Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 31. Stuttgart/Tübingen, 3. August 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

[Beginn Spaltensatz] die Aeußerung fallen, Vergiftung mit Strychnin sey die
sicherste, am wenigsten zu entdeckende. Palmer, meinte
er, könne von keiner Jury schuldig gefunden werden.
Kurze Zeit darauf starb seine Frau mit allen Sympto-
men der Strychninvergiftung. Nicht weniger als fünfmal
soll er versucht haben, sein Vorhaben zur Ausführung zu
[Spaltenumbruch] bringen. Dove sah mit kaltem Auge zu, wie seine Frau
mit dem Tode rang, und betrank sich sogleich nach ihrem
Verscheiden. Was ihn zu dieser That bewogen, war die
Aussicht auf eine neue Heirath mit einer sehr reichen
Wittwe.

[Ende Spaltensatz]



Aus Jtalien, Frühjahr 1856.

Mailand. -- Der Lago Maggiore. -- Jsola=Bella.

[Beginn Spaltensatz]

Wir glaubten, es sey Emeute in Mailand, so toll
kreischten vor der Colonnade des Bahnhofs die Fiaker und
Omnibus, durch welche der Reisende, welchen sie gewisser-
maßen versteigern, Spießruthen laufen muß; aber das
castello reale lag in der lauen Sommernacht so dunkel,
grabstill auf dem weiten einsamen Platze, hinter welchem
der arco della pace ragt.

Wir glauben unsern Landsleuten nützlich zu seyn, in-
dem wir ihnen in Mailand, wo bekanntlich die Hotels
so unbillig sind, einen trefflichen Gasthof empfehlen, nach
welchem uns ein alter gefälliger Herr aus Como wies,
der eben im Begriffe stand, nach Buenos Ayres zu reisen,
l'Albergo del Pozzo, im Centrum der Stadt, nicht weit
vom Dome, von der Post und den Bureaux verschiedener
Diligencen. Es bestehen deren mehrere in der Lombardei,
welche den Passagier gleichsam zur Versendung auf lange
Strecken übernehmen, für eine ganze Route, ihn und sein
Gepäck, zu Wasser und zu Land, mit Rädern oder Dampf,
Omnibus und Schiff, gleichviel. Es scheinen sehr geord-
nete, solide Privatunternehmungen. Der Reisende hat
eine Kleinigkeit mehr zu zahlen, dafür aber größere Ge-
mächlichkeit und die Sicherheit, nicht übervortheilt zu
werden.

Wenn man in der Lombardei einen österreichischen
Soldaten deutsch anredet, zeigt er inniges Vergnügen.
Wir erfuhren dieß auch hier im Kloster S. Maria delle
grazie
, wo ein Husarenregiment casernirt. Ein Magyare
vom Sanitätscorps führte uns zum Custode des Cenacolo.
Letzterer, selbst ein alter Militär, nachdem er das weite
Refektorium aufgeschlossen hatte, wiederholte vor dem bei
aller Verwüstung doch noch rührend schönen Abendmahl
Leonardos in seinem ungarischen Deutsch gar naiv die
Worte des Herrn: "Einer ist unter euch, der mich ver-
rathen wird." -- Der Gouverneur war eben da gewesen,
um Anordnungen zu Gunsten der kostbaren Reliquie zu
treffen. Erstlich will man die obern Fresken zu beiden
Seiten vom Fries, die Wappen Mailands und Estes, über
den Gestalten von Luigi il Moro, in dessen Tagen das
[Spaltenumbruch] Werk bekanntlich entstand, und seiner Gemahlin Beatrice,
rechts und links vom Hauptgemälde, etwas ausbessern
lassen durch einen verständigen, vorsichtig gewählten Re-
staurateur. Auch soll der Raum luftiger gemacht werden,
damit die Mauer besser austrockne, denn die ganze Halle
steckt voll Salpeter, noch von den Franzosenställen her.

