Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 34. Stuttgart/Tübingen, 24. August 1856.[Beginn Spaltensatz]
im "Soldatenleben im Frieden," und zwar nicht nur bei Ein zweites Hauptelement neben dem soldatischen Be- Wenn Adel wo entsetzt wird. So ist mir völlig klar, Daß schon vor der Entsetzung Daselbst kein Adel war. Wenn Adel wo besiegt wird, Jm blut'gen Kampf erliegt, So weiß ich, daß man wirklich Dort Adel hat besiegt. Läßt sich der Adel nehmen Gern die Gerichtsbarkeit, So glaub' ich, sie zu nehmen War wirklich höchste Zeit. ( Schluß folgt. ) Korrespondenz-Nachrichten. London, August. Begeisterung und Geld, Ehrenzeichen und Geschäfte. Die Begeisterung, mit welcher die aus der Krimm [Beginn Spaltensatz]
im „Soldatenleben im Frieden,“ und zwar nicht nur bei Ein zweites Hauptelement neben dem soldatischen Be- Wenn Adel wo entsetzt wird. So ist mir völlig klar, Daß schon vor der Entsetzung Daselbst kein Adel war. Wenn Adel wo besiegt wird, Jm blut'gen Kampf erliegt, So weiß ich, daß man wirklich Dort Adel hat besiegt. Läßt sich der Adel nehmen Gern die Gerichtsbarkeit, So glaub' ich, sie zu nehmen War wirklich höchste Zeit. ( Schluß folgt. ) Korrespondenz-Nachrichten. London, August. Begeisterung und Geld, Ehrenzeichen und Geschäfte. Die Begeisterung, mit welcher die aus der Krimm <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0019" n="811"/><fw type="pageNum" place="top">811</fw><cb type="start"/> im „Soldatenleben im Frieden,“ und zwar nicht nur bei<lb/> dem „Tambour auf der Wacht,“ sondern bei Hoch und<lb/> und Nieder im Regiment Anklang finden können; aber<lb/> der allgemeine Geschmack des gebildeten Publikums ist bei<lb/> uns doch weit darüber hinaus, man würde wenigstens<lb/> Bedenken tragen sich damit öffentlich hören zu lassen. </p><lb/> <p>Ein zweites Hauptelement neben dem soldatischen Be-<lb/> wußtseyn, das wir im Bisherigen näher entwickelt haben,<lb/> bildet im österreichischen Leben, und namentlich in der<lb/> Armee, der Cavaliersgeist. Auch dieser ist in den Ge-<lb/> dichten des Verfassers, der sich mit Stolz selbst als Ca-<lb/> valier zu erkennen gibt, stark vertreten. 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Es waren<lb/> gerade die höheren Klassen der englischen Gesellschaft, die<lb/> diese Begeisterung am lebhaftesten, am lautesten bekunde-<lb/> ten; die Fenster der aristokratischen Häuser waren von den<lb/> schönsten Damen in Besitz genommen, die mit ihren<lb/> Schnupftüchern den Soldaten entgegen wehten und aus<lb/> ihren schönen Händen der Lorbeere nicht genug fallen lassen<lb/> und von ihren schönen Lippen des Lächelns nicht genug<lb/> verschwenden konnten für die braunen, bärtigen Gesichter,<lb/> die an den Häusern vorüber zogen. Und die Männer<lb/><cb n="2"/> theilten unwillkürlich diesen Enthusiasmus, und die vor-<lb/> nehmsten konnten sich nicht satt sehen an den gemeinsten<lb/> Soldaten, und nicht laut genug ihre innige Theilnahme<lb/> an ihrem Geschick äußern. Wahrlich, wer hätte da nicht<lb/> unwillkürlich das Loos aller beneidet, denen ein solches<lb/> herzliches Willkomm zu Theil wurde! So groß auch ihre<lb/> Leiden gewesen seyn mögen, alle, welche die Krimm auf<lb/> ihrem Gesichte geschrieben und Alma und Jnkermann in<lb/> Ehrenzeichen auf ihrer Brust hängen haben, können sich<lb/> versichert halten, daß sie für die Noth und das Elend,<lb/> das sie erduldet, reichliche Entschädigung erhalten werden.<lb/> Haben sie sich nicht die Herzen der Weiber gewonnen?<lb/> und wie können ihnen mit den Herzen der Weiber die<lb/> Kassen der Männer verschlossen bleiben? Allerdings er-<lb/> halten bereits nicht wenige von ihnen aus der Staatskasse<lb/> eine kleine Pension, aber die Staatskasse, wie man weiß,<lb/> ist so sparsam, ihre Mittel sind so beschränkt, während<lb/><cb type="end"/> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [811/0019]
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im „Soldatenleben im Frieden,“ und zwar nicht nur bei
dem „Tambour auf der Wacht,“ sondern bei Hoch und
und Nieder im Regiment Anklang finden können; aber
der allgemeine Geschmack des gebildeten Publikums ist bei
uns doch weit darüber hinaus, man würde wenigstens
Bedenken tragen sich damit öffentlich hören zu lassen.
