Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 47. Stuttgart/Tübingen, 23. November 1856.

Bild:
<< vorherige Seite
[Beginn Spaltensatz]
" Am Grabe meines stillen Lieb
Soll sproßend keine Blume blühen;
Umsonst der Heil'gen Trost verblieb,
Nie wird mein kaltes Herz erglühen.
Mein Lieb
"Rund um des Todten heil'gen Leib
Soll meine Hand Dornrosen pflanzen.
Hier weil' ich unglücksel'ges Weib,
Kommt, Elfen, nächtlich hier zu tanzen!
Mein Lieb
"Jhr schilfbekränzten Wasserfei'n,
Nehmt mich in euer Fluthengrab!
Jch komme, Liebster, ich bin dein! --
So sprach die Maid und sank hinab."

"Jm besten Styl der italienischen Schule sind diese
Strophen componirt," sprach Walpole mit sichtlicher
Befriedigung, als die Schauspielerin geendet hatte, "wie
es kaum in die Zeit des alten Herrn paßt, etwas
weich, allein von wunderbarem Schmelz und Zauber."

"Darf ich hier eine Bemerkung wagen?" fragte
Smith. -- "Reden Sie, reden Sie, junger Herr!"
antwortete Walpole höflich und zuvorkommend. "Von
dem unbefangenen Urtheil der Jugend kommt meist das
Beste." -- "Dann," erwiederte der Maler, "möchte ich
auf die Anrede Ella's an seine Krieger hinweisen, welche
mir als die schönste und kräftigste Stelle der Tragödie
erscheint."

"Hier ist die Rede," sagte Kitty, das Manuscript
durchblätternd; "auch mich hat sie frappirt, und ich for-
dere Sie, Herr Smith, auf, uns dieselbe mit rich-
tigem Ausdruck vorzutragen."

Der Maler schien einen Augenblick verlegen, dann
aber mußte das Jnteresse seines Freundes seine Befan-
genheit überwunden haben, denn er ergriff das Papier
und las die Stelle mit kräftiger und schöner Betonung
herunter:

" Da wir die Morgenandacht nun vollbracht,
Laßt uns bereit seyn für den nahen Kampf,
Und jedes Kriegers Stirne schmücke froh
Sich mit der Krone eines sichern Siegs!
Mein Sinn, gesteh' ich's frei, ist heut so fremd
Dem Bettlerkleid der Furcht, als je er war
Jm Sommerglanz des Glücks; mein schwellend Blut
Stolz aufgeregt kocht in den Adern, rollt
Jn raschem Kreise, voll von Ungeduld,
Dem Stahle zu begegnen und der Welt
[Spaltenumbruch] Zu zeigen, daß so tapfer Ella starb,
Als je ein Ritter, der für England socht.
Freunde, Genossen, Krieger, stolz in Waffen,
Ahmt meine Thaten nach, folgt meinen Worten!"
"Auf dieser glückverlaßnen Jnsel steht
Kein Haus, das einen Tapfern nicht verlor
Jn diesen Kämpfen. Blut beschwemmt den Boden,
Jn Flammenmänteln glänzen uns're Tempel,
Und unsre Söhne ruh'n in ihrem Blut.
Der freche Feind reißt unsres Lebens Baum
Aus mit den Wurzeln, wühlt in unsern Küsten,
Gleich Fluthen, die stets an's Gestade schlagen.
Jhr Männer, seyd ihr Männer, zeigt es heut!
Verzehrt die Brut in wilden Sturmesflammen!"
"Jhr Christen, macht des Glaubens heut euch werth!
Treibt diese Räuber weg vom Heiligthum,
Der Wolke gleich, die schmetternd niederplatzt,
Dem Strom gleich, der sich vom Gebirge stürzt!
Wenn ihr dann auf den Fluren flüchten seht
Des Vaterlands Verderber, so verfolgt
Sie rüstig, wie des Blitzes rother Strahl,
Vor dem der Mörder auf der Straße zuckt!"
"Ein rothes Jrrlicht soll mein Schwert erglänzen,
Ein starker Löwe jag' ich im Gefecht,
Ein stolzer Strom erbrauset meine Kraft,
Wie fallend Laub, so sollen Dänen fallen!
Jhr Männer, die des Kriegers Name schmückt,
Laßt blut'ge Thränen eure Dolche weinen,
Damit der Zukunft keine Feder künde:
Jn England war der Feind, doch Bristol schlief!
Horcht! eure Kinder, eure Brüder rufen:
Geht! kämpft! seyd tapfer! sieget oder sterbt!
Jch schweige nun, sag' euer Herz den Rest!
Jetzt ist es Zeit, als Männer euch zu zeigen;
Schwingt hoch das blanke Beil gewandten Arms,
Und stürzt euch gleich der Wölfin aus der Höhle!
Komm her, mein Schwert! Die Scheide werf' ich fort!
Bist du vom Morden müd, such' ich sie wieder!"