Von größerer Bedeutung und umfassender als man
allgemein weiß, sind die fortschreitenden Neubauten und
jährlichen Ergänzungen am Dome, versteht sich, treu im
Geiste dieses wunderbaren Denkmals. Es war ganz von
Sonne und reinstem mildestem Aether umflossen, als wir
es erstiegen, wie man einen Garten voll Terrassen um-
wandelt. Die sanfteste Luft, kein rauher Hauch, nicht der
leiseste Zug in allen Durchklüftungen dieses Marmorbergs,
der in seinen steinernen Laubgängen, seinen Blüthenbeeten
an sich selbst schon eine Reihe von zauberischen Perspek-
tiven bietet, abgesehen von der stolzen Stadt zu seinen
Füßen und dem armidenhaft lockenden Lande, das ihn so
weich und duftig umkränzt, umschmeichelt möchte man
sagen. Jeden Wanderer aber müssen wir warnen vor dem
diebischen Gesindel, welches unten auf dem Platze um den
Tempel nistet. Man nennt es nur die Elstern vom Dom.
Die paar getrockneten Feigen kamen uns theuer zu stehen.
Jndeß wir sie kauften verschwand der an das Tischchen ange-
lehnte nagelneue Sonnen= und Regenschirm. Und er sah erst
so sanft und unschuldig aus, der junge Spitzbube, der
alles läugnete. Wir hätten ihn auf der Stelle sollen ver-
haften lassen bei dem " militari " drüben an der Burg,
sagte man uns nachher. Als wir eine Viertelstunde später
nach der verhängnißvollen Ecke umkehrten, war der ganze
kleine Kram, mit sämmtlicher Nachbarschaft, wie weg-
gefegt.

Jn majestätischem Ernst schaut der Dom auf das
Gewimmel des Corso herab. Zahlreiche Damen in reichen
Equipagen, Fußgängerinnen, die sich in den reichsten,
strotzenden Gewändern oft nur so hinwälzen; alles fran-
zösische Mode, aber sehr luxuriös und üppig. Sie tragen
leichte Mantillen, dabei aber unfehlbar, trotz der goldenen
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] die Aeußerung fallen, Vergiftung mit Strychnin sey die
sicherste, am wenigsten zu entdeckende. Palmer, meinte
er, könne von keiner Jury schuldig gefunden werden.
Kurze Zeit darauf starb seine Frau mit allen Sympto-
men der Strychninvergiftung. Nicht weniger als fünfmal
soll er versucht haben, sein Vorhaben zur Ausführung zu
[Spaltenumbruch] bringen. Dove sah mit kaltem Auge zu, wie seine Frau
mit dem Tode rang, und betrank sich sogleich nach ihrem
Verscheiden. Was ihn zu dieser That bewogen, war die
Aussicht auf eine neue Heirath mit einer sehr reichen
Wittwe.

[Ende Spaltensatz]



Aus Jtalien, Frühjahr 1856.

Mailand. — Der Lago Maggiore. — Jsola=Bella.

[Beginn Spaltensatz]

Wir glaubten, es sey Emeute in Mailand, so toll
kreischten vor der Colonnade des Bahnhofs die Fiaker und
Omnibus, durch welche der Reisende, welchen sie gewisser-
maßen versteigern, Spießruthen laufen muß; aber das
castello reale lag in der lauen Sommernacht so dunkel,
grabstill auf dem weiten einsamen Platze, hinter welchem
der arco della pace ragt.

Wir glauben unsern Landsleuten nützlich zu seyn, in-
dem wir ihnen in Mailand, wo bekanntlich die Hotels
so unbillig sind, einen trefflichen Gasthof empfehlen, nach
welchem uns ein alter gefälliger Herr aus Como wies,
der eben im Begriffe stand, nach Buenos Ayres zu reisen,
l'Albergo del Pozzo, im Centrum der Stadt, nicht weit
vom Dome, von der Post und den Bureaux verschiedener
Diligencen. Es bestehen deren mehrere in der Lombardei,
welche den Passagier gleichsam zur Versendung auf lange
Strecken übernehmen, für eine ganze Route, ihn und sein
Gepäck, zu Wasser und zu Land, mit Rädern oder Dampf,
Omnibus und Schiff, gleichviel. Es scheinen sehr geord-
nete, solide Privatunternehmungen. Der Reisende hat
eine Kleinigkeit mehr zu zahlen, dafür aber größere Ge-
mächlichkeit und die Sicherheit, nicht übervortheilt zu
werden.