Ein zweites Hauptelement neben dem soldatischen Be-
wußtseyn, das wir im Bisherigen näher entwickelt haben,
bildet im österreichischen Leben, und namentlich in der
Armee, der Cavaliersgeist. Auch dieser ist in den Ge-
dichten des Verfassers, der sich mit Stolz selbst als Ca-
valier zu erkennen gibt, stark vertreten. Unter den deut-
schen Poeten fehlt es bekanntlich auch nicht an „ ritter-
lichen Sängern,“ welche die Ehre ihres Standes als den
Mittel= und Ausgangspunkt alles Wahren und Großen
darzustellen suchen. Wie himmelweit sind aber solche
poetische Junker von unserem österreichischen Cavalier ver-
schieden! Während sie die romantische Doktrin von Thron
und Altar mit reflektirter Gereiztheit gegen die gefährlich
andringenden Gleichheitstheorien zu verfechten bemüht sind,
ist der Cavalier von der ewigen Berechtigung und Sie-
gesgewißheit des aristokratischen Princips so durchdrungen,
daß er mit stolzer Verachtung auf den Adel herabsieht,
der sich seine Vorrechte entreißen läßt und ihn für diesen
Fall zum voraus jedes Adels baar erklärt:
Wenn Adel wo entsetzt wird.
So ist mir völlig klar,
Daß schon vor der Entsetzung
Daselbst kein Adel war.
Wenn Adel wo besiegt wird,
Jm blut'gen Kampf erliegt,
So weiß ich, daß man wirklich
Dort Adel hat besiegt.
Läßt sich der Adel nehmen
Gern die Gerichtsbarkeit,
So glaub' ich, sie zu nehmen
War wirklich höchste Zeit.
( Schluß folgt. )
Korrespondenz-Nachrichten.
London, August.
Begeisterung und Geld, Ehrenzeichen und Geschäfte.
Die Begeisterung, mit welcher die aus der Krimm
heimkehrenden Truppen in London empfangen wurden,
hatte so etwas Außerordentliches, etwas so sehr im Wi-
derspruch Stehendes mit den stillen Gewohnheiten einer
respektablen Aristokratie und einer bloß auf Geschäfte und
Geldmachen bedachten Bürgerschaft, daß der Unbefangene
im ersten Augenblick irre werden mußte am seltsamen
Schauspiel, das sich seinen Blicken darbot. Es waren
gerade die höheren Klassen der englischen Gesellschaft, die
diese Begeisterung am lebhaftesten, am lautesten bekunde-
ten; die Fenster der aristokratischen Häuser waren von den
schönsten Damen in Besitz genommen, die mit ihren
Schnupftüchern den Soldaten entgegen wehten und aus
ihren schönen Händen der Lorbeere nicht genug fallen lassen
und von ihren schönen Lippen des Lächelns nicht genug
verschwenden konnten für die braunen, bärtigen Gesichter,
die an den Häusern vorüber zogen. Und die Männer
theilten unwillkürlich diesen Enthusiasmus, und die vor-
nehmsten konnten sich nicht satt sehen an den gemeinsten
Soldaten, und nicht laut genug ihre innige Theilnahme
an ihrem Geschick äußern. Wahrlich, wer hätte da nicht
unwillkürlich das Loos aller beneidet, denen ein solches
herzliches Willkomm zu Theil wurde! So groß auch ihre
Leiden gewesen seyn mögen, alle, welche die Krimm auf
ihrem Gesichte geschrieben und Alma und Jnkermann in
Ehrenzeichen auf ihrer Brust hängen haben, können sich
versichert halten, daß sie für die Noth und das Elend,
das sie erduldet, reichliche Entschädigung erhalten werden.
Haben sie sich nicht die Herzen der Weiber gewonnen?
und wie können ihnen mit den Herzen der Weiber die
Kassen der Männer verschlossen bleiben? Allerdings er-
halten bereits nicht wenige von ihnen aus der Staatskasse
eine kleine Pension, aber die Staatskasse, wie man weiß,
ist so sparsam, ihre Mittel sind so beschränkt, während
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