"Was ist Jhr Stand, junger Herr?" fragte Kitty,
sobald Smith geendet hatte. -- "Jch bin ein Maler."
-- "Also doch Künstler! Wären Sie Schauspieler, so
würde ich Jhnen nach dieser Deklamation eine große
Zukunft prophezeien, und auch so thue ich es, wenn
Sie es noch werden wollen."

"Das vortrefflichste Muster haben Sie hier vor
sich, Herr Smith," fiel der Ritter ein. "Aber um auf
unser Thema zurückzukommen, so begreifen Sie unser
Jnteresse an dem Manne, der diese und ähnliche Lite-
raturschätze zugänglich gemacht hat. Wer ist er?"

[Ende Spaltensatz]
[Beginn Spaltensatz]
„ Am Grabe meines stillen Lieb
Soll sproßend keine Blume blühen;
Umsonst der Heil'gen Trost verblieb,
Nie wird mein kaltes Herz erglühen.
Mein Lieb
„Rund um des Todten heil'gen Leib
Soll meine Hand Dornrosen pflanzen.
Hier weil' ich unglücksel'ges Weib,
Kommt, Elfen, nächtlich hier zu tanzen!
Mein Lieb
„Jhr schilfbekränzten Wasserfei'n,
Nehmt mich in euer Fluthengrab!
Jch komme, Liebster, ich bin dein! —
So sprach die Maid und sank hinab.“

„Jm besten Styl der italienischen Schule sind diese
Strophen componirt,“ sprach Walpole mit sichtlicher
Befriedigung, als die Schauspielerin geendet hatte, „wie
es kaum in die Zeit des alten Herrn paßt, etwas
weich, allein von wunderbarem Schmelz und Zauber.“

„Darf ich hier eine Bemerkung wagen?“ fragte
Smith. — „Reden Sie, reden Sie, junger Herr!“
antwortete Walpole höflich und zuvorkommend. „Von
dem unbefangenen Urtheil der Jugend kommt meist das
Beste.“ — „Dann,“ erwiederte der Maler, „möchte ich
auf die Anrede Ella's an seine Krieger hinweisen, welche
mir als die schönste und kräftigste Stelle der Tragödie
erscheint.“

„Hier ist die Rede,“ sagte Kitty, das Manuscript
durchblätternd; „auch mich hat sie frappirt, und ich for-
dere Sie, Herr Smith, auf, uns dieselbe mit rich-
tigem Ausdruck vorzutragen.“

Der Maler schien einen Augenblick verlegen, dann
aber mußte das Jnteresse seines Freundes seine Befan-
genheit überwunden haben, denn er ergriff das Papier
und las die Stelle mit kräftiger und schöner Betonung
herunter:

„ Da wir die Morgenandacht nun vollbracht,
Laßt uns bereit seyn für den nahen Kampf,
Und jedes Kriegers Stirne schmücke froh
Sich mit der Krone eines sichern Siegs!
Mein Sinn, gesteh' ich's frei, ist heut so fremd
Dem Bettlerkleid der Furcht, als je er war
Jm Sommerglanz des Glücks; mein schwellend Blut
Stolz aufgeregt kocht in den Adern, rollt
Jn raschem Kreise, voll von Ungeduld,
Dem Stahle zu begegnen und der Welt
[Spaltenumbruch] Zu zeigen, daß so tapfer Ella starb,
Als je ein Ritter, der für England socht.
Freunde, Genossen, Krieger, stolz in Waffen,
Ahmt meine Thaten nach, folgt meinen Worten!“
„Auf dieser glückverlaßnen Jnsel steht
Kein Haus, das einen Tapfern nicht verlor
Jn diesen Kämpfen. Blut beschwemmt den Boden,
Jn Flammenmänteln glänzen uns're Tempel,
Und unsre Söhne ruh'n in ihrem Blut.
Der freche Feind reißt unsres Lebens Baum
Aus mit den Wurzeln, wühlt in unsern Küsten,
Gleich Fluthen, die stets an's Gestade schlagen.
Jhr Männer, seyd ihr Männer, zeigt es heut!
Verzehrt die Brut in wilden Sturmesflammen!“
„Jhr Christen, macht des Glaubens heut euch werth!
Treibt diese Räuber weg vom Heiligthum,
Der Wolke gleich, die schmetternd niederplatzt,
Dem Strom gleich, der sich vom Gebirge stürzt!
Wenn ihr dann auf den Fluren flüchten seht
Des Vaterlands Verderber, so verfolgt
Sie rüstig, wie des Blitzes rother Strahl,
Vor dem der Mörder auf der Straße zuckt!“
„Ein rothes Jrrlicht soll mein Schwert erglänzen,
Ein starker Löwe jag' ich im Gefecht,
Ein stolzer Strom erbrauset meine Kraft,
Wie fallend Laub, so sollen Dänen fallen!
Jhr Männer, die des Kriegers Name schmückt,
Laßt blut'ge Thränen eure Dolche weinen,
Damit der Zukunft keine Feder künde:
Jn England war der Feind, doch Bristol schlief!
Horcht! eure Kinder, eure Brüder rufen:
Geht! kämpft! seyd tapfer! sieget oder sterbt!
Jch schweige nun, sag' euer Herz den Rest!
Jetzt ist es Zeit, als Männer euch zu zeigen;
Schwingt hoch das blanke Beil gewandten Arms,
Und stürzt euch gleich der Wölfin aus der Höhle!
Komm her, mein Schwert! Die Scheide werf' ich fort!
Bist du vom Morden müd, such' ich sie wieder!“

„Was ist Jhr Stand, junger Herr?“ fragte Kitty,
sobald Smith geendet hatte. — „Jch bin ein Maler.“
— „Also doch Künstler! Wären Sie Schauspieler, so
würde ich Jhnen nach dieser Deklamation eine große
Zukunft prophezeien, und auch so thue ich es, wenn
Sie es noch werden wollen.“

„Das vortrefflichste Muster haben Sie hier vor
sich, Herr Smith,“ fiel der Ritter ein. „Aber um auf
unser Thema zurückzukommen, so begreifen Sie unser
Jnteresse an dem Manne, der diese und ähnliche Lite-
raturschätze zugänglich gemacht hat. Wer ist er?“