Wenn man in der Lombardei einen österreichischen
Soldaten deutsch anredet, zeigt er inniges Vergnügen.
Wir erfuhren dieß auch hier im Kloster S. Maria delle
grazie
, wo ein Husarenregiment casernirt. Ein Magyare
vom Sanitätscorps führte uns zum Custode des Cenacolo.
Letzterer, selbst ein alter Militär, nachdem er das weite
Refektorium aufgeschlossen hatte, wiederholte vor dem bei
aller Verwüstung doch noch rührend schönen Abendmahl
Leonardos in seinem ungarischen Deutsch gar naiv die
Worte des Herrn: „Einer ist unter euch, der mich ver-
rathen wird.“ — Der Gouverneur war eben da gewesen,
um Anordnungen zu Gunsten der kostbaren Reliquie zu
treffen. Erstlich will man die obern Fresken zu beiden
Seiten vom Fries, die Wappen Mailands und Estes, über
den Gestalten von Luigi il Moro, in dessen Tagen das
[Spaltenumbruch] Werk bekanntlich entstand, und seiner Gemahlin Beatrice,
rechts und links vom Hauptgemälde, etwas ausbessern
lassen durch einen verständigen, vorsichtig gewählten Re-
staurateur. Auch soll der Raum luftiger gemacht werden,
damit die Mauer besser austrockne, denn die ganze Halle
steckt voll Salpeter, noch von den Franzosenställen her.

Von größerer Bedeutung und umfassender als man
allgemein weiß, sind die fortschreitenden Neubauten und
jährlichen Ergänzungen am Dome, versteht sich, treu im
Geiste dieses wunderbaren Denkmals. Es war ganz von
Sonne und reinstem mildestem Aether umflossen, als wir
es erstiegen, wie man einen Garten voll Terrassen um-
wandelt. Die sanfteste Luft, kein rauher Hauch, nicht der
leiseste Zug in allen Durchklüftungen dieses Marmorbergs,
der in seinen steinernen Laubgängen, seinen Blüthenbeeten
an sich selbst schon eine Reihe von zauberischen Perspek-
tiven bietet, abgesehen von der stolzen Stadt zu seinen
Füßen und dem armidenhaft lockenden Lande, das ihn so
weich und duftig umkränzt, umschmeichelt möchte man
sagen. Jeden Wanderer aber müssen wir warnen vor dem
diebischen Gesindel, welches unten auf dem Platze um den
Tempel nistet. Man nennt es nur die Elstern vom Dom.
Die paar getrockneten Feigen kamen uns theuer zu stehen.
Jndeß wir sie kauften verschwand der an das Tischchen ange-
lehnte nagelneue Sonnen= und Regenschirm. Und er sah erst
so sanft und unschuldig aus, der junge Spitzbube, der
alles läugnete. Wir hätten ihn auf der Stelle sollen ver-
haften lassen bei dem » militari « drüben an der Burg,
sagte man uns nachher. Als wir eine Viertelstunde später
nach der verhängnißvollen Ecke umkehrten, war der ganze
kleine Kram, mit sämmtlicher Nachbarschaft, wie weg-
gefegt.

