Neue Rheinische Zeitung. Nr. 7. Köln, 7. Juni 1848.widerte ich, im Namen der Versammlung und in Ihrer Eigenschaft als Präsident, meine Dazwischenkunft zu versuchen?" Er antwortete bejahend in Gegenwart Corbon's, eines der Vizepräsidenten. So war es nur im Interesse der Ordnung und nachdem ich offizielle Vollmacht dazu erhalten hatte, daß ich an die Menge mich wandte. Vom Büreau der Sekretaire aus verlangte ich einen Augenblick Stillschweigen, der mir gestattet wurde und ich benutzte ihn - der Moniteur ist Zeuge - um das Volk zur Ruhe, zur Mäßigung, zur Achtung seiner eignen Souverainetät aufzufordern, die eine aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangene Versammlung in Wahrheit darstellte. Inzwischen dauerte der Tumult in dem Saale fort und draußen wurde die Bewegung jeden Augenblick lebhafter. Ich wurde von neuem mit den besorgnißvollsten Vorstellungen bestürmt. Sicher der Zustimmung des Präsidenten, ging ich an die Fenster des Hofes, der zum Bourgogneplatz führt, bestieg die Fensterbrüstung, in der Albert und Barbes sich zeigten, und sprach zu der im Hofe dicht gedrängten Menge, was mir am geeignetsten schien, um sie zu beruhigen. Ich sagte im Wesentlichen: man könne die Berechtigung der Wünsche nicht leugnen, die auf eine gleichmäßigere Vertheilung der Früchte der Arbeit, auf die stufenweise Ausrottung des Elends gerichtet seien, aber man könne sicher sein, die geheiligten Interessen der Arbeiter würden von der Versammlung nicht außer Acht gelassen werden; das sei gerade der ewige Ruhm der Republik, ohne Unterlaß an der Verwirklichung des Rechtes Aller auf ein glückliches Leben gearbeitet zu haben. Wenn es Thorheit wäre, seine Hoffnungen in diesem Punkte zu hoch zu spannen, so sei es wenigstens eine jener erhabenen Thorheiten, denen sein Leben zu weihen sehr verzeihlich sey; übrigens sei es ein sehr rührendes und sehr edles Schauspiel, ein Volk zu sehen, das seine eignen Schmerzen vergesse, um sich mit den Leiden eines befreundeten Volkes zu beschäftigen; hier gebe sich der hochsinnige, kosmopolitische Geist Frankreichs zu erkennen; aber je achtungswerther die Gefühle des Volkes seien, um so mehr gezieme es sich, sie auf eine gesetzliche, regelmäßige Weise zum Ausdrucke zu bringen. Und ich schloß, indem ich die Menge beschwor, der Nationalversammlung alle Freiheit zu ihren Berathungen zu lassen. Ich zog mich zurück, um meinen Platz unter meinen Kollegen wieder einzunehmen, als ich von einer zahlreichen Gruppe, die sich hinter dem Fenster gebildet hatte, ergriffen und durch den Saal der Paspardus getragen wurde. Man wollte mich noch einmal hören, man verlangte es gebieterisch, man schloß einen Kreis, ein Stuhl wurde gebracht, den man mich zu besteigen zwang, und ich muß das Wort nehmen. Da war es, als ich von der ursprünglichen Kraft der Februar-Revolution, aber auch von der unbedingten Nothwendigkeit sprach, ihr durch Mäßigung und Verständigkeit die Bewunderung der Welt zu gewinnen, wo ich jene Worte äußerte, die seitdem so grausam entstellt worden sind: "Diese Revolution ist nicht eine von denen, welche Throne erschüttern, sie gehört zu jenen, welche sie umstürzen." Und der Schluß, das Resume meines Vortrags, war jener Ruf, den alle Zuhörer mit Begeisterung wiederholten: Es lebe die Universal-Republik! Fast in demselben Augenblicke umringt man mich von allen Seiten, man hebt mich in die Höhe, man will mich in die Versammlung tragen. Ich wehrte mich heftig, ich antwortete wiederholt auf die leidenschaftlichen Zurufe, die um mich erschollen, daß der einzige des Volkes wahrhaft würdige Ruf sey: es lebe die Republik! - es war vergeblich, ich erschöpfte mich in nutzlosen Anstrengungen. Zehn Mal fiel ich unter die Menge, die mich fortriß, zehn Mal hoben mich kräftige Arme in die Höhe. Einige stürzten auf mich los, um mich zu umarmen, Andere riefen: "Nehmt Euch in Acht, er erstickt." Ist es Unrecht, solche Sympathien zu erregen, wenn man aus allen Kräften deren Ausdruck bekämpft und wenn man stets der Sache, die man für die wahre hält, ohne Erniedrigung, ohne Schmeichelei, ohne eitles Haschen nach Popularität gedient hat, so ist das mein Unrecht; möge man noch ein anderes in meinem Benehmen suchen ! So wurde ich wider meinen Willen durch die kompakte Masse der Eingedrungenen in die Versammlung getragen. Wer bei dieser Scene zugegen gewesen ist, hat aus meiner Haltung urtheilen können, ob ich nicht alles gethan habe, den traurigen Eklat zu verhindern. Aber was vermochte in einem solchen Momente mein körperlicher Widerstand und die wenigen Worte, die ich noch in das Getöse hineinzuwerfen suchte? Uebermannt von Müdigkeit, in Schweiß gebadet, mit völlig erloschener Stimme wurde ich gegen die äußersten Bänke des Amphitheaters hingedrängt. Da sagte ein Arbeiter zu mir : "Sie haben keine Stimme mehr, aber wenn Sie auf ein Stück Papier schreiben, daß Sie noch ein letztes Mal die Menge beschwören, sich zurückzuziehen, so werde ich vielleicht dazu kommen, dies Papier mit einer Stimme abzulesen, die stark genug ist, um gehört zu werden. Sofort ergriff ich eine Feder und schrieb in der Eile folgende Zeilen : "Im Namen des Vaterlandes, im Namen der Volkssouverainetät, im Interesse Aller, beschwöre ich Euch...." Da fielen von der Tribüne herab die verhängnißvollen Worte : "Die Nationalversammlung ist aufgelöst." Nun entstand eine große Bewegung, die in ihrer Heftigkeit mich bis zum Konferenzsaale brachte. Man rief mich von allen Seiten. Eine geschlossene stürmische Menge umringte mich mit dem Zurufe, ich solle auf das Stadthaus mich begeben. Ich antwortete mit einer stiefen Bestürzung, die Jedermann auf meinem Gesichte lesen konnte: auf das Stadthaus gehen, heiße Gefahr laufen, Blutvergießen zu veranlassen. Ich frug nach mehreren meiner Kollegen: ich konnte nichts erfahren über Albert, aber von Barbes sagte mir Jemand, daß man ihn zum Stadthaus habe führen wollen und daß er sich sehr lebhaft dagegen gewehrt habe. Dies wurde von mehreren Umstehenden, deren Name mir unbekannt war, bestätigt. Das Alles auf die Thüre zustürzte, riß mich der Strom in's Freie, und ich kam so verloren unter die Menge um mir heraus, daß ich noch nicht weiß, durch welchen Ausgang und auf welchem Wege ich zur Esplanade der Invaliden gelangte." Hierauf folgt eine Erzählung, wie es ihm endlich mit Hülfe seines Bruders gelang, aus der Menge herauszukommen und ein Kabriolet zu besteigen, dessen Besitzer ihn zu einem Freunde im Quartier der Ekole de Medecnie führte, von wo er sich nach seiner Wohnung begab. "Die Beherzigung - heißt es denn - die ein Journal gewagt hat, daß man mich auf dem Stadthause gesehen habe, ist eine Lüge, deren Unverschämtheit alle Vorstellung übersteigt. Sobald ich zu Hause hörte, daß die Versammlung wieder zusammengetreten sei, beeilte ich mich, auf meinen Posten zurückzukehren. Im Vorhofe angelangt, wurde ich von einigen Nationalgardisten erkannt. Mit einer unglaublichen Wuth stürzten sie auf mich los. "In Anklagezustand, sagten die Einen, man muß ihn umbringen! das läßt sich schneller machen" sagten die Andern. Glücklicherweise bewiesen andere Nationalgardisten denselben Eifer mich zu vertheidigen, wie ihre Kameraden mich anzugreifen. General Duvivier erschien in Uniform, und war einer der ersten, mein Leben zu schützen. Unter denen die um mich waren, und denen es gelang, mich der blindesten Wuth zu entreißen, nenne ich mit Erkenntlichkeit Larochejacquelein, Boulay de la Meurthe, Wolowski, mein Landsmann Conti u. s. w. Es ist gewiß, wenigstens wahrscheinlich, daß es ohne ihre Dazwischenkunft, um mich geschehen war. Man riß mir Handvoll die Haare aus; meine Kleider wurden zerissen; Elende suchten mich von hinten mit Bajonnettstößen zu treffen; Einer der mich nicht anders fassen konnte, packte meine rechte Hand und verrenkte mir die Finger. Ich trat wahrhaft mit Fetzen bedeckt in die Versammlung. In diesem Zustand hätte ich vielleicht von allen meinen Kollegen einige der Rücksichten erwarten können, die das blose Gefühl der Humanität gebietet. Aber so grausam ist die Wirkung gewisser, von Revolutionszeiten unzertrennlicher Mißverständnisse, daß ich in einem Theil der Versammlung nur feindselige Gesinnungen fand. Mein Erscheinen auf der Tribüne, wohin die gebieterischste Pflicht mich rief, laut Zeugniß abzulegen zu Gunsten meiner unglücklichen Freunde Albert und Barbes, rief das heftigste Murren hervor. Ist es wahr, wie mehrere Journale berichtet haben, daß in dieses Murren sich Beleidigungen eingemischt haben, wie sie nicht ein Mann von Herz erträgt? Ich habe das Recht es zu läugnen, nicht nur, weil ich diese Beleidigungen nicht gehört habe, sondern weil ich seitdem einen Brief geschrieben, der die vorgeblichen Beleidiger aufforderte, sich zu erkennen zu geben. Dies Schreiben ist ohne Antwort geblieben, und ich halte die Versammlung, deren Mitglied ich bin, hoch genug zu glauben, daß nicht ein Einziger aus ihr fähig ist, zu einer Beleidigung ohne Verantwortung, sich zu erniedrigen. Der Moniteur berichtet, daß heute Abend einstimmig die Autorisation gegeben worden sei, Albert zu verfolgen. Im Namen meiner Freunde und für mich selbst protestire ich energisch gegen diese Behauptung. Das ist, mit der vollständigsten, mit der minutiösesten Genauigkeit erzählt, das Benehmen, das ich am 15. Mai beobachtet habe ..... Ich behalte mir vor, später im Einzelnen zu zeigen, wie gehässig man die historischen Thatsachen der drei letzten Monate in Bezug auf mich entstellt hat. Vor der Hand erkläre ich auf die gegen mich erhobenen Beschuldigungen: Es ist falsch, daß ich, in welcher Art es auch sein könne, sei es an der Einrichtung, sei an der Leitung der sogenannten Nationalwerkstätten mich betheiligt habe, wiewohl ich es als ein geheiligtes Prinzip betrachte: "Jede Gesellschaft verschuldet ihren Mitgliedern Arbeit und Brod." Wahr ist, daß ich wirksam beigetragen habe, und ich bin stolz darauf, freiwillige, wirksame, fruchtbare Associationen zu gründen, wie die der Schneider in der Rue de Clichy, die sich bisher trotz aller auf