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div xml:id="Nov3" type="jArticle" n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0011" n="1115"/>
          <fw type="pageNum" place="top">1115</fw>
          <cb type="start"/>
          <lg n="6">
            <l>&#x201E; Am Grabe meines stillen Lieb</l><lb/>
            <l>Soll sproßend keine Blume blühen;</l><lb/>
            <l>Umsonst der Heil'gen Trost verblieb,</l><lb/>
            <l>Nie wird mein kaltes Herz erglühen.</l><lb/>
            <l>Mein Lieb <choice><abbr>ec.</abbr></choice></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="7">
            <l>&#x201E;Rund um des Todten heil'gen Leib</l><lb/>
            <l>Soll meine Hand Dornrosen pflanzen.</l><lb/>
            <l>Hier weil' ich unglücksel'ges Weib,</l><lb/>
            <l>Kommt, Elfen, nächtlich hier zu tanzen!</l><lb/>
            <l>Mein Lieb <choice><abbr>ec.</abbr></choice></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="8">
            <l>&#x201E;Jhr schilfbekränzten Wasserfei'n,</l><lb/>
            <l>Nehmt mich in euer Fluthengrab!</l><lb/>
            <l>Jch komme, Liebster, ich bin dein! &#x2014;</l><lb/>
            <l>So sprach die Maid und sank hinab.&#x201C;</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <p>&#x201E;Jm besten Styl der italienischen Schule sind diese<lb/>
Strophen componirt,&#x201C; sprach Walpole mit sichtlicher<lb/>
Befriedigung, als die Schauspielerin geendet hatte, &#x201E;wie<lb/>
es kaum in die Zeit des alten Herrn paßt, etwas<lb/>
weich, allein von wunderbarem Schmelz und Zauber.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Darf ich hier eine Bemerkung wagen?&#x201C; fragte<lb/>
Smith. &#x2014; &#x201E;Reden Sie, reden Sie, junger Herr!&#x201C;<lb/>
antwortete Walpole höflich und zuvorkommend. &#x201E;Von<lb/>
dem unbefangenen Urtheil der Jugend kommt meist das<lb/>
Beste.&#x201C; &#x2014; &#x201E;Dann,&#x201C; erwiederte der Maler, &#x201E;möchte ich<lb/>
auf die Anrede Ella's an seine Krieger hinweisen, welche<lb/>
mir als die schönste und kräftigste Stelle der Tragödie<lb/>
erscheint.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Hier ist die Rede,&#x201C; sagte Kitty, das Manuscript<lb/>
durchblätternd; &#x201E;auch mich hat sie frappirt, und ich for-<lb/>
dere Sie, Herr Smith, auf, uns dieselbe mit rich-<lb/>
tigem Ausdruck vorzutragen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Der Maler schien einen Augenblick verlegen, dann<lb/>
aber mußte das Jnteresse seines Freundes seine Befan-<lb/>
genheit überwunden haben, denn er ergriff das Papier<lb/>
und las die Stelle mit kräftiger und schöner Betonung<lb/>
herunter:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>&#x201E; Da wir die Morgenandacht nun vollbracht,</l><lb/>
            <l>Laßt uns bereit seyn für den nahen Kampf,</l><lb/>
            <l>Und jedes Kriegers Stirne schmücke froh</l><lb/>
            <l>Sich mit der Krone eines sichern Siegs!</l><lb/>
            <l>Mein Sinn, gesteh' ich's frei, ist heut so fremd</l><lb/>
            <l>Dem Bettlerkleid der Furcht, als je er war</l><lb/>
            <l>Jm Sommerglanz des Glücks; mein schwellend Blut</l><lb/>
            <l>Stolz aufgeregt kocht in den Adern, rollt</l><lb/>
            <l>Jn raschem Kreise, voll von Ungeduld,</l><lb/>
            <l>Dem Stahle zu begegnen und der Welt</l><lb/>
            <cb n="2"/>
            <l>Zu zeigen, daß so tapfer Ella starb,</l><lb/>
            <l>Als je ein Ritter, der für England socht.</l><lb/>
            <l>Freunde, Genossen, Krieger, stolz in Waffen,</l><lb/>
            <l>Ahmt meine Thaten nach, folgt meinen Worten!&#x201C;</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>&#x201E;Auf dieser glückverlaßnen Jnsel steht</l><lb/>
