien am zweiten Juni im Eintausend achthundert acht und vierzigsten, Unserer Reiche im vierzehnten Jahre. Ferdinand. Sammaruga, Krauß, Justizminister. Finanzminister." "Wir Ferdinand der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich etc. Ueber den Antrag Unserer getreuen Stände des Erzherzogthums Oesterreichs ob der Enns und nach dem Vorschlage Unseres Ministerrathes haben Wir in der Absicht, Unseren Unterthanen jede mit dem Schutze des Eigenthumsrechtes vereinbare Erleichterung zu gewähren, beschlossen : Erstens. Mit dem letztem Dezember 1848 hat an die Stelle aller auf Grund und Boden haftenden, aus dem Obereigenthums- oder Zehentrechte entspingenden, so wie der denselben verfassungsmäßig gleichgehaltenen Natural- und Arbeits-Leistungen, eine Geldentschädigung zu treten. Zweitens. Diese Geldentschädigung wird durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden, welches von den ob der ennsischen Ständen unter Beiziehung der nicht landständischen herrschaftlichen Gutsbesitzer und Abgeordneten dem Bauernstande in Vorschlag zu bringen ist. Drittens. Inzwischen und bis zum Eintritte der Wirksamkeit dieses Gesetzes ist es den Bezugsberechtigten und Verpflichteten überlassen, sich im gütlichen Wege darüber auszugleichen, ob diese Schuldigkeiten für das Jahr 1848 in natura geleistet, oder welche Reluition dafür gezahlt werden soll. Wenn keine solche Ausgleichung zu Stande kommt, so bleibt dem Berechtigten sein Anspruch auf Entschädigung nach Maßgabe des zu zweitens angedeuteten Gesetzes vorbehalten. Viertens. Alle zwischen den Berechtigten und Verpflichteten bezüglich der Umwandlung der Natural-Giebigkeiten in Geldleistungen schon bestehenden Verträge bleiben fortan aufrecht. Fünftens. Die durch die Ablösung der bisherigen Lasten durch den Erlag eines Kapitals herbeigeführte Erhöhung des Gutswerthes darf bei künftiger Bemessung des Freigeldes in keinem Falle in Anschlag gebracht werden. Sechstens. Alle an die Behörden in dieser Angelegenheit gerichteten Eingaben, dann die von denselben ausgehenden und abverlangten Urkunden und Verhandlungen haben die Freiheit von Porto, Stempel und Taxen zu genießen. Gegeben in Unserer Kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien, den siebenten Juni im Eintausend achthundert acht und vierzigsten, Unserer Reiche im vierzehnten Jahre. Ferdinand. Se. Majestät der Kaiser hat von Innsbruck aus nachstehende Ansprache an die Bewohner Nieder-Oesterreichs erlassen : "An meine getreuen Nieder-Oesterreicher! Der Besuch bei meinen biederen und treu ergebenen Tyrolern, deren Empfang mir unvergeßlich bleiben wird, hat mir zugleich die erneuerten Beweise der Anhänglichkeit und Treue meiner Provinzen zugeführt. Ich habe solche bereits durch die ihren Abgesandten ertheilten aufrichtigen Versicherungen meiner Huld und Gewogenheit erwiedert will mich aber nicht darauf beschränken, sondern finde mich bewogen, mich durch gegenwärtiges Manifest noch bestimmter und lauter über meine Gesinnungen und Absichten auszusprechen. Die dankbaren Gefühle meiner Völker für die ihnen bereitwillig ertheilten freien Institutionen haben mich deren Werth erst recht erkennen lassen, und ich werde daher an solchen nicht weniger, als meine geliebten Völker selbst festhalten. Sie mögen bauen und vertrauen auf meinen unerschütterlichen Willen einer vollständigen Erfüllung meiner Verheißungen. Allein noch ist das von mir begründete Werk nicht vollbracht; es kann erst durch die kluge und kräftige Mitwirkung der Abgeordneten meines Reiches eine den allgemeinen Interessen entsprechende Wirklichkeit werden. Ich bin zwar den Wünschen meiner Völker nach dem Antrage meiner verantwortlichen Räthe mit den Grundregeln einer Verfassung entgegen gekommen, welche mir den Forderungen der Zeit und den Bedürfnissen der einzelnen Länder meines Kaiserreichs zu entsprechen schien. Dabei war es aber nie meine Absicht, der überwiegenden Meinung meiner Völker Schranken setzen zu wollen, und um diese meine Gesinnung unzweideutig an den Tag zu legen, habe ich mich bewogen gefunden, den ersten Reichstag als einen konstituirenden zuerklären und seiner Natur gemäß die Wahlordnung abzuändern. Diesen konstituirenden Reichstag will ich in meiner Residenzstadt Wien, wo bereits die nöthigen Vorbereitungen getroffen worden sind, eröffnen, wofern daselbst Ruhe und Ordnung, Friede und Versöhnung in jenem Maße hergestellt und verbürgt sein werden, wodurch die zum Reichstag versammelten Abgeordneten bezüglich einer freien und ungestörten Berathung über die künftige Gesetzgebung des Reichs vollkommen beruhigt sein können. Dort hoffe ich diejenigen um mich für die höchsten Interessen des Vaterlandes vereinigt zu sehen, welche mir hierher ihre herzlichen Huldigungen nachgesendet zu haben. Innsbruck, den 6. Juni 1848. Ferdinand. Das Ministerium hat dem Sicherheits-Ausschusse gestern folgende amtliche Mittheilungen gemacht: "Nach einer heute früh durch den Telegraphen angelangten Nachricht aus Prag vom 13. Juni 2 Uhr 45 Minuten hat daselbst eine bedeutende Ruhestörung stattgefunden. Es wurden Barikaden errichtet und die Gewinnung einer Kommunikation mit der Kleinseite leider mit bedeutenden Verlusten an Menschenleben erkauft. Gubernial-Präsident Graf Thun ist im Clementinum festgehalten. Das Ministerium sieht sich veranlaßt, mit einem besondern Terrain einen höher gestellten Civil- und einen Militair-Kommissar nach Prag abzusenden, um über die Veranlassungen und die Zwecke dieser Bewegung nähere Erholungen einzuleiten und die geeigneten Vorkehrungen zur Herstellung der Ruhe und Versöhnung der Gemüther auf friedlichem Wege zu treffen, und setzt sogleich den Sicherheits-Ausschuß hiervon in Kenntniß. Wien, am 13. Juni 1848. Pillersdorff." "Die provisorische Regierung in Prag, welche den Beginn ihrer Wirksamkeit von der Genehmigung des Kaisers abhängig erklärt hatte, wurde gleich, nachdem die Absicht, sie zu errichten, dem Ministerium bekannt geworden war, annullirt und ist nie in's Leben getreten. Wären dessenungeachtet Uebergriffe oder illegale Schritte vorgefallen, so wird das Gubernium nach seiner Pflicht und unter Beobachtung der gesetzlichen Formen gegen die Ueberheber derselben einschreiten. "Die neuesten Ereignisse in Prag, von welchen ich den Sicherheits-Ausschuß, insofern sie mir bekannt waren, unterm heutigen Tage in Kenntniß setzte, haben das Ministerium veranlaßt, zur Erlangung näherer Ausschlüsse zwei Kommissäre mit ausgedehnten Vollmachten nach Prag zu senden. Erst die von ihnen zu gewärtigenden Aufklärungen können die Grundlage zu dem Urtheile liefern, wer an den jedenfalls höchst bedauerlichen Ereignissen Schuld trägt und wen diesfalls eine Verantwortung trifft. Uebrigens finde ich den Sicherheits-Ausschuß über sein Einschreiten vom heutigen Tage aufmerksam zu machen, daß nach meiner erwähnten Mittheilung Graf Thun im Clementinum zu Prag festgehalten wird, welcher Umstand gegen die Vermuthung der Fortdauer der provisorischen Regierung spricht. Wien, den 13. Juni 1848. Pillersdorff." Wien, 13. Juni.
Der Graf Thun ist von den Deutschen gefangen. Ein Theil academischen Legion ist fest entschlossen, heute Abend mit dem Train nach Prag ihren Brüdern zu Hülfe zu eilen. (F. J.)(Siehe den Verfolg auf der 4. Seite.) Französische Republik.
15 Paris, 16. Juni. Louis Bonaparte hat heute der Nationalversammlung seine Demission als Deputirter von London zugeschickt. Aus der Debatte über Algier ersah man, daß das Säbelregiment dort in seiner ganzen Glorie fortdauert und daß die Nationalversammlung sich wenig um die Reklamationen der Kolonisten bekümmert. Am Schlusse der Sitzung protestirte Louis Blanc gegen einen perfiden Ausfall Goudchaux' in der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung. 12 Paris, 16. Juni. Die Diskussion über Algier und dessen Vereinigung mit französischen Gebiete hat weiter geführt, als die republikanische Partei des National es gewünscht haben mochte. Sie hat einem ihrer Männer Goudchaux, Veranlassung gegeben, sich zu kompromittiren, und einem ihrer Gegner, Pierre Leroux, "dem Communisten", erlaubt, sein "System' an's Tageslicht zu fördern. Pierre Leroux, ungeachtet aller seiner banalen Phrasen über Providenz, über Erlösung der Menschheit, über Nutzawendung der republikanischen Formel von fraternite, liberte und egalite, hat doch der Versammlung seine Ueberlegenheit dadurch bekundet, daß er die spezielle Frage Algiers in eine allgemeine soziale Frage umgewandelt. So lange er sich an der Auseinandersetzung des jetzigen Elends hielt, war er der Versammlung gegenüber ungemein stark; und selbst als er in die Andeutungen der Lösung überging, als er von der Kolonisation sprach, als Mittel das Elend und die Zwietracht zu beseitigen, war er noch immer der jetzigen Versammlung überlegen, obgleich er der ganzen proletarischen Bewegung gegenüber, wie sie in ganz Europa stattfindet, den Karakter des sentimentalen Schwärmers trägt, desjenigen Schwärmers, der von einer "Verwirklichung des Christianismus" träumt. Dagegen muß man sich allgemein empört fühlen über Goudchaux Erwiederung. Die Menschlichkeit hat noch nicht ihr letztes und die Februarrevolution noch nicht ihr erstes Wort gesprochen. Warum waren vor der Februarrevolution die Arbeiter in einer schlechten Lage? Weil die Fabrikgerichte nicht unparteiisch zu Werke gingen. Warum sind die Arbeiter jetzt in einer so schlechten Lage? Weil die Nationalateliers da sind, wodurch die Arbeiter unmoralisch gemacht werden. Vor der Februarrevolution, meint er, seien die Arbeiter die ehrlichsten, arbeitsamsten Leute von der Welt gewesen : da seien auf einmal unheilvolle Lehren unter ihnen verbreitet worden, und jetzt mache man es sich allgemein zur Pflicht, die Hände in den Schoß zu legen. Goudchaux schließt damit, daß man auf Mittel sinnen müsse, den Arbeitern, die sich associrten, Kredit zu verschaffen. Wie wir sehen, war man von der algierschen Frage ungemein abgeschweift. Was nun Algier insbesondere anbetrifft, so war dieses Land, wie aus Ranne's Rede hervorgeht, auf eine schmähliche Weise verwaltet worden. Es war der früheren Regierung gar nicht darum zu thun, diese Eroberung beizubehalten. In vertraulichen Briefen, welche Louis Philipp an den Marechal Clausel geschrieben, forderte er letztern auf, nichts zu unternehmen, wodurch Frankreich ernstlich engagirt werden könnte. Daraus erklärte sich ferner, warum es 1847 noch einen englischen Konsul gab, der nicht bei der französischen Behörde, sondern bei dem Dey Algiers akkreditirt war. Mehr wie eine Milliarde ist auf Algier verwandt worden, und in diesem Augenblick ist es seinem Untergange nahe. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, verlangte Ranne, daß Algier der französischen Republick förmlich assimilirt werden soll. Cavaignac erklärt sich gegen die komplette Assimilation Algiers mit Frankreich, als gefährlich, und er hält es für angemessener, und zuträglich für die Kolonie, Algier eine besondere Konstitution zu geben. Der anderen Nachtheile nicht zu gedenken, würde die Assimilation eine zu große Anzahl Repräsentanten in Vergleich mit Frankreich in die Kammer bringen. Er bedauert, daß dort der Militärdespotismus regiere, aber es wäre schädlich, ihn abzuschaffen. Sitzung der Nationalversammlung vom 16. Juni. Eine allgemeine Aufregung herrschte bei der Eröffnung der Sitzung; man hatte gestern von der Wahrscheinlichkeit einer "Schlacht" gesprochen. Senard, der Präsident, kündigt einen dritten Brief von Napoleon an, und garantirt dessen Authenticität; dieser Brief lautet; Herr Präsident! Ich war stolz darauf, als Volksrepräsentant ernannt worden zu sein. In meinen Augen gilt diese Auszeichnung als der Ersatz eines dreißigjährigen Exils, und einer dreijährigen Gefangenschaft. Aber der schmachvolle Verdacht, zu dem meine Wahl als Resultat der Intriguie dargestellt, Veranlassung giebt, so wie die Feindseligkeit, die mir von Seiten der exekutiven Gewalt zu Theil wird, legen mir die schwere Pflicht auf, auf diese Ehre zu verzichten. Ich wünsche die Ordnung und Aufrechthaltung einer vernünftigen, ehrbaren und festen Republick, und da unwillkürlich mein Name als Vorwand zu Störungen und Unordnungen dient, die ich bedauere, so reiche ich hiermit meine Demission ein. (Allgemeine Sensation.) Die Wiederherstellung der Ruhe wird mir, wie ich hoffe, bald erlauben, nach Frankreich zurückzukehren, als der schlichteste aller Bürger; aber auch zugleich als Einer von denjenigen, welche die Ruhe und den Wohlstand drs Landes am sehnlichsten wünschen. Charles Louis Napoleon. Es ward beschlossen, den Brief an den Minister des Innern zu schicken, damit er Anstalten treffe zur Wahl eines neuen Deputirten. Man schreitet alsdann zur Prüfung einer Vollmacht; eine Untersuchung wird beschlossen in Bezug auf die Thätigkeit der Wahl des Repräsentanten Laisson, und dann kömmt man wieder auf die gestern abgebrochene Frage der Vereinigung Algiers mit Frankreich zu sprechen. Statt aber die Frage selbst vorzunehmen, beschäftigt man sich wieder mit der gestrigen Abschweifung, mit der sozialen Frage, die Pierre Leroux vorgebracht hatte. Der General Lamoriciere spricht sich gegen das Kolonisations-System von Pierre Leroux aus. Wenn man Algier mit Amerika vergleichen wolle, wenn man Algier kolonisiren wolle wie die Verein. Staaten, so müßte man auch zu denselben Mitteln seine Zuflucht nehmen, und diese Mittel seien Ausrottung der Eingeborenen, durch Schwert und Ruhm. Lamoricieres Amendement: da Frankreich hinlänglich erklärt habe, Algier sei auf immer ein französisches Land, zur Tagesordnung überzugehen, wird angenommen. Louis Blanc ergreift zuletzt das Wort und protestirt gegen die Verdächtigung, als habe er die Arbeiter anreizen wollen, die Hände in den Schoß zu legen. Seine Rede wird mit allgemeinem Beifalle aufgenommen. Belgien.