ihren Ruin berechneter Mannöver des besten Fortgangs erfreut und als ein lebendiges Dementi gegen die Herabwürdiger der neuen Ideen betrachtet werden kann. (Ich werde nächstens die Entstehung dieser Association, ihre Fortschritte und ihre Entwicklungen öffentlich darstellen; man wird nach Zahlen die Wichtigkeit eines solchen Versuchs beurtheilen). Es ist falsch, daß die Kommission im Luxembourg Mittel zur Verfügung gehabt habe, ihre Ideen fruchtbringend anzuwenden, denn sie hat keine Fonds, keine ausführende Gewalt und keine andere Autorität besessen, als die des Wortes, und des gegenüber einer Menge ruinirter Industrien, die unterstützt sein wollten, mitten unter einer kreischenden, bewaffneten Masse, die es zu beruhigen galt. Es ist falsch, daß die Kommission im Luxembourg eine Ursache gefährlicher Aufregung gewesen sei. Sie hat im Gegentheil mächtig beigetragen zur Sicherheit von Paris, wo die Ordnung nicht gestört worden ist, solange sie für ihren Theil verantwortlich dafür war. Sie hat gerade diejenigen beschützt, welche sie gegenwärtig herabziehen, theils aus Unwissenheit, theils mit der Erbittrung des Undanks. Es ist falsch, daß die Ausgaben des Luxembourg - doch ich müßte erröthen, wollte ich auf so niedrige Lügen eingehen, die der Leichtgläubigkeit der Dummköpfe zum Futter vorgeworfen werden, - ich überlasse es der Verwaltung, mit Zahlen zu beweisen, daß das Luxembourg zwei Monat lang keinen Gast gesehen hat als rechte Demokraten, die in allen Dingen den bescheidenen Gewohnheiten des plebejischen Lebens treu bleiben. Es ist falsch, um auf neuere Lügen zu kommen, daß ich seit dem 15. Mai in der Versammlung nicht mehr erschienen sei. Ich habe mit gewissenhafter Pünktlichkeit allen Sitzungen beigewohnt. Und nun noch ein Wort. Denjenigen, die im Uebermaß des bösen Willens und der Albernheit mir die Verlegenheiten der industriellen Lage aufbürden, denen will ich sagen, daß diese Verlegenheiten die bittre unvermeidliche Frucht des Wiederstreits der Interessen und der Konkurrenz sind; ihnen will ich sagen, daß ich Zeit meines Lebens dies Prinzip verklagt, seine bösen Folgen vorhergesagt habe, daß es unsinnig ist, Lehren, die bisher von der Gesellschaft weder angenommen noch angewandt sind, das Uebel beizumessen, das gerade aus der Anwendung ganz entgegengesetzter Doktrinen herrührt. Wie! die Gesellschaft stürzt sich unter der Herrschaft der anarchischen Konkurrenz in den Abgrund der Unordnung, und man macht diese Unordnung denjenigen zum Vorwurf, welche, um sie zu bekämpfen, die Verbrüderung der Interessen, die Association empfehlen! Doch, man muß es wohl hoffen, das Licht wird kommen. Man wird erfahren, wie groß gegen einen Ehrenmann die Macht systematischer Lügen sein kann, eine Macht übrigens, die ebenso vorübergehend als verächtlich ist. Die Geschichte wird sprechen und die Wahrheit Genugthuung erlangen. Großbritannien. London, 4. Juni. Als der irische Patriot Mitchell vor wenigen Tagen im Gerichtshofe zu Dublin an jenen Römer erinnerte, der seine Hand zu Asche brennen sah und versprach, daß dreihundert Männer wie er gern das gescheiterte Unternehmen auf's Neue wagen würden: da tönte dem Verurtheilten mit dem hundertstimmigen Ruf seiner Freunde die Versicherung entgegen, daß auch in Irland die Liebe zum Vaterlande und zur Freiheit noch nicht erloschen sei. Der hundertstimmige Ruf im Gerichtshofe zu Dublin ist ein tausendstimmiger geworden, seit die Chartisten Englands sich in kolossalen Massen emporgerichtet haben, um feierlich zu Gunsten hres irischen Bruders zu protestiren. Der Nothern Star, das Organ dieser großen Partei, bringt uns Kunde aus allen Städten, aus allen Dörfern Alt-Englands; jeder Ort hat seinen Fluch gegen ein Gouvernement geschleudert, das die englische Noth nur mit Armenbastillen und die Leiden das grünen Erin mit nichts anderm, als mit Zwangsmaßregeln, mit bestochenen Richtern, mit dem Strang und der Kartätsche aus der Welt zu schaffen strebt. Der schadenfrohe Hohn jener feilen Londoner Presse hat seine beste Erwiederung in der Indignation des Volkes gefunden und wenn O'Connor in seinem Briefe an die Gattin des Verurtheilten ausruft: "Aber fürchten Sie nichts; Ihrer Wittwentage werden wenige sein, da die Stunden Ihrer Unterdrücker gezählt sind - " so ist dies eine Versicherung, welche dadurch Gewißheit erhält, daß der so brutal angestimmte Jubel jener offiziellen Blätter, sich vor den Demonstrationen der demokratischen Masse bereits in ein wahres Gewinsel verwandelt hat. An der Spitze der Whigs steht wieder der kleine Lord John, zitternd wie immer, wenn ihm nach einigen stets nur halbgelungenen Kraftäußerungen dennoch zuletzt jene Entschiedenheit der alten Tory's, jene Entschlossenheit eines Pitt, eines Castlereagh so bedauerlich fehlt. "You are not strong enough for the place - John!" "Du bist nicht stark genug für den Platz - John!" ließ der witzige Punch einst die Königin sagen, als er diese wie eine gute Hausfrau und den kleinen Lord John Russell als einen schwächlichen Laufburschen carrikirt hatte, der sich um eine Stelle bewarb. Dies: "Du bist nicht stark genug für den Platz - John !" läßt sich auch heute vortrefflich anwenden, wo die Whigs nach ihrem Triumphe vom 10. April und nach der Verurtheilung eines Mitchell schon wieder selbst in ganz devoter Manier die Hand zu einer Reform bieten, der sie noch eben dem Anschein nach, so heroisch zu widerstehen wagten. Lord John Russel fürchtet sich, daß er ein gar zu großer Held werden mögte; er wird bange vor seiner eignen Kurage und ehe man sich's versieht, macht er einen Angriff auf sein eignes Meisterstück, auf die Reform-Bill, indem er die Taxenklausel derselben, oder mit andern Worten, ein freies Wahlsystem vor die Augen des erstaunten Unterhauses bringt. Man lachte laut auf über den kleinen Mann, der erst vollends komisch geworden ist, seit er erst dann für die City von London gewählt wurde, nachdem er sich verbindlich gemacht hatte sein meistes und bestes zu thun, nun auch den Juden Rothschild mit in das Parlament zu schleifen .... Man lachte und es hätte nicht viel gefehlt, daß Jemand von der Fremden-Gallerie die verhängnißvollen Worte: "Es ist zu spät!" ausgerufen hätte. Aber in dem würdigen Hause der Gemeinen geht es nicht so toll zu, wie bei den frivolen Franzosen, und die ehrenwerthen Mitglieder begnügten sich damit, das Ministerium bei einer Motion des Dr. Bowring in Betreff der Führung der öffentlichen Rechnungen mit allem Glanz durchfallen zu lassen. Im Hause der Lords passirte den Whigs diese Ehre mehrmals hintereinander, und mit wahrem Entsetzen sieht der kleine John daher der bevorstehenden Debatte über die spanischen Streitigkeiten entgegen, die alle Sünden seines Kollegen Palmerston unerbitterlich ans Licht hervorzerren wird. Schlimm geht die Welt mit den Biedermännern um. Die Whigs, die noch eben den armen Mitchell über's Meer schickten, sie haben vielleicht bald Gelegenheit auf einem Landgut in einer verschollenen Ecke über die Nichtigkeit alles Großen nachzudenken. Ob aber dann, wie es bisher immer der Fall war, gleich dem Faustschlag des einen Boxers der Prügel des andern, so auch diesmal wieder der Tory dem Whig folgen wird - das ist noch die Frage. Der Name Mitchell's ist ein böser Ruf im Munde der Chartisten und der Repealer geworden; noch raucht das Blut der Gefallenen in Paris, in Wien, in Berlin und die Demokratie unseres Jahrhunderts ist stark genug, um auch in England einen Tag des Triumphes zu feiern, der leicht der ganzen mottenzerfressenden Konstitution Brittaniens ein schreckliches Ende bereiten könnte. - Der ganze Ertrag des Northern Star vom 10. Juni ist für die Gattin John Mitchell's bestimmt, und der Eigenthümer dieses Blattes wird ihn mit einer Adresse der Englischen Chartisten, in ihrem Namen der heroischen Frau übersenden. London, 4. Juni. In der Freitags Sitzung des Oberhauses beschwerte sich Lord Stanley wegen der Unvollständigkeit der dem Hause in Betreff der spanischen Streitigkeiten vorgelegten Papiere. Der Standard sieht hierin einen Beweis, daß der edle Lord die Palmerston'sche Sache nicht aus den Augen verloren hat, und daß sie gehörig untersucht werden wird. Wir sind sicher, bemerkt der Standard, daß diese Geschichte mit der Entlassung des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten enden wird, daß wir es gern mit Geduld abwarten wollen. Lord Palmerston mit seinem Freunde Thiers und dem Pabst Pius sind die Feuerbrände Europa's gewesen. Es ist nur zu bedauren, daß man Sr. Lordschaft nicht schon vor 6 Monaten auf die Schliche gekommen ist. - Bis zum 30. Mai wurden für die Abschaffung der Schifffahrtsgesetze 9 Petitionen mit 2268 Unterschriften; gegen dieselbe 91 Petitionen mit 32,908 Signaturen beim Parlamente eingereicht. - Wir sind froh, sagt der Telegraph, daß die höheren und mittleren Klassen der Gesellschaft sich mehr um den Komfort und das Wohlergehen der Armen bekümmern. Die öffentlichen Bäder und Waschhäuser sind bereits von großem Segen gewesen. Es ergiebt sich aus den Verhandlungen, die jüngst über diese Angelegenheit veröffentlicht wurden, daß während den vier Monaten, welche am 7. Mai endeten, nicht weniger als 16,226 Personen sich der Wohlthat des Bades bedienten und 16,010 Frauen ihre Kleider, wuschen, trockneten und bügelten." Die Times wird sich namentlich über diese Resultate freuen; sie darf nun doch wenigstens hoffen, die Chartisten bei der nächsten politischen Demonstration hübsch rein gewaschen und angezogen zu sehen. Handels- und Börsen-Nachrichten. [irrelevantes Material] Hierzu eine Beilage widerte ich, im Namen der Versammlung und in Ihrer Eigenschaft als Präsident, meine Dazwischenkunft zu versuchen?