Neue Rheinische Zeitung. Nr. 5. Köln, 5. Juni 1848.12 Hamburg, 1. Juni. Heute hat der Marine-Kongreß seine Sitzungen begonnen, sie werden aber wie alle Arbeiten der hohen Aristokratie und Büreaukratie mit einem Schleier des Geheimnisses umhüllt, daß es Niemanden gegönnt ist hinter denselben zu schauen. Die Geldforderungen zu diesem Zweck wurden zwar sehr offen berieben, aber was mit dem vom Volke in Silbergroschen und Schillingen aufgebrachten Gelde geschehen soll möchte man gern in den dichtesten Nebel hüllen. Ueberhaupt steht in allen Dingen, selbst in den größten Kleinigkeiten, das alte System im Wege. Die alten Minister sind gefallen, aber was nützt es, wenn der Minister entsetzt wird und das System fortwuchert durch die von ihm gebildeten Beamten. So lange wir es nicht wie in Frankreich machen und mit den Ministern auch die Beamten entlassen, so lange kann und wird es nicht anders werden. Sitzen nicht in Berlin, Wien, Hamburg, Kassel u. s. w. noch immer dieselben alten Perrückenstöcke in den Bureaux und suchen sie nicht immer auf den alten längst gewohnten Weg einzulenken, suchen sie nicht die eben von oben her verlassene Bahn aufs Neue wieder zu betreten? Das hier seit Freigebung der Presse neu entstandene demokratische Organ: "der Republikaner," von welchem bereits zehn Nummern erschienen sind, erfreut sich der täglich wachsenden Theilnahme. Uebermorgen beginnt ein Volkskongreß: "die Versammlung des deutschen Gewerbestandes," deren Sitzungen öffentlich sein werden. Ueber die dort gepflogenen Verhandlungen werde ich Berichte zusenden. 12Hamburg, 2. Juni. So eben höre ich, daß der Marine-Kongreß sich in Wohlgefallen aufgelöst, und nur einen Ausschuß hinterlassen hat. Ungarn. Pesth, 20. Mai. Der Minister des Innern trifft alle Anordnungen, damit die Wahlen vor sich gehen und der Landtag am 2. Juli eröffnet werden kann. Finanzminister Koffuth schreibt eine freiwillige Anleihe von 2 Millionen aus, gegen 5 prozentige Schatzscheine von 50 a 100 Gulden, die 3, 6 oder 12 Monate zu laufen haben. (Oestr. Z.)Belgien. *Brüssel, 3. Juni. Minister Rogier hat die erste große Maßregel getroffen, die Belgien vor dem Bankerut retten wird. Er hat der Mademoiselle Rachel verboten, die Marseillaise in den hiesigen Theatern zu deklamiren. Sie ist dagegen bevollmächtigt zu singen: La liberte, pour conquerir le monde N'a pas besoin de passer par chez nous. Die Freiheit auf dem Welterobrungszuge Kann dreist an unserm Land vorübergeh'n. - Herr Castiau, das ausgezeichnetste Mitglied der belgischen Repräsentantenkammer, hat bekanntlich kurz nach der Februarrevolution seine Deputirtenstelle niedergelegt. Er richtet jetzt an seine alten Wähler in Tournay einen Brief, worin er die Motive auseinandersetzt, die ihn verhindern, in diesem Augenblick ein neues politisches Mandat anzunehmen. Man kann diesen Brief als ein Manifest der belgischen republikanischen Partei betrachten. Wir theilen die schlagendsten Stellen unsren Lesern mit: "Es ist nicht Entmuthigung, wie man trotz meiner Erklärung in der Repräsentantenkammer behauptet, die mich das Mandat zum Deputirten ablehnen läßt. Ich hoffte, Belgien würde sich in eine Republik umwandeln, eine Umgestaltung, die es friedlich vollbringen konnte, ohne sich in die Gefahren einer revolutionären Krise zu stürzen. Ich habe es geglaubt, ich habe es gesagt. Als Bürger und Repräsentant war ich in meinem Recht. Unglücklicherweise theilte ich allein diese Ansicht im Schoose der Nationalrepräsentation. Mit Hülfe der Furcht, des Egoismus, der Verläumdung und der bewaffneten Versuche einiger Kopflosen, hat man es erreicht, dem belgischen Volk vor seiner eigenen Souveränität bang zu machen, und eine monarchische Reaktion heraufzubeschwören, die von den Kammern aus über das Land sich ergossen hat. In Folge dieser Meinungsverschiedenheit zwischen mir und meinen Wählern, hielt ich es für meine Pflicht, mein Mandat niederzulegen, und ich kann kein neues Mandat annehmen, solange diese Meinungsverschiedenheit existirt. Ich weiß, man verschwendet heute an uns die glänzendsten Versprechungen im Namen der konstitutionellen Monarchie. Diese Sprache ist die zweite Auflage der Betheurungen von 1830. Auch damals wurde die konstitutionelle Monarchie als die vollkommenste der Staatskombinationen dargestellt, die das Land glücklich und stark machen werden. Sie sei die beste der Republiken. Sie alle meine Herren, wissen, wie ich, was aus diesen Versprechungen geworden ist. Diese Regierung, welche unsre Unabhängigkeit nach Außen vertheidigen sollte, hat Belgien dem erniedrigenden Gesetze der Neutralität unterworfen, die es in Ohnmacht und Isolirung festbannt. Diese Regierung, welche die Einheit unsrer Provinzen garantiren sollte, hat eine Theilung erlaubt, so unbillig, wie die Polens; sie selbst hat Limburg und Luxemburg an Holland geliefert und 400,000 Belgier verkauft, die Blut und Vermögen geopfert hatten, um unsre Unabhängigkeit zu sichern. Diese Regierung, welche die mächtigste Garantie der Ordnung sein sollte, hat den gehäßigen Plünderungen von 1834 nicht zuvorzukommen gewußt, die im tiefen Frieden, in der Hauptstadt und unter ihren Augen das Land geschändet haben. Diese liberale, progressive und billige Regierung hat während 15 Jahren gegen unsre Institutionen konspirirt, unsere Freiheiten verstümmelt, die Fahne des Obskurantismus wieder aufgepflanzt und das alte Regiment wieder hergestellt. Sie hat unsere Industrie sich durch unaussprechliche Leiden durchwinden und den Pauperismus unsere volkreichsten Provinzen verheeren lassen, ohne seinen Fortschritten andere als quacksalbernde Palliative entgegen zu setzen. Endlich hat diese moralische und demokratische Regierung knabenhafte Auszeichnungen wieder hergestellt, den Nationalcharakter verfälscht, den Favoritismus und den Höflingsgeist entwickelt, hundert nutzlose Institutionen gegründet, die Sinekuren vervielfältigt, das öffentliche Vermögen den Höflingen und Sollicitanten als Beute überlassen, in allen Zweigen der Administration einen ebenso unfruchtbaren als ruinirenden Luxus eingeführt, die jährliche Ziffer der Ausgaben um mehr als 50 Millionen vermehrt und ein Deficit geschaffen, welches mit der jetzt den Banken gewährten Garantie sich auf 100 Millionen Fr. belaufen wird; sie hat unsere Finanzen erschöpft, unsern Credit vernichtet, unsere Hülfsquellen verschlungen, gezwungene Anleihen und Papiergeld dekretirt und im Augenblicke ihrer Agonie selbst scheint sie nur noch einen Rest von Kraft wiederzufinden, um das Land zu verderben und bloße Ruinen hinter sich zurückzulassen. Dieses ist das Resultat der Versprechungen von 1830, dieß sind die Wohlthaten der monarchischen Regierung. Die Versprechungen von 1848 werden nicht besser gehalten werden als die von 1830. Man wird nicht einmal den ernormen Census der Wahlfähigkeit für den Senat unterdrücken, welcher die der Wahlrepräsentation zum Monopol von 400 Familien macht. Die Convulsionen des Elends, die Schmach des Bankeruts und eine revolutionäre Krisis werden die Abschiedsworte der konstitutionellen Monarchie von Belgien sein." Italien. Neapel, 21. Mai. Wir sind in den Schlamm eines boden losen Terrorismus zurückgesunken. Die Liste der bis jetzt Gebliebenen enthält 1753 Todte. Gräuel aller Art wurden verübt, Kinder, Weiber und Greise gespiest, verbrannt, erschlagen, dazu das Geheul der Lazzaroni, ihr Rauben und Brennen. Sie zogen mit alter bourbonischer Fahne, mit der Madonna di Carmine durch die Stadt, begafften jauchzend die Leichen der Bürger, und heulten ihr grimmiges Evviva il Re! König Ferdinand II erschien auf dem Balkon und dankte seinen Getreuen. Am 17. rauchte Se. Maj. unter den Säulengängen von St. Francesco di Paola in größter Gemüthsruhe eine Cigarre, und machte dann eine Spazierfahrt durch die Stadt - natürlich umgeben von treuen Soldaten und Lazzaroni. Die Nationalgarde ist aufgelöst, die Kammer ebenfalls, die Stadt ist entwaffnet; schmutzige Lazzaroni-Buben tragen in Masse die Gewehre fort und hohnlachen. Die Soldateska spreizt sich in unerhörtem Uebermuth, die alte Polizei taucht in alte Uniform wieder hervor, die Gendarmerie ist wieder da und zwingt harmlose Bürger zum Hutabnehmen u. dgl. Alle Journale, alle Maueranschläge, alles Zusammenstehen auf den Gassen ist verboten. Neapel ist fortdauernd in Belagerungszustand, wüthende Rache kocht in vielen tausend Seelen, während dumpfes Schweigen vorherrscht. Die französischen Kriegsschiffe sind voll von Flüchtlingen. Ich besuchte auf dem Ocean, auf dem Panama, auf dem Friedland mehrere. Romeo, Pellicano, Scialoja, Saliceti haben sich gerettet. Jeder, der nur irgend kann, wendet Neapel den Rücken, und wahrlich mit Recht. Viele Calabresen haben um das Leben des letzten Bourbonen gewürfelt, und seine Stunde wird bald geschlagen haben. Die französischen Schiffe bringen die Flüchtlinge nach Sizilien und Calabrien, und binnen 14 Tagen wird Calabrien auferstanden seyn. Bereits wurde in Ariano heftig gekämpft, aber auch hier focht die Nationalgarde unglücklich. Sehr großen Muth wage ich den Neapolitanern nicht zuzusprechen, aber die Calabresen lieferten Proben der kühnsten Todesverachtung. Die Truppen benahmen sich grausam; auch die Schweizer. König Ferdinand ist verloren. Früher theilte er den Groll der Nation mit seinen Ministern jetzt hat er ihn ganz allein auf sich genommen. Neapel ist eine dem Verderben geweihte Stadt. Die allgemeine Meinung ist, daß das ganze Blutbad ein längst vorbereiteter Staatsstreich gewesen. Für diese Ansicht lassen sich wenigstens ein Dutzend Gründe anführen. Die Royalisten behaupten, König Ferdinand sey bis anfs äußerste gereizt, und förmlich zum Blutvergießen gezwungen worden! Runziante bewährte sich abermals als gefälliger Henkersknecht: er ließ die ersten 53 (schuldig und unschuldig) eingebrachten Gefangenen schnell in den Gräben des Castello nuovo erschießen. Der Unmnth ist gränzenlos; anf Morgen fürchtet man neues Unheil. Labrano dictirt mit militärischer Strenge seine Befehle. Das Land ist unsicher, überall werden Reisende angefallen. So wollte es König Ferdinand, indem er 1000 Galeerensträflingen losließ. Die Schweizer haben jetzt die schwierigste Lage, Gift und Dolch wartet ihrer. Die in Montol veto am 15. Mai versammelten Deputirten hatten bereits die Absetzung Ferdinands beschlossen. (A. A. Z.)Neapel, 25. Mai. König Ferdinand hat heute folgende Proklamation an sein Volk erlassen: "Neapolitaner! Tief betrübt über die traurigen Ereignisse des 15. Mai ist es unser lebhafter Wunsch, deren Folgen, soweit es menschenmöglich ist, zu versüßen. Unser fester Entschluß und unabänderlicher Wille ist, die Konstitution vom 10. Februar rein und unbefleckt zu erhalten. Dieselbe, als die alleinige, die sich mit den wahren und gegenwärtigen Bedürfnissen dieses Theils von Italien verträgt, wird der Pfeiler sein, auf den sich die Schicksale unserer geliebtesten Völker und unserer Krone stützen. Die gesetzgebenden Kammern werden in Kurzem zusammenberufen werden und die Weisheit, die Standhaftigkeit und Klugheit, die wir von ihnen erwarten, werden uns kräftig unterstützen in allen jenen Theilen der öffentlichen Sache, die weise und nützliche Reformen nöthig haben. Nehmt daher Eure gewohnten Beschäftigungen wieder auf, vertraut mit ganzem Herzen in unsere Rechtlichkeit, unsern Glauben, n unsern heiligen, freiwilligen Schwur und lebt in der vollsten Gewißheit, daß es unser unermüdlichstes Bestreben sein wird, so bald als möglich mit dem gegenwärtigen, ausnahmsweisen und vorübergehenden Zustande, in dem wir uns befinden, auch, soweit es sich thun läßt, das Andenken an jenes schwere Unglück, das uns betroffen hat, zu beseitigen. gez. Ferdinand." Die neuen Wahlkollegien sind auf den 15. Juni zusammenberufen, die