25 Brüssel, 18. Juni. Sie haben das Resultat unserer allgemeinen Wahlen, den "glänzenden Sieg" der konstitutionellen Partei ohne Zweifel schon aus unsern Blättern ersehen. Jubel und Freude herrscht im liberalen Hauptquartier, in den Hallen der "Association liberale" wie in den Spalten der "Independance." Die Kammer hatte die Wahlreform bis zu den äußersten Grenzen der Konstitution gegeben, die Zahl der Wähler war verdoppelt, das "demokratische" Belgien war noch demokratischer geworden, und überall sind die Candidaten der alten Majorität, die ehrenfesten Stützen des Cabinets Rogier glänzend durchgegangen. "Das Land" hat entschieden, "das Land" will die Republik nicht, "das Land" schaart sich nun um den konstitutionellen König und seinen Bannerträger Rogier. Aber "das Land" dieser Herren, das sind nicht die 4 Millionen Belgier (wovon 1/4 Paupers) sondern die 80,000 Census-Wähler die in unserm gottgesegneten Musterstaat das politische Monopol ausüben. Die achtzig Tausend Privilegirten hatten bei dieser Wahl sich darüber auszusprechen, ob sie ihr Privilegium aufgeben wollten oder nicht. Ist es da zu verwundern, daß sie erklärten mit ihrem Privilegium, mit dem politischen Monopol zu stehen und zu fallen? Die Wähler vor der Wahlreform bestanden ausschließlich aus der hohen Bourgeoisie und aus den großen Grundbesitzern. Sie befanden sich Beide wohl innerhalb der Konstitution die sie zusammen gemacht hatten. Sie hatten sich achtzehn Jahre lang unter dieser Konstitution um die ausschließliche Herrschaft gestritten. Da brach die Februarrevolution los. Ein großer Theil der bisher vom politischen Monopol ausgeschlossenen Fraktionen der besitzenden Klasse, der früher eben wegen dieses Ausschlusses eine radikalere Richtung verfolgt hatte, sah sich durch die Ereignisse überflügelt und wurde selbst konservativ. Die Bewilligung der Theilnahme am politischen Monopol an diese Fraktionen hörte nicht nur auf gefährlich zu sein, sie wurde sogar ein Akt der guten Politik. Sie vereinigte alle konservativen Klassen unter der Aegide der Konstitution. Daher die Wahlreform, daher ihre Resultate, kein andres Resultat zu haben als das alte Wahlgesetz. Und wo noch Chancen für die demokratische Partei waren, da wurden sie erdrückt durch die Koalition der beiden konservativen Fraktionen, der feudalen und der liberalen Partei. Die großen Grundbesitzer sahen sich am meisten bedroht. Sie sahen, daß die Zeit ihrer Alleinherrschaft auf ewig vorbei war, sie waren froh sich unter dem Schutz der großen Bourgois begeben zu dürfen. Sie, die früher vermittelst des Senats die Liberalen in Schach gehalten, nehmen jetzt das Bündniß mit ihnen zu den erniedrigsten Bedin gungen an Ihr Hauptblatt, das "Journal de Bruxelles" mußte seinen alten Erzfeind, den liberalen Bayard Verhaegen empfehlen- Man erlaubte ihnen nur in wenigen Orten Kandidaten aufzustellen und selbst da ließ man sie meistens durchfallen. Die tapfersten Ritter des Feudaladels, ein Malou, ein d'Anethan (zwei Exminister) ein Eloy de Burdine (der belgische Lord Georg Bentink) ein Brabanter, wurden von der unerbittlichen Bourgeois zu, rückgewiesen. Die ältesten "rotten boroughs" der Feudalpartei, Namur, Löwen, Ypern wurden ihnen ungetreu und zogen mit klingendem Spiel ins liberale Lager hinüber. So bildet jetzt Alles, was am Wahlmonopol Theil nimmt, eine eherne Mauer um den geliebten Rogier und die Musterkonstitution des Monopols. Die achtzigtausend Priviligirten haben begriffen, daß es sich um ihre Existenz handelt. Darum lassen sie alle Differenzen fallen, darum stehen sie Alle für Einen und Einen für Alle. Diese Herren sollten im Stande sein, einen politischen Selbstmord zu begehen? Die Sache hat also ihren ganz natürlichen Zusammenhang. Die Independance und der Observateur mögen nur fortfahren zu frohlocken und zu rufen: "Das Land" hat entschieden, das Land will die Republick nicht - die 80,000 Monopolisten sind ebensowenig das "Land" wie der Vaterlandsretter Rogier ein großer Staatsmann. Großbritannien.
London, 16. Juni.
Unterhaus. Sitzung vom 15. Juni. Hr. G. Bankes frägt an, ob der spanische Gesandte in Folge von besonderen Instruktionen, die ihm etwa aus Madrid zugegangen, von London abgereist sei, und ob noch Papiere über diesen Gegenstand dem Unterhause vorgelegt werden sollen? Lord J. Russel verneint das Erstere mit dem Zusatze, Istoritz sein in Folge einer mit Lord Palmerston gepflogenen Korrespondenz, abgereist; den zweiten Theil der Anfrage bejaht er. Die übrigen Verhandlungen sind ohne Interesse für das Ausland. Dasselbe gilt von den Verhandlungen des Oberhauses. - Die in Newgate gefangen sitzenden Chartisten standen gestern vor dem Central-Kriminal-Gerichtshofe. Auf ihr Verlangen wurde der Anfang des Prozesses bis zur nächsten Sitzung verschoben, weil sie nicht hinlängliche Zeit gehabt, ihre Vertheidigung vorzubereiten. Die Gefangenen sahen blaß und krank aus. Man hat von ihnen absichtlich so hohe Bürgschaften oder Kautionen verlangt, damit es ihnen unmöglich würde, dieselben aufzubringen und auf freiem Fuß das Urtheil abzuwarten. - Konsols schließen zu 831/2, 5/8, Vorkäufer, etc. dito. Der heutige Abrechnungstag ging ruhig vorüber; die Differenzen waren gering und wurden ohne Schwierigkeit gezahlt. Die Herabsetzung des Diskonto's Seitens der Bank von England auf 31/2 pCt. hat unter den Privatbanquiers Mißvergnügen erregt, weil sie es gefährlich halten, wenn das Geld "zu wohlfeil" wird. - In Irland bilden sich aller Orten Repcal-Klubs, und an dem Zustandekommen der "irischen League" ist nicht zu zweifeln. Daß darin die "Jung-Irländer" und ihr Grundsatz: nur schließliche Anwendung physischer Gewalt kann dem Volke zu seinem Recht verhelfen, die Oberhand haben werden: das zeigt sich schon jetzt und wird bald noch klarer hervortreten. Meagher, O'Gormann jun., Doheny und Cantwell haben sich nach Tipperary begeben, um das Volk in Klubs zu organisiren. Sie sind dort angekommen und mit großem Jubel empfangen worden. Wien, 14. Juni. Die Wiener Zeitung enthält folgende zwei Kaiserliche Erlasse : In Erwägung der dringenden Umstände, durch welche Unser Ministerrath zu den einstweiligen, in den Cirkulavien Unserer niederösterreichischen Landes-Regierung vom 22. Mai 1848 enthaltenen Verfügungen über die Verwechselung der Noten der Oesterreichischen Nationalbank und deren Verwendung als Zahlungsmittel bestimmt wurde, haben Wir Uns bewogen gefunden, dieen Verfügungen nachträglich Unsere landesfürstliche Genehmigung zu ertheilen. Hiernach ist die Nationalbank nebst der in der Verwechselung ihrer Noten in Silbergeld eingetretenen Einschränkung berechtigt, Noten zu einem und zwei Gulden auszugeben. Ferner ist Jedermann gehalten, die Noten der priviligirten österreichischen Nationalbank bei allen Zahlungen nach ihrem vollen Nennwerthe anzunehmen. Wenn jedoch die Zahlung in Gold- oder in ausländischen Silbermünzen gebühret, so ist sie, nach der Wahl des Schuldners, in diesen Münzen oder nach dem Werthe der letzteren, wie er zur Zeit der Zahlung besteht, in Banknoten zu leisten. Die Bestimmungen über der Beschränkung der Notenverwechselung gegen Silbergeld und über die Verwendung der Banknoten zu Zahlungen haben nur einstweilen und so lange die gegenwärtigen außerordentlichen Umstände dauern zu gelten. Sollten die Bestimmungen nicht vor dem Zusammentritte des ersten Reichstages außer Anwendung gesetzt werden, so machen Wir es Unserem Ministerium zur besonderen Pflicht, dem gedachten Reichstage die entsprechenden Gesetze zur Feststellung dieser wichtigen Angelegenheit in Vorschlag zu bringen. Gegeben in unserer Kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien am zweiten Juni im Eintausend achthundert acht und vierzigsten, Unserer Reiche im vierzehnten Jahre. Ferdinand. Sammaruga, Krauß, Justizminister. Finanzminister.“ „Wir Ferdinand der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich etc. Ueber den Antrag Unserer getreuen Stände des Erzherzogthums Oesterreichs ob der Enns und nach dem Vorschlage Unseres Ministerrathes haben Wir in der Absicht, Unseren Unterthanen jede mit dem Schutze des Eigenthumsrechtes vereinbare Erleichterung zu gewähren, beschlossen : Erstens. Mit dem letztem Dezember 1848 hat an die Stelle aller auf Grund und Boden haftenden, aus dem Obereigenthums- oder Zehentrechte entspingenden, so wie der denselben verfassungsmäßig gleichgehaltenen Natural- und Arbeits-Leistungen, eine Geldentschädigung zu treten. Zweitens. Diese Geldentschädigung wird durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden, welches von den ob der ennsischen Ständen unter Beiziehung der nicht landständischen herrschaftlichen Gutsbesitzer und Abgeordneten dem Bauernstande in Vorschlag zu bringen ist. Drittens. Inzwischen und bis zum Eintritte der Wirksamkeit dieses Gesetzes ist es den Bezugsberechtigten und Verpflichteten überlassen, sich im gütlichen Wege darüber auszugleichen, ob diese Schuldigkeiten für das Jahr 1848 in natura geleistet, oder welche Reluition dafür gezahlt werden soll. Wenn keine solche Ausgleichung zu Stande kommt, so bleibt dem Berechtigten sein Anspruch auf Entschädigung nach Maßgabe des zu zweitens angedeuteten Gesetzes vorbehalten. Viertens. Alle zwischen den Berechtigten und Verpflichteten bezüglich der Umwandlung der Natural-Giebigkeiten in Geldleistungen schon bestehenden Verträge bleiben fortan aufrecht. Fünftens. Die durch die Ablösung der bisherigen Lasten durch den Erlag eines Kapitals herbeigeführte Erhöhung des Gutswerthes darf bei künftiger Bemessung des Freigeldes in keinem Falle in Anschlag gebracht werden. Sechstens. Alle an die Behörden in dieser Angelegenheit gerichteten Eingaben, dann die von denselben ausgehenden und abverlangten Urkunden und Verhandlungen haben die Freiheit von Porto, Stempel und Taxen zu genießen. Gegeben in Unserer Kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien, den siebenten Juni im Eintausend achthundert acht und vierzigsten, Unserer Reiche im vierzehnten Jahre. Ferdinand. Se. Majestät der Kaiser hat von Innsbruck aus nachstehende Ansprache an die Bewohner Nieder-Oesterreichs erlassen : „An meine getreuen Nieder-Oesterreicher! Der Besuch bei meinen biederen und treu ergebenen Tyrolern, deren Empfang mir unvergeßlich bleiben wird, hat mir zugleich die erneuerten Beweise der Anhänglichkeit und Treue meiner Provinzen zugeführt. Ich habe solche bereits durch die ihren Abgesandten ertheilten aufrichtigen Versicherungen meiner Huld und Gewogenheit erwiedert will mich aber nicht darauf beschränken, sondern finde mich bewogen, mich durch gegenwärtiges Manifest noch bestimmter und lauter über meine Gesinnungen und Absichten auszusprechen. Die dankbaren Gefühle meiner Völker für die ihnen bereitwillig