“ Er antwortete bejahend in Gegenwart Corbon's, eines der Vizepräsidenten. So war es nur im Interesse der Ordnung und nachdem ich offizielle Vollmacht dazu erhalten hatte, daß ich an die Menge mich wandte. Vom Büreau der Sekretaire aus verlangte ich einen Augenblick Stillschweigen, der mir gestattet wurde und ich benutzte ihn ‒ der Moniteur ist Zeuge ‒ um das Volk zur Ruhe, zur Mäßigung, zur Achtung seiner eignen Souverainetät aufzufordern, die eine aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangene Versammlung in Wahrheit darstellte. Inzwischen dauerte der Tumult in dem Saale fort und draußen wurde die Bewegung jeden Augenblick lebhafter. Ich wurde von neuem mit den besorgnißvollsten Vorstellungen bestürmt. Sicher der Zustimmung des Präsidenten, ging ich an die Fenster des Hofes, der zum Bourgogneplatz führt, bestieg die Fensterbrüstung, in der Albert und Barbés sich zeigten, und sprach zu der im Hofe dicht gedrängten Menge, was mir am geeignetsten schien, um sie zu beruhigen. Ich sagte im Wesentlichen: man könne die Berechtigung der Wünsche nicht leugnen, die auf eine gleichmäßigere Vertheilung der Früchte der Arbeit, auf die stufenweise Ausrottung des Elends gerichtet seien, aber man könne sicher sein, die geheiligten Interessen der Arbeiter würden von der Versammlung nicht außer Acht gelassen werden; das sei gerade der ewige Ruhm der Republik, ohne Unterlaß an der Verwirklichung des Rechtes Aller auf ein glückliches Leben gearbeitet zu haben. Wenn es Thorheit wäre, seine Hoffnungen in diesem Punkte zu hoch zu spannen, so sei es wenigstens eine jener erhabenen Thorheiten, denen sein Leben zu weihen sehr verzeihlich sey; übrigens sei es ein sehr rührendes und sehr edles Schauspiel, ein Volk zu sehen, das seine eignen Schmerzen vergesse, um sich mit den Leiden eines befreundeten Volkes zu beschäftigen; hier gebe sich der hochsinnige, kosmopolitische Geist Frankreichs zu erkennen; aber je achtungswerther die Gefühle des Volkes seien, um so mehr gezieme es sich, sie auf eine gesetzliche, regelmäßige Weise zum Ausdrucke zu bringen. Und ich schloß, indem ich die Menge beschwor, der Nationalversammlung alle Freiheit zu ihren Berathungen zu lassen. Ich zog mich zurück, um meinen Platz unter meinen Kollegen wieder einzunehmen, als ich von einer zahlreichen Gruppe, die sich hinter dem Fenster gebildet hatte, ergriffen und durch den Saal der Paspardus getragen wurde. Man wollte mich noch einmal hören, man verlangte es gebieterisch, man schloß einen Kreis, ein Stuhl wurde gebracht, den man mich zu besteigen zwang, und ich muß das Wort nehmen. Da war es, als ich von der ursprünglichen Kraft der Februar-Revolution, aber auch von der unbedingten Nothwendigkeit sprach, ihr durch Mäßigung und Verständigkeit die Bewunderung der Welt zu gewinnen, wo ich jene Worte äußerte, die seitdem so grausam entstellt worden sind: „Diese Revolution ist nicht eine von denen, welche Throne erschüttern, sie gehört zu jenen, welche sie umstürzen.“ Und der Schluß, das Resumé meines Vortrags, war jener Ruf, den alle Zuhörer mit Begeisterung wiederholten: Es lebe die Universal-Republik! Fast in demselben Augenblicke umringt man mich von allen Seiten, man hebt mich in die Höhe, man will mich in die Versammlung tragen. Ich wehrte mich heftig, ich antwortete wiederholt auf die leidenschaftlichen Zurufe, die um mich erschollen, daß der einzige des Volkes wahrhaft würdige Ruf sey: es lebe die Republik! ‒ es war vergeblich, ich erschöpfte mich in nutzlosen Anstrengungen. Zehn Mal fiel ich unter die Menge, die mich fortriß, zehn Mal hoben mich kräftige Arme in die Höhe. Einige stürzten auf mich los, um mich zu umarmen, Andere riefen: „Nehmt Euch in Acht, er erstickt.“ Ist es Unrecht, solche Sympathien zu erregen, wenn man aus allen Kräften deren Ausdruck bekämpft und wenn man stets der Sache, die man für die wahre hält, ohne Erniedrigung, ohne Schmeichelei, ohne eitles Haschen nach Popularität gedient hat, so ist das mein Unrecht; möge man noch ein anderes in meinem Benehmen suchen ! So wurde ich wider meinen Willen durch die kompakte Masse der Eingedrungenen in die Versammlung getragen. Wer bei dieser Scene zugegen gewesen ist, hat aus meiner Haltung urtheilen können, ob ich nicht alles gethan habe, den traurigen Eklat zu verhindern. Aber was vermochte in einem solchen Momente mein körperlicher Widerstand und die wenigen Worte, die ich noch in das Getöse hineinzuwerfen suchte? Uebermannt von Müdigkeit, in Schweiß gebadet, mit völlig erloschener Stimme wurde ich gegen die äußersten Bänke des Amphitheaters hingedrängt. Da sagte ein Arbeiter zu mir : „Sie haben keine Stimme mehr, aber wenn Sie auf ein Stück Papier schreiben, daß Sie noch ein letztes Mal die Menge beschwören, sich zurückzuziehen, so werde ich vielleicht dazu kommen, dies Papier mit einer Stimme abzulesen, die stark genug ist, um gehört zu werden. Sofort ergriff ich eine Feder und schrieb in der Eile folgende Zeilen : „Im Namen des Vaterlandes, im Namen der Volkssouverainetät, im Interesse Aller, beschwöre ich Euch….“ Da fielen von der Tribüne herab die verhängnißvollen Worte : „Die Nationalversammlung ist aufgelöst.“ Nun entstand eine große Bewegung, die in ihrer Heftigkeit mich bis zum Konferenzsaale brachte. Man rief mich von allen Seiten. Eine geschlossene stürmische Menge umringte mich mit dem Zurufe, ich solle auf das Stadthaus mich begeben. Ich antwortete mit einer stiefen Bestürzung, die Jedermann auf meinem Gesichte lesen konnte: auf das Stadthaus gehen, heiße Gefahr laufen, Blutvergießen zu veranlassen. Ich frug nach mehreren meiner Kollegen: ich konnte nichts erfahren über Albert, aber von Barbés sagte mir Jemand, daß man ihn zum Stadthaus habe führen wollen und daß er sich sehr lebhaft dagegen gewehrt habe. Dies wurde von mehreren Umstehenden, deren Name mir unbekannt war, bestätigt. Das Alles auf die Thüre zustürzte, riß mich der Strom in's Freie, und ich kam so verloren unter die Menge um mir heraus, daß ich noch nicht weiß, durch welchen Ausgang und auf welchem Wege ich zur Esplanade der Invaliden gelangte.“ Hierauf folgt eine Erzählung, wie es ihm endlich mit Hülfe seines Bruders gelang, aus der Menge herauszukommen und ein Kabriolet zu besteigen, dessen Besitzer ihn zu einem Freunde im Quartier der Ekole de Médecnie führte, von wo er sich nach seiner Wohnung begab. „Die Beherzigung ‒ heißt es denn ‒ die ein Journal gewagt hat, daß man mich auf dem Stadthause gesehen habe, ist eine Lüge, deren Unverschämtheit alle Vorstellung übersteigt. Sobald ich zu Hause hörte, daß die Versammlung wieder zusammengetreten sei, beeilte ich mich, auf meinen Posten zurückzukehren. Im Vorhofe angelangt, wurde ich von einigen Nationalgardisten erkannt. Mit einer unglaublichen Wuth stürzten sie auf mich los. „In Anklagezustand, sagten die Einen, man muß ihn umbringen! das läßt sich schneller machen“ sagten die Andern. Glücklicherweise bewiesen andere Nationalgardisten denselben Eifer mich zu vertheidigen, wie ihre Kameraden mich anzugreifen. General Duvivier erschien in Uniform, und war einer der ersten, mein Leben zu schützen. Unter denen die um mich waren, und denen es gelang, mich der blindesten Wuth zu entreißen, nenne ich mit Erkenntlichkeit Larochejacquelein, Boulay de la Meurthe, Wolowski, mein Landsmann Conti u. s. w. Es ist gewiß, wenigstens wahrscheinlich, daß es ohne ihre Dazwischenkunft, um mich geschehen war. Man riß mir Handvoll die Haare aus; meine Kleider wurden zerissen; Elende suchten mich von hinten mit Bajonnettstößen zu treffen; Einer der mich nicht anders fassen konnte, packte meine rechte Hand und verrenkte mir die Finger. Ich trat wahrhaft mit Fetzen bedeckt in die Versammlung. In diesem Zustand hätte ich vielleicht von allen meinen Kollegen einige der Rücksichten erwarten können, die das blose Gefühl der Humanität gebietet. Aber so grausam ist die Wirkung gewisser, von Revolutionszeiten unzertrennlicher Mißverständnisse, daß ich in einem Theil der Versammlung nur feindselige Gesinnungen fand. Mein Erscheinen auf der Tribüne, wohin die gebieterischste Pflicht mich rief, laut Zeugniß abzulegen zu Gunsten meiner unglücklichen Freunde Albert und Barbés, rief das heftigste Murren hervor. Ist es wahr, wie mehrere Journale berichtet haben, daß in dieses Murren sich Beleidigungen eingemischt haben, wie sie nicht ein Mann von Herz erträgt? Ich habe das Recht es zu läugnen, nicht nur, weil ich diese Beleidigungen nicht gehört habe, sondern weil ich seitdem einen Brief geschrieben, der die vorgeblichen Beleidiger aufforderte, sich zu erkennen zu geben. Dies Schreiben ist ohne Antwort geblieben, und ich halte die Versammlung, deren Mitglied ich bin, hoch genug zu glauben, daß nicht ein Einziger aus ihr fähig ist, zu einer Beleidigung ohne Verantwortung, sich zu erniedrigen. Der Moniteur berichtet, daß heute Abend einstimmig die Autorisation gegeben worden sei, Albert zu verfolgen. Im Namen meiner Freunde und für mich selbst protestire ich energisch gegen diese Behauptung. Das ist, mit der vollständigsten, mit der minutiösesten Genauigkeit erzählt, das Benehmen, das ich am 15. Mai beobachtet habe ..... Ich behalte mir vor, später im Einzelnen zu zeigen, wie gehässig man die historischen Thatsachen der drei letzten Monate in Bezug auf mich entstellt hat. Vor der Hand erkläre ich auf die gegen mich erhobenen Beschuldigungen: Es ist falsch, daß ich, in welcher Art es auch sein könne, sei es an der Einrichtung, sei an der Leitung der sogenannten Nationalwerkstätten mich betheiligt habe, wiewohl ich es als ein geheiligtes Prinzip betrachte: „Jede Gesellschaft verschuldet ihren Mitgliedern Arbeit und Brod.