Eröffnung der Kammern ist auf den 1. Juli anberaumt. Das Wahlgesetz tritt wieder in seine ursprünglichen Gränzen zurück, die späteren Modifikationen sind zurückgenommen, mit der Ausnahme, daß der Census für die Wähler auf 12 Duc., jener der Wählbaren auf 120 Duc. ermäßigt ist. (D. Z.)Venedig. Hier scheint entweder eine Reaktion oder eine neue Revolution sich vorzubereiten. Die Regierung überträgt der Polizei außerordentliche Vollmachten zur Erhaltung der inneren Ruhe, läßt Lebensmittel requiriren und stellt (am 25.) dem Comite der öffentlichen Aufsicht die Gendarmerie und die Civica zur Verfügung. Auf ein Schreiben der Regierung wegen der angeblich befohlenen Rückkehr der neapolitanischen Flotte, antwortete der neapolitanische Bevollmächtigte Pietro Leopardi : er habe keine offizielle Mission bei der Republik Venedig, habe aber schon am 24. den Admiral, in Folge seiner Instruktionen, aufgefordert, wenigstens mit dem größten Theil der Flotte vor Venedig zu bleiben, und ihn sowie seine Offiziere für die Folgen einer Abfahrt der neapolitanischen und italienischen Nation verantwortlich gemacht. - General Pepe soll sich unter Karl Alberts Kommando gestellt haben. - Peschiera, am 26. aufgefordert sich zu ergeben, verlangte 24 Stunden Bedenkzeit und die Erlaubniß einen Offizier nach Verona zu schicken. Letzteres schlug Karl Albert ab, gab aber Waffenstillstand bis zum 27., 2 Uhr. Die Stadt war so stark beschossen worden, daß die Fensterscheiben in den benachbarten Orten zersprangen. - Nach Verona hatte Nugent 200 Ochsen zur Verproviantirung hereingebracht. (A. A. Z.)Mailand, 31. Mai. Peschiera ist endlich wirklich eingenommen, oder besser, es hat sich im entscheidenden Augenblick ergeben. Sie können auf die Aechtheit dieser Nachricht diesmal zählen. Carl Albert ist leicht am Backen unter dem Auge verwundet; sein Sohn am Schenkel, beide nicht gefährlich. - Zu gleicher Zeit fiel ein Gefecht bei Pastrengo vor, worüber die Datails fehlen; doch war dasselbe glücklich für uns. - Heute Abend ist hier große Illumination. (F. J.)Bern, 30. Mai. Die Regierung hat von dem Obersten des vierten Schweizerregimentes Berichte über die Vorgänge vom 15. erhalten. Nach diesen amtlichen Aktenstücken war die statt gefundene Schlächterei keineswegs die Folge eines zufälligen Zusammentreffens der Truppen mit der Nationalgarde, sondern es handelte sich um die Vernichtung der liberalen Oppositionspartei und dieses Werk ward dann auch planmäßig ausgeführt. - Die Deputirten verlangten: Entfernung der Truppen auf 30 Miglien von der Stadt, Uebergabe der Forts an die Nationalgarden, und Anerkennung der Deputirten als konstituirender Versammlung. Der König wollte nicht einwilligen (die in Neapel verbreitet gewesene Kunde über die vorgeblichen Zugeständnisse war eine Lüge), die Nationalgarde und das Volk schlossen sich den Deputirten an, es wurden Barrikaden errichtet etc. Die Schweizertruppen standen von 1 Uhr Morgens bis gegen Mittag unter den Waffen, mehrmals waren sie ausgerückt, um Barrikaden wegzuräumen, was jedoch ohne Blutvergießen geschah. Endlich kam, wie sich der Oberst ausdrückt, der "ersehnte Augenblick, wo sie ihr Blut für den Fürsten vergießen konnten!" Um 12 Uhr wurde das Allarmsignal gegeben (wahrscheinlich war dieses der "zufällig losgegangene" Schuß) und die Truppen rückten auf Umwegen im Sturmschritt nach dem Palast. Das 4. (Berner-) Regiment war das erste auf dem Platze und erhielt sofort den Befehl zum Angriffe. Dieser erfolgte, die Truppen stürzten sich in die von dem Volke besetzten Straßen, wurden aber hier von einem so mörderischen Feuer empfangen, daß der Oberst sich genöthigt sah, den Rückzug zu befehlen. Nun rückte auch die Artillerie an, es wurde mit Kartätschen geschossen, vorzüglich auch nach den Fenstern, und das Ende ist bekannt. Der König ist ganz entzückt von dem Eifer und dem Muthe der Schweizer; er hat ihnen gleich einen Monatssold ausbezahlt; Beförderungen, Dekorationen u. dgl. stehen, wie der Oberst berichtet, in Aussicht, worüber dieser natürlich gleichfalls entzückt ist. (Berner Z.)Französische Republik. *Paris, 1. Juni. Von den verschiedenen Parteien zirkuliren Kandidatenlisten für die 11 neu zu ernennenden Volksrepräsentanten des Seine-Departements. Der Constitutionel und der Siecle stellen folgende Kandidaten auf: Thiers, General Changarnier, der Banquier Goudchaur, Chambolle, Redakteur en Chef des Siecle, Adam, Adjunkt des Maire von Paris, Moreau, ehemaliger Deputirter, Bayard, Arbeiter, Lavaux, Boissel (statt dessen schlägt der Siecle Hrn. Reyneau vor), Victor Hugo. Durch die Septembergesetze, durch die Bastillen, durch das Regentschaftsgesetz, überhaupt als Hauptträger des Louis Philippistischen Systems hat Thiers sicher die höchsten Ansprüche, Mitglied einer Nationalversammlung zu werden, welche dieß System in republikanischer Form weiter zu entwickeln strebt. Auch in Bordeaux hat sich die Majorität einer zahlreichen Wählerversammlung schon zu seinen Gunsten erklärt. Wir werden diesen Nebenbuhler und Kollegen Guizots vielleicht in kurzer Frist an der Spitze der französischen Republik erblicken. Der ganze Unterschied der Julirevolution und der Februarrevolution würde sich darin zusammenfassen, daß erstere den radikalen Journalisten Thiers zum Minister Louis Philipps und letztere den konservativen Exminister Thiers zum Präsidenten der Republik machte. Kandidatenliste des National: Edmond Adam, Bayard Arbeiter, d'Alton-Shee, Danguy, Arbeiter, Jean Baptiste Delestre, Drolling, Leopold Duras, Redakteur en Chef des National, Gervais, Michel Goudchaux, Victor Schöelcher, Thyerri, Arzt. Kandidatenliste der Reform: Caussidiere, Pierre Leroux, Proudhon, Grandmenil, Ribeyrolles, Redakteur en Chef der Reforme, Thore, Redakteur en Chef der vraie Republique, Dupoty, Kersausie, Wors, Lessere, Schoelcher. Auffallend ist, daß nur auf der Liste des demokratischen Blatts "der Reforme" ein Arbeiter steht. Aber den Hrn. Thiers des Siecle mußte wenigstens Ein Albert ouvrier, den Banquier Goudchaux des National wenigstens zwei Alberts als Arabeske umschlingen. - Der ehemalige Finanzminister Lacave-Laplagne hat eine Broschüre veröffentlicht, worin er Garnier-Pages Anklagen gegen die Finanzverwaltung unter Louis Philipp zu wiederlegen sucht. - Emil Thomas wurde bei seiner Ankunft in Bordeaux von der Gendarmerie verhaftet und durch die Straßen eskortirt, einer ersten telegraphischen Depesche von Paris gemäß, dann gemäß einer zweiten wieder in Freiheit gesetzt. Er hat von Bordeaux aus ein Schreiben an seinen natürlichen Vorgesetzten, den Minister der öffentlichen Arbeiten Trelat gerichtet, worin er in höflichster Weise Abschied von diesem Biedermann nimmt. Hr. Trelat entführt ihn, giebt ihm dann eine Mission, verspricht ihm auf sein Ehrenwort, daß die Mission keine Mission in irgend ein Winkelgefängniß der Provinz sei, ordnet dann sofort durch telegraphische Depesche, die Thomas, wie er erklärt in Bordeaux selbst gelesen hat, seine Verhaftung an, widerruft sie dann und läßt ihm nach wie vor die Mission Trockenlegungsarbeiten in der Gironde und den Landes zu studiren. Hr. Thomas hat begriffen, daß es sich darum handelt ihn selbst trocken zu legen. - Durch Beschluß vom 26. Mai sind die Brigadegenerale Francois und Manduit, der erste für das rechte, der zweite für das linke Seineufer, zu Stadt-Kommandanten von Paris ernannt. - Caussidiere hat ein Circulair den Pariser Journalen zugehen lassen, worin er die in dem Bericht der Exekutiv-Kommission gegen ihn gerichteten Beschuldigungen wegen seines Benehmens am 15. Mai zurückweist. - Wie sehr die reakionären Hoffnungen zunehmen, sieht man namentlich daraus, deß jetzt einige Ex-Pairs u. s. w. nachträglich aus Anhänglichkeit an die konstitutionelle Monarchie sich öffentlich verbitten sie auf eine Kandidatenliste für die Nationalversammlung zu setzen. Auch die Debats sprechen mit Salbung von ihren Gefühlen für die Monarchie und die verbannte Familie. Paris, 2. Juni. Nach dem Constitutionnel bezweckt die Kommission der exekutiven Gewalt in einigen Tagen der Nationalversammlung ein Dekret über die Errichtung eines Ministeriums der allgemeinen Polizei vorzulegen. Vielleicht später auch ein Gesetz über die Verdächtigen. An einem neuem Merlin de Douai wird es nicht fehlen. - Nach der "Gazette des Tribunaux" hätte sich der Verfassungsausschuß bereits für das Einkammersystem, für Wahl Eines Präsidenten der Republik auf 4 Jahre durch das ganze Volk (welcher erst nach einer Zwischenzeit von 4 Jahren wieder wählbar sein würde) entschieden; die Einleitung zu dem Verfassungsentwurfe sei bereits angenommen und beginne mit den Worten: "Im Namen Gottes ..."; der Verfassungsausschuß werde wohl früher, als man anfangs erwartet habe, seine Arbeit vollendet haben. - Das Journal des travailleurs mustert die Liste der weißen Republikaner, die das Mandat zur Repräsentation des sonverainen Volkes beanspruchen, wie folgt: E. Girardin, einzig fähiger Republikaner von Frankreich und Algier, verlangt nur die Regentschaft der Herzogin von Orleans und des Prinzen Joinville. Thiers. Sein Programm: englische Konstitution; Oligarchie und Pauperismus; Frankreich irlandisirt; Restauration der Septembergesetze; möglichst schleunige Rückkehr der Füsillade der Straße Transnonain. Hippolyt Passy, Republikaner vom reinsten Wasser, wie jeder weiß; Republikaner in der Manier von Mole, Pasquier, Decazes et Comp. Achille Fould, Arbeiter in Bank- und Börsenspielen, erlauchtes Kind Israels vom Tribus Rothschild. Viktor Hugo, Sänger gefallener Majestäten. Die Arbeiter beklagen sich über die rücksichtslose Härte der Kommissaire des Pfandhauses. Eine große Zahl Familien hat in der jetzigen Noth zum Pfandhaus Zuflucht genommen. Auf Gegenstände von 100 Fr. bot das Pfandhaus nur 5 Fr. Schweiz. Bern, 30. Mai. In der Versammlung der Tagsatzung über den Antrag Fazy's wegen der Schweizersöldlinge in Italien ging nach längeren Diskussionen der Antrag des Thurgauschen Gesandten durch, eine Untersuchung zu verordnen und nach deren Beendigung wegen Auflösung der Regimenter zu unterhandeln. - Uri, 30. Mai. Altstatthalter Schmid, der Bruder unsers Landammann Schmid, hat sich aus dem Staube gemacht und läßt ein Defizit von vielleicht zweimalhunderttausend Franken zurück, meistens aufgenommene Gelder, die der Betrüger durch selbstfabrizirte falsche Hypotheken versicherte. Es wird dieser Fall 12 Hamburg, 1. Juni. Heute hat der Marine-Kongreß seine Sitzungen begonnen, sie werden aber wie alle Arbeiten der hohen Aristokratie und Büreaukratie mit einem Schleier des Geheimnisses umhüllt, daß es Niemanden gegönnt ist hinter denselben zu schauen. Die Geldforderungen zu diesem Zweck wurden zwar sehr offen berieben, aber was mit dem vom Volke in Silbergroschen und Schillingen aufgebrachten Gelde geschehen soll möchte man gern in den dichtesten Nebel hüllen. Ueberhaupt steht in allen Dingen, selbst in den größten Kleinigkeiten, das alte System im Wege. Die alten Minister sind gefallen, aber was nützt es, wenn der Minister entsetzt wird und das System fortwuchert durch die von ihm gebildeten Beamten. So lange wir es nicht wie in Frankreich machen und mit den Ministern auch die Beamten entlassen, so lange kann und wird es nicht anders werden. Sitzen nicht in Berlin, Wien, Hamburg, Kassel u. s. w. noch immer dieselben alten Perrückenstöcke in den Bureaux und suchen sie nicht immer auf den alten längst gewohnten Weg einzulenken, suchen sie nicht die eben von oben her verlassene Bahn aufs Neue wieder zu betreten? Das hier seit Freigebung der Presse neu entstandene demokratische Organ: „der Republikaner,“ von welchem bereits zehn Nummern erschienen sind, erfreut sich der täglich wachsenden Theilnahme. Uebermorgen beginnt ein Volkskongreß: „die Versammlung des deutschen Gewerbestandes,“ deren Sitzungen öffentlich sein werden. Ueber die dort gepflogenen Verhandlungen werde ich Berichte zusenden. 