            <l>Kein Haus, das einen Tapfern nicht verlor</l><lb/>
            <l>Jn diesen Kämpfen. Blut beschwemmt den Boden,</l><lb/>
            <l>Jn Flammenmänteln glänzen uns're Tempel,</l><lb/>
            <l>Und unsre Söhne ruh'n in ihrem Blut.</l><lb/>
            <l>Der freche Feind reißt unsres Lebens Baum</l><lb/>
            <l>Aus mit den Wurzeln, wühlt in unsern Küsten,</l><lb/>
            <l>Gleich Fluthen, die stets an's Gestade schlagen.</l><lb/>
            <l>Jhr Männer, seyd ihr Männer, zeigt es heut!</l><lb/>
            <l>Verzehrt die Brut in wilden Sturmesflammen!&#x201C;</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>&#x201E;Jhr Christen, macht des Glaubens heut euch werth!</l><lb/>
            <l>Treibt diese Räuber weg vom Heiligthum,</l><lb/>
            <l>Der Wolke gleich, die schmetternd niederplatzt,</l><lb/>
            <l>Dem Strom gleich, der sich vom Gebirge stürzt!</l><lb/>
            <l>Wenn ihr dann auf den Fluren flüchten seht</l><lb/>
            <l>Des Vaterlands Verderber, so verfolgt</l><lb/>
            <l>Sie rüstig, wie des Blitzes rother Strahl,</l><lb/>
            <l>Vor dem der Mörder auf der Straße zuckt!&#x201C;</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="4">
            <l>&#x201E;Ein rothes Jrrlicht soll mein Schwert erglänzen,</l><lb/>
            <l>Ein starker Löwe jag' ich im Gefecht,</l><lb/>
            <l>Ein stolzer Strom erbrauset meine Kraft,</l><lb/>
            <l>Wie fallend Laub, so sollen Dänen fallen!</l><lb/>
            <l>Jhr Männer, die des Kriegers Name schmückt,</l><lb/>
            <l>Laßt blut'ge Thränen eure Dolche weinen,</l><lb/>
            <l>Damit der Zukunft keine Feder künde:</l><lb/>
            <l>Jn England war der Feind, doch Bristol schlief!</l><lb/>
            <l>Horcht! eure Kinder, eure Brüder rufen:</l><lb/>
            <l>Geht! kämpft! seyd tapfer! sieget oder sterbt!</l><lb/>
            <l>Jch schweige nun, sag' euer Herz den Rest!</l><lb/>
            <l>Jetzt ist es Zeit, als Männer euch zu zeigen;</l><lb/>
            <l>Schwingt hoch das blanke Beil gewandten Arms,</l><lb/>
            <l>Und stürzt euch gleich der Wölfin aus der Höhle!</l><lb/>
            <l>Komm her, mein Schwert! Die Scheide werf' ich fort!</l><lb/>
            <l>Bist du vom Morden müd, such' ich sie wieder!&#x201C;</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <p>&#x201E;Was ist Jhr Stand, junger Herr?&#x201C; fragte Kitty,<lb/>
sobald Smith geendet hatte. &#x2014; &#x201E;Jch bin ein Maler.&#x201C;<lb/>
&#x2014; &#x201E;Also doch Künstler! Wären Sie Schauspieler, so<lb/>
würde ich Jhnen nach dieser Deklamation eine große<lb/>
Zukunft prophezeien, und auch so thue ich es, wenn<lb/>
Sie es noch werden wollen.&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das vortrefflichste Muster haben Sie hier vor<lb/>
sich, Herr Smith,&#x201C; fiel der Ritter ein. &#x201E;Aber um auf<lb/>
unser Thema zurückzukommen, so begreifen Sie unser<lb/>
Jnteresse an dem Manne, der diese und ähnliche Lite-<lb/>
raturschätze zugänglich gemacht hat. Wer ist er?&#x201C;</p><lb/>
        <cb type="end"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1115/0011] 1115 „ Am Grabe meines stillen Lieb Soll sproßend keine Blume blühen; Umsonst der Heil'gen Trost verblieb, Nie wird mein kaltes Herz erglühen. Mein Lieb „Rund um des Todten heil'gen Leib Soll meine Hand Dornrosen pflanzen. Hier weil' ich unglücksel'ges Weib, Kommt, Elfen, nächtlich hier zu tanzen! Mein Lieb „Jhr schilfbekränzten Wasserfei'n, Nehmt mich in euer Fluthengrab! Jch komme, Liebster, ich bin dein! — So sprach die Maid und sank hinab.“ „Jm besten Styl der italienischen Schule sind diese Strophen componirt,“ sprach Walpole mit sichtlicher Befriedigung, als die Schauspielerin geendet hatte, „wie es kaum in die Zeit des alten Herrn paßt, etwas weich, allein von wunderbarem Schmelz und Zauber.