Jn majestätischem Ernst schaut der Dom auf das
Gewimmel des Corso herab. Zahlreiche Damen in reichen
Equipagen, Fußgängerinnen, die sich in den reichsten,
strotzenden Gewändern oft nur so hinwälzen; alles fran-
zösische Mode, aber sehr luxuriös und üppig. Sie tragen
leichte Mantillen, dabei aber unfehlbar, trotz der goldenen
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0022" n="742"/><fw type="pageNum" place="top">742</fw><cb type="start"/>
die Aeußerung fallen, Vergiftung mit Strychnin sey die<lb/>
sicherste, am wenigsten zu entdeckende. Palmer, meinte<lb/>
er, könne von keiner Jury schuldig gefunden werden.<lb/>
Kurze Zeit darauf starb seine Frau mit allen Sympto-<lb/>
men der Strychninvergiftung. Nicht weniger als fünfmal<lb/>
soll er versucht haben, sein Vorhaben zur Ausführung zu<lb/><cb n="2"/>
bringen. Dove sah mit kaltem Auge zu, wie seine Frau<lb/>
mit dem Tode rang, und betrank sich sogleich nach ihrem<lb/>
Verscheiden. Was ihn zu dieser That bewogen, war die<lb/>
Aussicht auf eine neue Heirath mit einer sehr reichen<lb/>
Wittwe.</p>
        </div><lb/>
        <cb type="end"/>
        <space dim="vertical"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <space dim="vertical"/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <head>Aus Jtalien, <date>Frühjahr 1856</date>.</head><lb/>
          <argument>
            <p>Mailand. &#x2014; Der Lago Maggiore. &#x2014; Jsola=Bella.</p>
          </argument><lb/>
          <cb type="start"/>
          <p>Wir glaubten, es sey Emeute in Mailand, so toll<lb/>
kreischten vor der Colonnade des Bahnhofs die Fiaker und<lb/>
Omnibus, durch welche der Reisende, welchen sie gewisser-<lb/>
maßen versteigern, Spießruthen laufen muß; aber das<lb/><hi rendition="#aq">castello reale</hi> lag in der lauen Sommernacht so dunkel,<lb/>
grabstill auf dem weiten einsamen Platze, hinter welchem<lb/>
der <hi rendition="#aq">arco della pace</hi> ragt.   </p><lb/>
          <p>Wir glauben unsern Landsleuten nützlich zu seyn, in-<lb/>
dem wir ihnen in Mailand, wo bekanntlich die Hotels<lb/>
so unbillig sind, einen trefflichen Gasthof empfehlen, nach<lb/>
welchem uns ein alter gefälliger Herr aus Como wies,<lb/>
der eben im Begriffe stand, nach Buenos Ayres zu reisen,<lb/>
l'Albergo del Pozzo, im Centrum der Stadt, nicht weit<lb/>
vom Dome, von der Post und den Bureaux verschiedener<lb/>
Diligencen. Es bestehen deren mehrere in der Lombardei,<lb/>
welche den Passagier gleichsam zur Versendung auf lange<lb/>
Strecken übernehmen, für eine ganze Route, ihn und sein<lb/>
Gepäck, zu Wasser und zu Land, mit Rädern oder Dampf,<lb/>
Omnibus und Schiff, gleichviel. Es scheinen sehr geord-<lb/>
nete, solide Privatunternehmungen. Der Reisende hat<lb/>
eine Kleinigkeit mehr zu zahlen, dafür aber größere Ge-<lb/>
mächlichkeit und die Sicherheit, nicht übervortheilt zu<lb/>
werden.   </p><lb/>
          <p>Wenn man in der Lombardei einen österreichischen<lb/>
Soldaten deutsch anredet, zeigt er inniges Vergnügen.<lb/>
Wir erfuhren dieß auch hier im Kloster <hi rendition="#aq">S. Maria delle<lb/>
grazie</hi>, wo ein Husarenregiment casernirt. Ein Magyare<lb/>
vom Sanitätscorps führte uns zum Custode des Cenacolo.<lb/>
Letzterer, selbst ein alter Militär, nachdem er das weite<lb/>
Refektorium aufgeschlossen hatte, wiederholte vor dem bei<lb/>
aller Verwüstung doch noch rührend schönen Abendmahl<lb/>
Leonardos in seinem ungarischen Deutsch gar naiv die<lb/>
Worte des Herrn: &#x201E;Einer ist unter euch, der mich ver-<lb/>
rathen wird.&#x201C; &#x2014; Der Gouverneur war eben da gewesen,<lb/>
um Anordnungen zu Gunsten der kostbaren Reliquie zu<lb/>
treffen. Erstlich will man die obern Fresken zu beiden<lb/>
Seiten vom Fries, die Wappen Mailands und Estes, über<lb/>