“ Wahr ist, daß ich wirksam beigetragen habe, und ich bin stolz darauf, freiwillige, wirksame, fruchtbare Associationen zu gründen, wie die der Schneider in der Rue de Clichy, die sich bisher trotz aller auf ihren Ruin berechneter Mannöver des besten Fortgangs erfreut und als ein lebendiges Dementi gegen die Herabwürdiger der neuen Ideen betrachtet werden kann. (Ich werde nächstens die Entstehung dieser Association, ihre Fortschritte und ihre Entwicklungen öffentlich darstellen; man wird nach Zahlen die Wichtigkeit eines solchen Versuchs beurtheilen). Es ist falsch, daß die Kommission im Luxembourg Mittel zur Verfügung gehabt habe, ihre Ideen fruchtbringend anzuwenden, denn sie hat keine Fonds, keine ausführende Gewalt und keine andere Autorität besessen, als die des Wortes, und des gegenüber einer Menge ruinirter Industrien, die unterstützt sein wollten, mitten unter einer kreischenden, bewaffneten Masse, die es zu beruhigen galt. Es ist falsch, daß die Kommission im Luxembourg eine Ursache gefährlicher Aufregung gewesen sei. Sie hat im Gegentheil mächtig beigetragen zur Sicherheit von Paris, wo die Ordnung nicht gestört worden ist, solange sie für ihren Theil verantwortlich dafür war. Sie hat gerade diejenigen beschützt, welche sie gegenwärtig herabziehen, theils aus Unwissenheit, theils mit der Erbittrung des Undanks. Es ist falsch, daß die Ausgaben des Luxembourg ‒ doch ich müßte erröthen, wollte ich auf so niedrige Lügen eingehen, die der Leichtgläubigkeit der Dummköpfe zum Futter vorgeworfen werden, ‒ ich überlasse es der Verwaltung, mit Zahlen zu beweisen, daß das Luxembourg zwei Monat lang keinen Gast gesehen hat als rechte Demokraten, die in allen Dingen den bescheidenen Gewohnheiten des plebejischen Lebens treu bleiben. Es ist falsch, um auf neuere Lügen zu kommen, daß ich seit dem 15. Mai in der Versammlung nicht mehr erschienen sei. Ich habe mit gewissenhafter Pünktlichkeit allen Sitzungen beigewohnt. Und nun noch ein Wort. Denjenigen, die im Uebermaß des bösen Willens und der Albernheit mir die Verlegenheiten der industriellen Lage aufbürden, denen will ich sagen, daß diese Verlegenheiten die bittre unvermeidliche Frucht des Wiederstreits der Interessen und der Konkurrenz sind; ihnen will ich sagen, daß ich Zeit meines Lebens dies Prinzip verklagt, seine bösen Folgen vorhergesagt habe, daß es unsinnig ist, Lehren, die bisher von der Gesellschaft weder angenommen noch angewandt sind, das Uebel beizumessen, das gerade aus der Anwendung ganz entgegengesetzter Doktrinen herrührt. Wie! die Gesellschaft stürzt sich unter der Herrschaft der anarchischen Konkurrenz in den Abgrund der Unordnung, und man macht diese Unordnung denjenigen zum Vorwurf, welche, um sie zu bekämpfen, die Verbrüderung der Interessen, die Association empfehlen! Doch, man muß es wohl hoffen, das Licht wird kommen. Man wird erfahren, wie groß gegen einen Ehrenmann die Macht systematischer Lügen sein kann, eine Macht übrigens, die ebenso vorübergehend als verächtlich ist. Die Geschichte wird sprechen und die Wahrheit Genugthuung erlangen. Großbritannien. London, 4. Juni. Als der irische Patriot Mitchell vor wenigen Tagen im Gerichtshofe zu Dublin an jenen Römer erinnerte, der seine Hand zu Asche brennen sah und versprach, daß dreihundert Männer wie er gern das gescheiterte Unternehmen auf's Neue wagen würden: da tönte dem Verurtheilten mit dem hundertstimmigen Ruf seiner Freunde die Versicherung entgegen, daß auch in Irland die Liebe zum Vaterlande und zur Freiheit noch nicht erloschen sei. Der hundertstimmige Ruf im Gerichtshofe zu Dublin ist ein tausendstimmiger geworden, seit die Chartisten Englands sich in kolossalen Massen emporgerichtet haben, um feierlich zu Gunsten hres irischen Bruders zu protestiren. Der Nothern Star, das Organ dieser großen Partei, bringt uns Kunde aus allen Städten, aus allen Dörfern Alt-Englands; jeder Ort hat seinen Fluch gegen ein Gouvernement geschleudert, das die englische Noth nur mit Armenbastillen und die Leiden das grünen Erin mit nichts anderm, als mit Zwangsmaßregeln, mit bestochenen Richtern, mit dem Strang und der Kartätsche aus der Welt zu schaffen strebt. Der schadenfrohe Hohn jener feilen Londoner Presse hat seine beste Erwiederung in der Indignation des Volkes gefunden und wenn O'Connor in seinem Briefe an die Gattin des Verurtheilten ausruft: „Aber fürchten Sie nichts; Ihrer Wittwentage werden wenige sein, da die Stunden Ihrer Unterdrücker gezählt sind ‒ “ so ist dies eine Versicherung, welche dadurch Gewißheit erhält, daß der so brutal angestimmte Jubel jener offiziellen Blätter, sich vor den Demonstrationen der demokratischen Masse bereits in ein wahres Gewinsel verwandelt hat. An der Spitze der Whigs steht wieder der kleine Lord John, zitternd wie immer, wenn ihm nach einigen stets nur halbgelungenen Kraftäußerungen dennoch zuletzt jene Entschiedenheit der alten Tory's, jene Entschlossenheit eines Pitt, eines Castlereagh so bedauerlich fehlt. „You are not strong enough for the place ‒ John!“ „Du bist nicht stark genug für den Platz ‒ John!“ ließ der witzige Punch einst die Königin sagen, als er diese wie eine gute Hausfrau und den kleinen Lord John Russell als einen schwächlichen Laufburschen carrikirt hatte, der sich um eine Stelle bewarb. Dies: „Du bist nicht stark genug für den Platz ‒ John !“ läßt sich auch heute vortrefflich anwenden, wo die Whigs nach ihrem Triumphe vom 10. April und nach der Verurtheilung eines Mitchell schon wieder selbst in ganz devoter Manier die Hand zu einer Reform bieten, der sie noch eben dem Anschein nach, so heroisch zu widerstehen wagten. Lord John Russel fürchtet sich, daß er ein gar zu großer Held werden mögte; er wird bange vor seiner eignen Kurage und ehe man sich's versieht, macht er einen Angriff auf sein eignes Meisterstück, auf die Reform-Bill, indem er die Taxenklausel derselben, oder mit andern Worten, ein freies Wahlsystem vor die Augen des erstaunten Unterhauses bringt. Man lachte laut auf über den kleinen Mann, der erst vollends komisch geworden ist, seit er erst dann für die City von London gewählt wurde, nachdem er sich verbindlich gemacht hatte sein meistes und bestes zu thun, nun auch den Juden Rothschild mit in das Parlament zu schleifen .... Man lachte und es hätte nicht viel gefehlt, daß Jemand von der Fremden-Gallerie die verhängnißvollen Worte: „Es ist zu spät!“ ausgerufen hätte. Aber in dem würdigen Hause der Gemeinen geht es nicht so toll zu, wie bei den frivolen Franzosen, und die ehrenwerthen Mitglieder begnügten sich damit, das Ministerium bei einer Motion des Dr. Bowring in Betreff der Führung der öffentlichen Rechnungen mit allem Glanz durchfallen zu lassen. Im Hause der Lords passirte den Whigs diese Ehre mehrmals hintereinander, und mit wahrem Entsetzen sieht der kleine John daher der bevorstehenden Debatte über die spanischen Streitigkeiten entgegen, die alle Sünden seines Kollegen Palmerston unerbitterlich ans Licht hervorzerren wird. Schlimm geht die Welt mit den Biedermännern um. Die Whigs, die noch eben den armen Mitchell über's Meer schickten, sie haben vielleicht bald Gelegenheit auf einem Landgut in einer verschollenen Ecke über die Nichtigkeit alles Großen nachzudenken. Ob aber dann, wie es bisher immer der Fall war, gleich dem Faustschlag des einen Boxers der Prügel des andern, so auch diesmal wieder der Tory dem Whig folgen wird ‒ das ist noch die Frage. Der Name Mitchell's ist ein böser Ruf im Munde der Chartisten und der Repealer geworden; noch raucht das Blut der Gefallenen in Paris, in Wien, in Berlin und die Demokratie unseres Jahrhunderts ist stark genug, um auch in England einen Tag des Triumphes zu feiern, der leicht der ganzen mottenzerfressenden Konstitution Brittaniens ein schreckliches Ende bereiten könnte. ‒ Der ganze Ertrag des Northern Star vom 10. Juni ist für die Gattin John Mitchell's bestimmt, und der Eigenthümer dieses Blattes wird ihn mit einer Adresse der Englischen Chartisten, in ihrem Namen der heroischen Frau übersenden. London, 4. Juni. In der Freitags Sitzung des Oberhauses beschwerte sich Lord Stanley wegen der Unvollständigkeit der dem Hause in Betreff der spanischen Streitigkeiten vorgelegten Papiere. Der Standard sieht hierin einen Beweis, daß der edle Lord die Palmerston'sche Sache nicht aus den Augen verloren hat, und daß sie gehörig untersucht werden wird. Wir sind sicher, bemerkt der Standard, daß diese Geschichte mit der Entlassung des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten enden wird, daß wir es gern mit Geduld abwarten wollen. Lord Palmerston mit seinem Freunde Thiers und dem Pabst Pius sind die Feuerbrände Europa's gewesen. Es ist nur zu bedauren, daß man Sr. Lordschaft nicht schon vor 6 Monaten auf die Schliche gekommen ist. ‒ Bis zum 30. Mai wurden für die Abschaffung der Schifffahrtsgesetze 9 Petitionen mit 2268 Unterschriften; gegen dieselbe 91 Petitionen mit 32,908 Signaturen beim Parlamente eingereicht. ‒ Wir sind froh, sagt der Telegraph, daß die höheren und mittleren Klassen der Gesellschaft sich mehr um den Komfort und das Wohlergehen der Armen bekümmern. Die öffentlichen Bäder und Waschhäuser sind bereits von großem Segen gewesen. Es ergiebt sich aus den Verhandlungen, die jüngst über diese Angelegenheit veröffentlicht wurden, daß während den vier Monaten, welche am 7. Mai endeten, nicht weniger als 16,226 Personen sich der Wohlthat des Bades bedienten und 16,010 Frauen ihre Kleider, wuschen, trockneten und bügelten.“ Die Times wird sich namentlich über diese Resultate freuen; sie darf nun doch wenigstens hoffen, die Chartisten bei der nächsten politischen Demonstration hübsch rein gewaschen und angezogen zu sehen. Handels- und Börsen-Nachrichten. [irrelevantes Material] Hierzu eine Beilage <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div xml:id="ar007_021" type="jArticle"> <p><pb facs="#f0004" n="0028"/> widerte ich, im Namen der Versammlung und in Ihrer Eigenschaft als Präsident, meine Dazwischenkunft zu versuchen?“ Er antwortete bejahend in Gegenwart Corbon's, eines der Vizepräsidenten. So war es nur im Interesse der Ordnung und nachdem ich offizielle Vollmacht dazu erhalten hatte, daß ich an die Menge mich wandte. Vom Büreau der Sekretaire aus verlangte ich einen Augenblick Stillschweigen, der mir gestattet wurde und ich benutzte ihn ‒ der Moniteur ist Zeuge ‒ um das Volk zur Ruhe, zur Mäßigung, zur Achtung seiner eignen Souverainetät aufzufordern, die eine aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangene Versammlung in Wahrheit darstellte.