12Hamburg, 2. Juni. So eben höre ich, daß der Marine-Kongreß sich in Wohlgefallen aufgelöst, und nur einen Ausschuß hinterlassen hat. Ungarn. Pesth, 20. Mai. Der Minister des Innern trifft alle Anordnungen, damit die Wahlen vor sich gehen und der Landtag am 2. Juli eröffnet werden kann. Finanzminister Koffuth schreibt eine freiwillige Anleihe von 2 Millionen aus, gegen 5 prozentige Schatzscheine von 50 à 100 Gulden, die 3, 6 oder 12 Monate zu laufen haben. (Oestr. Z.)Belgien. *Brüssel, 3. Juni. Minister Rogier hat die erste große Maßregel getroffen, die Belgien vor dem Bankerut retten wird. Er hat der Mademoiselle Rachel verboten, die Marseillaise in den hiesigen Theatern zu deklamiren. Sie ist dagegen bevollmächtigt zu singen: La liberté, pour conquerir le monde N'a pas besoin de passer par chez nous. Die Freiheit auf dem Welterobrungszuge Kann dreist an unserm Land vorübergeh'n. ‒ Herr Castiau, das ausgezeichnetste Mitglied der belgischen Repräsentantenkammer, hat bekanntlich kurz nach der Februarrevolution seine Deputirtenstelle niedergelegt. Er richtet jetzt an seine alten Wähler in Tournay einen Brief, worin er die Motive auseinandersetzt, die ihn verhindern, in diesem Augenblick ein neues politisches Mandat anzunehmen. Man kann diesen Brief als ein Manifest der belgischen republikanischen Partei betrachten. Wir theilen die schlagendsten Stellen unsren Lesern mit: „Es ist nicht Entmuthigung, wie man trotz meiner Erklärung in der Repräsentantenkammer behauptet, die mich das Mandat zum Deputirten ablehnen läßt. Ich hoffte, Belgien würde sich in eine Republik umwandeln, eine Umgestaltung, die es friedlich vollbringen konnte, ohne sich in die Gefahren einer revolutionären Krise zu stürzen. Ich habe es geglaubt, ich habe es gesagt. Als Bürger und Repräsentant war ich in meinem Recht. Unglücklicherweise theilte ich allein diese Ansicht im Schoose der Nationalrepräsentation. Mit Hülfe der Furcht, des Egoismus, der Verläumdung und der bewaffneten Versuche einiger Kopflosen, hat man es erreicht, dem belgischen Volk vor seiner eigenen Souveränität bang zu machen, und eine monarchische Reaktion heraufzubeschwören, die von den Kammern aus über das Land sich ergossen hat. In Folge dieser Meinungsverschiedenheit zwischen mir und meinen Wählern, hielt ich es für meine Pflicht, mein Mandat niederzulegen, und ich kann kein neues Mandat annehmen, solange diese Meinungsverschiedenheit existirt. Ich weiß, man verschwendet heute an uns die glänzendsten Versprechungen im Namen der konstitutionellen Monarchie. Diese Sprache ist die zweite Auflage der Betheurungen von 1830. Auch damals wurde die konstitutionelle Monarchie als die vollkommenste der Staatskombinationen dargestellt, die das Land glücklich und stark machen werden. Sie sei die beste der Republiken. Sie alle meine Herren, wissen, wie ich, was aus diesen Versprechungen geworden ist. Diese Regierung, welche unsre Unabhängigkeit nach Außen vertheidigen sollte, hat Belgien dem erniedrigenden Gesetze der Neutralität unterworfen, die es in Ohnmacht und Isolirung festbannt. Diese Regierung, welche die Einheit unsrer Provinzen garantiren sollte, hat eine Theilung erlaubt, so unbillig, wie die Polens; sie selbst hat Limburg und Luxemburg an Holland geliefert und 400,000 Belgier verkauft, die Blut und Vermögen geopfert hatten, um unsre Unabhängigkeit zu sichern. Diese Regierung, welche die mächtigste Garantie der Ordnung sein sollte, hat den gehäßigen Plünderungen von 1834 nicht zuvorzukommen gewußt, die im tiefen Frieden, in der Hauptstadt und unter ihren Augen das Land geschändet haben. Diese liberale, progressive und billige Regierung hat während 15 Jahren gegen unsre Institutionen konspirirt, unsere Freiheiten verstümmelt, die Fahne des Obskurantismus wieder aufgepflanzt und das alte Regiment wieder hergestellt. Sie hat unsere Industrie sich durch unaussprechliche Leiden durchwinden und den Pauperismus unsere volkreichsten Provinzen verheeren lassen, ohne seinen Fortschritten andere als quacksalbernde Palliative entgegen zu setzen. Endlich hat diese moralische und demokratische Regierung knabenhafte Auszeichnungen wieder hergestellt, den Nationalcharakter verfälscht, den Favoritismus und den Höflingsgeist entwickelt, hundert nutzlose Institutionen gegründet, die Sinekuren vervielfältigt, das öffentliche Vermögen den Höflingen und Sollicitanten als Beute überlassen, in allen Zweigen der Administration einen ebenso unfruchtbaren als ruinirenden Luxus eingeführt, die jährliche Ziffer der Ausgaben um mehr als 50 Millionen vermehrt und ein Deficit geschaffen, welches mit der jetzt den Banken gewährten Garantie sich auf 100 Millionen Fr. belaufen wird; sie hat unsere Finanzen erschöpft, unsern Credit vernichtet, unsere Hülfsquellen verschlungen, gezwungene Anleihen und Papiergeld dekretirt und im Augenblicke ihrer Agonie selbst scheint sie nur noch einen Rest von Kraft wiederzufinden, um das Land zu verderben und bloße Ruinen hinter sich zurückzulassen. Dieses ist das Resultat der Versprechungen von 1830, dieß sind die Wohlthaten der monarchischen Regierung. Die Versprechungen von 1848 werden nicht besser gehalten werden als die von 1830. Man wird nicht einmal den ernormen Census der Wahlfähigkeit für den Senat unterdrücken, welcher die der Wahlrepräsentation zum Monopol von 400 Familien macht. Die Convulsionen des Elends, die Schmach des Bankeruts und eine revolutionäre Krisis werden die Abschiedsworte der konstitutionellen Monarchie von Belgien sein.“ Italien. Neapel, 21. Mai. Wir sind in den Schlamm eines boden losen Terrorismus zurückgesunken. Die Liste der bis jetzt Gebliebenen enthält 1753 Todte. Gräuel aller Art wurden verübt, Kinder, Weiber und Greise gespiest, verbrannt, erschlagen, dazu das Geheul der Lazzaroni, ihr Rauben und Brennen. Sie zogen mit alter bourbonischer Fahne, mit der Madonna di Carmine durch die Stadt, begafften jauchzend die Leichen der Bürger, und heulten ihr grimmiges Evviva il Re! König Ferdinand II erschien auf dem Balkon und dankte seinen Getreuen. Am 17. rauchte Se. Maj. unter den Säulengängen von St. Francesco di Paola in größter Gemüthsruhe eine Cigarre, und machte dann eine Spazierfahrt durch die Stadt ‒ natürlich umgeben von treuen Soldaten und Lazzaroni. Die Nationalgarde ist aufgelöst, die Kammer ebenfalls, die Stadt ist entwaffnet; schmutzige Lazzaroni-Buben tragen in Masse die Gewehre fort und hohnlachen. Die Soldateska spreizt sich in unerhörtem Uebermuth, die alte Polizei taucht in alte Uniform wieder hervor, die Gendarmerie ist wieder da und zwingt harmlose Bürger zum Hutabnehmen u. dgl. Alle Journale, alle Maueranschläge, alles Zusammenstehen auf den Gassen ist verboten. Neapel ist fortdauernd in Belagerungszustand, wüthende Rache kocht in vielen tausend Seelen, während dumpfes Schweigen vorherrscht. Die französischen Kriegsschiffe sind voll von Flüchtlingen. Ich besuchte auf dem Ocean, auf dem Panama, auf dem Friedland mehrere. Romeo, Pellicano, Scialoja, Saliceti haben sich gerettet. Jeder, der nur irgend kann, wendet Neapel den Rücken, und wahrlich mit Recht. Viele Calabresen haben um das Leben des letzten Bourbonen gewürfelt, und seine Stunde wird bald geschlagen haben. Die französischen Schiffe bringen die Flüchtlinge nach Sizilien und Calabrien, und binnen 14 Tagen wird Calabrien auferstanden seyn. Bereits wurde in Ariano heftig gekämpft, aber auch hier focht die Nationalgarde unglücklich. Sehr großen Muth wage ich den Neapolitanern nicht zuzusprechen, aber die Calabresen lieferten Proben der kühnsten Todesverachtung. Die Truppen benahmen sich grausam; auch die Schweizer. König Ferdinand ist verloren. Früher theilte er den Groll der Nation mit seinen Ministern jetzt hat er ihn ganz allein auf sich genommen. Neapel ist eine dem Verderben geweihte Stadt. Die allgemeine Meinung ist, daß das ganze Blutbad ein längst vorbereiteter Staatsstreich gewesen. Für diese Ansicht lassen sich wenigstens ein Dutzend Gründe anführen. Die Royalisten behaupten, König Ferdinand sey bis anfs äußerste gereizt, und förmlich zum Blutvergießen gezwungen worden! Runziante bewährte sich abermals als gefälliger Henkersknecht: er ließ die ersten 53 (schuldig und unschuldig) eingebrachten Gefangenen schnell in den Gräben des Castello nuovo erschießen. Der Unmnth ist gränzenlos; anf Morgen fürchtet man neues Unheil. Labrano dictirt mit militärischer Strenge seine Befehle. Das Land ist unsicher, überall werden Reisende angefallen. So wollte es König Ferdinand, indem er 1000 Galeerensträflingen losließ. Die Schweizer haben jetzt die schwierigste Lage, Gift und Dolch wartet ihrer. Die in Montol veto am 15. Mai versammelten Deputirten hatten bereits die Absetzung Ferdinands beschlossen. (A. A. Z.)Neapel, 25. Mai. König Ferdinand hat heute folgende Proklamation an sein Volk erlassen: „Neapolitaner! Tief betrübt über die traurigen Ereignisse des 15. Mai ist es unser lebhafter Wunsch, deren Folgen, soweit es menschenmöglich ist, zu versüßen. Unser fester Entschluß und unabänderlicher Wille ist, die Konstitution vom 10. Februar rein und unbefleckt zu erhalten. Dieselbe, als die alleinige, die sich mit den wahren und gegenwärtigen Bedürfnissen dieses Theils von Italien verträgt, wird der Pfeiler sein, auf den sich die Schicksale unserer geliebtesten Völker und unserer Krone stützen. Die gesetzgebenden Kammern werden in Kurzem zusammenberufen werden und die Weisheit, die Standhaftigkeit und Klugheit, die wir von ihnen erwarten, werden uns kräftig unterstützen in allen jenen Theilen der öffentlichen Sache, die weise und nützliche Reformen nöthig haben. Nehmt daher Eure gewohnten Beschäftigungen wieder auf, vertraut mit ganzem Herzen in unsere Rechtlichkeit, unsern Glauben, n unsern heiligen, freiwilligen Schwur und lebt in der vollsten Gewißheit, daß es unser unermüdlichstes Bestreben sein wird, so bald als möglich mit dem gegenwärtigen, ausnahmsweisen und vorübergehenden Zustande, in dem wir uns befinden, auch, soweit es sich thun läßt, das Andenken an jenes schwere Unglück, das uns betroffen hat, zu beseitigen. gez. Ferdinand.