ertheilten freien Institutionen haben mich deren Werth erst recht erkennen lassen, und ich werde daher an solchen nicht weniger, als meine geliebten Völker selbst festhalten. Sie mögen bauen und vertrauen auf meinen unerschütterlichen Willen einer vollständigen Erfüllung meiner Verheißungen. Allein noch ist das von mir begründete Werk nicht vollbracht; es kann erst durch die kluge und kräftige Mitwirkung der Abgeordneten meines Reiches eine den allgemeinen Interessen entsprechende Wirklichkeit werden. Ich bin zwar den Wünschen meiner Völker nach dem Antrage meiner verantwortlichen Räthe mit den Grundregeln einer Verfassung entgegen gekommen, welche mir den Forderungen der Zeit und den Bedürfnissen der einzelnen Länder meines Kaiserreichs zu entsprechen schien. Dabei war es aber nie meine Absicht, der überwiegenden Meinung meiner Völker Schranken setzen zu wollen, und um diese meine Gesinnung unzweideutig an den Tag zu legen, habe ich mich bewogen gefunden, den ersten Reichstag als einen konstituirenden zuerklären und seiner Natur gemäß die Wahlordnung abzuändern. Diesen konstituirenden Reichstag will ich in meiner Residenzstadt Wien, wo bereits die nöthigen Vorbereitungen getroffen worden sind, eröffnen, wofern daselbst Ruhe und Ordnung, Friede und Versöhnung in jenem Maße hergestellt und verbürgt sein werden, wodurch die zum Reichstag versammelten Abgeordneten bezüglich einer freien und ungestörten Berathung über die künftige Gesetzgebung des Reichs vollkommen beruhigt sein können. Dort hoffe ich diejenigen um mich für die höchsten Interessen des Vaterlandes vereinigt zu sehen, welche mir hierher ihre herzlichen Huldigungen nachgesendet zu haben. Innsbruck, den 6. Juni 1848. Ferdinand. Das Ministerium hat dem Sicherheits-Ausschusse gestern folgende amtliche Mittheilungen gemacht: „Nach einer heute früh durch den Telegraphen angelangten Nachricht aus Prag vom 13. Juni 2 Uhr 45 Minuten hat daselbst eine bedeutende Ruhestörung stattgefunden. Es wurden Barikaden errichtet und die Gewinnung einer Kommunikation mit der Kleinseite leider mit bedeutenden Verlusten an Menschenleben erkauft. Gubernial-Präsident Graf Thun ist im Clementinum festgehalten. Das Ministerium sieht sich veranlaßt, mit einem besondern Terrain einen höher gestellten Civil- und einen Militair-Kommissar nach Prag abzusenden, um über die Veranlassungen und die Zwecke dieser Bewegung nähere Erholungen einzuleiten und die geeigneten Vorkehrungen zur Herstellung der Ruhe und Versöhnung der Gemüther auf friedlichem Wege zu treffen, und setzt sogleich den Sicherheits-Ausschuß hiervon in Kenntniß. Wien, am 13. Juni 1848. Pillersdorff.“ „Die provisorische Regierung in Prag, welche den Beginn ihrer Wirksamkeit von der Genehmigung des Kaisers abhängig erklärt hatte, wurde gleich, nachdem die Absicht, sie zu errichten, dem Ministerium bekannt geworden war, annullirt und ist nie in's Leben getreten. Wären dessenungeachtet Uebergriffe oder illegale Schritte vorgefallen, so wird das Gubernium nach seiner Pflicht und unter Beobachtung der gesetzlichen Formen gegen die Ueberheber derselben einschreiten. „Die neuesten Ereignisse in Prag, von welchen ich den Sicherheits-Ausschuß, insofern sie mir bekannt waren, unterm heutigen Tage in Kenntniß setzte, haben das Ministerium veranlaßt, zur Erlangung näherer Ausschlüsse zwei Kommissäre mit ausgedehnten Vollmachten nach Prag zu senden. Erst die von ihnen zu gewärtigenden Aufklärungen können die Grundlage zu dem Urtheile liefern, wer an den jedenfalls höchst bedauerlichen Ereignissen Schuld trägt und wen diesfalls eine Verantwortung trifft. Uebrigens finde ich den Sicherheits-Ausschuß über sein Einschreiten vom heutigen Tage aufmerksam zu machen, daß nach meiner erwähnten Mittheilung Graf Thun im Clementinum zu Prag festgehalten wird, welcher Umstand gegen die Vermuthung der Fortdauer der provisorischen Regierung spricht. Wien, den 13. Juni 1848. Pillersdorff.“ Wien, 13. Juni.
Der Graf Thun ist von den Deutschen gefangen. Ein Theil academischen Legion ist fest entschlossen, heute Abend mit dem Train nach Prag ihren Brüdern zu Hülfe zu eilen. (F. J.)(Siehe den Verfolg auf der 4. Seite.) Französische Republik.
15 Paris, 16. Juni. Louis Bonaparte hat heute der Nationalversammlung seine Demission als Deputirter von London zugeschickt. Aus der Debatte über Algier ersah man, daß das Säbelregiment dort in seiner ganzen Glorie fortdauert und daß die Nationalversammlung sich wenig um die Reklamationen der Kolonisten bekümmert. Am Schlusse der Sitzung protestirte Louis Blanc gegen einen perfiden Ausfall Goudchaux' in der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung. 12 Paris, 16. Juni. Die Diskussion über Algier und dessen Vereinigung mit französischen Gebiete hat weiter geführt, als die republikanische Partei des National es gewünscht haben mochte. Sie hat einem ihrer Männer Goudchaux, Veranlassung gegeben, sich zu kompromittiren, und einem ihrer Gegner, Pierre Leroux, „dem Communisten“, erlaubt, sein „System' an's Tageslicht zu fördern. Pierre Leroux, ungeachtet aller seiner banalen Phrasen über Providenz, über Erlösung der Menschheit, über Nutzawendung der republikanischen Formel von fraternité, liberté und égalité, hat doch der Versammlung seine Ueberlegenheit dadurch bekundet, daß er die spezielle Frage Algiers in eine allgemeine soziale Frage umgewandelt. So lange er sich an der Auseinandersetzung des jetzigen Elends hielt, war er der Versammlung gegenüber ungemein stark; und selbst als er in die Andeutungen der Lösung überging, als er von der Kolonisation sprach, als Mittel das Elend und die Zwietracht zu beseitigen, war er noch immer der jetzigen Versammlung überlegen, obgleich er der ganzen proletarischen Bewegung gegenüber, wie sie in ganz Europa stattfindet, den Karakter des sentimentalen Schwärmers trägt, desjenigen Schwärmers, der von einer „Verwirklichung des Christianismus“ träumt. Dagegen muß man sich allgemein empört fühlen über Goudchaux Erwiederung. Die Menschlichkeit hat noch nicht ihr letztes und die Februarrevolution noch nicht ihr erstes Wort gesprochen. Warum waren vor der Februarrevolution die Arbeiter in einer schlechten Lage? Weil die Fabrikgerichte nicht unparteiisch zu Werke gingen. Warum sind die Arbeiter jetzt in einer so schlechten Lage? Weil die Nationalateliers da sind, wodurch die Arbeiter unmoralisch gemacht werden. Vor der Februarrevolution, meint er, seien die Arbeiter die ehrlichsten, arbeitsamsten Leute von der Welt gewesen : da seien auf einmal unheilvolle Lehren unter ihnen verbreitet worden, und jetzt mache man es sich allgemein zur Pflicht, die Hände in den Schoß zu legen. Goudchaux schließt damit, daß man auf Mittel sinnen müsse, den Arbeitern, die sich associrten, Kredit zu verschaffen. Wie wir sehen, war man von der algierschen Frage ungemein abgeschweift. Was nun Algier insbesondere anbetrifft, so war dieses Land, wie aus Ranné's Rede hervorgeht, auf eine schmähliche Weise verwaltet worden. Es war der früheren Regierung gar nicht darum zu thun, diese Eroberung beizubehalten. In vertraulichen Briefen, welche Louis Philipp an den Marechal Clausel geschrieben, forderte er letztern auf, nichts zu unternehmen, wodurch Frankreich ernstlich engagirt werden könnte. Daraus erklärte sich ferner, warum es 1847 noch einen englischen Konsul gab, der nicht bei der französischen Behörde, sondern bei dem Dey Algiers akkreditirt war. Mehr wie eine Milliarde ist auf Algier verwandt worden, und in diesem Augenblick ist es seinem Untergange nahe. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, verlangte Ranné, daß Algier der französischen Republick förmlich assimilirt werden soll. Cavaignac erklärt sich gegen die komplette Assimilation Algiers mit Frankreich, als gefährlich, und er hält es für angemessener, und zuträglich für die Kolonie, Algier eine besondere Konstitution zu geben. Der anderen Nachtheile nicht zu gedenken, würde die Assimilation eine zu große Anzahl Repräsentanten in Vergleich mit Frankreich in die Kammer bringen. Er bedauert, daß dort der Militärdespotismus regiere, aber es wäre schädlich, ihn abzuschaffen. Sitzung der Nationalversammlung vom 16. Juni. Eine allgemeine Aufregung herrschte bei der Eröffnung der Sitzung; man hatte gestern von der Wahrscheinlichkeit einer „Schlacht“ gesprochen. Sénard, der Präsident, kündigt einen dritten Brief von Napoleon an, und garantirt dessen Authenticität; dieser Brief lautet; Herr Präsident! Ich war stolz darauf, als Volksrepräsentant ernannt worden zu sein. In meinen Augen gilt diese Auszeichnung als der Ersatz eines dreißigjährigen Exils, und einer dreijährigen Gefangenschaft. Aber der schmachvolle Verdacht, zu dem meine Wahl als Resultat der Intriguie dargestellt, Veranlassung giebt, so wie die Feindseligkeit, die mir von Seiten der exekutiven Gewalt zu Theil wird, legen mir die schwere Pflicht auf, auf diese Ehre zu verzichten. Ich wünsche die Ordnung und Aufrechthaltung einer vernünftigen, ehrbaren und festen Republick, und da unwillkürlich mein Name als Vorwand zu Störungen und Unordnungen dient, die ich bedauere, so reiche ich hiermit meine Demission ein. (Allgemeine Sensation.) Die Wiederherstellung der Ruhe wird mir, wie ich hoffe, bald erlauben, nach Frankreich zurückzukehren, als der schlichteste aller Bürger; aber auch zugleich als Einer von denjenigen, welche die Ruhe und den Wohlstand drs Landes am sehnlichsten wünschen. Charles Louis Napoleon. Es ward beschlossen, den Brief an den Minister des Innern zu schicken, damit er Anstalten treffe zur Wahl eines neuen Deputirten. Man schreitet alsdann zur Prüfung einer Vollmacht; eine Untersuchung wird beschlossen in Bezug auf die Thätigkeit der Wahl des Repräsentanten Laisson, und dann kömmt man wieder auf die gestern abgebrochene Frage der Vereinigung Algiers mit Frankreich zu sprechen. Statt aber die Frage selbst vorzunehmen, beschäftigt man sich wieder mit der gestrigen Abschweifung, mit der sozialen Frage, die Pierre Leroux vorgebracht hatte. Der General Lamoriciere spricht sich gegen das Kolonisations-System von Pierre Leroux aus. Wenn man Algier mit Amerika vergleichen wolle, wenn man Algier kolonisiren wolle wie die Verein. Staaten, so müßte man auch zu denselben Mitteln seine Zuflucht nehmen, und diese Mittel seien Ausrottung der Eingeborenen, durch Schwert und Ruhm. Lamoricieres Amendement: da Frankreich hinlänglich erklärt habe, Algier sei auf immer ein französisches Land, zur Tagesordnung überzugehen, wird angenommen. Louis Blanc ergreift zuletzt das Wort und protestirt gegen die Verdächtigung, als habe er die Arbeiter anreizen wollen, die Hände in den Schoß zu legen. Seine Rede wird mit allgemeinem Beifalle aufgenommen. Belgien.