</p> <p>Inzwischen dauerte der Tumult in dem Saale fort und draußen wurde die Bewegung jeden Augenblick lebhafter. Ich wurde von neuem mit den besorgnißvollsten Vorstellungen bestürmt. Sicher der Zustimmung des Präsidenten, ging ich an die Fenster des Hofes, der zum Bourgogneplatz führt, bestieg die Fensterbrüstung, in der Albert und Barbés sich zeigten, und sprach zu der im Hofe dicht gedrängten Menge, was mir am geeignetsten schien, um sie zu beruhigen. Ich sagte im Wesentlichen: man könne die Berechtigung der Wünsche nicht leugnen, die auf eine gleichmäßigere Vertheilung der Früchte der Arbeit, auf die stufenweise Ausrottung des Elends gerichtet seien, aber man könne sicher sein, die geheiligten Interessen der Arbeiter würden von der Versammlung nicht außer Acht gelassen werden; das sei gerade der ewige Ruhm der Republik, ohne Unterlaß an der Verwirklichung des Rechtes Aller auf ein glückliches Leben gearbeitet zu haben. Wenn es Thorheit wäre, seine Hoffnungen in diesem Punkte zu hoch zu spannen, so sei es wenigstens eine jener erhabenen Thorheiten, denen sein Leben zu weihen sehr verzeihlich sey; übrigens sei es ein sehr rührendes und sehr edles Schauspiel, ein Volk zu sehen, das seine eignen Schmerzen vergesse, um sich mit den Leiden eines befreundeten Volkes zu beschäftigen; hier gebe sich der hochsinnige, kosmopolitische Geist Frankreichs zu erkennen; aber je achtungswerther die Gefühle des Volkes seien, um so mehr gezieme es sich, sie auf eine gesetzliche, regelmäßige Weise zum Ausdrucke zu bringen. Und ich schloß, indem ich die Menge beschwor, der Nationalversammlung alle Freiheit zu ihren Berathungen zu lassen.</p> <p>Ich zog mich zurück, um meinen Platz unter meinen Kollegen wieder einzunehmen, als ich von einer zahlreichen Gruppe, die sich hinter dem Fenster gebildet hatte, ergriffen und durch den Saal der Paspardus getragen wurde. Man wollte mich noch einmal hören, man verlangte es gebieterisch, man schloß einen Kreis, ein Stuhl wurde gebracht, den man mich zu besteigen zwang, und ich muß das Wort nehmen. Da war es, als ich von der ursprünglichen Kraft der Februar-Revolution, aber auch von der unbedingten Nothwendigkeit sprach, ihr durch Mäßigung und Verständigkeit die Bewunderung der Welt zu gewinnen, wo ich jene Worte äußerte, die seitdem so grausam entstellt worden sind: „Diese Revolution ist nicht eine von denen, welche Throne erschüttern, sie gehört zu jenen, welche sie umstürzen.“ Und der Schluß, das Resumé meines Vortrags, war jener Ruf, den alle Zuhörer mit Begeisterung wiederholten: Es lebe die Universal-Republik!</p> <p>Fast in demselben Augenblicke umringt man mich von allen Seiten, man hebt mich in die Höhe, man will mich in die Versammlung tragen. Ich wehrte mich heftig, ich antwortete wiederholt auf die leidenschaftlichen Zurufe, die um mich erschollen, daß der einzige des Volkes wahrhaft würdige Ruf sey: es lebe die Republik! ‒ es war vergeblich, ich erschöpfte mich in nutzlosen Anstrengungen. Zehn Mal fiel ich unter die Menge, die mich fortriß, zehn Mal hoben mich kräftige Arme in die Höhe. Einige stürzten auf mich los, um mich zu umarmen, Andere riefen: „Nehmt Euch in Acht, er erstickt.“ Ist es Unrecht, solche Sympathien zu erregen, wenn man aus allen Kräften deren Ausdruck bekämpft und wenn man stets der Sache, die man für die wahre hält, ohne Erniedrigung, ohne Schmeichelei, ohne eitles Haschen nach Popularität gedient hat, so ist das mein Unrecht; möge man noch ein anderes in meinem Benehmen suchen !</p> <p>So wurde ich wider meinen Willen durch die kompakte Masse der Eingedrungenen in die Versammlung getragen. Wer bei dieser Scene zugegen gewesen ist, hat aus meiner Haltung urtheilen können, ob ich nicht alles gethan habe, den traurigen Eklat zu verhindern. Aber was vermochte in einem solchen Momente mein körperlicher Widerstand und die wenigen Worte, die ich noch in das Getöse hineinzuwerfen suchte? Uebermannt von Müdigkeit, in Schweiß gebadet, mit völlig erloschener Stimme wurde ich gegen die äußersten Bänke des Amphitheaters hingedrängt. Da sagte ein Arbeiter zu mir : „Sie haben keine Stimme mehr, aber wenn Sie auf ein Stück Papier schreiben, daß Sie noch ein letztes Mal die Menge beschwören, sich zurückzuziehen, so werde ich vielleicht dazu kommen, dies Papier mit einer Stimme abzulesen, die stark genug ist, um gehört zu werden. Sofort ergriff ich eine Feder und schrieb in der Eile folgende Zeilen : „Im Namen des Vaterlandes, im Namen der Volkssouverainetät, im Interesse Aller, beschwöre ich Euch….“ Da fielen von der Tribüne herab die verhängnißvollen Worte : „Die Nationalversammlung ist aufgelöst.“</p> <p>Nun entstand eine große Bewegung, die in ihrer Heftigkeit mich bis zum Konferenzsaale brachte. Man rief mich von allen Seiten. Eine geschlossene stürmische Menge umringte mich mit dem Zurufe, ich solle auf das Stadthaus mich begeben. Ich antwortete mit einer stiefen Bestürzung, die Jedermann auf meinem Gesichte lesen konnte: auf das Stadthaus gehen, heiße Gefahr laufen, Blutvergießen zu veranlassen. Ich frug nach mehreren meiner Kollegen: ich konnte nichts erfahren über Albert, aber von Barbés sagte mir Jemand, daß man ihn zum Stadthaus habe führen wollen und daß er sich sehr lebhaft dagegen gewehrt habe. Dies wurde von mehreren Umstehenden, deren Name mir unbekannt war, bestätigt. Das Alles auf die Thüre zustürzte, riß mich der Strom in's Freie, und ich kam so verloren unter die Menge um mir heraus, daß ich noch nicht weiß, durch welchen Ausgang und auf welchem Wege ich zur Esplanade der Invaliden gelangte.“ Hierauf folgt eine Erzählung, wie es ihm endlich mit Hülfe seines Bruders gelang, aus der Menge herauszukommen und ein Kabriolet zu besteigen, dessen Besitzer ihn zu einem Freunde im Quartier der Ekole de Médecnie führte, von wo er sich nach seiner Wohnung begab. „Die Beherzigung ‒ heißt es denn ‒ die ein Journal gewagt hat, daß man mich auf dem Stadthause gesehen habe, ist eine Lüge, deren Unverschämtheit alle Vorstellung übersteigt. Sobald ich zu Hause hörte, daß die Versammlung wieder zusammengetreten sei, beeilte ich mich, auf meinen Posten zurückzukehren.</p> <p>Im Vorhofe angelangt, wurde ich von einigen Nationalgardisten erkannt. Mit einer unglaublichen Wuth stürzten sie auf mich los. „In Anklagezustand, sagten die Einen, man muß ihn umbringen! das läßt sich schneller machen“ sagten die Andern. Glücklicherweise bewiesen andere Nationalgardisten denselben Eifer mich zu vertheidigen, wie ihre Kameraden mich anzugreifen. General Duvivier erschien in Uniform, und war einer der ersten, mein Leben zu schützen. Unter denen die um mich waren, und denen es gelang, mich der blindesten Wuth zu entreißen, nenne ich mit Erkenntlichkeit Larochejacquelein, Boulay de la Meurthe, Wolowski, mein Landsmann Conti u. s. w. Es ist gewiß, wenigstens wahrscheinlich, daß es ohne ihre Dazwischenkunft, um mich geschehen war. Man riß mir Handvoll die Haare aus; meine Kleider wurden zerissen; Elende suchten mich von hinten mit Bajonnettstößen zu treffen; Einer der mich nicht anders fassen konnte, packte meine rechte Hand und verrenkte mir die Finger. Ich trat wahrhaft mit Fetzen bedeckt in die Versammlung. In diesem Zustand hätte ich vielleicht von allen meinen Kollegen einige der Rücksichten erwarten können, die das blose Gefühl der Humanität gebietet. Aber so grausam ist die Wirkung gewisser, von Revolutionszeiten unzertrennlicher Mißverständnisse, daß ich in einem Theil der Versammlung nur feindselige Gesinnungen fand. Mein Erscheinen auf der Tribüne, wohin die gebieterischste Pflicht mich rief, laut Zeugniß abzulegen zu Gunsten meiner unglücklichen Freunde Albert und Barbés, rief das heftigste Murren hervor.</p> <p>Ist es wahr, wie mehrere Journale berichtet haben, daß in dieses Murren sich Beleidigungen eingemischt haben, wie sie nicht ein Mann von Herz erträgt? Ich habe das Recht es zu läugnen, nicht nur, weil ich diese Beleidigungen nicht gehört habe, sondern weil ich seitdem einen Brief geschrieben, der die vorgeblichen Beleidiger aufforderte, sich zu erkennen zu geben. Dies Schreiben ist ohne Antwort geblieben, und ich halte die Versammlung, deren Mitglied ich bin, hoch genug zu glauben, daß nicht ein Einziger aus ihr fähig ist, zu einer Beleidigung ohne Verantwortung, sich zu erniedrigen.</p> <p>Der Moniteur berichtet, daß heute Abend einstimmig die Autorisation gegeben worden sei, Albert zu verfolgen. Im Namen meiner Freunde und für mich selbst protestire ich energisch gegen diese Behauptung.</p> <p>Das ist, mit der vollständigsten, mit der minutiösesten Genauigkeit erzählt, das Benehmen, das ich am 15. Mai beobachtet habe .....</p> <p>Ich behalte mir vor, später im Einzelnen zu zeigen, wie gehässig man die historischen Thatsachen der drei letzten Monate in Bezug auf mich entstellt hat. Vor der Hand erkläre ich auf die gegen mich erhobenen Beschuldigungen:</p> <p>Es ist falsch, daß ich, in welcher Art es auch sein könne, sei es an der Einrichtung, sei an der Leitung der sogenannten <hi rendition="#g">Nationalwerkstätten</hi> mich betheiligt habe, wiewohl ich es als ein geheiligtes Prinzip betrachte: „Jede Gesellschaft <hi rendition="#g">verschuldet</hi> ihren Mitgliedern Arbeit und Brod.“</p> <p>Wahr ist, daß ich wirksam beigetragen habe, und ich bin stolz darauf, <hi rendition="#g">freiwillige,</hi> wirksame, fruchtbare Associationen zu gründen, wie die der Schneider in der Rue de Clichy, die sich bisher trotz aller auf ihren Ruin berechneter Mannöver des besten Fortgangs erfreut und als ein lebendiges Dementi gegen die Herabwürdiger der neuen Ideen betrachtet werden kann. (Ich werde nächstens die Entstehung dieser Association, ihre Fortschritte und ihre Entwicklungen öffentlich darstellen; man wird nach Zahlen die Wichtigkeit eines solchen Versuchs beurtheilen).</p> <p>Es ist falsch, daß die Kommission im Luxembourg Mittel zur Verfügung gehabt habe, ihre Ideen fruchtbringend anzuwenden, denn sie hat keine Fonds, keine ausführende Gewalt und keine andere Autorität besessen, als die des Wortes, und des gegenüber einer Menge ruinirter Industrien, die unterstützt sein wollten, mitten unter einer kreischenden, bewaffneten Masse, die es zu beruhigen galt.