“ Die neuen Wahlkollegien sind auf den 15. Juni zusammenberufen, die Eröffnung der Kammern ist auf den 1. Juli anberaumt. Das Wahlgesetz tritt wieder in seine ursprünglichen Gränzen zurück, die späteren Modifikationen sind zurückgenommen, mit der Ausnahme, daß der Census für die Wähler auf 12 Duc., jener der Wählbaren auf 120 Duc. ermäßigt ist. (D. Z.)Venedig. Hier scheint entweder eine Reaktion oder eine neue Revolution sich vorzubereiten. Die Regierung überträgt der Polizei außerordentliche Vollmachten zur Erhaltung der inneren Ruhe, läßt Lebensmittel requiriren und stellt (am 25.) dem Comité der öffentlichen Aufsicht die Gendarmerie und die Civica zur Verfügung. Auf ein Schreiben der Regierung wegen der angeblich befohlenen Rückkehr der neapolitanischen Flotte, antwortete der neapolitanische Bevollmächtigte Pietro Leopardi : er habe keine offizielle Mission bei der Republik Venedig, habe aber schon am 24. den Admiral, in Folge seiner Instruktionen, aufgefordert, wenigstens mit dem größten Theil der Flotte vor Venedig zu bleiben, und ihn sowie seine Offiziere für die Folgen einer Abfahrt der neapolitanischen und italienischen Nation verantwortlich gemacht. ‒ General Pepe soll sich unter Karl Alberts Kommando gestellt haben. ‒ Peschiera, am 26. aufgefordert sich zu ergeben, verlangte 24 Stunden Bedenkzeit und die Erlaubniß einen Offizier nach Verona zu schicken. Letzteres schlug Karl Albert ab, gab aber Waffenstillstand bis zum 27., 2 Uhr. Die Stadt war so stark beschossen worden, daß die Fensterscheiben in den benachbarten Orten zersprangen. ‒ Nach Verona hatte Nugent 200 Ochsen zur Verproviantirung hereingebracht. (A. A. Z.)Mailand, 31. Mai. Peschiera ist endlich wirklich eingenommen, oder besser, es hat sich im entscheidenden Augenblick ergeben. Sie können auf die Aechtheit dieser Nachricht diesmal zählen. Carl Albert ist leicht am Backen unter dem Auge verwundet; sein Sohn am Schenkel, beide nicht gefährlich. ‒ Zu gleicher Zeit fiel ein Gefecht bei Pastrengo vor, worüber die Datails fehlen; doch war dasselbe glücklich für uns. ‒ Heute Abend ist hier große Illumination. (F. J.)Bern, 30. Mai. Die Regierung hat von dem Obersten des vierten Schweizerregimentes Berichte über die Vorgänge vom 15. erhalten. Nach diesen amtlichen Aktenstücken war die statt gefundene Schlächterei keineswegs die Folge eines zufälligen Zusammentreffens der Truppen mit der Nationalgarde, sondern es handelte sich um die Vernichtung der liberalen Oppositionspartei und dieses Werk ward dann auch planmäßig ausgeführt. ‒ Die Deputirten verlangten: Entfernung der Truppen auf 30 Miglien von der Stadt, Uebergabe der Forts an die Nationalgarden, und Anerkennung der Deputirten als konstituirender Versammlung. Der König wollte nicht einwilligen (die in Neapel verbreitet gewesene Kunde über die vorgeblichen Zugeständnisse war eine Lüge), die Nationalgarde und das Volk schlossen sich den Deputirten an, es wurden Barrikaden errichtet etc. Die Schweizertruppen standen von 1 Uhr Morgens bis gegen Mittag unter den Waffen, mehrmals waren sie ausgerückt, um Barrikaden wegzuräumen, was jedoch ohne Blutvergießen geschah. Endlich kam, wie sich der Oberst ausdrückt, der „ersehnte Augenblick, wo sie ihr Blut für den Fürsten vergießen konnten!“ Um 12 Uhr wurde das Allarmsignal gegeben (wahrscheinlich war dieses der „zufällig losgegangene“ Schuß) und die Truppen rückten auf Umwegen im Sturmschritt nach dem Palast. Das 4. (Berner-) Regiment war das erste auf dem Platze und erhielt sofort den Befehl zum Angriffe. Dieser erfolgte, die Truppen stürzten sich in die von dem Volke besetzten Straßen, wurden aber hier von einem so mörderischen Feuer empfangen, daß der Oberst sich genöthigt sah, den Rückzug zu befehlen. Nun rückte auch die Artillerie an, es wurde mit Kartätschen geschossen, vorzüglich auch nach den Fenstern, und das Ende ist bekannt. Der König ist ganz entzückt von dem Eifer und dem Muthe der Schweizer; er hat ihnen gleich einen Monatssold ausbezahlt; Beförderungen, Dekorationen u. dgl. stehen, wie der Oberst berichtet, in Aussicht, worüber dieser natürlich gleichfalls entzückt ist. (Berner Z.)Französische Republik. *Paris, 1. Juni. Von den verschiedenen Parteien zirkuliren Kandidatenlisten für die 11 neu zu ernennenden Volksrepräsentanten des Seine-Departements. Der Constitutionel und der Siècle stellen folgende Kandidaten auf: Thiers, General Changarnier, der Banquier Goudchaur, Chambolle, Redakteur en Chef des Siècle, Adam, Adjunkt des Maire von Paris, Moreau, ehemaliger Deputirter, Bayard, Arbeiter, Lavaux, Boissel (statt dessen schlägt der Siècle Hrn. Reyneau vor), Victor Hugo. Durch die Septembergesetze, durch die Bastillen, durch das Regentschaftsgesetz, überhaupt als Hauptträger des Louis Philippistischen Systems hat Thiers sicher die höchsten Ansprüche, Mitglied einer Nationalversammlung zu werden, welche dieß System in republikanischer Form weiter zu entwickeln strebt. Auch in Bordeaux hat sich die Majorität einer zahlreichen Wählerversammlung schon zu seinen Gunsten erklärt. Wir werden diesen Nebenbuhler und Kollegen Guizots vielleicht in kurzer Frist an der Spitze der französischen Republik erblicken. Der ganze Unterschied der Julirevolution und der Februarrevolution würde sich darin zusammenfassen, daß erstere den radikalen Journalisten Thiers zum Minister Louis Philipps und letztere den konservativen Exminister Thiers zum Präsidenten der Republik machte. Kandidatenliste des National: Edmond Adam, Bayard Arbeiter, d'Alton-Shee, Danguy, Arbeiter, Jean Baptiste Delestre, Drolling, Leopold Duras, Redakteur en Chef des National, Gervais, Michel Goudchaux, Victor Schöelcher, Thyerri, Arzt. Kandidatenliste der Reform: Caussidière, Pierre Leroux, Proudhon, Grandmènil, Ribeyrolles, Redakteur en Chef der Reforme, Thorè, Redakteur en Chef der vraie Republique, Dupoty, Kersausie, Wors, Lesseré, Schoelcher. Auffallend ist, daß nur auf der Liste des demokratischen Blatts „der Reforme“ ein Arbeiter steht. Aber den Hrn. Thiers des Siècle mußte wenigstens Ein Albert ouvrier, den Banquier Goudchaux des National wenigstens zwei Alberts als Arabeske umschlingen. ‒ Der ehemalige Finanzminister Lacave-Laplagne hat eine Broschüre veröffentlicht, worin er Garnier-Pagès Anklagen gegen die Finanzverwaltung unter Louis Philipp zu wiederlegen sucht. ‒ Emil Thomas wurde bei seiner Ankunft in Bordeaux von der Gendarmerie verhaftet und durch die Straßen eskortirt, einer ersten telegraphischen Depesche von Paris gemäß, dann gemäß einer zweiten wieder in Freiheit gesetzt. Er hat von Bordeaux aus ein Schreiben an seinen natürlichen Vorgesetzten, den Minister der öffentlichen Arbeiten Trèlat gerichtet, worin er in höflichster Weise Abschied von diesem Biedermann nimmt. Hr. Trèlat entführt ihn, giebt ihm dann eine Mission, verspricht ihm auf sein Ehrenwort, daß die Mission keine Mission in irgend ein Winkelgefängniß der Provinz sei, ordnet dann sofort durch telegraphische Depesche, die Thomas, wie er erklärt in Bordeaux selbst gelesen hat, seine Verhaftung an, widerruft sie dann und läßt ihm nach wie vor die Mission Trockenlegungsarbeiten in der Gironde und den Landes zu studiren. Hr. Thomas hat begriffen, daß es sich darum handelt ihn selbst trocken zu legen. ‒ Durch Beschluß vom 26. Mai sind die Brigadegenerale Francois und Manduit, der erste für das rechte, der zweite für das linke Seineufer, zu Stadt-Kommandanten von Paris ernannt. ‒ Caussidière hat ein Circulair den Pariser Journalen zugehen lassen, worin er die in dem Bericht der Exekutiv-Kommission gegen ihn gerichteten Beschuldigungen wegen seines Benehmens am 15. Mai zurückweist. ‒ Wie sehr die reakionären Hoffnungen zunehmen, sieht man namentlich daraus, deß jetzt einige Ex-Pairs u. s. w. nachträglich aus Anhänglichkeit an die konstitutionelle Monarchie sich öffentlich verbitten sie auf eine Kandidatenliste für die Nationalversammlung zu setzen. Auch die Débats sprechen mit Salbung von ihren Gefühlen für die Monarchie und die verbannte Familie. Paris, 2. Juni. Nach dem Constitutionnel bezweckt die Kommission der exekutiven Gewalt in einigen Tagen der Nationalversammlung ein Dekret über die Errichtung eines Ministeriums der allgemeinen Polizei vorzulegen. Vielleicht später auch ein Gesetz über die Verdächtigen. An einem neuem Merlin de Douai wird es nicht fehlen. ‒ Nach der „Gazette des Tribunaux“ hätte sich der Verfassungsausschuß bereits für das Einkammersystem, für Wahl Eines Präsidenten der Republik auf 4 Jahre durch das ganze Volk (welcher erst nach einer Zwischenzeit von 4 Jahren wieder wählbar sein würde) entschieden; die Einleitung zu dem Verfassungsentwurfe sei bereits angenommen und beginne mit den Worten: „Im Namen Gottes …“; der Verfassungsausschuß werde wohl früher, als man anfangs erwartet habe, seine Arbeit vollendet haben. ‒ Das Journal des travailleurs mustert die Liste der weißen Republikaner, die das Mandat zur Repräsentation des sonverainen Volkes beanspruchen, wie folgt: E. Girardin, einzig fähiger Republikaner von Frankreich und Algier, verlangt nur die Regentschaft der Herzogin von Orleans und des Prinzen Joinville. Thiers. Sein Programm: englische Konstitution; Oligarchie und Pauperismus; Frankreich irlandisirt; Restauration der Septembergesetze; möglichst schleunige Rückkehr der Füsillade der Straße Transnonain. Hippolyt Passy, Republikaner vom reinsten Wasser, wie jeder weiß; Republikaner in der Manier von Molé, Pasquier, Decazes et Comp. Achille Fould, Arbeiter in Bank- und Börsenspielen, erlauchtes Kind Israels vom Tribus Rothschild. Viktor Hugo, Sänger gefallener Majestäten. Die Arbeiter beklagen sich über die rücksichtslose Härte der Kommissaire des Pfandhauses. Eine große Zahl Familien hat in der jetzigen Noth zum Pfandhaus Zuflucht genommen. Auf Gegenstände von 100 Fr. bot das Pfandhaus nur 5 Fr. Schweiz. Bern, 30. Mai. In der Versammlung der Tagsatzung über den Antrag Fazy's wegen der Schweizersöldlinge in Italien ging nach längeren Diskussionen der Antrag des Thurgauschen Gesandten durch, eine Untersuchung zu verordnen und nach deren Beendigung wegen Auflösung der Regimenter zu unterhandeln. ‒ Uri, 30. Mai. Altstatthalter Schmid, der Bruder unsers Landammann Schmid, hat sich aus dem Staube gemacht und läßt ein Defizit von vielleicht zweimalhunderttausend Franken zurück, meistens aufgenommene Gelder, die der Betrüger durch selbstfabrizirte falsche Hypotheken versicherte. Es wird dieser Fall <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0003" n="0019"/> <div xml:id="ar005_018" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl><hi rendition="#g">Hamburg,</hi> 1. Juni.</head> <p>Heute hat der Marine-Kongreß seine Sitzungen begonnen, sie werden aber wie alle Arbeiten der hohen Aristokratie und Büreaukratie mit einem Schleier des Geheimnisses umhüllt, daß es Niemanden gegönnt ist hinter denselben zu schauen. Die Geldforderungen zu diesem Zweck wurden zwar sehr offen berieben, aber was mit dem vom Volke in Silbergroschen und Schillingen aufgebrachten Gelde geschehen soll möchte man gern in den dichtesten Nebel hüllen. Ueberhaupt steht in allen Dingen, selbst in den größten Kleinigkeiten, das alte System im Wege. Die alten Minister sind gefallen, aber was nützt es, wenn der Minister entsetzt wird und das System fortwuchert durch die von ihm gebildeten Beamten. So lange wir es nicht wie in Frankreich machen und mit den Ministern auch die Beamten entlassen, so lange kann und wird es nicht anders werden. Sitzen nicht in Berlin, Wien, Hamburg, Kassel u. s. w. noch immer dieselben alten Perrückenstöcke in den Bureaux und suchen sie nicht immer auf den alten längst gewohnten Weg einzulenken, suchen sie nicht die eben von oben her verlassene Bahn aufs Neue wieder zu betreten?</p> <p>Das hier seit Freigebung der Presse neu entstandene demokratische Organ: „<hi rendition="#g">der Republikaner,</hi>“ von welchem bereits zehn Nummern erschienen sind, erfreut sich der täglich wachsenden Theilnahme.</p> <p>Uebermorgen beginnt ein Volkskongreß: „<hi rendition="#g">die Versammlung des deutschen Gewerbestandes,</hi>“ deren Sitzungen öffentlich sein werden. Ueber die dort gepflogenen Verhandlungen werde ich Berichte zusenden.</p> </div> <div xml:id="ar005_019" type="jArticle"> <head><bibl><author>12</author></bibl><hi rendition="#g">Hamburg,</hi> 2. Juni.</head> <p>So eben höre ich, daß der Marine-Kongreß sich in Wohlgefallen aufgelöst, und nur einen Ausschuß hinterlassen hat.</p> </div> </div> <div n="1"> <head><hi rendition="#g">Ungarn</hi>.</head> <div xml:id="ar005_020" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Pesth,</hi> 20. Mai.</head> <p>Der Minister des Innern trifft alle Anordnungen, damit die Wahlen vor sich gehen und der Landtag am 2. Juli eröffnet werden kann. Finanzminister Koffuth schreibt eine freiwillige Anleihe von 2 Millionen aus, gegen 5 prozentige Schatzscheine von 50 à 100 Gulden, die 3, 6 oder 12 Monate zu laufen haben.</p> <bibl>(Oestr. Z.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head> <hi rendition="#g">Belgien.</hi> </head> <div xml:id="ar005_021" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Brüssel,</hi> 3. Juni.