25 Brüssel, 18. Juni. Sie haben das Resultat unserer allgemeinen Wahlen, den „glänzenden Sieg“ der konstitutionellen Partei ohne Zweifel schon aus unsern Blättern ersehen. Jubel und Freude herrscht im liberalen Hauptquartier, in den Hallen der „Association liberale“ wie in den Spalten der „Independance.“ Die Kammer hatte die Wahlreform bis zu den äußersten Grenzen der Konstitution gegeben, die Zahl der Wähler war verdoppelt, das „demokratische“ Belgien war noch demokratischer geworden, und überall sind die Candidaten der alten Majorität, die ehrenfesten Stützen des Cabinets Rogier glänzend durchgegangen. „Das Land“ hat entschieden, „das Land“ will die Republik nicht, „das Land“ schaart sich nun um den konstitutionellen König und seinen Bannerträger Rogier. Aber „das Land“ dieser Herren, das sind nicht die 4 Millionen Belgier (wovon 1/4 Paupers) sondern die 80,000 Census-Wähler die in unserm gottgesegneten Musterstaat das politische Monopol ausüben. Die achtzig Tausend Privilegirten hatten bei dieser Wahl sich darüber auszusprechen, ob sie ihr Privilegium aufgeben wollten oder nicht. Ist es da zu verwundern, daß sie erklärten mit ihrem Privilegium, mit dem politischen Monopol zu stehen und zu fallen? Die Wähler vor der Wahlreform bestanden ausschließlich aus der hohen Bourgeoisie und aus den großen Grundbesitzern. Sie befanden sich Beide wohl innerhalb der Konstitution die sie zusammen gemacht hatten. Sie hatten sich achtzehn Jahre lang unter dieser Konstitution um die ausschließliche Herrschaft gestritten. Da brach die Februarrevolution los. Ein großer Theil der bisher vom politischen Monopol ausgeschlossenen Fraktionen der besitzenden Klasse, der früher eben wegen dieses Ausschlusses eine radikalere Richtung verfolgt hatte, sah sich durch die Ereignisse überflügelt und wurde selbst konservativ. Die Bewilligung der Theilnahme am politischen Monopol an diese Fraktionen hörte nicht nur auf gefährlich zu sein, sie wurde sogar ein Akt der guten Politik. Sie vereinigte alle konservativen Klassen unter der Aegide der Konstitution. Daher die Wahlreform, daher ihre Resultate, kein andres Resultat zu haben als das alte Wahlgesetz. Und wo noch Chancen für die demokratische Partei waren, da wurden sie erdrückt durch die Koalition der beiden konservativen Fraktionen, der feudalen und der liberalen Partei. Die großen Grundbesitzer sahen sich am meisten bedroht. Sie sahen, daß die Zeit ihrer Alleinherrschaft auf ewig vorbei war, sie waren froh sich unter dem Schutz der großen Bourgois begeben zu dürfen. Sie, die früher vermittelst des Senats die Liberalen in Schach gehalten, nehmen jetzt das Bündniß mit ihnen zu den erniedrigsten Bedin gungen an Ihr Hauptblatt, das „Journal de Bruxelles“ mußte seinen alten Erzfeind, den liberalen Bayard Verhaegen empfehlen- Man erlaubte ihnen nur in wenigen Orten Kandidaten aufzustellen und selbst da ließ man sie meistens durchfallen. Die tapfersten Ritter des Feudaladels, ein Malou, ein d'Anethan (zwei Exminister) ein Eloy de Burdine (der belgische Lord Georg Bentink) ein Brabanter, wurden von der unerbittlichen Bourgeois zu, rückgewiesen. Die ältesten „rotten boroughs“ der Feudalpartei, Namur, Löwen, Ypern wurden ihnen ungetreu und zogen mit klingendem Spiel ins liberale Lager hinüber. So bildet jetzt Alles, was am Wahlmonopol Theil nimmt, eine eherne Mauer um den geliebten Rogier und die Musterkonstitution des Monopols. Die achtzigtausend Priviligirten haben begriffen, daß es sich um ihre Existenz handelt. Darum lassen sie alle Differenzen fallen, darum stehen sie Alle für Einen und Einen für Alle. Diese Herren sollten im Stande sein, einen politischen Selbstmord zu begehen? Die Sache hat also ihren ganz natürlichen Zusammenhang. Die Independance und der Observateur mögen nur fortfahren zu frohlocken und zu rufen: „Das Land“ hat entschieden, das Land will die Republick nicht ‒ die 80,000 Monopolisten sind ebensowenig das „Land“ wie der Vaterlandsretter Rogier ein großer Staatsmann. Großbritannien.
London, 16. Juni.
Unterhaus. Sitzung vom 15. Juni. Hr. G. Bankes frägt an, ob der spanische Gesandte in Folge von besonderen Instruktionen, die ihm etwa aus Madrid zugegangen, von London abgereist sei, und ob noch Papiere über diesen Gegenstand dem Unterhause vorgelegt werden sollen? Lord J. Russel verneint das Erstere mit dem Zusatze, Istoritz sein in Folge einer mit Lord Palmerston gepflogenen Korrespondenz, abgereist; den zweiten Theil der Anfrage bejaht er. Die übrigen Verhandlungen sind ohne Interesse für das Ausland. Dasselbe gilt von den Verhandlungen des Oberhauses. ‒ Die in Newgate gefangen sitzenden Chartisten standen gestern vor dem Central-Kriminal-Gerichtshofe. Auf ihr Verlangen wurde der Anfang des Prozesses bis zur nächsten Sitzung verschoben, weil sie nicht hinlängliche Zeit gehabt, ihre Vertheidigung vorzubereiten. Die Gefangenen sahen blaß und krank aus. Man hat von ihnen absichtlich so hohe Bürgschaften oder Kautionen verlangt, damit es ihnen unmöglich würde, dieselben aufzubringen und auf freiem Fuß das Urtheil abzuwarten. ‒ Konsols schließen zu 831/2, 5/8, Vorkäufer, etc. dito. Der heutige Abrechnungstag ging ruhig vorüber; die Differenzen waren gering und wurden ohne Schwierigkeit gezahlt. Die Herabsetzung des Diskonto's Seitens der Bank von England auf 31/2 pCt. hat unter den Privatbanquiers Mißvergnügen erregt, weil sie es gefährlich halten, wenn das Geld „zu wohlfeil“ wird. ‒ In Irland bilden sich aller Orten Repcal-Klubs, und an dem Zustandekommen der „irischen League“ ist nicht zu zweifeln. Daß darin die „Jung-Irländer“ und ihr Grundsatz: nur schließliche Anwendung physischer Gewalt kann dem Volke zu seinem Recht verhelfen, die Oberhand haben werden: das zeigt sich schon jetzt und wird bald noch klarer hervortreten. Meagher, O'Gormann jun., Doheny und Cantwell haben sich nach Tipperary begeben, um das Volk in Klubs zu organisiren. Sie sind dort angekommen und mit großem Jubel empfangen worden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0003" n="0083"/> <div xml:id="ar019_020" type="jArticle"> <head>Wien, 14. Juni.</head> <p>Die Wiener Zeitung enthält folgende zwei Kaiserliche Erlasse :<lb/><hi rendition="#et">„Wir Ferdinand der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich, König von Ungarn und Böhmen, dieses Namens der Fünfte, König der Lombardei und Venedigs, von Dalmatien, Kroatien, Slavonien, Galizien, Lodomirien und Illyrien; Erzherzog von Oesterreich; Herzog von Lothringen, Salzburg, Steyermark, Kärnthen, Krain, Ober- und Nieder-Schlesien; Großfürst von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; gefürsteter Graf von Habsburg und Tyrol etc. etc.</hi></p> <p>In Erwägung der dringenden Umstände, durch welche Unser Ministerrath zu den einstweiligen, in den Cirkulavien Unserer niederösterreichischen Landes-Regierung vom 22. Mai 1848 enthaltenen Verfügungen über die Verwechselung der Noten der Oesterreichischen Nationalbank und deren Verwendung als Zahlungsmittel bestimmt wurde, haben Wir Uns bewogen gefunden, dieen Verfügungen nachträglich Unsere landesfürstliche Genehmigung zu ertheilen.</p> <p>Hiernach ist die Nationalbank nebst der in der Verwechselung ihrer Noten in Silbergeld eingetretenen Einschränkung berechtigt, Noten zu einem und zwei Gulden auszugeben. Ferner ist Jedermann gehalten, die Noten der priviligirten österreichischen Nationalbank bei allen Zahlungen nach ihrem vollen Nennwerthe anzunehmen. Wenn jedoch die Zahlung in Gold- oder in ausländischen Silbermünzen gebühret, so ist sie, nach der Wahl des Schuldners, in diesen Münzen oder nach dem Werthe der letzteren, wie er zur Zeit der Zahlung besteht, in Banknoten zu leisten.</p> <p>Die Bestimmungen über der Beschränkung der Notenverwechselung gegen Silbergeld und über die Verwendung der Banknoten zu Zahlungen haben nur einstweilen und so lange die gegenwärtigen außerordentlichen Umstände dauern zu gelten.</p> <p>Sollten die Bestimmungen nicht vor dem Zusammentritte des ersten Reichstages außer Anwendung gesetzt werden, so machen Wir es Unserem Ministerium zur besonderen Pflicht, dem gedachten Reichstage die entsprechenden Gesetze zur Feststellung dieser wichtigen Angelegenheit in Vorschlag zu bringen.</p> <p>Gegeben in unserer Kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien am zweiten Juni im Eintausend achthundert acht und vierzigsten, Unserer Reiche im vierzehnten Jahre.</p> <p> <hi rendition="#g">Ferdinand.</hi> </p> <p>Sammaruga, Krauß,</p> <p>Justizminister. Finanzminister.“</p> <p>„Wir Ferdinand der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich etc. Ueber den Antrag Unserer getreuen Stände des Erzherzogthums Oesterreichs ob der Enns und nach dem Vorschlage Unseres Ministerrathes haben Wir in der Absicht, Unseren Unterthanen jede mit dem Schutze des Eigenthumsrechtes vereinbare Erleichterung zu gewähren, beschlossen :</p> <p><hi rendition="#g">Erstens.</hi> Mit dem letztem Dezember 1848 hat an die Stelle aller auf Grund und Boden haftenden, aus dem Obereigenthums- oder Zehentrechte entspingenden, so wie der denselben verfassungsmäßig gleichgehaltenen Natural- und Arbeits-Leistungen, eine Geldentschädigung zu treten.</p> <p>Zweitens. Diese Geldentschädigung wird durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden, welches von den ob der ennsischen Ständen unter Beiziehung der nicht landständischen herrschaftlichen Gutsbesitzer und Abgeordneten dem Bauernstande in Vorschlag zu bringen ist.</p> <p>Drittens. Inzwischen und bis zum Eintritte der Wirksamkeit dieses Gesetzes ist es den Bezugsberechtigten und Verpflichteten überlassen, sich im gütlichen Wege darüber auszugleichen, ob diese Schuldigkeiten für das Jahr 1848 in natura geleistet, oder welche Reluition dafür gezahlt werden soll. Wenn keine solche Ausgleichung zu Stande kommt, so bleibt dem Berechtigten sein Anspruch auf Entschädigung nach Maßgabe des zu zweitens angedeuteten Gesetzes vorbehalten.