</p> <p>Es ist falsch, daß die Kommission im Luxembourg eine Ursache gefährlicher Aufregung gewesen sei. Sie hat im Gegentheil mächtig beigetragen zur Sicherheit von Paris, wo die Ordnung nicht gestört worden ist, solange sie für ihren Theil verantwortlich dafür war. Sie hat gerade diejenigen beschützt, welche sie gegenwärtig herabziehen, theils aus Unwissenheit, theils mit der Erbittrung des Undanks.</p> <p>Es ist falsch, daß die Ausgaben des Luxembourg ‒ doch ich müßte erröthen, wollte ich auf so niedrige Lügen eingehen, die der Leichtgläubigkeit der Dummköpfe zum Futter vorgeworfen werden, ‒ ich überlasse es der Verwaltung, mit Zahlen zu beweisen, daß das Luxembourg zwei Monat lang keinen Gast gesehen hat als rechte Demokraten, die in allen Dingen den bescheidenen Gewohnheiten des plebejischen Lebens treu bleiben.</p> <p>Es ist falsch, um auf neuere Lügen zu kommen, daß ich seit dem 15. Mai in der Versammlung nicht mehr erschienen sei. Ich habe mit gewissenhafter Pünktlichkeit allen Sitzungen beigewohnt.</p> <p>Und nun noch ein Wort. Denjenigen, die im Uebermaß des bösen Willens und der Albernheit mir die Verlegenheiten der industriellen Lage aufbürden, denen will ich sagen, daß diese Verlegenheiten die bittre unvermeidliche Frucht des Wiederstreits der Interessen und der Konkurrenz sind; ihnen will ich sagen, daß ich Zeit meines Lebens dies Prinzip verklagt, seine bösen Folgen vorhergesagt habe, daß es unsinnig ist, Lehren, die bisher von der Gesellschaft weder angenommen noch angewandt sind, das Uebel beizumessen, das gerade aus der Anwendung ganz entgegengesetzter Doktrinen herrührt.</p> <p>Wie! die Gesellschaft stürzt sich unter der Herrschaft der anarchischen Konkurrenz in den Abgrund der Unordnung, und man macht diese Unordnung denjenigen zum Vorwurf, welche, um sie zu bekämpfen, die Verbrüderung der Interessen, die Association empfehlen!</p> <p>Doch, man muß es wohl hoffen, das Licht wird kommen. Man wird erfahren, wie groß gegen einen Ehrenmann die Macht systematischer Lügen sein kann, eine Macht übrigens, die ebenso vorübergehend als verächtlich ist. Die Geschichte wird sprechen und die Wahrheit Genugthuung erlangen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Großbritannien.</head> <div xml:id="ar007_022" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">London,</hi> 4. Juni.</head> <p>Als der irische Patriot Mitchell vor wenigen Tagen im Gerichtshofe zu Dublin an jenen Römer erinnerte, der seine Hand zu Asche brennen sah und versprach, daß dreihundert Männer wie er gern das gescheiterte Unternehmen auf's Neue wagen würden: da tönte dem Verurtheilten mit dem hundertstimmigen Ruf seiner Freunde die Versicherung entgegen, daß auch in Irland die Liebe zum Vaterlande und zur Freiheit noch nicht erloschen sei.</p> <p>Der hundertstimmige Ruf im Gerichtshofe zu Dublin ist ein tausendstimmiger geworden, seit die Chartisten Englands sich in kolossalen Massen emporgerichtet haben, um feierlich zu Gunsten hres irischen Bruders zu protestiren.</p> <p>Der Nothern Star, das Organ dieser großen Partei, bringt uns Kunde aus allen Städten, aus allen Dörfern Alt-Englands; jeder Ort hat seinen Fluch gegen ein Gouvernement geschleudert, das die englische Noth nur mit Armenbastillen und die Leiden das grünen Erin mit nichts anderm, als mit Zwangsmaßregeln, mit bestochenen Richtern, mit dem Strang und der Kartätsche aus der Welt zu schaffen strebt.</p> <p>Der schadenfrohe Hohn jener feilen Londoner Presse hat seine beste Erwiederung in der Indignation des Volkes gefunden und wenn O'Connor in seinem Briefe an die Gattin des Verurtheilten ausruft: „Aber fürchten Sie nichts; Ihrer Wittwentage werden wenige sein, da die Stunden Ihrer Unterdrücker gezählt sind ‒ “ so ist dies eine Versicherung, welche dadurch Gewißheit erhält, daß der so brutal angestimmte Jubel jener offiziellen Blätter, sich vor den Demonstrationen der demokratischen Masse bereits in ein wahres Gewinsel verwandelt hat.</p> <p>An der Spitze der Whigs steht wieder der kleine Lord John, zitternd wie immer, wenn ihm nach einigen stets nur halbgelungenen Kraftäußerungen dennoch zuletzt jene Entschiedenheit der alten Tory's, jene Entschlossenheit eines Pitt, eines Castlereagh so bedauerlich fehlt. „You are not strong enough for the place ‒ John!“ „Du bist nicht stark genug für den Platz ‒ John!“ ließ der witzige Punch einst die Königin sagen, als er diese wie eine gute Hausfrau und den kleinen Lord John Russell als einen schwächlichen Laufburschen carrikirt hatte, der sich um eine Stelle bewarb.</p> <p>Dies: „Du bist nicht stark genug für den Platz ‒ John !“ läßt sich auch heute vortrefflich anwenden, wo die Whigs nach ihrem Triumphe vom 10. April und nach der Verurtheilung eines Mitchell schon wieder selbst in ganz devoter Manier die Hand zu einer Reform bieten, der sie noch eben dem Anschein nach, so heroisch zu widerstehen wagten.</p> <p>Lord John Russel fürchtet sich, daß er ein gar zu großer Held werden mögte; er wird bange vor seiner eignen Kurage und ehe man sich's versieht, macht er einen Angriff auf sein eignes Meisterstück, auf die Reform-Bill, indem er die Taxenklausel derselben, oder mit andern Worten, ein freies Wahlsystem vor die Augen des erstaunten Unterhauses bringt.</p> <p>Man lachte laut auf über den kleinen Mann, der erst vollends komisch geworden ist, seit er erst dann für die City von London gewählt wurde, nachdem er sich verbindlich gemacht hatte sein meistes und bestes zu thun, nun auch den Juden Rothschild mit in das Parlament zu schleifen .... Man lachte und es hätte nicht viel gefehlt, daß Jemand von der Fremden-Gallerie die verhängnißvollen Worte: „Es ist zu spät!“ ausgerufen hätte.</p> <p>Aber in dem würdigen Hause der Gemeinen geht es nicht so toll zu, wie bei den frivolen Franzosen, und die ehrenwerthen Mitglieder begnügten sich damit, das Ministerium bei einer Motion des Dr. Bowring in Betreff der Führung der öffentlichen Rechnungen mit allem Glanz durchfallen zu lassen. Im Hause der Lords passirte den Whigs diese Ehre mehrmals hintereinander, und mit wahrem Entsetzen sieht der kleine John daher der bevorstehenden Debatte über die spanischen Streitigkeiten entgegen, die alle Sünden seines Kollegen Palmerston unerbitterlich ans Licht hervorzerren wird.</p> <p>Schlimm geht die Welt mit den Biedermännern um. Die Whigs, die noch eben den armen Mitchell über's Meer schickten, sie haben vielleicht bald Gelegenheit auf einem Landgut in einer verschollenen Ecke über die Nichtigkeit alles Großen nachzudenken. Ob aber dann, wie es bisher immer der Fall war, gleich dem Faustschlag des einen Boxers der Prügel des andern, so auch diesmal wieder der Tory dem Whig folgen wird ‒ das ist noch die Frage. Der Name Mitchell's ist ein böser Ruf im Munde der Chartisten und der Repealer geworden; noch raucht das Blut der Gefallenen in Paris, in Wien, in Berlin und die Demokratie unseres Jahrhunderts ist stark genug, um auch in England einen Tag des Triumphes zu feiern, der leicht der ganzen mottenzerfressenden Konstitution Brittaniens ein schreckliches Ende bereiten könnte.</p> <p>‒ Der ganze Ertrag des Northern Star vom 10. Juni ist für die Gattin John Mitchell's bestimmt, und der Eigenthümer dieses Blattes wird ihn mit einer Adresse der Englischen Chartisten, in ihrem Namen der heroischen Frau übersenden.</p> </div> <div xml:id="ar007_023" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">London,</hi> 4. Juni.</head> <p>In der Freitags Sitzung des Oberhauses beschwerte sich Lord Stanley wegen der Unvollständigkeit der dem Hause in Betreff der spanischen Streitigkeiten vorgelegten Papiere. Der Standard sieht hierin einen Beweis, daß der edle Lord die Palmerston'sche Sache nicht aus den Augen verloren hat, und daß sie gehörig untersucht werden wird. Wir sind sicher, bemerkt der Standard, daß diese Geschichte mit der Entlassung des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten enden wird, daß wir es gern mit Geduld abwarten wollen. Lord Palmerston mit seinem Freunde Thiers und dem Pabst Pius sind die Feuerbrände Europa's gewesen. Es ist nur zu bedauren, daß man Sr. Lordschaft nicht schon vor 6 Monaten auf die Schliche gekommen ist.</p> <p>‒ Bis zum 30. Mai wurden für die Abschaffung der Schifffahrtsgesetze 9 Petitionen mit 2268 Unterschriften; gegen dieselbe 91 Petitionen mit 32,908 Signaturen beim Parlamente eingereicht.</p> <p>‒ Wir sind froh, sagt der Telegraph, daß die höheren und mittleren Klassen der Gesellschaft sich mehr um den Komfort und das Wohlergehen der Armen bekümmern. Die öffentlichen Bäder und Waschhäuser sind bereits von großem Segen gewesen. Es ergiebt sich aus den Verhandlungen, die jüngst über diese Angelegenheit veröffentlicht wurden, daß während den vier Monaten, welche am 7. Mai endeten, nicht weniger als 16,226 Personen sich der Wohlthat des Bades bedienten und 16,010 Frauen ihre Kleider, wuschen, trockneten und bügelten.“ Die Times wird sich namentlich über diese Resultate freuen; sie darf nun doch wenigstens hoffen, die Chartisten bei der nächsten politischen Demonstration hübsch rein gewaschen und angezogen zu sehen.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Handels- und Börsen-Nachrichten.</head> <gap reason="insignificant"/> </div> <div n="1"> <p> <hi rendition="#b">Hierzu eine Beilage</hi> </p> </div> </body> </text> </TEI> [0028/0004]
widerte ich, im Namen der Versammlung und in Ihrer Eigenschaft als Präsident, meine Dazwischenkunft zu versuchen?“ Er antwortete bejahend in Gegenwart Corbon's, eines der Vizepräsidenten. So war es nur im Interesse der Ordnung und nachdem ich offizielle Vollmacht dazu erhalten hatte, daß ich an die Menge mich wandte. Vom Büreau der Sekretaire aus verlangte ich einen Augenblick Stillschweigen, der mir gestattet wurde und ich benutzte ihn ‒ der Moniteur ist Zeuge ‒ um das Volk zur Ruhe, zur Mäßigung, zur Achtung seiner eignen Souverainetät aufzufordern, die eine aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangene Versammlung in Wahrheit darstellte.