</head> <p>Minister <hi rendition="#g">Rogier</hi> hat die erste große Maßregel getroffen, die Belgien vor dem Bankerut retten wird. Er hat der Mademoiselle <hi rendition="#g">Rachel</hi> verboten, die Marseillaise in den hiesigen Theatern zu deklamiren. Sie ist dagegen bevollmächtigt zu singen:</p> <lg type="poem"> <l>La liberté, pour conquerir le monde</l><lb/> <l>N'a pas besoin de passer par chez nous.</l><lb/> <l>Die Freiheit auf dem Welterobrungszuge</l><lb/> <l>Kann dreist an unserm Land vorübergeh'n.</l><lb/> </lg> <p>‒ Herr <hi rendition="#g">Castiau,</hi> das ausgezeichnetste Mitglied der belgischen Repräsentantenkammer, hat bekanntlich kurz nach der Februarrevolution seine Deputirtenstelle niedergelegt. Er richtet jetzt an seine alten Wähler in Tournay einen Brief, worin er die Motive auseinandersetzt, die ihn verhindern, in diesem Augenblick ein neues politisches Mandat anzunehmen. Man kann diesen Brief als ein Manifest der belgischen <hi rendition="#g">republikanischen</hi> Partei betrachten. Wir theilen die schlagendsten Stellen unsren Lesern mit:</p> <p>„Es ist nicht Entmuthigung, wie man trotz meiner Erklärung in der Repräsentantenkammer behauptet, die mich das Mandat zum Deputirten ablehnen läßt. Ich hoffte, Belgien würde sich in eine Republik umwandeln, eine Umgestaltung, die es friedlich vollbringen konnte, ohne sich in die Gefahren einer revolutionären Krise zu stürzen. Ich habe es geglaubt, ich habe es gesagt. Als Bürger und Repräsentant war ich in meinem Recht. Unglücklicherweise theilte ich <hi rendition="#g">allein</hi> diese Ansicht im Schoose der Nationalrepräsentation. Mit Hülfe der Furcht, des Egoismus, der Verläumdung und der bewaffneten Versuche einiger Kopflosen, hat man es erreicht, dem belgischen Volk vor seiner eigenen Souveränität bang zu machen, und eine monarchische Reaktion heraufzubeschwören, die von den Kammern aus über das Land sich ergossen hat. In Folge dieser Meinungsverschiedenheit zwischen mir und meinen Wählern, hielt ich es für meine Pflicht, mein Mandat niederzulegen, und ich kann kein neues Mandat annehmen, solange diese Meinungsverschiedenheit existirt.</p> <p>Ich weiß, man verschwendet heute an uns die glänzendsten Versprechungen im Namen der konstitutionellen Monarchie. Diese Sprache ist die zweite Auflage der Betheurungen von 1830. Auch damals wurde die konstitutionelle Monarchie als die vollkommenste der Staatskombinationen dargestellt, die das Land glücklich und stark machen werden. Sie sei die <hi rendition="#g">beste der Republiken.</hi></p> <p>Sie alle meine Herren, wissen, wie ich, was aus diesen Versprechungen geworden ist.</p> <p>Diese Regierung, welche unsre <hi rendition="#g">Unabhängigkeit nach Außen</hi> vertheidigen sollte, hat Belgien dem erniedrigenden Gesetze der Neutralität unterworfen, die es in Ohnmacht und Isolirung festbannt.</p> <p>Diese Regierung, welche die <hi rendition="#g">Einheit unsrer Provinzen garantiren</hi> sollte, hat eine Theilung erlaubt, so unbillig, wie die Polens; sie selbst hat Limburg und Luxemburg an Holland geliefert und 400,000 Belgier verkauft, die Blut und Vermögen geopfert hatten, um unsre Unabhängigkeit zu sichern.</p> <p>Diese Regierung, welche die <hi rendition="#g">mächtigste Garantie der Ordnung</hi> sein sollte, hat den gehäßigen Plünderungen von 1834 nicht zuvorzukommen gewußt, die im tiefen Frieden, in der Hauptstadt und unter ihren Augen das Land geschändet haben. Diese <hi rendition="#g">liberale, progressive</hi> und billige Regierung hat während 15 Jahren gegen unsre Institutionen konspirirt, unsere Freiheiten verstümmelt, die Fahne des Obskurantismus wieder aufgepflanzt und das alte Regiment wieder hergestellt. Sie hat unsere Industrie sich durch unaussprechliche Leiden durchwinden und den Pauperismus unsere volkreichsten Provinzen verheeren lassen, ohne seinen Fortschritten andere als quacksalbernde Palliative entgegen zu setzen.</p> <p>Endlich hat diese moralische und demokratische Regierung knabenhafte Auszeichnungen wieder hergestellt, den Nationalcharakter verfälscht, den Favoritismus und den Höflingsgeist entwickelt, hundert nutzlose Institutionen gegründet, die Sinekuren vervielfältigt, das öffentliche Vermögen den Höflingen und Sollicitanten als Beute überlassen, in allen Zweigen der Administration einen ebenso unfruchtbaren als ruinirenden Luxus eingeführt, die jährliche Ziffer der Ausgaben um mehr als 50 Millionen vermehrt und ein Deficit geschaffen, welches mit der jetzt den Banken gewährten Garantie sich auf 100 Millionen Fr. belaufen wird; sie hat unsere Finanzen erschöpft, unsern Credit vernichtet, unsere Hülfsquellen verschlungen, gezwungene Anleihen und Papiergeld dekretirt und im Augenblicke ihrer Agonie selbst scheint sie nur noch einen Rest von Kraft wiederzufinden, um das Land zu verderben und bloße Ruinen hinter sich zurückzulassen.</p> <p>Dieses ist das Resultat der Versprechungen von 1830, dieß sind die Wohlthaten der monarchischen Regierung.</p> <p>Die Versprechungen von 1848 werden nicht besser gehalten werden als die von 1830. Man wird nicht einmal den ernormen Census der Wahlfähigkeit für den Senat unterdrücken, welcher die der Wahlrepräsentation zum Monopol von 400 Familien macht. Die Convulsionen des Elends, die Schmach des Bankeruts und eine revolutionäre Krisis werden die Abschiedsworte der konstitutionellen Monarchie von Belgien sein.“</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Italien.</head> <div xml:id="ar005_022" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Neapel,</hi> 21. Mai.</head> <p>Wir sind in den Schlamm eines boden losen Terrorismus zurückgesunken. Die Liste der bis jetzt Gebliebenen enthält 1753 Todte. Gräuel aller Art wurden verübt, Kinder, Weiber und Greise gespiest, verbrannt, erschlagen, dazu das Geheul der Lazzaroni, ihr Rauben und Brennen. Sie zogen mit alter bourbonischer Fahne, mit der Madonna di Carmine durch die Stadt, begafften jauchzend die Leichen der Bürger, und heulten ihr grimmiges Evviva il Re! König Ferdinand II erschien auf dem Balkon und dankte seinen Getreuen. Am 17. rauchte Se. Maj. unter den Säulengängen von St. Francesco di Paola in größter Gemüthsruhe eine Cigarre, und machte dann eine Spazierfahrt durch die Stadt ‒ natürlich umgeben von treuen Soldaten und Lazzaroni. Die Nationalgarde ist aufgelöst, die Kammer ebenfalls, die Stadt ist entwaffnet; schmutzige Lazzaroni-Buben tragen in Masse die Gewehre fort und hohnlachen. Die Soldateska spreizt sich in unerhörtem Uebermuth, die alte Polizei taucht in alte Uniform wieder hervor, die Gendarmerie ist wieder da und zwingt harmlose Bürger zum Hutabnehmen u. dgl. Alle Journale, alle Maueranschläge, alles Zusammenstehen auf den Gassen ist verboten. Neapel ist fortdauernd in Belagerungszustand, wüthende Rache kocht in vielen tausend Seelen, während dumpfes Schweigen vorherrscht. Die französischen Kriegsschiffe sind voll von Flüchtlingen. Ich besuchte auf dem Ocean, auf dem Panama, auf dem Friedland mehrere. Romeo, Pellicano, Scialoja, Saliceti haben sich gerettet. Jeder, der nur irgend kann, wendet Neapel den Rücken, und wahrlich mit Recht. Viele Calabresen haben um das Leben des letzten Bourbonen gewürfelt, und seine Stunde wird bald geschlagen haben. Die französischen Schiffe bringen die Flüchtlinge nach Sizilien und Calabrien, und binnen 14 Tagen wird Calabrien auferstanden seyn. Bereits wurde in Ariano heftig gekämpft, aber auch hier focht die Nationalgarde unglücklich. Sehr großen Muth wage ich den Neapolitanern nicht zuzusprechen, aber die Calabresen lieferten Proben der kühnsten Todesverachtung. Die Truppen benahmen sich grausam; auch die Schweizer. König Ferdinand ist verloren. Früher theilte er den Groll der Nation mit seinen Ministern jetzt hat er ihn ganz allein auf sich genommen. Neapel ist eine dem Verderben geweihte Stadt. Die allgemeine Meinung ist, daß das ganze Blutbad ein längst vorbereiteter Staatsstreich gewesen. Für diese Ansicht lassen sich wenigstens ein Dutzend Gründe anführen. Die Royalisten behaupten, König Ferdinand sey bis anfs äußerste gereizt, und förmlich zum Blutvergießen <hi rendition="#g">gezwungen</hi> worden! Runziante bewährte sich abermals als gefälliger Henkersknecht: er ließ die ersten 53 (schuldig und unschuldig) eingebrachten Gefangenen schnell in den Gräben des Castello nuovo erschießen. Der Unmnth ist gränzenlos; anf Morgen fürchtet man neues Unheil. Labrano dictirt mit militärischer Strenge seine Befehle. Das Land ist unsicher, überall werden Reisende angefallen. So wollte es König Ferdinand, <hi rendition="#g">indem er 1000 Galeerensträflingen losließ.</hi> Die Schweizer haben jetzt die schwierigste Lage, Gift und Dolch wartet ihrer. Die in Montol veto am 15. Mai versammelten Deputirten hatten bereits die Absetzung Ferdinands beschlossen.</p> <bibl>(A. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar005_023" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Neapel,</hi> 25. Mai.</head> <p>König Ferdinand hat heute folgende Proklamation an sein Volk erlassen: „Neapolitaner! Tief betrübt über die traurigen Ereignisse des 15. Mai ist es unser lebhafter Wunsch, deren Folgen, soweit es menschenmöglich ist, zu versüßen. Unser fester Entschluß und unabänderlicher Wille ist, die Konstitution vom 10. Februar rein und unbefleckt zu erhalten. Dieselbe, als die alleinige, die sich mit den wahren und gegenwärtigen Bedürfnissen dieses Theils von Italien verträgt, wird der Pfeiler sein, auf den sich die Schicksale unserer geliebtesten Völker und unserer Krone stützen. Die gesetzgebenden Kammern werden in Kurzem zusammenberufen werden und die Weisheit, die Standhaftigkeit und Klugheit, die wir von ihnen erwarten, werden uns kräftig unterstützen in allen jenen Theilen der öffentlichen Sache, die weise und nützliche Reformen nöthig haben. Nehmt daher Eure gewohnten Beschäftigungen wieder auf, vertraut mit ganzem Herzen in unsere Rechtlichkeit, unsern Glauben, n unsern heiligen, freiwilligen Schwur und lebt in der vollsten Gewißheit, daß es unser unermüdlichstes Bestreben sein wird, so bald als möglich mit dem gegenwärtigen, ausnahmsweisen und vorübergehenden Zustande, in dem wir uns befinden, auch, soweit es sich thun läßt, das Andenken an jenes schwere Unglück, das uns betroffen hat, zu beseitigen. gez. Ferdinand.“ Die neuen Wahlkollegien sind auf den 15. Juni zusammenberufen, die Eröffnung der Kammern ist auf den 1. Juli anberaumt. Das Wahlgesetz tritt wieder in seine ursprünglichen Gränzen zurück, die späteren Modifikationen sind zurückgenommen, mit der Ausnahme, daß der Census für die Wähler auf 12 Duc., jener der Wählbaren auf 120 Duc. ermäßigt ist.</p> <bibl>(D. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar005_024" type="jArticle"> <head> <hi rendition="#g">Venedig.</hi> </head> <p>Hier scheint entweder eine Reaktion oder eine neue Revolution sich vorzubereiten. Die Regierung überträgt der Polizei außerordentliche Vollmachten zur Erhaltung der inneren Ruhe, läßt Lebensmittel requiriren und stellt (am 25.) dem Comité der öffentlichen Aufsicht die Gendarmerie und die Civica zur Verfügung. Auf ein Schreiben der Regierung wegen der angeblich befohlenen Rückkehr der neapolitanischen Flotte, antwortete der neapolitanische Bevollmächtigte Pietro Leopardi : er habe keine offizielle Mission bei der Republik Venedig, habe aber schon am 24. den Admiral, in Folge seiner Instruktionen, aufgefordert, wenigstens mit dem größten Theil der Flotte vor Venedig zu bleiben, und ihn sowie seine Offiziere für die Folgen einer Abfahrt der neapolitanischen und italienischen Nation verantwortlich gemacht.</p> <p>‒ General Pepe soll sich unter Karl Alberts Kommando gestellt haben.