</p> <p>Viertens. Alle zwischen den Berechtigten und Verpflichteten bezüglich der Umwandlung der Natural-Giebigkeiten in Geldleistungen schon bestehenden Verträge bleiben fortan aufrecht.</p> <p>Fünftens. Die durch die Ablösung der bisherigen Lasten durch den Erlag eines Kapitals herbeigeführte Erhöhung des Gutswerthes darf bei künftiger Bemessung des Freigeldes in keinem Falle in Anschlag gebracht werden.</p> <p>Sechstens. Alle an die Behörden in dieser Angelegenheit gerichteten Eingaben, dann die von denselben ausgehenden und abverlangten Urkunden und Verhandlungen haben die Freiheit von Porto, Stempel und Taxen zu genießen.</p> <p>Gegeben in Unserer Kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien, den siebenten Juni im Eintausend achthundert acht und vierzigsten, Unserer Reiche im vierzehnten Jahre.</p> <p rendition="#et"><hi rendition="#g">Ferdinand.</hi><lb/> Franz Freiherr von Pillersdorff,<lb/> Minister des Innern.</p> <p>Se. Majestät der Kaiser hat von Innsbruck aus nachstehende Ansprache an die Bewohner Nieder-Oesterreichs erlassen :</p> <p>„An meine getreuen Nieder-Oesterreicher! Der Besuch bei meinen biederen und treu ergebenen Tyrolern, deren Empfang mir unvergeßlich bleiben wird, hat mir zugleich die erneuerten Beweise der Anhänglichkeit und Treue meiner Provinzen zugeführt. Ich habe solche bereits durch die ihren Abgesandten ertheilten aufrichtigen Versicherungen meiner Huld und Gewogenheit erwiedert will mich aber nicht darauf beschränken, sondern finde mich bewogen, mich durch gegenwärtiges Manifest noch bestimmter und lauter über meine Gesinnungen und Absichten auszusprechen. Die dankbaren Gefühle meiner Völker für die ihnen bereitwillig ertheilten freien Institutionen haben mich deren Werth erst recht erkennen lassen, und ich werde daher an solchen nicht weniger, als meine geliebten Völker selbst festhalten. Sie mögen bauen und vertrauen auf meinen unerschütterlichen Willen einer vollständigen Erfüllung meiner Verheißungen. Allein noch ist das von mir begründete Werk nicht vollbracht; es kann erst durch die kluge und kräftige Mitwirkung der Abgeordneten meines Reiches eine den allgemeinen Interessen entsprechende Wirklichkeit werden. Ich bin zwar den Wünschen meiner Völker nach dem Antrage meiner verantwortlichen Räthe mit den Grundregeln einer Verfassung entgegen gekommen, welche mir den Forderungen der Zeit und den Bedürfnissen der einzelnen Länder meines Kaiserreichs zu entsprechen schien. Dabei war es aber nie meine Absicht, der überwiegenden Meinung meiner Völker Schranken setzen zu wollen, und um diese meine Gesinnung unzweideutig an den Tag zu legen, habe ich mich bewogen gefunden, den ersten Reichstag als einen konstituirenden zuerklären und seiner Natur gemäß die Wahlordnung abzuändern. Diesen konstituirenden Reichstag will ich in meiner Residenzstadt Wien, wo bereits die nöthigen Vorbereitungen getroffen worden sind, eröffnen, wofern daselbst Ruhe und Ordnung, Friede und Versöhnung in jenem Maße hergestellt und verbürgt sein werden, wodurch die zum Reichstag versammelten Abgeordneten bezüglich einer freien und ungestörten Berathung über die künftige Gesetzgebung des Reichs vollkommen beruhigt sein können. Dort hoffe ich diejenigen um mich für die höchsten Interessen des Vaterlandes vereinigt zu sehen, welche mir hierher ihre herzlichen Huldigungen nachgesendet zu haben.</p> <p>Innsbruck, den 6. Juni 1848.</p> <p rendition="#et"><hi rendition="#g">Ferdinand.</hi><lb/> Wessenberg. Doblhoff.</p> <p>Das Ministerium hat dem Sicherheits-Ausschusse gestern folgende amtliche Mittheilungen gemacht:</p> <p>„Nach einer heute früh durch den Telegraphen angelangten Nachricht aus <hi rendition="#g">Prag</hi> vom 13. Juni 2 Uhr 45 Minuten hat daselbst eine bedeutende Ruhestörung stattgefunden. Es wurden Barikaden errichtet und die Gewinnung einer Kommunikation mit der Kleinseite leider mit bedeutenden Verlusten an Menschenleben erkauft. Gubernial-Präsident Graf Thun ist im Clementinum festgehalten. Das Ministerium sieht sich veranlaßt, mit einem besondern Terrain einen höher gestellten Civil- und einen Militair-Kommissar nach Prag abzusenden, um über die Veranlassungen und die Zwecke dieser Bewegung nähere Erholungen einzuleiten und die geeigneten Vorkehrungen zur Herstellung der Ruhe und Versöhnung der Gemüther auf friedlichem Wege zu treffen, und setzt sogleich den Sicherheits-Ausschuß hiervon in Kenntniß.</p> <p>Wien, am 13. Juni 1848.</p> <p>Pillersdorff.“</p> <p>„Die provisorische Regierung in Prag, welche den Beginn ihrer Wirksamkeit von der Genehmigung des Kaisers abhängig erklärt hatte, wurde gleich, nachdem die Absicht, sie zu errichten, dem Ministerium bekannt geworden war, annullirt und ist nie in's Leben getreten. Wären dessenungeachtet Uebergriffe oder illegale Schritte vorgefallen, so wird das Gubernium nach seiner Pflicht und unter Beobachtung der gesetzlichen Formen gegen die Ueberheber derselben einschreiten.</p> <p>„Die neuesten Ereignisse in Prag, von welchen ich den Sicherheits-Ausschuß, insofern sie mir bekannt waren, unterm heutigen Tage in Kenntniß setzte, haben das Ministerium veranlaßt, zur Erlangung näherer Ausschlüsse zwei Kommissäre mit ausgedehnten Vollmachten nach Prag zu senden. Erst die von ihnen zu gewärtigenden Aufklärungen können die Grundlage zu dem Urtheile liefern, wer an den jedenfalls höchst bedauerlichen Ereignissen Schuld trägt und wen diesfalls eine Verantwortung trifft. Uebrigens finde ich den Sicherheits-Ausschuß über sein Einschreiten vom heutigen Tage aufmerksam zu machen, daß nach meiner erwähnten Mittheilung Graf Thun im Clementinum zu Prag festgehalten wird, welcher Umstand gegen die Vermuthung der Fortdauer der provisorischen Regierung spricht.</p> <p>Wien, den 13. Juni 1848.</p> <p> <hi rendition="#g">Pillersdorff.“</hi> </p> </div> <div xml:id="ar019_023" type="jArticle"> <head>Wien, 13. Juni.</head> <p>Der Graf Thun ist von den Deutschen gefangen. Ein Theil academischen Legion ist fest entschlossen, heute Abend mit dem Train nach Prag ihren Brüdern zu Hülfe zu eilen.</p> <bibl>(F. J.)</bibl> <p> <ref type="link"> <hi rendition="#b">(Siehe den Verfolg auf der 4. Seite.)</hi> </ref> </p> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar019_024" type="jArticle"> <head><bibl><author>15</author></bibl> Paris, 16. Juni.</head> <p>Louis Bonaparte hat heute der Nationalversammlung <hi rendition="#g">seine Demission als Deputirter</hi> von London zugeschickt. Aus der Debatte über Algier ersah man, daß das Säbelregiment dort in seiner ganzen Glorie fortdauert und daß die Nationalversammlung sich wenig um die Reklamationen der Kolonisten bekümmert. Am Schlusse der Sitzung protestirte Louis Blanc gegen einen perfiden Ausfall Goudchaux' in der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung.</p> </div> <div xml:id="ar019_025" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl> Paris, 16. Juni.</head> <p>Die Diskussion über Algier und dessen Vereinigung mit französischen Gebiete hat weiter geführt, als die republikanische Partei des National es gewünscht haben mochte. Sie hat einem ihrer Männer Goudchaux, Veranlassung gegeben, sich zu kompromittiren, und einem ihrer Gegner, Pierre Leroux, „dem Communisten“, erlaubt, sein „System' an's Tageslicht zu fördern. Pierre Leroux, ungeachtet aller seiner banalen Phrasen über Providenz, über Erlösung der Menschheit, über Nutzawendung der republikanischen Formel von fraternité, liberté und égalité, hat doch der Versammlung seine Ueberlegenheit dadurch bekundet, daß er die spezielle Frage Algiers in eine allgemeine soziale Frage umgewandelt. So lange er sich an der Auseinandersetzung des jetzigen Elends hielt, war er der Versammlung gegenüber ungemein stark; und selbst als er in die Andeutungen der Lösung überging, als er von der Kolonisation sprach, als Mittel das Elend und die <hi rendition="#g">Zwietracht</hi> zu beseitigen, war er noch immer der jetzigen Versammlung überlegen, obgleich er der ganzen proletarischen Bewegung gegenüber, wie sie in ganz Europa stattfindet, den Karakter des sentimentalen Schwärmers trägt, desjenigen Schwärmers, der von einer „Verwirklichung des Christianismus“ träumt. Dagegen muß man sich allgemein empört fühlen über Goudchaux Erwiederung. Die Menschlichkeit hat noch nicht ihr letztes und die Februarrevolution noch nicht ihr erstes Wort gesprochen. Warum waren vor der Februarrevolution die Arbeiter in einer schlechten Lage? Weil die Fabrikgerichte nicht unparteiisch zu Werke gingen. Warum sind die Arbeiter jetzt in einer so schlechten Lage? Weil die Nationalateliers da sind, wodurch die Arbeiter unmoralisch gemacht werden. Vor der Februarrevolution, meint er, seien die Arbeiter die ehrlichsten, arbeitsamsten Leute von der Welt gewesen : da seien auf einmal unheilvolle Lehren unter ihnen verbreitet worden, und jetzt mache man es sich allgemein zur Pflicht, die Hände in den Schoß zu legen. Goudchaux schließt damit, daß man auf Mittel sinnen müsse, den Arbeitern, die sich associrten, Kredit zu verschaffen. Wie wir sehen, war man von der algierschen Frage ungemein abgeschweift. Was nun Algier insbesondere anbetrifft, so war dieses Land, wie aus Ranné's Rede hervorgeht, auf eine schmähliche Weise verwaltet worden. Es war der früheren Regierung gar nicht darum zu thun, diese Eroberung beizubehalten. In vertraulichen Briefen, welche Louis Philipp an den Marechal Clausel geschrieben, forderte er letztern auf, nichts zu unternehmen, wodurch Frankreich ernstlich engagirt werden könnte. Daraus erklärte sich ferner, warum es 1847 noch einen englischen Konsul gab, der nicht bei der französischen Behörde, sondern bei dem Dey Algiers akkreditirt war. Mehr wie eine Milliarde ist auf Algier verwandt worden, und in diesem Augenblick ist es seinem Untergange nahe. