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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 48. Stuttgart/Tübingen, 30. November 1856.

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[Beginn Spaltensatz] das Kopfkissen und beurlaubte den Warnungsboten:
"Schlafen wir und geht auch Jhr zu Bett." -- Er
spielte so den Muthigen, um seine Geliebte zu beruhi-
gen und seine Abschiedsnacht nicht zu verderben. Beim
Nachtessen war er übertrieben kühn gewesen und hatte
die geheimnißvollen Billets, auf die er geschrieben:
"Sie wagen es nicht!" unter den Tisch geworfen. Das
hieß nicht nur die Gefahr verachten, sondern sie her-
ausfordern.

Woher kamen diese Billets? Man weiß es nicht.
Aber der Mann der Königin Mutter, Cheveny, sagte
daheim zu De Thou: "Der König wird ihn tödten." Die
Königin Mutter selbst, die ihren Heinrich sehr wohl
kannte und wußte, daß er Carls IX. ächter Bruder
war, sie, die von ihrem Bette aus die Dinge mit Hülfe
der Dienerschaft genau beobachtete und durch die Wände
sah, sie mußte die verschiedene Färbung jedes Tages,
die auf einander folgenden Grade von Verzweiflung und
Wuth beurtheilen und den Moment, da der Strick
reißt, errathen.

Es schlägt vier Uhr. Du Halde erwacht, steht
auf und pocht an das Zimmer der Königin. Fräulein
Louise Dubois de Porlant, ihre erste Kammerjungfer,
kommt auf den Lärm, fragt, was es gebe. "Jch bin's,
Du Halde; sagen Sie dem König, daß es vier Uhr
geschlagen." -- "Er schläft und die Königin auch." --
"Wecken Sie ihn," antwortet Du Halde, "er hat es
mir befohlen; sonst wecke ich sie beide." Der König,
welcher nicht schlief und die Nacht in schöner Unruhe
zugebracht hatte, hört sprechen, fragt das Fräulein,
was es gebe. "Sire," sagt sie, "es ist Du Halde, der
sagt, daß es vier Uhr geschlagen." -- "Porlant," sagt
der König, "meine Stiefelchen, mein Kleid und meinen
Leuchter!" -- Er erhebt sich, und die Königin in großer
Verwirrung zurücklassend, geht er in sein Kabinet, wo
schon de Termes und Du Halde waren. Von diesem
verlangt der König die Schlüssel der kleinen Zellen, die
er für die Kapuziner hatte einrichten lassen ( unter dem
Dache des Schlosses ) . Er steigt hinauf, Herr von
Termes trägt den Leuchter. Der König öffnet eine und
sperrt den Du Halde in dieselbe, und so nach einander
die fünfundvierzig ( von der Garde ) , die herbeikamen.
Später ließ er sie in seine Stube hinabkommen.

"Vor allem keinen Lärm," sagte der König, "daß
wir meine Mutter nicht wecken!" -- Er war aufgeregt,
wie man denken kann, und sehr gemacht, andere aufzu-
regen, eine blasse, jammervolle Figur, die bat und bet-
telte. Er sagte ihnen, er sey verloren, wenn der Herzog
nicht sterbe; es sey zum Aeußersten gekommen, er sey
ein Gefangener im eigenen Hause, und könne nichts
mehr mit Sicherheit sein nennen, nicht einmal sein
[Spaltenumbruch] Bett; er habe immer auf ihre Degen gezählt und habe
für sie gethan, was in seinen Kräften gestanden, aber
er vermöge nichts mehr, und man habe sie abschaffen
wollen; er sey aber doch König, habe Recht über Leben
und Tod und gebe ihnen das Recht, zu tödten.

All diese Gaskogner Köpfe geriethen in Feuer.
Sie beklagten sich nur, daß sie warten mußten. Ein
gewisser Periac klopfte den König mit der Hand auf
die Brust: " Caso de Jou! Sire, ich werde dir ihn
todt liefern!" -- Sie sprachen so laut und so stark, daß
der König Angst bekam. Er zittere, sagte er immer,
die Königin Mutter möchte erwachen. -- "Laßt einmal
sehen," sagte er ganz leise, "laßt sehen, wer von euch
Dolche hat." Es fanden sich acht. Capitain Longnac
nahm nur die vollständig mit Dolch und Schwert be-
waffnet waren. Er stellte sie im Vorzimmer auf. Die
andern wurden anderswo aufgestellt.

Jn seinem Kabinete selbst behielt der König seinen
Corsen und eine Klinge ersten Rangs, den Gaskogner
la Bastide, sammt dem Sekretär Revol. Der Graf
de Termes blieb im Zimmer, um den König bei seinem
Entschluß fest zu halten. Der König dachte gar nicht
daran, seinen Entschluß zu ändern. Er war zu allem
bereit, entschlossen und hatte gebeichtet; er hatte es
nicht vergessen, seinen Beichtvater in ein Kabinet zu
berufen, um mit seinem Gewissen in Ordnung zu seyn.
Alles das nahm nicht viel Zeit, so daß eine lange Frist
mit Worten und Nichtsthun verstrich. Der König ging
und kam und konnte nicht an einer Stelle bleiben.
Von Zeit zu Zeit öffnete er die Thüre, steckte den Kopf
in's Vorzimmer und sagte zu den Acht: "Laßt euch ja
nicht verwunden; ein Mann von dieser Größe kann sich
vertheidigen. Es wäre mir sehr unangenehm."