</p> <p>‒ <hi rendition="#g">Peschiera,</hi> am 26. aufgefordert sich zu ergeben, verlangte 24 Stunden Bedenkzeit und die Erlaubniß einen Offizier nach Verona zu schicken. Letzteres schlug Karl Albert ab, gab aber Waffenstillstand bis zum 27., 2 Uhr. Die Stadt war so stark beschossen worden, daß die Fensterscheiben in den benachbarten Orten zersprangen.</p> <p>‒ Nach <hi rendition="#g">Verona</hi> hatte Nugent 200 Ochsen zur Verproviantirung hereingebracht.</p> <bibl>(A. A. Z.)</bibl> </div> <div xml:id="ar005_025" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Mailand,</hi> 31. Mai.</head> <p><hi rendition="#g">Peschiera ist endlich wirklich eingenommen,</hi> oder besser, es hat sich im entscheidenden Augenblick ergeben. Sie können auf die Aechtheit dieser Nachricht diesmal zählen. Carl Albert ist <hi rendition="#g">leicht</hi> am Backen unter dem Auge verwundet; sein Sohn am Schenkel, beide nicht gefährlich.</p> <p>‒ Zu gleicher Zeit fiel ein Gefecht bei Pastrengo vor, worüber die Datails fehlen; doch war dasselbe glücklich für uns. ‒ Heute Abend ist hier große Illumination.</p> <bibl>(F. J.)</bibl> </div> <div xml:id="ar005_026" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Bern,</hi> 30. Mai.</head> <p>Die Regierung hat von dem Obersten des vierten Schweizerregimentes Berichte über die Vorgänge vom 15. erhalten. Nach diesen amtlichen Aktenstücken war die statt gefundene Schlächterei keineswegs die Folge eines zufälligen Zusammentreffens der Truppen mit der Nationalgarde, sondern es handelte sich um die Vernichtung der liberalen Oppositionspartei und dieses Werk ward dann auch planmäßig ausgeführt. ‒ Die Deputirten verlangten: Entfernung der Truppen auf 30 Miglien von der Stadt, Uebergabe der Forts an die Nationalgarden, und Anerkennung der Deputirten als konstituirender Versammlung. Der König wollte nicht einwilligen (die in Neapel verbreitet gewesene Kunde über die vorgeblichen Zugeständnisse war eine Lüge), die Nationalgarde und das Volk schlossen sich den Deputirten an, es wurden Barrikaden errichtet etc. Die Schweizertruppen standen von 1 Uhr Morgens bis gegen Mittag unter den Waffen, mehrmals waren sie ausgerückt, um Barrikaden wegzuräumen, was jedoch ohne Blutvergießen geschah. Endlich kam, wie sich der Oberst ausdrückt, der „ersehnte Augenblick, wo sie ihr Blut für den Fürsten vergießen konnten!“ Um 12 Uhr wurde das Allarmsignal gegeben (wahrscheinlich war dieses der „zufällig losgegangene“ Schuß) und die Truppen rückten auf Umwegen im Sturmschritt nach dem Palast. Das 4. (Berner-) Regiment war das erste auf dem Platze und erhielt sofort den Befehl zum Angriffe. Dieser erfolgte, die Truppen stürzten sich in die von dem Volke besetzten Straßen, wurden aber hier von einem so mörderischen Feuer empfangen, daß der Oberst sich genöthigt sah, den Rückzug zu befehlen. Nun rückte auch die Artillerie an, es wurde mit Kartätschen geschossen, vorzüglich auch nach den Fenstern, und das Ende ist bekannt. Der König ist ganz entzückt von dem Eifer und dem Muthe der Schweizer; er hat ihnen gleich einen Monatssold ausbezahlt; Beförderungen, Dekorationen u. dgl. stehen, wie der Oberst berichtet, in Aussicht, worüber dieser natürlich gleichfalls entzückt ist.</p> <bibl>(Berner Z.)</bibl> </div> </div> <div n="1"> <head>Französische Republik.</head> <div xml:id="ar005_027" type="jArticle"> <head><bibl><author>*</author></bibl><hi rendition="#g">Paris,</hi> 1. Juni.</head> <p>Von den verschiedenen Parteien zirkuliren Kandidatenlisten für die 11 neu zu ernennenden Volksrepräsentanten des Seine-Departements. Der <hi rendition="#g">Constitutionel</hi> und der <hi rendition="#g">Siècle</hi> stellen folgende Kandidaten auf: Thiers, General Changarnier, der Banquier Goudchaur, Chambolle, Redakteur en Chef des Siècle, Adam, Adjunkt des Maire von Paris, Moreau, ehemaliger Deputirter, Bayard, Arbeiter, Lavaux, Boissel (statt dessen schlägt der <hi rendition="#g">Siècle</hi> Hrn. Reyneau vor), Victor Hugo. Durch die Septembergesetze, durch die Bastillen, durch das Regentschaftsgesetz, überhaupt als Hauptträger des Louis Philippistischen Systems hat <hi rendition="#g">Thiers</hi> sicher die höchsten Ansprüche, Mitglied einer Nationalversammlung zu werden, welche dieß System in republikanischer Form weiter zu entwickeln strebt. Auch in <hi rendition="#g">Bordeaux</hi> hat sich die Majorität einer zahlreichen Wählerversammlung schon zu seinen Gunsten erklärt. Wir werden diesen Nebenbuhler und Kollegen Guizots vielleicht in kurzer Frist an der Spitze der französischen Republik erblicken. Der ganze Unterschied der Julirevolution und der Februarrevolution würde sich darin zusammenfassen, daß erstere den radikalen Journalisten Thiers zum Minister Louis Philipps und letztere den konservativen Exminister Thiers zum Präsidenten der Republik machte.</p> <p><hi rendition="#g">Kandidatenliste des National:</hi> Edmond Adam, Bayard Arbeiter, d'Alton-Shee, Danguy, Arbeiter, Jean Baptiste Delestre, Drolling, Leopold Duras, Redakteur en Chef des National, Gervais, Michel Goudchaux, Victor Schöelcher, Thyerri, Arzt.</p> <p><hi rendition="#g">Kandidatenliste der Reform:</hi> Caussidière, Pierre Leroux, Proudhon, Grandmènil, Ribeyrolles, Redakteur en Chef der Reforme, Thorè, Redakteur en Chef der vraie Republique, Dupoty, Kersausie, Wors, Lesseré, Schoelcher.</p> <p>Auffallend ist, daß nur auf der Liste des demokratischen Blatts „der <hi rendition="#g">Reforme</hi>“ ein Arbeiter steht. Aber den Hrn. Thiers des Siècle mußte wenigstens Ein Albert ouvrier, den Banquier Goudchaux des <hi rendition="#g">National</hi> wenigstens zwei Alberts als Arabeske umschlingen.</p> <p>‒ Der ehemalige Finanzminister Lacave-Laplagne hat eine Broschüre veröffentlicht, worin er Garnier-Pagès Anklagen gegen die Finanzverwaltung unter Louis Philipp zu wiederlegen sucht.</p> <p>‒ Emil Thomas wurde bei seiner Ankunft in Bordeaux von der Gendarmerie verhaftet und durch die Straßen eskortirt, einer ersten telegraphischen Depesche von Paris gemäß, dann gemäß einer zweiten wieder in Freiheit gesetzt. Er hat von Bordeaux aus ein Schreiben an seinen natürlichen Vorgesetzten, den Minister der öffentlichen Arbeiten Trèlat gerichtet, worin er in höflichster Weise Abschied von diesem Biedermann nimmt. Hr. Trèlat entführt ihn, giebt ihm dann eine Mission, verspricht ihm auf sein Ehrenwort, daß die Mission keine Mission in irgend ein Winkelgefängniß der Provinz sei, ordnet dann sofort durch telegraphische Depesche, die Thomas, wie er erklärt in Bordeaux selbst gelesen hat, seine Verhaftung an, widerruft sie dann und läßt ihm nach wie vor die Mission Trockenlegungsarbeiten in der Gironde und den Landes zu studiren. Hr. Thomas hat begriffen, daß es sich darum handelt ihn selbst trocken zu legen.</p> <p>‒ Durch Beschluß vom 26. Mai sind die Brigadegenerale Francois und Manduit, der erste für das rechte, der zweite für das linke Seineufer, zu Stadt-Kommandanten von Paris ernannt.</p> <p>‒ Caussidière hat ein Circulair den Pariser Journalen zugehen lassen, worin er die in dem Bericht der Exekutiv-Kommission gegen ihn gerichteten Beschuldigungen wegen seines Benehmens am 15. Mai zurückweist.</p> <p>‒ Wie sehr die reakionären Hoffnungen zunehmen, sieht man namentlich daraus, deß jetzt einige Ex-Pairs u. s. w. nachträglich aus Anhänglichkeit an die konstitutionelle Monarchie sich öffentlich verbitten sie auf eine Kandidatenliste für die Nationalversammlung zu setzen. Auch die Débats sprechen mit Salbung von ihren Gefühlen für die Monarchie und die verbannte Familie.</p> </div> <div xml:id="ar005_028" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Paris,</hi> 2. Juni.</head> <p>Nach dem Constitutionnel bezweckt die Kommission der exekutiven Gewalt in einigen Tagen der Nationalversammlung ein Dekret über die Errichtung eines Ministeriums der allgemeinen Polizei vorzulegen. Vielleicht später auch ein Gesetz über die Verdächtigen. An einem neuem Merlin de Douai wird es nicht fehlen.</p> <p>‒ Nach der „Gazette des Tribunaux“ hätte sich der Verfassungsausschuß bereits für das Einkammersystem, für Wahl Eines Präsidenten der Republik auf 4 Jahre durch das ganze Volk (welcher erst nach einer Zwischenzeit von 4 Jahren wieder wählbar sein würde) entschieden; die Einleitung zu dem Verfassungsentwurfe sei bereits angenommen und beginne mit den Worten: „Im Namen Gottes …“; der Verfassungsausschuß werde wohl früher, als man anfangs erwartet habe, seine Arbeit vollendet haben.</p> <p>‒ Das Journal des travailleurs mustert die Liste der <hi rendition="#g">weißen Republikaner,</hi> die das Mandat zur Repräsentation des <hi rendition="#g">sonverainen Volkes</hi> beanspruchen, wie folgt:</p> <p><hi rendition="#g">E. Girardin,</hi> einzig fähiger Republikaner von Frankreich und Algier, verlangt nur die Regentschaft der Herzogin von Orleans und des Prinzen Joinville.</p> <p><hi rendition="#g">Thiers.</hi> Sein Programm: englische Konstitution; Oligarchie und Pauperismus; Frankreich irlandisirt; Restauration der Septembergesetze; möglichst schleunige Rückkehr der Füsillade der Straße Transnonain.</p> <p><hi rendition="#g">Hippolyt Passy,</hi> Republikaner vom reinsten Wasser, wie jeder weiß; Republikaner in der Manier von Molé, Pasquier, Decazes et Comp.</p> <p><hi rendition="#g">Achille Fould,</hi> Arbeiter in Bank- und Börsenspielen, erlauchtes Kind Israels vom Tribus Rothschild.</p> <p><hi rendition="#g">Viktor Hugo,</hi> Sänger gefallener Majestäten.</p> <p>Die Arbeiter beklagen sich über die rücksichtslose Härte der Kommissaire des Pfandhauses. Eine große Zahl Familien hat in der jetzigen Noth zum Pfandhaus Zuflucht genommen. Auf Gegenstände von 100 Fr. bot das Pfandhaus nur 5 Fr.</p> </div> </div> <div n="1"> <head>Schweiz.</head> <div xml:id="ar005_029" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Bern,</hi> 30. Mai.</head> <p>In der Versammlung der Tagsatzung über den Antrag Fazy's wegen der Schweizersöldlinge in Italien ging nach längeren Diskussionen der Antrag des Thurgauschen Gesandten durch, eine Untersuchung zu verordnen und nach deren Beendigung wegen Auflösung der Regimenter zu unterhandeln. ‒</p> </div> <div xml:id="ar005_030" type="jArticle"> <head><hi rendition="#g">Uri,</hi> 30. Mai.</head> <p>Altstatthalter Schmid, der Bruder unsers Landammann Schmid, hat sich aus dem Staube gemacht und läßt ein Defizit von vielleicht zweimalhunderttausend Franken zurück, meistens aufgenommene Gelder, die der Betrüger durch selbstfabrizirte falsche Hypotheken versicherte. Es wird dieser Fall </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0019/0003]
12 Hamburg, 1. Juni. Heute hat der Marine-Kongreß seine Sitzungen begonnen, sie werden aber wie alle Arbeiten der hohen Aristokratie und Büreaukratie mit einem Schleier des Geheimnisses umhüllt, daß es Niemanden gegönnt ist hinter denselben zu schauen. Die Geldforderungen zu diesem Zweck wurden zwar sehr offen berieben, aber was mit dem vom Volke in Silbergroschen und Schillingen aufgebrachten Gelde geschehen soll möchte man gern in den dichtesten Nebel hüllen. Ueberhaupt steht in allen Dingen, selbst in den größten Kleinigkeiten, das alte System im Wege. Die alten Minister sind gefallen, aber was nützt es, wenn der Minister entsetzt wird und das System fortwuchert durch die von ihm gebildeten Beamten. So lange wir es nicht wie in Frankreich machen und mit den Ministern auch die Beamten entlassen, so lange kann und wird es nicht anders werden. Sitzen nicht in Berlin, Wien, Hamburg, Kassel u. s. w. noch immer dieselben alten Perrückenstöcke in den Bureaux und suchen sie nicht immer auf den alten längst gewohnten Weg einzulenken, suchen sie nicht die eben von oben her verlassene Bahn aufs Neue wieder zu betreten?