Inzwischen dauerte der Tumult in dem Saale fort und draußen wurde die Bewegung jeden Augenblick lebhafter. Ich wurde von neuem mit den besorgnißvollsten Vorstellungen bestürmt. Sicher der Zustimmung des Präsidenten, ging ich an die Fenster des Hofes, der zum Bourgogneplatz führt, bestieg die Fensterbrüstung, in der Albert und Barbés sich zeigten, und sprach zu der im Hofe dicht gedrängten Menge, was mir am geeignetsten schien, um sie zu beruhigen. Ich sagte im Wesentlichen: man könne die Berechtigung der Wünsche nicht leugnen, die auf eine gleichmäßigere Vertheilung der Früchte der Arbeit, auf die stufenweise Ausrottung des Elends gerichtet seien, aber man könne sicher sein, die geheiligten Interessen der Arbeiter würden von der Versammlung nicht außer Acht gelassen werden; das sei gerade der ewige Ruhm der Republik, ohne Unterlaß an der Verwirklichung des Rechtes Aller auf ein glückliches Leben gearbeitet zu haben. Wenn es Thorheit wäre, seine Hoffnungen in diesem Punkte zu hoch zu spannen, so sei es wenigstens eine jener erhabenen Thorheiten, denen sein Leben zu weihen sehr verzeihlich sey; übrigens sei es ein sehr rührendes und sehr edles Schauspiel, ein Volk zu sehen, das seine eignen Schmerzen vergesse, um sich mit den Leiden eines befreundeten Volkes zu beschäftigen; hier gebe sich der hochsinnige, kosmopolitische Geist Frankreichs zu erkennen; aber je achtungswerther die Gefühle des Volkes seien, um so mehr gezieme es sich, sie auf eine gesetzliche, regelmäßige Weise zum Ausdrucke zu bringen. Und ich schloß, indem ich die Menge beschwor, der Nationalversammlung alle Freiheit zu ihren Berathungen zu lassen.
Ich zog mich zurück, um meinen Platz unter meinen Kollegen wieder einzunehmen, als ich von einer zahlreichen Gruppe, die sich hinter dem Fenster gebildet hatte, ergriffen und durch den Saal der Paspardus getragen wurde. Man wollte mich noch einmal hören, man verlangte es gebieterisch, man schloß einen Kreis, ein Stuhl wurde gebracht, den man mich zu besteigen zwang, und ich muß das Wort nehmen. Da war es, als ich von der ursprünglichen Kraft der Februar-Revolution, aber auch von der unbedingten Nothwendigkeit sprach, ihr durch Mäßigung und Verständigkeit die Bewunderung der Welt zu gewinnen, wo ich jene Worte äußerte, die seitdem so grausam entstellt worden sind: „Diese Revolution ist nicht eine von denen, welche Throne erschüttern, sie gehört zu jenen, welche sie umstürzen.“ Und der Schluß, das Resumé meines Vortrags, war jener Ruf, den alle Zuhörer mit Begeisterung wiederholten: Es lebe die Universal-Republik!
Fast in demselben Augenblicke umringt man mich von allen Seiten, man hebt mich in die Höhe, man will mich in die Versammlung tragen. Ich wehrte mich heftig, ich antwortete wiederholt auf die leidenschaftlichen Zurufe, die um mich erschollen, daß der einzige des Volkes wahrhaft würdige Ruf sey: es lebe die Republik! ‒ es war vergeblich, ich erschöpfte mich in nutzlosen Anstrengungen. Zehn Mal fiel ich unter die Menge, die mich fortriß, zehn Mal hoben mich kräftige Arme in die Höhe. Einige stürzten auf mich los, um mich zu umarmen, Andere riefen: „Nehmt Euch in Acht, er erstickt.“ Ist es Unrecht, solche Sympathien zu erregen, wenn man aus allen Kräften deren Ausdruck bekämpft und wenn man stets der Sache, die man für die wahre hält, ohne Erniedrigung, ohne Schmeichelei, ohne eitles Haschen nach Popularität gedient hat, so ist das mein Unrecht; möge man noch ein anderes in meinem Benehmen suchen !
So wurde ich wider meinen Willen durch die kompakte Masse der Eingedrungenen in die Versammlung getragen. Wer bei dieser Scene zugegen gewesen ist, hat aus meiner Haltung urtheilen können, ob ich nicht alles gethan habe, den traurigen Eklat zu verhindern. Aber was vermochte in einem solchen Momente mein körperlicher Widerstand und die wenigen Worte, die ich noch in das Getöse hineinzuwerfen suchte? Uebermannt von Müdigkeit, in Schweiß gebadet, mit völlig erloschener Stimme wurde ich gegen die äußersten Bänke des Amphitheaters hingedrängt. Da sagte ein Arbeiter zu mir : „Sie haben keine Stimme mehr, aber wenn Sie auf ein Stück Papier schreiben, daß Sie noch ein letztes Mal die Menge beschwören, sich zurückzuziehen, so werde ich vielleicht dazu kommen, dies Papier mit einer Stimme abzulesen, die stark genug ist, um gehört zu werden. Sofort ergriff ich eine Feder und schrieb in der Eile folgende Zeilen : „Im Namen des Vaterlandes, im Namen der Volkssouverainetät, im Interesse Aller, beschwöre ich Euch….“ Da fielen von der Tribüne herab die verhängnißvollen Worte : „Die Nationalversammlung ist aufgelöst.“
Nun entstand eine große Bewegung, die in ihrer Heftigkeit mich bis zum Konferenzsaale brachte. Man rief mich von allen Seiten. Eine geschlossene stürmische Menge umringte mich mit dem Zurufe, ich solle auf das Stadthaus mich begeben. Ich antwortete mit einer stiefen Bestürzung, die Jedermann auf meinem Gesichte lesen konnte: auf das Stadthaus gehen, heiße Gefahr laufen, Blutvergießen zu veranlassen. Ich frug nach mehreren meiner Kollegen: ich konnte nichts erfahren über Albert, aber von Barbés sagte mir Jemand, daß man ihn zum Stadthaus habe führen wollen und daß er sich sehr lebhaft dagegen gewehrt habe. Dies wurde von mehreren Umstehenden, deren Name mir unbekannt war, bestätigt. Das Alles auf die Thüre zustürzte, riß mich der Strom in's Freie, und ich kam so verloren unter die Menge um mir heraus, daß ich noch nicht weiß, durch welchen Ausgang und auf welchem Wege ich zur Esplanade der Invaliden gelangte.“ Hierauf folgt eine Erzählung, wie es ihm endlich mit Hülfe seines Bruders gelang, aus der Menge herauszukommen und ein Kabriolet zu besteigen, dessen Besitzer ihn zu einem Freunde im Quartier der Ekole de Médecnie führte, von wo er sich nach seiner Wohnung begab. „Die Beherzigung ‒ heißt es denn ‒ die ein Journal gewagt hat, daß man mich auf dem Stadthause gesehen habe, ist eine Lüge, deren Unverschämtheit alle Vorstellung übersteigt. Sobald ich zu Hause hörte, daß die Versammlung wieder zusammengetreten sei, beeilte ich mich, auf meinen Posten zurückzukehren.
Im Vorhofe angelangt, wurde ich von einigen Nationalgardisten erkannt. Mit einer unglaublichen Wuth stürzten sie auf mich los. „In Anklagezustand, sagten die Einen, man muß ihn umbringen! das läßt sich schneller machen“ sagten die Andern. Glücklicherweise bewiesen andere Nationalgardisten denselben Eifer mich zu vertheidigen, wie ihre Kameraden mich anzugreifen. General Duvivier erschien in Uniform, und war einer der ersten, mein Leben zu schützen. Unter denen die um mich waren, und denen es gelang, mich der blindesten Wuth zu entreißen, nenne ich mit Erkenntlichkeit Larochejacquelein, Boulay de la Meurthe, Wolowski, mein Landsmann Conti u. s. w. Es ist gewiß, wenigstens wahrscheinlich, daß es ohne ihre Dazwischenkunft, um mich geschehen war. Man riß mir Handvoll die Haare aus; meine Kleider wurden zerissen; Elende suchten mich von hinten mit Bajonnettstößen zu treffen; Einer der mich nicht anders fassen konnte, packte meine rechte Hand und verrenkte mir die Finger. Ich trat wahrhaft mit Fetzen bedeckt in die Versammlung. In diesem Zustand hätte ich vielleicht von allen meinen Kollegen einige der Rücksichten erwarten können, die das blose Gefühl der Humanität gebietet. Aber so grausam ist die Wirkung gewisser, von Revolutionszeiten unzertrennlicher Mißverständnisse, daß ich in einem Theil der Versammlung nur feindselige Gesinnungen fand. Mein Erscheinen auf der Tribüne, wohin die gebieterischste Pflicht mich rief, laut Zeugniß abzulegen zu Gunsten meiner unglücklichen Freunde Albert und Barbés, rief das heftigste Murren hervor.
Ist es wahr, wie mehrere Journale berichtet haben, daß in dieses Murren sich Beleidigungen eingemischt haben, wie sie nicht ein Mann von Herz erträgt? Ich habe das Recht es zu läugnen, nicht nur, weil ich diese Beleidigungen nicht gehört habe, sondern weil ich seitdem einen Brief geschrieben, der die vorgeblichen Beleidiger aufforderte, sich zu erkennen zu geben. Dies Schreiben ist ohne Antwort geblieben, und ich halte die Versammlung, deren Mitglied ich bin, hoch genug zu glauben, daß nicht ein Einziger aus ihr fähig ist, zu einer Beleidigung ohne Verantwortung, sich zu erniedrigen.
Der Moniteur berichtet, daß heute Abend einstimmig die Autorisation gegeben worden sei, Albert zu verfolgen. Im Namen meiner Freunde und für mich selbst protestire ich energisch gegen diese Behauptung.
Das ist, mit der vollständigsten, mit der minutiösesten Genauigkeit erzählt, das Benehmen, das ich am 15. Mai beobachtet habe .....