Erst gegen acht Uhr wagte man es, Guise zu
wecken. Er warf in Eile ein galantes neues Kleid von
grauem Satin um und ging, mit dem Mantel auf dem
Arm, in's Conseil. Jm Hofe, auf der Treppe, auf
dem Flur, überall traf er viele Garden. Er verwun-
derte sich nicht, da ihm Larchaut, ihr Capitain, vor-
ausgesagt hatte, diese armen Teufel werden ihn um
sein Fürwort bei dem Conseil bitten, daß sie bezahlt
werden. Larchaut, der krank und zum Erschrecken ma-
ger war, spielte um so besser die Rolle des Bettlers
und sagte mit jämmerlicher Stimme: "Monseigneur,
diese armen Soldaten werden gezwungen seyn, auf und
davon zu gehen und ihre Pferde zu verkaufen; sie sind
verloren, zu Grunde gerichtet." Alle folgten ihm mit
dem Hut in der Hand. Er versprach höflich und ging
weiter. Aber kaum war er eingetreten und die Thüre
zu, als die Scene hinter ihm sich änderte. Die Garden
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] das Kopfkissen und beurlaubte den Warnungsboten:
„Schlafen wir und geht auch Jhr zu Bett.“ — Er
spielte so den Muthigen, um seine Geliebte zu beruhi-
gen und seine Abschiedsnacht nicht zu verderben. Beim
Nachtessen war er übertrieben kühn gewesen und hatte
die geheimnißvollen Billets, auf die er geschrieben:
„Sie wagen es nicht!“ unter den Tisch geworfen. Das
hieß nicht nur die Gefahr verachten, sondern sie her-
ausfordern.

Woher kamen diese Billets? Man weiß es nicht.
Aber der Mann der Königin Mutter, Cheveny, sagte
daheim zu De Thou: „Der König wird ihn tödten.“ Die
Königin Mutter selbst, die ihren Heinrich sehr wohl
kannte und wußte, daß er Carls IX. ächter Bruder
war, sie, die von ihrem Bette aus die Dinge mit Hülfe
der Dienerschaft genau beobachtete und durch die Wände
sah, sie mußte die verschiedene Färbung jedes Tages,
die auf einander folgenden Grade von Verzweiflung und
Wuth beurtheilen und den Moment, da der Strick
reißt, errathen.

Es schlägt vier Uhr. Du Halde erwacht, steht
auf und pocht an das Zimmer der Königin. Fräulein
Louise Dubois de Porlant, ihre erste Kammerjungfer,
kommt auf den Lärm, fragt, was es gebe. „Jch bin's,
Du Halde; sagen Sie dem König, daß es vier Uhr
geschlagen.“ — „Er schläft und die Königin auch.“ —
„Wecken Sie ihn,“ antwortet Du Halde, „er hat es
mir befohlen; sonst wecke ich sie beide.“ Der König,
welcher nicht schlief und die Nacht in schöner Unruhe
zugebracht hatte, hört sprechen, fragt das Fräulein,
was es gebe. „Sire,“ sagt sie, „es ist Du Halde, der
sagt, daß es vier Uhr geschlagen.“ — „Porlant,“ sagt
der König, „meine Stiefelchen, mein Kleid und meinen
Leuchter!“ — Er erhebt sich, und die Königin in großer
Verwirrung zurücklassend, geht er in sein Kabinet, wo
schon de Termes und Du Halde waren. Von diesem
verlangt der König die Schlüssel der kleinen Zellen, die
er für die Kapuziner hatte einrichten lassen ( unter dem
Dache des Schlosses ) . Er steigt hinauf, Herr von
Termes trägt den Leuchter. Der König öffnet eine und
sperrt den Du Halde in dieselbe, und so nach einander
die fünfundvierzig ( von der Garde ) , die herbeikamen.
Später ließ er sie in seine Stube hinabkommen.

„Vor allem keinen Lärm,“ sagte der König, „daß
wir meine Mutter nicht wecken!“ — Er war aufgeregt,
wie man denken kann, und sehr gemacht, andere aufzu-
regen, eine blasse, jammervolle Figur, die bat und bet-
telte. Er sagte ihnen, er sey verloren, wenn der Herzog
nicht sterbe; es sey zum Aeußersten gekommen, er sey
ein Gefangener im eigenen Hause, und könne nichts
mehr mit Sicherheit sein nennen, nicht einmal sein
[Spaltenumbruch] Bett; er habe immer auf ihre Degen gezählt und habe
für sie gethan, was in seinen Kräften gestanden, aber
er vermöge nichts mehr, und man habe sie abschaffen
wollen; er sey aber doch König, habe Recht über Leben
und Tod und gebe ihnen das Recht, zu tödten.