Das hier seit Freigebung der Presse neu entstandene demokratische Organ: „der Republikaner,“ von welchem bereits zehn Nummern erschienen sind, erfreut sich der täglich wachsenden Theilnahme.
Uebermorgen beginnt ein Volkskongreß: „die Versammlung des deutschen Gewerbestandes,“ deren Sitzungen öffentlich sein werden. Ueber die dort gepflogenen Verhandlungen werde ich Berichte zusenden.
12Hamburg, 2. Juni. So eben höre ich, daß der Marine-Kongreß sich in Wohlgefallen aufgelöst, und nur einen Ausschuß hinterlassen hat.
Ungarn. Pesth, 20. Mai. Der Minister des Innern trifft alle Anordnungen, damit die Wahlen vor sich gehen und der Landtag am 2. Juli eröffnet werden kann. Finanzminister Koffuth schreibt eine freiwillige Anleihe von 2 Millionen aus, gegen 5 prozentige Schatzscheine von 50 à 100 Gulden, die 3, 6 oder 12 Monate zu laufen haben.
(Oestr. Z.) Belgien. *Brüssel, 3. Juni. Minister Rogier hat die erste große Maßregel getroffen, die Belgien vor dem Bankerut retten wird. Er hat der Mademoiselle Rachel verboten, die Marseillaise in den hiesigen Theatern zu deklamiren. Sie ist dagegen bevollmächtigt zu singen:
La liberté, pour conquerir le monde
N'a pas besoin de passer par chez nous.
Die Freiheit auf dem Welterobrungszuge
Kann dreist an unserm Land vorübergeh'n.
‒ Herr Castiau, das ausgezeichnetste Mitglied der belgischen Repräsentantenkammer, hat bekanntlich kurz nach der Februarrevolution seine Deputirtenstelle niedergelegt. Er richtet jetzt an seine alten Wähler in Tournay einen Brief, worin er die Motive auseinandersetzt, die ihn verhindern, in diesem Augenblick ein neues politisches Mandat anzunehmen. Man kann diesen Brief als ein Manifest der belgischen republikanischen Partei betrachten. Wir theilen die schlagendsten Stellen unsren Lesern mit:
„Es ist nicht Entmuthigung, wie man trotz meiner Erklärung in der Repräsentantenkammer behauptet, die mich das Mandat zum Deputirten ablehnen läßt. Ich hoffte, Belgien würde sich in eine Republik umwandeln, eine Umgestaltung, die es friedlich vollbringen konnte, ohne sich in die Gefahren einer revolutionären Krise zu stürzen. Ich habe es geglaubt, ich habe es gesagt. Als Bürger und Repräsentant war ich in meinem Recht. Unglücklicherweise theilte ich allein diese Ansicht im Schoose der Nationalrepräsentation. Mit Hülfe der Furcht, des Egoismus, der Verläumdung und der bewaffneten Versuche einiger Kopflosen, hat man es erreicht, dem belgischen Volk vor seiner eigenen Souveränität bang zu machen, und eine monarchische Reaktion heraufzubeschwören, die von den Kammern aus über das Land sich ergossen hat. In Folge dieser Meinungsverschiedenheit zwischen mir und meinen Wählern, hielt ich es für meine Pflicht, mein Mandat niederzulegen, und ich kann kein neues Mandat annehmen, solange diese Meinungsverschiedenheit existirt.
Ich weiß, man verschwendet heute an uns die glänzendsten Versprechungen im Namen der konstitutionellen Monarchie. Diese Sprache ist die zweite Auflage der Betheurungen von 1830. Auch damals wurde die konstitutionelle Monarchie als die vollkommenste der Staatskombinationen dargestellt, die das Land glücklich und stark machen werden. Sie sei die beste der Republiken.
Sie alle meine Herren, wissen, wie ich, was aus diesen Versprechungen geworden ist.
Diese Regierung, welche unsre Unabhängigkeit nach Außen vertheidigen sollte, hat Belgien dem erniedrigenden Gesetze der Neutralität unterworfen, die es in Ohnmacht und Isolirung festbannt.
Diese Regierung, welche die Einheit unsrer Provinzen garantiren sollte, hat eine Theilung erlaubt, so unbillig, wie die Polens; sie selbst hat Limburg und Luxemburg an Holland geliefert und 400,000 Belgier verkauft, die Blut und Vermögen geopfert hatten, um unsre Unabhängigkeit zu sichern.
Diese Regierung, welche die mächtigste Garantie der Ordnung sein sollte, hat den gehäßigen Plünderungen von 1834 nicht zuvorzukommen gewußt, die im tiefen Frieden, in der Hauptstadt und unter ihren Augen das Land geschändet haben. Diese liberale, progressive und billige Regierung hat während 15 Jahren gegen unsre Institutionen konspirirt, unsere Freiheiten verstümmelt, die Fahne des Obskurantismus wieder aufgepflanzt und das alte Regiment wieder hergestellt. Sie hat unsere Industrie sich durch unaussprechliche Leiden durchwinden und den Pauperismus unsere volkreichsten Provinzen verheeren lassen, ohne seinen Fortschritten andere als quacksalbernde Palliative entgegen zu setzen.
Endlich hat diese moralische und demokratische Regierung knabenhafte Auszeichnungen wieder hergestellt, den Nationalcharakter verfälscht, den Favoritismus und den Höflingsgeist entwickelt, hundert nutzlose Institutionen gegründet, die Sinekuren vervielfältigt, das öffentliche Vermögen den Höflingen und Sollicitanten als Beute überlassen, in allen Zweigen der Administration einen ebenso unfruchtbaren als ruinirenden Luxus eingeführt, die jährliche Ziffer der Ausgaben um mehr als 50 Millionen vermehrt und ein Deficit geschaffen, welches mit der jetzt den Banken gewährten Garantie sich auf 100 Millionen Fr. belaufen wird; sie hat unsere Finanzen erschöpft, unsern Credit vernichtet, unsere Hülfsquellen verschlungen, gezwungene Anleihen und Papiergeld dekretirt und im Augenblicke ihrer Agonie selbst scheint sie nur noch einen Rest von Kraft wiederzufinden, um das Land zu verderben und bloße Ruinen hinter sich zurückzulassen.
Dieses ist das Resultat der Versprechungen von 1830, dieß sind die Wohlthaten der monarchischen Regierung.
Die Versprechungen von 1848 werden nicht besser gehalten werden als die von 1830. Man wird nicht einmal den ernormen Census der Wahlfähigkeit für den Senat unterdrücken, welcher die der Wahlrepräsentation zum Monopol von 400 Familien macht. Die Convulsionen des Elends, die Schmach des Bankeruts und eine revolutionäre Krisis werden die Abschiedsworte der konstitutionellen Monarchie von Belgien sein.“
Italien. Neapel, 21. Mai. Wir sind in den Schlamm eines boden losen Terrorismus zurückgesunken. Die Liste der bis jetzt Gebliebenen enthält 1753 Todte. Gräuel aller Art wurden verübt, Kinder, Weiber und Greise gespiest, verbrannt, erschlagen, dazu das Geheul der Lazzaroni, ihr Rauben und Brennen. Sie zogen mit alter bourbonischer Fahne, mit der Madonna di Carmine durch die Stadt, begafften jauchzend die Leichen der Bürger, und heulten ihr grimmiges Evviva il Re! König Ferdinand II erschien auf dem Balkon und dankte seinen Getreuen. Am 17. rauchte Se. Maj. unter den Säulengängen von St. Francesco di Paola in größter Gemüthsruhe eine Cigarre, und machte dann eine Spazierfahrt durch die Stadt ‒ natürlich umgeben von treuen Soldaten und Lazzaroni. Die Nationalgarde ist aufgelöst, die Kammer ebenfalls, die Stadt ist entwaffnet; schmutzige Lazzaroni-Buben tragen in Masse die Gewehre fort und hohnlachen. Die Soldateska spreizt sich in unerhörtem Uebermuth, die alte Polizei taucht in alte Uniform wieder hervor, die Gendarmerie ist wieder da und zwingt harmlose Bürger zum Hutabnehmen u. dgl. Alle Journale, alle Maueranschläge, alles Zusammenstehen auf den Gassen ist verboten. Neapel ist fortdauernd in Belagerungszustand, wüthende Rache kocht in vielen tausend Seelen, während dumpfes Schweigen vorherrscht. Die französischen Kriegsschiffe sind voll von Flüchtlingen. Ich besuchte auf dem Ocean, auf dem Panama, auf dem Friedland mehrere. Romeo, Pellicano, Scialoja, Saliceti haben sich gerettet. Jeder, der nur irgend kann, wendet Neapel den Rücken, und wahrlich mit Recht. Viele Calabresen haben um das Leben des letzten Bourbonen gewürfelt, und seine Stunde wird bald geschlagen haben. Die französischen Schiffe bringen die Flüchtlinge nach Sizilien und Calabrien, und binnen 14 Tagen wird Calabrien auferstanden seyn. Bereits wurde in Ariano heftig gekämpft, aber auch hier focht die Nationalgarde unglücklich. Sehr großen Muth wage ich den Neapolitanern nicht zuzusprechen, aber die Calabresen lieferten Proben der kühnsten Todesverachtung. Die Truppen benahmen sich grausam; auch die Schweizer. König Ferdinand ist verloren. Früher theilte er den Groll der Nation mit seinen Ministern jetzt hat er ihn ganz allein auf sich genommen. Neapel ist eine dem Verderben geweihte Stadt. Die allgemeine Meinung ist, daß das ganze Blutbad ein längst vorbereiteter Staatsstreich gewesen. Für diese Ansicht lassen sich wenigstens ein Dutzend Gründe anführen. Die Royalisten behaupten, König Ferdinand sey bis anfs äußerste gereizt, und förmlich zum Blutvergießen gezwungen worden! Runziante bewährte sich abermals als gefälliger Henkersknecht: er ließ die ersten 53 (schuldig und unschuldig) eingebrachten Gefangenen schnell in den Gräben des Castello nuovo erschießen. Der Unmnth ist gränzenlos; anf Morgen fürchtet man neues Unheil. Labrano dictirt mit militärischer Strenge seine Befehle. Das Land ist unsicher, überall werden Reisende angefallen. So wollte es König Ferdinand, indem er 1000 Galeerensträflingen losließ. Die Schweizer haben jetzt die schwierigste Lage, Gift und Dolch wartet ihrer. Die in Montol veto am 15. Mai versammelten Deputirten hatten bereits die Absetzung Ferdinands beschlossen.