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, verlangte Ranné, daß Algier der französischen Republick förmlich assimilirt werden soll. Cavaignac erklärt sich gegen die komplette Assimilation Algiers mit Frankreich, als gefährlich, und er hält es für angemessener, und zuträglich für die Kolonie, Algier eine besondere Konstitution zu geben. Der anderen Nachtheile nicht zu gedenken, würde die Assimilation eine zu große Anzahl Repräsentanten in Vergleich mit Frankreich in die Kammer bringen. Er bedauert, daß dort der Militärdespotismus regiere, aber es wäre schädlich, ihn abzuschaffen.</p> <p rendition="#et"> <hi rendition="#g">Sitzung der Nationalversammlung vom 16. Juni.</hi> </p> <p>Eine allgemeine Aufregung herrschte bei der Eröffnung der Sitzung; man hatte gestern von der Wahrscheinlichkeit einer „Schlacht“ gesprochen.</p> <p>Sénard, der Präsident, kündigt einen dritten Brief von Napoleon an, und garantirt dessen Authenticität; dieser Brief lautet; <hi rendition="#et">Herr Präsident!</hi> Ich war stolz darauf, als Volksrepräsentant ernannt worden zu sein. In meinen Augen gilt diese Auszeichnung als der Ersatz eines dreißigjährigen Exils, und einer dreijährigen Gefangenschaft. Aber der schmachvolle Verdacht, zu dem meine Wahl als Resultat der Intriguie dargestellt, Veranlassung giebt, so wie die Feindseligkeit, die mir von Seiten der exekutiven Gewalt zu Theil wird, legen mir die schwere Pflicht auf, auf diese Ehre zu verzichten. Ich wünsche die Ordnung und Aufrechthaltung einer vernünftigen, ehrbaren und festen Republick, und da unwillkürlich mein Name als Vorwand zu Störungen und Unordnungen dient, die ich bedauere, so reiche ich hiermit meine Demission ein. (Allgemeine Sensation.) Die Wiederherstellung der Ruhe wird mir, wie ich hoffe, bald erlauben, nach Frankreich zurückzukehren, als der schlichteste aller Bürger; aber auch zugleich als Einer von denjenigen, welche die Ruhe und den Wohlstand drs Landes am sehnlichsten wünschen.</p> <p>Charles Louis Napoleon.</p> <p>Es ward beschlossen, den Brief an den Minister des Innern zu schicken, damit er Anstalten treffe zur Wahl eines neuen Deputirten. Man schreitet alsdann zur Prüfung einer Vollmacht; eine Untersuchung wird beschlossen in Bezug auf die Thätigkeit der Wahl des Repräsentanten Laisson, und dann kömmt man wieder auf die gestern abgebrochene Frage der Vereinigung Algiers mit Frankreich zu sprechen. Statt aber die Frage selbst vorzunehmen, beschäftigt man sich wieder mit der gestrigen Abschweifung, mit der sozialen Frage, die Pierre Leroux vorgebracht hatte. Der General Lamoriciere spricht sich gegen das Kolonisations-System von Pierre Leroux aus. Wenn man Algier mit Amerika vergleichen wolle, wenn man Algier kolonisiren wolle wie die Verein. Staaten, so müßte man auch zu denselben Mitteln seine Zuflucht nehmen, und diese Mittel seien Ausrottung der Eingeborenen, durch Schwert und Ruhm.</p> <p>Lamoricieres Amendement: da Frankreich hinlänglich erklärt habe, Algier sei auf immer ein französisches Land, zur Tagesordnung überzugehen, wird angenommen.</p> <p>Louis Blanc ergreift zuletzt das Wort und protestirt gegen die Verdächtigung, als habe er die Arbeiter anreizen wollen, die Hände in den Schoß zu legen. Seine Rede wird mit allgemeinem Beifalle aufgenommen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Belgien.</head> <div xml:id="ar019_026" type="jArticle"> <head><bibl><author>25</author></bibl> Brüssel, 18. Juni.</head> <p>Sie haben das Resultat unserer allgemeinen Wahlen, den „glänzenden Sieg“ der konstitutionellen Partei ohne Zweifel schon aus unsern Blättern ersehen. Jubel und Freude herrscht im liberalen Hauptquartier, in den Hallen der „Association liberale“ wie in den Spalten der „Independance.“ Die Kammer hatte die Wahlreform bis zu den äußersten Grenzen der Konstitution gegeben, die Zahl der Wähler war verdoppelt, das „demokratische“ Belgien war noch demokratischer geworden, und überall sind die Candidaten der alten Majorität, die ehrenfesten Stützen des Cabinets Rogier glänzend durchgegangen. „Das Land“ hat entschieden, „das Land“ will die Republik nicht, „das Land“ schaart sich nun um den konstitutionellen König und seinen Bannerträger Rogier.</p> <p>Aber „das Land“ dieser Herren, das sind nicht die 4 Millionen Belgier (wovon 1/4 Paupers) sondern die 80,000 Census-Wähler die in unserm gottgesegneten Musterstaat das politische Monopol ausüben. Die achtzig Tausend Privilegirten hatten bei dieser Wahl sich darüber auszusprechen, ob sie ihr Privilegium aufgeben wollten oder nicht. Ist es da zu verwundern, daß sie erklärten mit ihrem Privilegium, mit dem politischen Monopol zu stehen und zu fallen?</p> <p>Die Wähler <hi rendition="#g">vor</hi> der Wahlreform bestanden ausschließlich aus der hohen Bourgeoisie und aus den großen Grundbesitzern. Sie befanden sich Beide wohl innerhalb der Konstitution die sie zusammen gemacht hatten. Sie hatten sich achtzehn Jahre lang unter dieser Konstitution um die ausschließliche Herrschaft gestritten. Da brach die Februarrevolution los. Ein großer Theil der bisher vom politischen Monopol ausgeschlossenen Fraktionen der besitzenden Klasse, der früher eben wegen dieses Ausschlusses eine radikalere Richtung verfolgt hatte, sah sich durch die Ereignisse überflügelt und wurde selbst konservativ. Die Bewilligung der Theilnahme am politischen Monopol an diese Fraktionen hörte nicht nur auf gefährlich zu sein, sie wurde sogar ein Akt der guten Politik. Sie vereinigte alle konservativen Klassen unter der Aegide der Konstitution. Daher die Wahlreform, daher ihre Resultate, kein andres Resultat zu haben als das alte Wahlgesetz.</p> <p>Und wo noch Chancen für die demokratische Partei waren, da wurden sie erdrückt durch die Koalition der beiden konservativen Fraktionen, der feudalen und der liberalen Partei. Die großen Grundbesitzer sahen sich am meisten bedroht. Sie sahen, daß die Zeit ihrer Alleinherrschaft auf ewig vorbei war, sie waren froh sich unter dem Schutz der großen Bourgois begeben zu dürfen. Sie, die früher vermittelst des Senats die Liberalen in Schach gehalten, nehmen jetzt das Bündniß mit ihnen zu den erniedrigsten Bedin gungen an Ihr Hauptblatt, das „Journal de Bruxelles“ mußte seinen alten Erzfeind, den liberalen Bayard Verhaegen empfehlen- Man erlaubte ihnen nur in wenigen Orten Kandidaten aufzustellen und selbst da ließ man sie meistens durchfallen. Die tapfersten Ritter des Feudaladels, ein Malou, ein d'Anethan (zwei Exminister) ein Eloy de Burdine (der belgische Lord Georg Bentink) ein Brabanter, wurden von der unerbittlichen Bourgeois zu, rückgewiesen. Die ältesten „rotten boroughs“ der Feudalpartei, Namur, Löwen, Ypern wurden ihnen ungetreu und zogen mit klingendem Spiel ins liberale Lager hinüber.</p> <p>So bildet jetzt Alles, was am Wahlmonopol Theil nimmt, eine eherne Mauer um den geliebten Rogier und die Musterkonstitution des Monopols. Die achtzigtausend Priviligirten haben begriffen, daß es sich um ihre Existenz handelt. Darum lassen sie alle Differenzen fallen, darum stehen sie Alle für Einen und Einen für Alle. Diese Herren sollten im Stande sein, einen politischen Selbstmord zu begehen?</p> <p>Die Sache hat also ihren ganz natürlichen Zusammenhang. Die Independance und der Observateur mögen nur fortfahren zu frohlocken und zu rufen: „Das Land“ hat entschieden, das Land will die Republick nicht ‒ die 80,000 Monopolisten sind ebensowenig das „Land“ wie der Vaterlandsretter Rogier ein großer Staatsmann.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar019_027" type="jArticle"> <head>London, 16. Juni.</head> <p><hi rendition="#g">Unterhaus.</hi> Sitzung vom 15. Juni. Hr. G. <hi rendition="#g">Bankes</hi> frägt an, ob der spanische Gesandte in Folge von besonderen Instruktionen, die ihm etwa aus Madrid zugegangen, von London abgereist sei, und ob noch Papiere über diesen Gegenstand dem Unterhause vorgelegt werden sollen? Lord J. <hi rendition="#g">Russel</hi> verneint das Erstere mit dem Zusatze, Istoritz sein in Folge einer mit Lord Palmerston gepflogenen Korrespondenz, abgereist; den zweiten Theil der Anfrage bejaht er. Die übrigen Verhandlungen sind ohne Interesse für das Ausland. Dasselbe gilt von den Verhandlungen des <hi rendition="#g">Oberhauses.</hi></p> <p>‒ Die in Newgate gefangen sitzenden Chartisten standen gestern vor dem Central-Kriminal-Gerichtshofe. Auf ihr Verlangen wurde der Anfang des Prozesses bis zur nächsten Sitzung verschoben, weil sie nicht hinlängliche Zeit gehabt, ihre Vertheidigung vorzubereiten. Die Gefangenen sahen blaß und krank aus. Man hat von ihnen absichtlich so hohe Bürgschaften oder Kautionen verlangt, damit es ihnen unmöglich würde, dieselben aufzubringen und auf freiem Fuß das Urtheil abzuwarten.</p> <p>‒ Konsols schließen zu 831/2, 5/8, Vorkäufer, etc. dito. Der heutige Abrechnungstag ging ruhig vorüber; die Differenzen waren gering und wurden ohne Schwierigkeit gezahlt. Die Herabsetzung des Diskonto's Seitens der Bank von England auf 31/2 pCt. hat unter den Privatbanquiers Mißvergnügen erregt, weil sie es gefährlich halten, wenn das Geld „zu wohlfeil“ wird.</p> <p>‒ In Irland bilden sich aller Orten Repcal-Klubs, und an dem Zustandekommen der „irischen League“ ist nicht zu zweifeln. Daß darin die „Jung-Irländer“ und ihr Grundsatz: nur schließliche Anwendung physischer Gewalt kann dem Volke zu seinem Recht verhelfen, die Oberhand haben werden: das zeigt sich schon jetzt und wird bald noch klarer hervortreten. Meagher, O'Gormann jun., Doheny und Cantwell haben sich nach Tipperary begeben, um das Volk in Klubs zu organisiren. Sie sind dort angekommen und mit großem Jubel empfangen worden.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0083/0003]
Wien, 14. Juni. Die Wiener Zeitung enthält folgende zwei Kaiserliche Erlasse :
„Wir Ferdinand der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich, König von Ungarn und Böhmen, dieses Namens der Fünfte, König der Lombardei und Venedigs, von Dalmatien, Kroatien, Slavonien, Galizien, Lodomirien und Illyrien; Erzherzog von Oesterreich; Herzog von Lothringen, Salzburg, Steyermark, Kärnthen, Krain, Ober- und Nieder-Schlesien; Großfürst von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; gefürsteter Graf von Habsburg und Tyrol etc. etc.