“ „Darf ich hier eine Bemerkung wagen?“ fragte Smith. — „Reden Sie, reden Sie, junger Herr!“ antwortete Walpole höflich und zuvorkommend. „Von dem unbefangenen Urtheil der Jugend kommt meist das Beste.“ — „Dann,“ erwiederte der Maler, „möchte ich auf die Anrede Ella's an seine Krieger hinweisen, welche mir als die schönste und kräftigste Stelle der Tragödie erscheint.“ „Hier ist die Rede,“ sagte Kitty, das Manuscript durchblätternd; „auch mich hat sie frappirt, und ich for- dere Sie, Herr Smith, auf, uns dieselbe mit rich- tigem Ausdruck vorzutragen.“ Der Maler schien einen Augenblick verlegen, dann aber mußte das Jnteresse seines Freundes seine Befan- genheit überwunden haben, denn er ergriff das Papier und las die Stelle mit kräftiger und schöner Betonung herunter: „ Da wir die Morgenandacht nun vollbracht, Laßt uns bereit seyn für den nahen Kampf, Und jedes Kriegers Stirne schmücke froh Sich mit der Krone eines sichern Siegs! Mein Sinn, gesteh' ich's frei, ist heut so fremd Dem Bettlerkleid der Furcht, als je er war Jm Sommerglanz des Glücks; mein schwellend Blut Stolz aufgeregt kocht in den Adern, rollt Jn raschem Kreise, voll von Ungeduld, Dem Stahle zu begegnen und der Welt Zu zeigen, daß so tapfer Ella starb, Als je ein Ritter, der für England socht. Freunde, Genossen, Krieger, stolz in Waffen, Ahmt meine Thaten nach, folgt meinen Worten!“ „Auf dieser glückverlaßnen Jnsel steht Kein Haus, das einen Tapfern nicht verlor Jn diesen Kämpfen. Blut beschwemmt den Boden, Jn Flammenmänteln glänzen uns're Tempel, Und unsre Söhne ruh'n in ihrem Blut. Der freche Feind reißt unsres Lebens Baum Aus mit den Wurzeln, wühlt in unsern Küsten, Gleich Fluthen, die stets an's Gestade schlagen. Jhr Männer, seyd ihr Männer, zeigt es heut! Verzehrt die Brut in wilden Sturmesflammen!“ „Jhr Christen, macht des Glaubens heut euch werth! Treibt diese Räuber weg vom Heiligthum, Der Wolke gleich, die schmetternd niederplatzt, Dem Strom gleich, der sich vom Gebirge stürzt! Wenn ihr dann auf den Fluren flüchten seht Des Vaterlands Verderber, so verfolgt Sie rüstig, wie des Blitzes rother Strahl, Vor dem der Mörder auf der Straße zuckt!“ „Ein rothes Jrrlicht soll mein Schwert erglänzen, Ein starker Löwe jag' ich im Gefecht, Ein stolzer Strom erbrauset meine Kraft, Wie fallend Laub, so sollen Dänen fallen! Jhr Männer, die des Kriegers Name schmückt, Laßt blut'ge Thränen eure Dolche weinen, Damit der Zukunft keine Feder künde: Jn England war der Feind, doch Bristol schlief! Horcht! eure Kinder, eure Brüder rufen: Geht! kämpft! seyd tapfer! sieget oder sterbt! Jch schweige nun, sag' euer Herz den Rest! Jetzt ist es Zeit, als Männer euch zu zeigen; Schwingt hoch das blanke Beil gewandten Arms, Und stürzt euch gleich der Wölfin aus der Höhle! Komm her, mein Schwert! Die Scheide werf' ich fort! Bist du vom Morden müd, such' ich sie wieder!“ „Was ist Jhr Stand, junger Herr?“ fragte Kitty, sobald Smith geendet hatte. — „Jch bin ein Maler.“ — „Also doch Künstler! Wären Sie Schauspieler, so würde ich Jhnen nach dieser Deklamation eine große Zukunft prophezeien, und auch so thue ich es, wenn Sie es noch werden wollen.“ „Das vortrefflichste Muster haben Sie hier vor sich, Herr Smith,“ fiel der Ritter ein. „Aber um auf unser Thema zurückzukommen, so begreifen Sie unser Jnteresse an dem Manne, der diese und ähnliche Lite- raturschätze zugänglich gemacht hat. Wer ist er?“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt47_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt47_1856/11
Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 47. Stuttgart/Tübingen, 23. November 1856, S. 1115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt47_1856/11>, abgerufen am 11.12.2024.