(A. A. Z.) Neapel, 25. Mai. König Ferdinand hat heute folgende Proklamation an sein Volk erlassen: „Neapolitaner! Tief betrübt über die traurigen Ereignisse des 15. Mai ist es unser lebhafter Wunsch, deren Folgen, soweit es menschenmöglich ist, zu versüßen. Unser fester Entschluß und unabänderlicher Wille ist, die Konstitution vom 10. Februar rein und unbefleckt zu erhalten. Dieselbe, als die alleinige, die sich mit den wahren und gegenwärtigen Bedürfnissen dieses Theils von Italien verträgt, wird der Pfeiler sein, auf den sich die Schicksale unserer geliebtesten Völker und unserer Krone stützen. Die gesetzgebenden Kammern werden in Kurzem zusammenberufen werden und die Weisheit, die Standhaftigkeit und Klugheit, die wir von ihnen erwarten, werden uns kräftig unterstützen in allen jenen Theilen der öffentlichen Sache, die weise und nützliche Reformen nöthig haben. Nehmt daher Eure gewohnten Beschäftigungen wieder auf, vertraut mit ganzem Herzen in unsere Rechtlichkeit, unsern Glauben, n unsern heiligen, freiwilligen Schwur und lebt in der vollsten Gewißheit, daß es unser unermüdlichstes Bestreben sein wird, so bald als möglich mit dem gegenwärtigen, ausnahmsweisen und vorübergehenden Zustande, in dem wir uns befinden, auch, soweit es sich thun läßt, das Andenken an jenes schwere Unglück, das uns betroffen hat, zu beseitigen. gez. Ferdinand.“ Die neuen Wahlkollegien sind auf den 15. Juni zusammenberufen, die Eröffnung der Kammern ist auf den 1. Juli anberaumt. Das Wahlgesetz tritt wieder in seine ursprünglichen Gränzen zurück, die späteren Modifikationen sind zurückgenommen, mit der Ausnahme, daß der Census für die Wähler auf 12 Duc., jener der Wählbaren auf 120 Duc. ermäßigt ist.
(D. Z.) Venedig. Hier scheint entweder eine Reaktion oder eine neue Revolution sich vorzubereiten. Die Regierung überträgt der Polizei außerordentliche Vollmachten zur Erhaltung der inneren Ruhe, läßt Lebensmittel requiriren und stellt (am 25.) dem Comité der öffentlichen Aufsicht die Gendarmerie und die Civica zur Verfügung. Auf ein Schreiben der Regierung wegen der angeblich befohlenen Rückkehr der neapolitanischen Flotte, antwortete der neapolitanische Bevollmächtigte Pietro Leopardi : er habe keine offizielle Mission bei der Republik Venedig, habe aber schon am 24. den Admiral, in Folge seiner Instruktionen, aufgefordert, wenigstens mit dem größten Theil der Flotte vor Venedig zu bleiben, und ihn sowie seine Offiziere für die Folgen einer Abfahrt der neapolitanischen und italienischen Nation verantwortlich gemacht.
‒ General Pepe soll sich unter Karl Alberts Kommando gestellt haben.
‒ Peschiera, am 26. aufgefordert sich zu ergeben, verlangte 24 Stunden Bedenkzeit und die Erlaubniß einen Offizier nach Verona zu schicken. Letzteres schlug Karl Albert ab, gab aber Waffenstillstand bis zum 27., 2 Uhr. Die Stadt war so stark beschossen worden, daß die Fensterscheiben in den benachbarten Orten zersprangen.
‒ Nach Verona hatte Nugent 200 Ochsen zur Verproviantirung hereingebracht.
(A. A. Z.) Mailand, 31. Mai. Peschiera ist endlich wirklich eingenommen, oder besser, es hat sich im entscheidenden Augenblick ergeben. Sie können auf die Aechtheit dieser Nachricht diesmal zählen. Carl Albert ist leicht am Backen unter dem Auge verwundet; sein Sohn am Schenkel, beide nicht gefährlich.
‒ Zu gleicher Zeit fiel ein Gefecht bei Pastrengo vor, worüber die Datails fehlen; doch war dasselbe glücklich für uns. ‒ Heute Abend ist hier große Illumination.
(F. J.) Bern, 30. Mai. Die Regierung hat von dem Obersten des vierten Schweizerregimentes Berichte über die Vorgänge vom 15. erhalten. Nach diesen amtlichen Aktenstücken war die statt gefundene Schlächterei keineswegs die Folge eines zufälligen Zusammentreffens der Truppen mit der Nationalgarde, sondern es handelte sich um die Vernichtung der liberalen Oppositionspartei und dieses Werk ward dann auch planmäßig ausgeführt. ‒ Die Deputirten verlangten: Entfernung der Truppen auf 30 Miglien von der Stadt, Uebergabe der Forts an die Nationalgarden, und Anerkennung der Deputirten als konstituirender Versammlung. Der König wollte nicht einwilligen (die in Neapel verbreitet gewesene Kunde über die vorgeblichen Zugeständnisse war eine Lüge), die Nationalgarde und das Volk schlossen sich den Deputirten an, es wurden Barrikaden errichtet etc. Die Schweizertruppen standen von 1 Uhr Morgens bis gegen Mittag unter den Waffen, mehrmals waren sie ausgerückt, um Barrikaden wegzuräumen, was jedoch ohne Blutvergießen geschah. Endlich kam, wie sich der Oberst ausdrückt, der „ersehnte Augenblick, wo sie ihr Blut für den Fürsten vergießen konnten!“ Um 12 Uhr wurde das Allarmsignal gegeben (wahrscheinlich war dieses der „zufällig losgegangene“ Schuß) und die Truppen rückten auf Umwegen im Sturmschritt nach dem Palast. Das 4. (Berner-) Regiment war das erste auf dem Platze und erhielt sofort den Befehl zum Angriffe. Dieser erfolgte, die Truppen stürzten sich in die von dem Volke besetzten Straßen, wurden aber hier von einem so mörderischen Feuer empfangen, daß der Oberst sich genöthigt sah, den Rückzug zu befehlen. Nun rückte auch die Artillerie an, es wurde mit Kartätschen geschossen, vorzüglich auch nach den Fenstern, und das Ende ist bekannt. Der König ist ganz entzückt von dem Eifer und dem Muthe der Schweizer; er hat ihnen gleich einen Monatssold ausbezahlt; Beförderungen, Dekorationen u. dgl. stehen, wie der Oberst berichtet, in Aussicht, worüber dieser natürlich gleichfalls entzückt ist.
(Berner Z.) Französische Republik. *Paris, 1. Juni. Von den verschiedenen Parteien zirkuliren Kandidatenlisten für die 11 neu zu ernennenden Volksrepräsentanten des Seine-Departements. Der Constitutionel und der Siècle stellen folgende Kandidaten auf: Thiers, General Changarnier, der Banquier Goudchaur, Chambolle, Redakteur en Chef des Siècle, Adam, Adjunkt des Maire von Paris, Moreau, ehemaliger Deputirter, Bayard, Arbeiter, Lavaux, Boissel (statt dessen schlägt der Siècle Hrn. Reyneau vor), Victor Hugo. Durch die Septembergesetze, durch die Bastillen, durch das Regentschaftsgesetz, überhaupt als Hauptträger des Louis Philippistischen Systems hat Thiers sicher die höchsten Ansprüche, Mitglied einer Nationalversammlung zu werden, welche dieß System in republikanischer Form weiter zu entwickeln strebt. Auch in Bordeaux hat sich die Majorität einer zahlreichen Wählerversammlung schon zu seinen Gunsten erklärt. Wir werden diesen Nebenbuhler und Kollegen Guizots vielleicht in kurzer Frist an der Spitze der französischen Republik erblicken. Der ganze Unterschied der Julirevolution und der Februarrevolution würde sich darin zusammenfassen, daß erstere den radikalen Journalisten Thiers zum Minister Louis Philipps und letztere den konservativen Exminister Thiers zum Präsidenten der Republik machte.
Kandidatenliste des National: Edmond Adam, Bayard Arbeiter, d'Alton-Shee, Danguy, Arbeiter, Jean Baptiste Delestre, Drolling, Leopold Duras, Redakteur en Chef des National, Gervais, Michel Goudchaux, Victor Schöelcher, Thyerri, Arzt.
Kandidatenliste der Reform: Caussidière, Pierre Leroux, Proudhon, Grandmènil, Ribeyrolles, Redakteur en Chef der Reforme, Thorè, Redakteur en Chef der vraie Republique, Dupoty, Kersausie, Wors, Lesseré, Schoelcher.
Auffallend ist, daß nur auf der Liste des demokratischen Blatts „der Reforme“ ein Arbeiter steht. Aber den Hrn. Thiers des Siècle mußte wenigstens Ein Albert ouvrier, den Banquier Goudchaux des National wenigstens zwei Alberts als Arabeske umschlingen.
‒ Der ehemalige Finanzminister Lacave-Laplagne hat eine Broschüre veröffentlicht, worin er Garnier-Pagès Anklagen gegen die Finanzverwaltung unter Louis Philipp zu wiederlegen sucht.
‒ Emil Thomas wurde bei seiner Ankunft in Bordeaux von der Gendarmerie verhaftet und durch die Straßen eskortirt, einer ersten telegraphischen Depesche von Paris gemäß, dann gemäß einer zweiten wieder in Freiheit gesetzt. Er hat von Bordeaux aus ein Schreiben an seinen natürlichen Vorgesetzten, den Minister der öffentlichen Arbeiten Trèlat gerichtet, worin er in höflichster Weise Abschied von diesem Biedermann nimmt. Hr. Trèlat entführt ihn, giebt ihm dann eine Mission, verspricht ihm auf sein Ehrenwort, daß die Mission keine Mission in irgend ein Winkelgefängniß der Provinz sei, ordnet dann sofort durch telegraphische Depesche, die Thomas, wie er erklärt in Bordeaux selbst gelesen hat, seine Verhaftung an, widerruft sie dann und läßt ihm nach wie vor die Mission Trockenlegungsarbeiten in der Gironde und den Landes zu studiren. Hr. Thomas hat begriffen, daß es sich darum handelt ihn selbst trocken zu legen.
‒ Durch Beschluß vom 26. Mai sind die Brigadegenerale Francois und Manduit, der erste für das rechte, der zweite für das linke Seineufer, zu Stadt-Kommandanten von Paris ernannt.
‒ Caussidière hat ein Circulair den Pariser Journalen zugehen lassen, worin er die in dem Bericht der Exekutiv-Kommission gegen ihn gerichteten Beschuldigungen wegen seines Benehmens am 15. Mai zurückweist.
‒ Wie sehr die reakionären Hoffnungen zunehmen, sieht man namentlich daraus, deß jetzt einige Ex-Pairs u. s. w. nachträglich aus Anhänglichkeit an die konstitutionelle Monarchie sich öffentlich verbitten sie auf eine Kandidatenliste für die Nationalversammlung zu setzen. Auch die Débats sprechen mit Salbung von ihren Gefühlen für die Monarchie und die verbannte Familie.
Paris, 2. Juni. Nach dem Constitutionnel bezweckt die Kommission der exekutiven Gewalt in einigen Tagen der Nationalversammlung ein Dekret über die Errichtung eines Ministeriums der allgemeinen Polizei vorzulegen. Vielleicht später auch ein Gesetz über die Verdächtigen. An einem neuem Merlin de Douai wird es nicht fehlen.
‒ Nach der „Gazette des Tribunaux“ hätte sich der Verfassungsausschuß bereits für das Einkammersystem, für Wahl Eines Präsidenten der Republik auf 4 Jahre durch das ganze Volk (welcher erst nach einer Zwischenzeit von 4 Jahren wieder wählbar sein würde) entschieden; die Einleitung zu dem Verfassungsentwurfe sei bereits angenommen und beginne mit den Worten: „Im Namen Gottes …“; der Verfassungsausschuß werde wohl früher, als man anfangs erwartet habe, seine Arbeit vollendet haben.
‒ Das Journal des travailleurs mustert die Liste der weißen Republikaner, die das Mandat zur Repräsentation des sonverainen Volkes beanspruchen, wie folgt:
E. Girardin, einzig fähiger Republikaner von Frankreich und Algier, verlangt nur die Regentschaft der Herzogin von Orleans und des Prinzen Joinville.
Thiers. Sein Programm: englische Konstitution; Oligarchie und Pauperismus; Frankreich irlandisirt; Restauration der Septembergesetze; möglichst schleunige Rückkehr der Füsillade der Straße Transnonain.
Hippolyt Passy, Republikaner vom reinsten Wasser, wie jeder weiß; Republikaner in der Manier von Molé, Pasquier, Decazes et Comp.
Achille Fould, Arbeiter in Bank- und Börsenspielen, erlauchtes Kind Israels vom Tribus Rothschild.
Viktor Hugo, Sänger gefallener Majestäten.
Die Arbeiter beklagen sich über die rücksichtslose Härte der Kommissaire des Pfandhauses. Eine große Zahl Familien hat in der jetzigen Noth zum Pfandhaus Zuflucht genommen. Auf Gegenstände von 100 Fr. bot das Pfandhaus nur 5 Fr.
Schweiz. Bern, 30. Mai. In der Versammlung der Tagsatzung über den Antrag Fazy's wegen der Schweizersöldlinge in Italien ging nach längeren Diskussionen der Antrag des Thurgauschen Gesandten durch, eine Untersuchung zu verordnen und nach deren Beendigung wegen Auflösung der Regimenter zu unterhandeln. ‒
Uri, 30. Mai. Altstatthalter Schmid, der Bruder unsers Landammann Schmid, hat sich aus dem Staube gemacht und läßt ein Defizit von vielleicht zweimalhunderttausend Franken zurück, meistens aufgenommene Gelder, die der Betrüger durch selbstfabrizirte falsche Hypotheken versicherte. Es wird dieser Fall
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Weitere Informationen:Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.
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