In Erwägung der dringenden Umstände, durch welche Unser Ministerrath zu den einstweiligen, in den Cirkulavien Unserer niederösterreichischen Landes-Regierung vom 22. Mai 1848 enthaltenen Verfügungen über die Verwechselung der Noten der Oesterreichischen Nationalbank und deren Verwendung als Zahlungsmittel bestimmt wurde, haben Wir Uns bewogen gefunden, dieen Verfügungen nachträglich Unsere landesfürstliche Genehmigung zu ertheilen.
Hiernach ist die Nationalbank nebst der in der Verwechselung ihrer Noten in Silbergeld eingetretenen Einschränkung berechtigt, Noten zu einem und zwei Gulden auszugeben. Ferner ist Jedermann gehalten, die Noten der priviligirten österreichischen Nationalbank bei allen Zahlungen nach ihrem vollen Nennwerthe anzunehmen. Wenn jedoch die Zahlung in Gold- oder in ausländischen Silbermünzen gebühret, so ist sie, nach der Wahl des Schuldners, in diesen Münzen oder nach dem Werthe der letzteren, wie er zur Zeit der Zahlung besteht, in Banknoten zu leisten.
Die Bestimmungen über der Beschränkung der Notenverwechselung gegen Silbergeld und über die Verwendung der Banknoten zu Zahlungen haben nur einstweilen und so lange die gegenwärtigen außerordentlichen Umstände dauern zu gelten.
Sollten die Bestimmungen nicht vor dem Zusammentritte des ersten Reichstages außer Anwendung gesetzt werden, so machen Wir es Unserem Ministerium zur besonderen Pflicht, dem gedachten Reichstage die entsprechenden Gesetze zur Feststellung dieser wichtigen Angelegenheit in Vorschlag zu bringen.
Gegeben in unserer Kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien am zweiten Juni im Eintausend achthundert acht und vierzigsten, Unserer Reiche im vierzehnten Jahre.
Ferdinand.
Sammaruga, Krauß,
Justizminister. Finanzminister.“
„Wir Ferdinand der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich etc. Ueber den Antrag Unserer getreuen Stände des Erzherzogthums Oesterreichs ob der Enns und nach dem Vorschlage Unseres Ministerrathes haben Wir in der Absicht, Unseren Unterthanen jede mit dem Schutze des Eigenthumsrechtes vereinbare Erleichterung zu gewähren, beschlossen :
Erstens. Mit dem letztem Dezember 1848 hat an die Stelle aller auf Grund und Boden haftenden, aus dem Obereigenthums- oder Zehentrechte entspingenden, so wie der denselben verfassungsmäßig gleichgehaltenen Natural- und Arbeits-Leistungen, eine Geldentschädigung zu treten.
Zweitens. Diese Geldentschädigung wird durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden, welches von den ob der ennsischen Ständen unter Beiziehung der nicht landständischen herrschaftlichen Gutsbesitzer und Abgeordneten dem Bauernstande in Vorschlag zu bringen ist.
Drittens. Inzwischen und bis zum Eintritte der Wirksamkeit dieses Gesetzes ist es den Bezugsberechtigten und Verpflichteten überlassen, sich im gütlichen Wege darüber auszugleichen, ob diese Schuldigkeiten für das Jahr 1848 in natura geleistet, oder welche Reluition dafür gezahlt werden soll. Wenn keine solche Ausgleichung zu Stande kommt, so bleibt dem Berechtigten sein Anspruch auf Entschädigung nach Maßgabe des zu zweitens angedeuteten Gesetzes vorbehalten.
Viertens. Alle zwischen den Berechtigten und Verpflichteten bezüglich der Umwandlung der Natural-Giebigkeiten in Geldleistungen schon bestehenden Verträge bleiben fortan aufrecht.
Fünftens. Die durch die Ablösung der bisherigen Lasten durch den Erlag eines Kapitals herbeigeführte Erhöhung des Gutswerthes darf bei künftiger Bemessung des Freigeldes in keinem Falle in Anschlag gebracht werden.
Sechstens. Alle an die Behörden in dieser Angelegenheit gerichteten Eingaben, dann die von denselben ausgehenden und abverlangten Urkunden und Verhandlungen haben die Freiheit von Porto, Stempel und Taxen zu genießen.
Gegeben in Unserer Kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien, den siebenten Juni im Eintausend achthundert acht und vierzigsten, Unserer Reiche im vierzehnten Jahre.
Ferdinand.
Franz Freiherr von Pillersdorff,
Minister des Innern.
Se. Majestät der Kaiser hat von Innsbruck aus nachstehende Ansprache an die Bewohner Nieder-Oesterreichs erlassen :
„An meine getreuen Nieder-Oesterreicher! Der Besuch bei meinen biederen und treu ergebenen Tyrolern, deren Empfang mir unvergeßlich bleiben wird, hat mir zugleich die erneuerten Beweise der Anhänglichkeit und Treue meiner Provinzen zugeführt. Ich habe solche bereits durch die ihren Abgesandten ertheilten aufrichtigen Versicherungen meiner Huld und Gewogenheit erwiedert will mich aber nicht darauf beschränken, sondern finde mich bewogen, mich durch gegenwärtiges Manifest noch bestimmter und lauter über meine Gesinnungen und Absichten auszusprechen. Die dankbaren Gefühle meiner Völker für die ihnen bereitwillig ertheilten freien Institutionen haben mich deren Werth erst recht erkennen lassen, und ich werde daher an solchen nicht weniger, als meine geliebten Völker selbst festhalten. Sie mögen bauen und vertrauen auf meinen unerschütterlichen Willen einer vollständigen Erfüllung meiner Verheißungen. Allein noch ist das von mir begründete Werk nicht vollbracht; es kann erst durch die kluge und kräftige Mitwirkung der Abgeordneten meines Reiches eine den allgemeinen Interessen entsprechende Wirklichkeit werden. Ich bin zwar den Wünschen meiner Völker nach dem Antrage meiner verantwortlichen Räthe mit den Grundregeln einer Verfassung entgegen gekommen, welche mir den Forderungen der Zeit und den Bedürfnissen der einzelnen Länder meines Kaiserreichs zu entsprechen schien. Dabei war es aber nie meine Absicht, der überwiegenden Meinung meiner Völker Schranken setzen zu wollen, und um diese meine Gesinnung unzweideutig an den Tag zu legen, habe ich mich bewogen gefunden, den ersten Reichstag als einen konstituirenden zuerklären und seiner Natur gemäß die Wahlordnung abzuändern. Diesen konstituirenden Reichstag will ich in meiner Residenzstadt Wien, wo bereits die nöthigen Vorbereitungen getroffen worden sind, eröffnen, wofern daselbst Ruhe und Ordnung, Friede und Versöhnung in jenem Maße hergestellt und verbürgt sein werden, wodurch die zum Reichstag versammelten Abgeordneten bezüglich einer freien und ungestörten Berathung über die künftige Gesetzgebung des Reichs vollkommen beruhigt sein können. Dort hoffe ich diejenigen um mich für die höchsten Interessen des Vaterlandes vereinigt zu sehen, welche mir hierher ihre herzlichen Huldigungen nachgesendet zu haben.
Innsbruck, den 6. Juni 1848.
Ferdinand.
Wessenberg. Doblhoff.
Das Ministerium hat dem Sicherheits-Ausschusse gestern folgende amtliche Mittheilungen gemacht:
„Nach einer heute früh durch den Telegraphen angelangten Nachricht aus Prag vom 13. Juni 2 Uhr 45 Minuten hat daselbst eine bedeutende Ruhestörung stattgefunden. Es wurden Barikaden errichtet und die Gewinnung einer Kommunikation mit der Kleinseite leider mit bedeutenden Verlusten an Menschenleben erkauft. Gubernial-Präsident Graf Thun ist im Clementinum festgehalten. Das Ministerium sieht sich veranlaßt, mit einem besondern Terrain einen höher gestellten Civil- und einen Militair-Kommissar nach Prag abzusenden, um über die Veranlassungen und die Zwecke dieser Bewegung nähere Erholungen einzuleiten und die geeigneten Vorkehrungen zur Herstellung der Ruhe und Versöhnung der Gemüther auf friedlichem Wege zu treffen, und setzt sogleich den Sicherheits-Ausschuß hiervon in Kenntniß.
Wien, am 13. Juni 1848.
Pillersdorff.“
„Die provisorische Regierung in Prag, welche den Beginn ihrer Wirksamkeit von der Genehmigung des Kaisers abhängig erklärt hatte, wurde gleich, nachdem die Absicht, sie zu errichten, dem Ministerium bekannt geworden war, annullirt und ist nie in's Leben getreten. Wären dessenungeachtet Uebergriffe oder illegale Schritte vorgefallen, so wird das Gubernium nach seiner Pflicht und unter Beobachtung der gesetzlichen Formen gegen die Ueberheber derselben einschreiten.
„Die neuesten Ereignisse in Prag, von welchen ich den Sicherheits-Ausschuß, insofern sie mir bekannt waren, unterm heutigen Tage in Kenntniß setzte, haben das Ministerium veranlaßt, zur Erlangung näherer Ausschlüsse zwei Kommissäre mit ausgedehnten Vollmachten nach Prag zu senden. Erst die von ihnen zu gewärtigenden Aufklärungen können die Grundlage zu dem Urtheile liefern, wer an den jedenfalls höchst bedauerlichen Ereignissen Schuld trägt und wen diesfalls eine Verantwortung trifft. Uebrigens finde ich den Sicherheits-Ausschuß über sein Einschreiten vom heutigen Tage aufmerksam zu machen, daß nach meiner erwähnten Mittheilung Graf Thun im Clementinum zu Prag festgehalten wird, welcher Umstand gegen die Vermuthung der Fortdauer der provisorischen Regierung spricht.
Wien, den 13. Juni 1848.
Pillersdorff.“
Wien, 13. Juni. Der Graf Thun ist von den Deutschen gefangen. Ein Theil academischen Legion ist fest entschlossen, heute Abend mit dem Train nach Prag ihren Brüdern zu Hülfe zu eilen.
(F. J.) (Siehe den Verfolg auf der 4. Seite.)
Französische Republik. 15 Paris, 16. Juni. Louis Bonaparte hat heute der Nationalversammlung seine Demission als Deputirter von London zugeschickt. Aus der Debatte über Algier ersah man, daß das Säbelregiment dort in seiner ganzen Glorie fortdauert und daß die Nationalversammlung sich wenig um die Reklamationen der Kolonisten bekümmert. Am Schlusse der Sitzung protestirte Louis Blanc gegen einen perfiden Ausfall Goudchaux' in der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung.