Ich behalte mir vor, später im Einzelnen zu zeigen, wie gehässig man die historischen Thatsachen der drei letzten Monate in Bezug auf mich entstellt hat. Vor der Hand erkläre ich auf die gegen mich erhobenen Beschuldigungen:
Es ist falsch, daß ich, in welcher Art es auch sein könne, sei es an der Einrichtung, sei an der Leitung der sogenannten Nationalwerkstätten mich betheiligt habe, wiewohl ich es als ein geheiligtes Prinzip betrachte: „Jede Gesellschaft verschuldet ihren Mitgliedern Arbeit und Brod.“
Wahr ist, daß ich wirksam beigetragen habe, und ich bin stolz darauf, freiwillige, wirksame, fruchtbare Associationen zu gründen, wie die der Schneider in der Rue de Clichy, die sich bisher trotz aller auf ihren Ruin berechneter Mannöver des besten Fortgangs erfreut und als ein lebendiges Dementi gegen die Herabwürdiger der neuen Ideen betrachtet werden kann. (Ich werde nächstens die Entstehung dieser Association, ihre Fortschritte und ihre Entwicklungen öffentlich darstellen; man wird nach Zahlen die Wichtigkeit eines solchen Versuchs beurtheilen).
Es ist falsch, daß die Kommission im Luxembourg Mittel zur Verfügung gehabt habe, ihre Ideen fruchtbringend anzuwenden, denn sie hat keine Fonds, keine ausführende Gewalt und keine andere Autorität besessen, als die des Wortes, und des gegenüber einer Menge ruinirter Industrien, die unterstützt sein wollten, mitten unter einer kreischenden, bewaffneten Masse, die es zu beruhigen galt.
Es ist falsch, daß die Kommission im Luxembourg eine Ursache gefährlicher Aufregung gewesen sei. Sie hat im Gegentheil mächtig beigetragen zur Sicherheit von Paris, wo die Ordnung nicht gestört worden ist, solange sie für ihren Theil verantwortlich dafür war. Sie hat gerade diejenigen beschützt, welche sie gegenwärtig herabziehen, theils aus Unwissenheit, theils mit der Erbittrung des Undanks.
Es ist falsch, daß die Ausgaben des Luxembourg ‒ doch ich müßte erröthen, wollte ich auf so niedrige Lügen eingehen, die der Leichtgläubigkeit der Dummköpfe zum Futter vorgeworfen werden, ‒ ich überlasse es der Verwaltung, mit Zahlen zu beweisen, daß das Luxembourg zwei Monat lang keinen Gast gesehen hat als rechte Demokraten, die in allen Dingen den bescheidenen Gewohnheiten des plebejischen Lebens treu bleiben.
Es ist falsch, um auf neuere Lügen zu kommen, daß ich seit dem 15. Mai in der Versammlung nicht mehr erschienen sei. Ich habe mit gewissenhafter Pünktlichkeit allen Sitzungen beigewohnt.
Und nun noch ein Wort. Denjenigen, die im Uebermaß des bösen Willens und der Albernheit mir die Verlegenheiten der industriellen Lage aufbürden, denen will ich sagen, daß diese Verlegenheiten die bittre unvermeidliche Frucht des Wiederstreits der Interessen und der Konkurrenz sind; ihnen will ich sagen, daß ich Zeit meines Lebens dies Prinzip verklagt, seine bösen Folgen vorhergesagt habe, daß es unsinnig ist, Lehren, die bisher von der Gesellschaft weder angenommen noch angewandt sind, das Uebel beizumessen, das gerade aus der Anwendung ganz entgegengesetzter Doktrinen herrührt.
Wie! die Gesellschaft stürzt sich unter der Herrschaft der anarchischen Konkurrenz in den Abgrund der Unordnung, und man macht diese Unordnung denjenigen zum Vorwurf, welche, um sie zu bekämpfen, die Verbrüderung der Interessen, die Association empfehlen!
Doch, man muß es wohl hoffen, das Licht wird kommen. Man wird erfahren, wie groß gegen einen Ehrenmann die Macht systematischer Lügen sein kann, eine Macht übrigens, die ebenso vorübergehend als verächtlich ist. Die Geschichte wird sprechen und die Wahrheit Genugthuung erlangen.
Großbritannien. London, 4. Juni. Als der irische Patriot Mitchell vor wenigen Tagen im Gerichtshofe zu Dublin an jenen Römer erinnerte, der seine Hand zu Asche brennen sah und versprach, daß dreihundert Männer wie er gern das gescheiterte Unternehmen auf's Neue wagen würden: da tönte dem Verurtheilten mit dem hundertstimmigen Ruf seiner Freunde die Versicherung entgegen, daß auch in Irland die Liebe zum Vaterlande und zur Freiheit noch nicht erloschen sei.
Der hundertstimmige Ruf im Gerichtshofe zu Dublin ist ein tausendstimmiger geworden, seit die Chartisten Englands sich in kolossalen Massen emporgerichtet haben, um feierlich zu Gunsten hres irischen Bruders zu protestiren.
Der Nothern Star, das Organ dieser großen Partei, bringt uns Kunde aus allen Städten, aus allen Dörfern Alt-Englands; jeder Ort hat seinen Fluch gegen ein Gouvernement geschleudert, das die englische Noth nur mit Armenbastillen und die Leiden das grünen Erin mit nichts anderm, als mit Zwangsmaßregeln, mit bestochenen Richtern, mit dem Strang und der Kartätsche aus der Welt zu schaffen strebt.
Der schadenfrohe Hohn jener feilen Londoner Presse hat seine beste Erwiederung in der Indignation des Volkes gefunden und wenn O'Connor in seinem Briefe an die Gattin des Verurtheilten ausruft: „Aber fürchten Sie nichts; Ihrer Wittwentage werden wenige sein, da die Stunden Ihrer Unterdrücker gezählt sind ‒ “ so ist dies eine Versicherung, welche dadurch Gewißheit erhält, daß der so brutal angestimmte Jubel jener offiziellen Blätter, sich vor den Demonstrationen der demokratischen Masse bereits in ein wahres Gewinsel verwandelt hat.
An der Spitze der Whigs steht wieder der kleine Lord John, zitternd wie immer, wenn ihm nach einigen stets nur halbgelungenen Kraftäußerungen dennoch zuletzt jene Entschiedenheit der alten Tory's, jene Entschlossenheit eines Pitt, eines Castlereagh so bedauerlich fehlt. „You are not strong enough for the place ‒ John!“ „Du bist nicht stark genug für den Platz ‒ John!“ ließ der witzige Punch einst die Königin sagen, als er diese wie eine gute Hausfrau und den kleinen Lord John Russell als einen schwächlichen Laufburschen carrikirt hatte, der sich um eine Stelle bewarb.
Dies: „Du bist nicht stark genug für den Platz ‒ John !“ läßt sich auch heute vortrefflich anwenden, wo die Whigs nach ihrem Triumphe vom 10. April und nach der Verurtheilung eines Mitchell schon wieder selbst in ganz devoter Manier die Hand zu einer Reform bieten, der sie noch eben dem Anschein nach, so heroisch zu widerstehen wagten.
Lord John Russel fürchtet sich, daß er ein gar zu großer Held werden mögte; er wird bange vor seiner eignen Kurage und ehe man sich's versieht, macht er einen Angriff auf sein eignes Meisterstück, auf die Reform-Bill, indem er die Taxenklausel derselben, oder mit andern Worten, ein freies Wahlsystem vor die Augen des erstaunten Unterhauses bringt.
Man lachte laut auf über den kleinen Mann, der erst vollends komisch geworden ist, seit er erst dann für die City von London gewählt wurde, nachdem er sich verbindlich gemacht hatte sein meistes und bestes zu thun, nun auch den Juden Rothschild mit in das Parlament zu schleifen .... Man lachte und es hätte nicht viel gefehlt, daß Jemand von der Fremden-Gallerie die verhängnißvollen Worte: „Es ist zu spät!“ ausgerufen hätte.
Aber in dem würdigen Hause der Gemeinen geht es nicht so toll zu, wie bei den frivolen Franzosen, und die ehrenwerthen Mitglieder begnügten sich damit, das Ministerium bei einer Motion des Dr. Bowring in Betreff der Führung der öffentlichen Rechnungen mit allem Glanz durchfallen zu lassen. Im Hause der Lords passirte den Whigs diese Ehre mehrmals hintereinander, und mit wahrem Entsetzen sieht der kleine John daher der bevorstehenden Debatte über die spanischen Streitigkeiten entgegen, die alle Sünden seines Kollegen Palmerston unerbitterlich ans Licht hervorzerren wird.
Schlimm geht die Welt mit den Biedermännern um. Die Whigs, die noch eben den armen Mitchell über's Meer schickten, sie haben vielleicht bald Gelegenheit auf einem Landgut in einer verschollenen Ecke über die Nichtigkeit alles Großen nachzudenken. Ob aber dann, wie es bisher immer der Fall war, gleich dem Faustschlag des einen Boxers der Prügel des andern, so auch diesmal wieder der Tory dem Whig folgen wird ‒ das ist noch die Frage. Der Name Mitchell's ist ein böser Ruf im Munde der Chartisten und der Repealer geworden; noch raucht das Blut der Gefallenen in Paris, in Wien, in Berlin und die Demokratie unseres Jahrhunderts ist stark genug, um auch in England einen Tag des Triumphes zu feiern, der leicht der ganzen mottenzerfressenden Konstitution Brittaniens ein schreckliches Ende bereiten könnte.
‒ Der ganze Ertrag des Northern Star vom 10. Juni ist für die Gattin John Mitchell's bestimmt, und der Eigenthümer dieses Blattes wird ihn mit einer Adresse der Englischen Chartisten, in ihrem Namen der heroischen Frau übersenden.
London, 4. Juni. In der Freitags Sitzung des Oberhauses beschwerte sich Lord Stanley wegen der Unvollständigkeit der dem Hause in Betreff der spanischen Streitigkeiten vorgelegten Papiere. Der Standard sieht hierin einen Beweis, daß der edle Lord die Palmerston'sche Sache nicht aus den Augen verloren hat, und daß sie gehörig untersucht werden wird. Wir sind sicher, bemerkt der Standard, daß diese Geschichte mit der Entlassung des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten enden wird, daß wir es gern mit Geduld abwarten wollen. Lord Palmerston mit seinem Freunde Thiers und dem Pabst Pius sind die Feuerbrände Europa's gewesen. Es ist nur zu bedauren, daß man Sr. Lordschaft nicht schon vor 6 Monaten auf die Schliche gekommen ist.
‒ Bis zum 30. Mai wurden für die Abschaffung der Schifffahrtsgesetze 9 Petitionen mit 2268 Unterschriften; gegen dieselbe 91 Petitionen mit 32,908 Signaturen beim Parlamente eingereicht.
‒ Wir sind froh, sagt der Telegraph, daß die höheren und mittleren Klassen der Gesellschaft sich mehr um den Komfort und das Wohlergehen der Armen bekümmern. Die öffentlichen Bäder und Waschhäuser sind bereits von großem Segen gewesen. Es ergiebt sich aus den Verhandlungen, die jüngst über diese Angelegenheit veröffentlicht wurden, daß während den vier Monaten, welche am 7. Mai endeten, nicht weniger als 16,226 Personen sich der Wohlthat des Bades bedienten und 16,010 Frauen ihre Kleider, wuschen, trockneten und bügelten.“ Die Times wird sich namentlich über diese Resultate freuen; sie darf nun doch wenigstens hoffen, die Chartisten bei der nächsten politischen Demonstration hübsch rein gewaschen und angezogen zu sehen.
Handels- und Börsen-Nachrichten. _ Hierzu eine Beilage
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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