All diese Gaskogner Köpfe geriethen in Feuer.
Sie beklagten sich nur, daß sie warten mußten. Ein
gewisser Periac klopfte den König mit der Hand auf
die Brust: » Caso de Jou! Sire, ich werde dir ihn
todt liefern!“ — Sie sprachen so laut und so stark, daß
der König Angst bekam. Er zittere, sagte er immer,
die Königin Mutter möchte erwachen. — „Laßt einmal
sehen,“ sagte er ganz leise, „laßt sehen, wer von euch
Dolche hat.“ Es fanden sich acht. Capitain Longnac
nahm nur die vollständig mit Dolch und Schwert be-
waffnet waren. Er stellte sie im Vorzimmer auf. Die
andern wurden anderswo aufgestellt.

Jn seinem Kabinete selbst behielt der König seinen
Corsen und eine Klinge ersten Rangs, den Gaskogner
la Bastide, sammt dem Sekretär Révol. Der Graf
de Termes blieb im Zimmer, um den König bei seinem
Entschluß fest zu halten. Der König dachte gar nicht
daran, seinen Entschluß zu ändern. Er war zu allem
bereit, entschlossen und hatte gebeichtet; er hatte es
nicht vergessen, seinen Beichtvater in ein Kabinet zu
berufen, um mit seinem Gewissen in Ordnung zu seyn.
Alles das nahm nicht viel Zeit, so daß eine lange Frist
mit Worten und Nichtsthun verstrich. Der König ging
und kam und konnte nicht an einer Stelle bleiben.
Von Zeit zu Zeit öffnete er die Thüre, steckte den Kopf
in's Vorzimmer und sagte zu den Acht: „Laßt euch ja
nicht verwunden; ein Mann von dieser Größe kann sich
vertheidigen. Es wäre mir sehr unangenehm.“

Erst gegen acht Uhr wagte man es, Guise zu
wecken. Er warf in Eile ein galantes neues Kleid von
grauem Satin um und ging, mit dem Mantel auf dem
Arm, in's Conseil. Jm Hofe, auf der Treppe, auf
dem Flur, überall traf er viele Garden. Er verwun-
derte sich nicht, da ihm Larchaut, ihr Capitain, vor-
ausgesagt hatte, diese armen Teufel werden ihn um
sein Fürwort bei dem Conseil bitten, daß sie bezahlt
werden. Larchaut, der krank und zum Erschrecken ma-
ger war, spielte um so besser die Rolle des Bettlers
und sagte mit jämmerlicher Stimme: „Monseigneur,
diese armen Soldaten werden gezwungen seyn, auf und
davon zu gehen und ihre Pferde zu verkaufen; sie sind
verloren, zu Grunde gerichtet.“ Alle folgten ihm mit
dem Hut in der Hand. Er versprach höflich und ging
weiter. Aber kaum war er eingetreten und die Thüre
zu, als die Scene hinter ihm sich änderte. Die Garden
[Ende Spaltensatz]

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Du Halde erwacht, steht auf und pocht an das Zimmer der Königin. Fräulein Louise Dubois de Porlant, ihre erste Kammerjungfer, kommt auf den Lärm, fragt, was es gebe. „Jch bin's, Du Halde; sagen Sie dem König, daß es vier Uhr geschlagen.“ — „Er schläft und die Königin auch.“ — „Wecken Sie ihn,“ antwortet Du Halde, „er hat es mir befohlen; sonst wecke ich sie beide.“ Der König, welcher nicht schlief und die Nacht in schöner Unruhe zugebracht hatte, hört sprechen, fragt das Fräulein, was es gebe. „Sire,“ sagt sie, „es ist Du Halde, der sagt, daß es vier Uhr geschlagen.“ — „Porlant,“ sagt der König, „meine Stiefelchen, mein Kleid und meinen Leuchter!“ — Er erhebt sich, und die Königin in großer Verwirrung zurücklassend, geht er in sein Kabinet, wo schon de Termes und Du Halde waren. Von diesem verlangt der König die Schlüssel der kleinen Zellen, die er für die Kapuziner hatte einrichten lassen ( unter dem Dache des Schlosses ) . Er steigt hinauf, Herr von Termes trägt den Leuchter. 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Larchaut, der krank und zum Erschrecken ma- ger war, spielte um so besser die Rolle des Bettlers und sagte mit jämmerlicher Stimme: „Monseigneur, diese armen Soldaten werden gezwungen seyn, auf und davon zu gehen und ihre Pferde zu verkaufen; sie sind verloren, zu Grunde gerichtet.“ Alle folgten ihm mit dem Hut in der Hand. Er versprach höflich und ging weiter. Aber kaum war er eingetreten und die Thüre zu, als die Scene hinter ihm sich änderte. Die Garden

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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 48. Stuttgart/Tübingen, 30. November 1856, S. 1144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt48_1856/16>, abgerufen am 24.11.2024.