den Gestalten von Luigi il Moro, in dessen Tagen das<lb/><cb n="2"/>
Werk bekanntlich entstand, und seiner Gemahlin Beatrice,<lb/>
rechts und links vom Hauptgemälde, etwas ausbessern<lb/>
lassen durch einen verständigen, vorsichtig gewählten Re-<lb/>
staurateur. Auch soll der Raum luftiger gemacht werden,<lb/>
damit die Mauer besser austrockne, denn die ganze Halle<lb/>
steckt voll Salpeter, noch von den Franzosenställen her.   </p><lb/>
          <p>Von größerer Bedeutung und umfassender als man<lb/>
allgemein weiß, sind die fortschreitenden Neubauten und<lb/>
jährlichen Ergänzungen am Dome, versteht sich, treu im<lb/>
Geiste dieses wunderbaren Denkmals. Es war ganz von<lb/>
Sonne und reinstem mildestem Aether umflossen, als wir<lb/>
es erstiegen, wie man einen Garten voll Terrassen um-<lb/>
wandelt. Die sanfteste Luft, kein rauher Hauch, nicht der<lb/>
leiseste Zug in allen Durchklüftungen dieses Marmorbergs,<lb/>
der in seinen steinernen Laubgängen, seinen Blüthenbeeten<lb/>
an sich selbst schon eine Reihe von zauberischen Perspek-<lb/>
tiven bietet, abgesehen von der stolzen Stadt zu seinen<lb/>
Füßen und dem armidenhaft lockenden Lande, das ihn so<lb/>
weich und duftig umkränzt, umschmeichelt möchte man<lb/>
sagen. Jeden Wanderer aber müssen wir warnen vor dem<lb/>
diebischen Gesindel, welches unten auf dem Platze um den<lb/>
Tempel nistet. Man nennt es nur die Elstern vom Dom.<lb/>
Die paar getrockneten Feigen kamen uns theuer zu stehen.<lb/>
Jndeß wir sie kauften verschwand der an das Tischchen ange-<lb/>
lehnte nagelneue Sonnen= und Regenschirm. Und er sah erst<lb/>
so sanft und unschuldig aus, der junge Spitzbube, der<lb/>
alles läugnete. Wir hätten ihn auf der Stelle sollen ver-<lb/>
haften lassen bei dem » <hi rendition="#aq">militari</hi> « drüben an der Burg,<lb/>
sagte man uns nachher. Als wir eine Viertelstunde später<lb/>
nach der verhängnißvollen Ecke umkehrten, war der ganze<lb/>
kleine Kram, mit sämmtlicher Nachbarschaft, wie weg-<lb/>
gefegt. </p><lb/>
          <p>Jn majestätischem Ernst schaut der Dom auf das<lb/>
Gewimmel des Corso herab. Zahlreiche Damen in reichen<lb/>
Equipagen, Fußgängerinnen, die sich in den reichsten,<lb/>
strotzenden Gewändern oft nur so hinwälzen; alles fran-<lb/>
zösische Mode, aber sehr luxuriös und üppig. Sie tragen<lb/>
leichte Mantillen, dabei aber unfehlbar, trotz der goldenen<lb/><cb type="end"/>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[742/0022] 742 die Aeußerung fallen, Vergiftung mit Strychnin sey die sicherste, am wenigsten zu entdeckende. Palmer, meinte er, könne von keiner Jury schuldig gefunden werden. Kurze Zeit darauf starb seine Frau mit allen Sympto- men der Strychninvergiftung. Nicht weniger als fünfmal soll er versucht haben, sein Vorhaben zur Ausführung zu bringen. Dove sah mit kaltem Auge zu, wie seine Frau mit dem Tode rang, und betrank sich sogleich nach ihrem Verscheiden. Was ihn zu dieser That bewogen, war die Aussicht auf eine neue Heirath mit einer sehr reichen Wittwe. Aus Jtalien, Frühjahr 1856. Mailand. — Der Lago Maggiore. — Jsola=Bella. Wir glaubten, es sey Emeute in Mailand, so toll kreischten vor der Colonnade des Bahnhofs die Fiaker und Omnibus, durch welche der Reisende, welchen sie gewisser- maßen versteigern, Spießruthen laufen muß; aber das castello reale lag in der lauen Sommernacht so dunkel, grabstill auf dem weiten einsamen Platze, hinter welchem der arco della pace ragt. Wir glauben unsern Landsleuten nützlich zu seyn, in- dem wir ihnen in Mailand, wo bekanntlich die Hotels so unbillig sind, einen trefflichen Gasthof empfehlen, nach welchem uns ein alter gefälliger Herr aus Como wies, der eben im Begriffe stand, nach Buenos Ayres zu