12 Paris, 16. Juni. Die Diskussion über Algier und dessen Vereinigung mit französischen Gebiete hat weiter geführt, als die republikanische Partei des National es gewünscht haben mochte. Sie hat einem ihrer Männer Goudchaux, Veranlassung gegeben, sich zu kompromittiren, und einem ihrer Gegner, Pierre Leroux, „dem Communisten“, erlaubt, sein „System' an's Tageslicht zu fördern. Pierre Leroux, ungeachtet aller seiner banalen Phrasen über Providenz, über Erlösung der Menschheit, über Nutzawendung der republikanischen Formel von fraternité, liberté und égalité, hat doch der Versammlung seine Ueberlegenheit dadurch bekundet, daß er die spezielle Frage Algiers in eine allgemeine soziale Frage umgewandelt. So lange er sich an der Auseinandersetzung des jetzigen Elends hielt, war er der Versammlung gegenüber ungemein stark; und selbst als er in die Andeutungen der Lösung überging, als er von der Kolonisation sprach, als Mittel das Elend und die Zwietracht zu beseitigen, war er noch immer der jetzigen Versammlung überlegen, obgleich er der ganzen proletarischen Bewegung gegenüber, wie sie in ganz Europa stattfindet, den Karakter des sentimentalen Schwärmers trägt, desjenigen Schwärmers, der von einer „Verwirklichung des Christianismus“ träumt. Dagegen muß man sich allgemein empört fühlen über Goudchaux Erwiederung. Die Menschlichkeit hat noch nicht ihr letztes und die Februarrevolution noch nicht ihr erstes Wort gesprochen. Warum waren vor der Februarrevolution die Arbeiter in einer schlechten Lage? Weil die Fabrikgerichte nicht unparteiisch zu Werke gingen. Warum sind die Arbeiter jetzt in einer so schlechten Lage? Weil die Nationalateliers da sind, wodurch die Arbeiter unmoralisch gemacht werden. Vor der Februarrevolution, meint er, seien die Arbeiter die ehrlichsten, arbeitsamsten Leute von der Welt gewesen : da seien auf einmal unheilvolle Lehren unter ihnen verbreitet worden, und jetzt mache man es sich allgemein zur Pflicht, die Hände in den Schoß zu legen. Goudchaux schließt damit, daß man auf Mittel sinnen müsse, den Arbeitern, die sich associrten, Kredit zu verschaffen. Wie wir sehen, war man von der algierschen Frage ungemein abgeschweift. Was nun Algier insbesondere anbetrifft, so war dieses Land, wie aus Ranné's Rede hervorgeht, auf eine schmähliche Weise verwaltet worden. Es war der früheren Regierung gar nicht darum zu thun, diese Eroberung beizubehalten. In vertraulichen Briefen, welche Louis Philipp an den Marechal Clausel geschrieben, forderte er letztern auf, nichts zu unternehmen, wodurch Frankreich ernstlich engagirt werden könnte. Daraus erklärte sich ferner, warum es 1847 noch einen englischen Konsul gab, der nicht bei der französischen Behörde, sondern bei dem Dey Algiers akkreditirt war. Mehr wie eine Milliarde ist auf Algier verwandt worden, und in diesem Augenblick ist es seinem Untergange nahe. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, verlangte Ranné, daß Algier der französischen Republick förmlich assimilirt werden soll. Cavaignac erklärt sich gegen die komplette Assimilation Algiers mit Frankreich, als gefährlich, und er hält es für angemessener, und zuträglich für die Kolonie, Algier eine besondere Konstitution zu geben. Der anderen Nachtheile nicht zu gedenken, würde die Assimilation eine zu große Anzahl Repräsentanten in Vergleich mit Frankreich in die Kammer bringen. Er bedauert, daß dort der Militärdespotismus regiere, aber es wäre schädlich, ihn abzuschaffen.
Sitzung der Nationalversammlung vom 16. Juni.
Eine allgemeine Aufregung herrschte bei der Eröffnung der Sitzung; man hatte gestern von der Wahrscheinlichkeit einer „Schlacht“ gesprochen.
Sénard, der Präsident, kündigt einen dritten Brief von Napoleon an, und garantirt dessen Authenticität; dieser Brief lautet; Herr Präsident! Ich war stolz darauf, als Volksrepräsentant ernannt worden zu sein. In meinen Augen gilt diese Auszeichnung als der Ersatz eines dreißigjährigen Exils, und einer dreijährigen Gefangenschaft. Aber der schmachvolle Verdacht, zu dem meine Wahl als Resultat der Intriguie dargestellt, Veranlassung giebt, so wie die Feindseligkeit, die mir von Seiten der exekutiven Gewalt zu Theil wird, legen mir die schwere Pflicht auf, auf diese Ehre zu verzichten. Ich wünsche die Ordnung und Aufrechthaltung einer vernünftigen, ehrbaren und festen Republick, und da unwillkürlich mein Name als Vorwand zu Störungen und Unordnungen dient, die ich bedauere, so reiche ich hiermit meine Demission ein. (Allgemeine Sensation.) Die Wiederherstellung der Ruhe wird mir, wie ich hoffe, bald erlauben, nach Frankreich zurückzukehren, als der schlichteste aller Bürger; aber auch zugleich als Einer von denjenigen, welche die Ruhe und den Wohlstand drs Landes am sehnlichsten wünschen.
Charles Louis Napoleon.
Es ward beschlossen, den Brief an den Minister des Innern zu schicken, damit er Anstalten treffe zur Wahl eines neuen Deputirten. Man schreitet alsdann zur Prüfung einer Vollmacht; eine Untersuchung wird beschlossen in Bezug auf die Thätigkeit der Wahl des Repräsentanten Laisson, und dann kömmt man wieder auf die gestern abgebrochene Frage der Vereinigung Algiers mit Frankreich zu sprechen. Statt aber die Frage selbst vorzunehmen, beschäftigt man sich wieder mit der gestrigen Abschweifung, mit der sozialen Frage, die Pierre Leroux vorgebracht hatte. Der General Lamoriciere spricht sich gegen das Kolonisations-System von Pierre Leroux aus. Wenn man Algier mit Amerika vergleichen wolle, wenn man Algier kolonisiren wolle wie die Verein. Staaten, so müßte man auch zu denselben Mitteln seine Zuflucht nehmen, und diese Mittel seien Ausrottung der Eingeborenen, durch Schwert und Ruhm.
Lamoricieres Amendement: da Frankreich hinlänglich erklärt habe, Algier sei auf immer ein französisches Land, zur Tagesordnung überzugehen, wird angenommen.
Louis Blanc ergreift zuletzt das Wort und protestirt gegen die Verdächtigung, als habe er die Arbeiter anreizen wollen, die Hände in den Schoß zu legen. Seine Rede wird mit allgemeinem Beifalle aufgenommen.
Belgien. 25 Brüssel, 18. Juni. Sie haben das Resultat unserer allgemeinen Wahlen, den „glänzenden Sieg“ der konstitutionellen Partei ohne Zweifel schon aus unsern Blättern ersehen. Jubel und Freude herrscht im liberalen Hauptquartier, in den Hallen der „Association liberale“ wie in den Spalten der „Independance.“ Die Kammer hatte die Wahlreform bis zu den äußersten Grenzen der Konstitution gegeben, die Zahl der Wähler war verdoppelt, das „demokratische“ Belgien war noch demokratischer geworden, und überall sind die Candidaten der alten Majorität, die ehrenfesten Stützen des Cabinets Rogier glänzend durchgegangen. „Das Land“ hat entschieden, „das Land“ will die Republik nicht, „das Land“ schaart sich nun um den konstitutionellen König und seinen Bannerträger Rogier.
Aber „das Land“ dieser Herren, das sind nicht die 4 Millionen Belgier (wovon 1/4 Paupers) sondern die 80,000 Census-Wähler die in unserm gottgesegneten Musterstaat das politische Monopol ausüben. Die achtzig Tausend Privilegirten hatten bei dieser Wahl sich darüber auszusprechen, ob sie ihr Privilegium aufgeben wollten oder nicht. Ist es da zu verwundern, daß sie erklärten mit ihrem Privilegium, mit dem politischen Monopol zu stehen und zu fallen?
Die Wähler vor der Wahlreform bestanden ausschließlich aus der hohen Bourgeoisie und aus den großen Grundbesitzern. Sie befanden sich Beide wohl innerhalb der Konstitution die sie zusammen gemacht hatten. Sie hatten sich achtzehn Jahre lang unter dieser Konstitution um die ausschließliche Herrschaft gestritten. Da brach die Februarrevolution los. Ein großer Theil der bisher vom politischen Monopol ausgeschlossenen Fraktionen der besitzenden Klasse, der früher eben wegen dieses Ausschlusses eine radikalere Richtung verfolgt hatte, sah sich durch die Ereignisse überflügelt und wurde selbst konservativ. Die Bewilligung der Theilnahme am politischen Monopol an diese Fraktionen hörte nicht nur auf gefährlich zu sein, sie wurde sogar ein Akt der guten Politik. Sie vereinigte alle konservativen Klassen unter der Aegide der Konstitution. Daher die Wahlreform, daher ihre Resultate, kein andres Resultat zu haben als das alte Wahlgesetz.
Und wo noch Chancen für die demokratische Partei waren, da wurden sie erdrückt durch die Koalition der beiden konservativen Fraktionen, der feudalen und der liberalen Partei. Die großen Grundbesitzer sahen sich am meisten bedroht. Sie sahen, daß die Zeit ihrer Alleinherrschaft auf ewig vorbei war, sie waren froh sich unter dem Schutz der großen Bourgois begeben zu dürfen. Sie, die früher vermittelst des Senats die Liberalen in Schach gehalten, nehmen jetzt das Bündniß mit ihnen zu den erniedrigsten Bedin gungen an Ihr Hauptblatt, das „Journal de Bruxelles“ mußte seinen alten Erzfeind, den liberalen Bayard Verhaegen empfehlen- Man erlaubte ihnen nur in wenigen Orten Kandidaten aufzustellen und selbst da ließ man sie meistens durchfallen. Die tapfersten Ritter des Feudaladels, ein Malou, ein d'Anethan (zwei Exminister) ein Eloy de Burdine (der belgische Lord Georg Bentink) ein Brabanter, wurden von der unerbittlichen Bourgeois zu, rückgewiesen. Die ältesten „rotten boroughs“ der Feudalpartei, Namur, Löwen, Ypern wurden ihnen ungetreu und zogen mit klingendem Spiel ins liberale Lager hinüber.
So bildet jetzt Alles, was am Wahlmonopol Theil nimmt, eine eherne Mauer um den geliebten Rogier und die Musterkonstitution des Monopols. Die achtzigtausend Priviligirten haben begriffen, daß es sich um ihre Existenz handelt. Darum lassen sie alle Differenzen fallen, darum stehen sie Alle für Einen und Einen für Alle. Diese Herren sollten im Stande sein, einen politischen Selbstmord zu begehen?
Die Sache hat also ihren ganz natürlichen Zusammenhang. Die Independance und der Observateur mögen nur fortfahren zu frohlocken und zu rufen: „Das Land“ hat entschieden, das Land will die Republick nicht ‒ die 80,000 Monopolisten sind ebensowenig das „Land“ wie der Vaterlandsretter Rogier ein großer Staatsmann.
Großbritannien. London, 16. Juni. Unterhaus. Sitzung vom 15. Juni. Hr. G. Bankes frägt an, ob der spanische Gesandte in Folge von besonderen Instruktionen, die ihm etwa aus Madrid zugegangen, von London abgereist sei, und ob noch Papiere über diesen Gegenstand dem Unterhause vorgelegt werden sollen? Lord J. Russel verneint das Erstere mit dem Zusatze, Istoritz sein in Folge einer mit Lord Palmerston gepflogenen Korrespondenz, abgereist; den zweiten Theil der Anfrage bejaht er. Die übrigen Verhandlungen sind ohne Interesse für das Ausland. Dasselbe gilt von den Verhandlungen des Oberhauses.
‒ Die in Newgate gefangen sitzenden Chartisten standen gestern vor dem Central-Kriminal-Gerichtshofe. Auf ihr Verlangen wurde der Anfang des Prozesses bis zur nächsten Sitzung verschoben, weil sie nicht hinlängliche Zeit gehabt, ihre Vertheidigung vorzubereiten. Die Gefangenen sahen blaß und krank aus. Man hat von ihnen absichtlich so hohe Bürgschaften oder Kautionen verlangt, damit es ihnen unmöglich würde, dieselben aufzubringen und auf freiem Fuß das Urtheil abzuwarten.
‒ Konsols schließen zu 831/2, 5/8, Vorkäufer, etc. dito. Der heutige Abrechnungstag ging ruhig vorüber; die Differenzen waren gering und wurden ohne Schwierigkeit gezahlt. Die Herabsetzung des Diskonto's Seitens der Bank von England auf 31/2 pCt. hat unter den Privatbanquiers Mißvergnügen erregt, weil sie es gefährlich halten, wenn das Geld „zu wohlfeil“ wird.
‒ In Irland bilden sich aller Orten Repcal-Klubs, und an dem Zustandekommen der „irischen League“ ist nicht zu zweifeln. Daß darin die „Jung-Irländer“ und ihr Grundsatz: nur schließliche Anwendung physischer Gewalt kann dem Volke zu seinem Recht verhelfen, die Oberhand haben werden: das zeigt sich schon jetzt und wird bald noch klarer hervortreten. Meagher, O'Gormann jun., Doheny und Cantwell haben sich nach Tipperary begeben, um das Volk in Klubs zu organisiren. Sie sind dort angekommen und mit großem Jubel empfangen worden.
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(2017-03-20T13:08:10Z)
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Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML
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Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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