reisen, l'Albergo del Pozzo, im Centrum der Stadt, nicht weit vom Dome, von der Post und den Bureaux verschiedener Diligencen. Es bestehen deren mehrere in der Lombardei, welche den Passagier gleichsam zur Versendung auf lange Strecken übernehmen, für eine ganze Route, ihn und sein Gepäck, zu Wasser und zu Land, mit Rädern oder Dampf, Omnibus und Schiff, gleichviel. Es scheinen sehr geord- nete, solide Privatunternehmungen. Der Reisende hat eine Kleinigkeit mehr zu zahlen, dafür aber größere Ge- mächlichkeit und die Sicherheit, nicht übervortheilt zu werden. Wenn man in der Lombardei einen österreichischen Soldaten deutsch anredet, zeigt er inniges Vergnügen. Wir erfuhren dieß auch hier im Kloster S. Maria delle grazie, wo ein Husarenregiment casernirt. Ein Magyare vom Sanitätscorps führte uns zum Custode des Cenacolo. Letzterer, selbst ein alter Militär, nachdem er das weite Refektorium aufgeschlossen hatte, wiederholte vor dem bei aller Verwüstung doch noch rührend schönen Abendmahl Leonardos in seinem ungarischen Deutsch gar naiv die Worte des Herrn: „Einer ist unter euch, der mich ver- rathen wird.“ — Der Gouverneur war eben da gewesen, um Anordnungen zu Gunsten der kostbaren Reliquie zu treffen. Erstlich will man die obern Fresken zu beiden Seiten vom Fries, die Wappen Mailands und Estes, über den Gestalten von Luigi il Moro, in dessen Tagen das Werk bekanntlich entstand, und seiner Gemahlin Beatrice, rechts und links vom Hauptgemälde, etwas ausbessern lassen durch einen verständigen, vorsichtig gewählten Re- staurateur. Auch soll der Raum luftiger gemacht werden, damit die Mauer besser austrockne, denn die ganze Halle steckt voll Salpeter, noch von den Franzosenställen her. Von größerer Bedeutung und umfassender als man allgemein weiß, sind die fortschreitenden Neubauten und jährlichen Ergänzungen am Dome, versteht sich, treu im Geiste dieses wunderbaren Denkmals. Es war ganz von Sonne und reinstem mildestem Aether umflossen, als wir es erstiegen, wie man einen Garten voll Terrassen um- wandelt. Die sanfteste Luft, kein rauher Hauch, nicht der leiseste Zug in allen Durchklüftungen dieses Marmorbergs, der in seinen steinernen Laubgängen, seinen Blüthenbeeten an sich selbst schon eine Reihe von zauberischen Perspek- tiven bietet, abgesehen von der stolzen Stadt zu seinen Füßen und dem armidenhaft lockenden Lande, das ihn so weich und duftig umkränzt, umschmeichelt möchte man sagen. Jeden Wanderer aber müssen wir warnen vor dem diebischen Gesindel, welches unten auf dem Platze um den Tempel nistet. Man nennt es nur die Elstern vom Dom. Die paar getrockneten Feigen kamen uns theuer zu stehen. Jndeß wir sie kauften verschwand der an das Tischchen ange- lehnte nagelneue Sonnen= und Regenschirm. Und er sah erst so sanft und unschuldig aus, der junge Spitzbube, der alles läugnete. Wir hätten ihn auf der Stelle sollen ver- haften lassen bei dem » militari « drüben an der Burg, sagte man uns nachher. Als wir eine Viertelstunde später nach der verhängnißvollen Ecke umkehrten, war der ganze kleine Kram, mit sämmtlicher Nachbarschaft, wie weg- gefegt. Jn majestätischem Ernst schaut der Dom auf das Gewimmel des Corso herab. Zahlreiche Damen in reichen Equipagen, Fußgängerinnen, die sich in den reichsten, strotzenden Gewändern oft nur so hinwälzen; alles fran- zösische Mode, aber sehr luxuriös und üppig. Sie tragen leichte Mantillen, dabei aber unfehlbar, trotz der goldenen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt31_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt31_1856/22
Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 31. Stuttgart/Tübingen, 3. August 1856, S. 742. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt31_1856/22>, abgerufen am 24.11.2024.