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Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 6. Stuttgart/Tübingen, 10. Februar 1856.

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[Beginn Spaltensatz] Märtyrer werden sollte, Er hatte so wenig wahres
Jnteresse für die Freiheit, als Alfieri oder irgend ein
anderer stolzer Mann von Rang; aber er konnte keinen
Despotismus ertragen als seinen eigenen; zudem hatte
er ein heftiges Verlangen nach Ruhm. Allerdings ist
auch dieß ein Band mit den Wünschen und Bedürf-
nissen der Gesellschaft, welches unter günstigen Umstän-
den zum Vortheil ausschlagen kann."

Um dieses Urtheil mehr zu begründen, führen wir
eine weitere Stelle an, wo er sagt: "Was die Griechen
betrifft, so wurde das Geschenk von 10,000 Pfund zu-
erst in alle Welt gehörig ausposaunt; dann wurde es
ein Anlehen von 10,000 Pfund, und in einer An-
wandlung von wohlüberlegter Vertraulichkeit sagte er,
er denke, unter 4000 Pfund werde er nicht wegkom-
men." Jch weiß nicht, wie viel überhaupt endlich ge-
geben wurde, aber ich ließ mir sagen, daß man eine
gute Versicherung dafür nahm, und später hörte ich,
daß alles heimbezahlt sey."

Mit dieser Erzählung sind wir schon in eine wei-
tere Untersuchung hineingerathen, die mit Rang und
Titel in genauer Verbindung steht. Sind dieses mehr
nur eingebildete Vorzüge, die aber gleichwohl keiner,
der sie hat, so leicht aufgibt, so ist dagegen der Besitz
ein sehr reeller Vortheil, und es fragt sich nun, wie
Byron sonst in Geldsachen dachte. Hierüber läßt sich
Hunt so vernehmen: "Lord Byron war kein generöser
Mann; in allem, was er that, suchte er entweder selbst
die Trompete vor sich her zu blasen oder sie von an-
dern blasen zu lassen. Jch spreche von seinem Beneh-
men in späterer Zeit; wie er es früher darin hielt,
kann ich nicht sagen; wenn man aber ihm selbst glau-
ben darf, so hatte er von Kindheit an eine Anlage
zum Geiz. Jn Harrow, erzählte er mir, sparte er
gern sein Geld, nicht um, wie andere Knaben, etwas
Bedeutendes dafür zu kaufen oder sich ein besonderes
Vergnügen zu machen, sondern um es anzusehen und zu
zählen. Jch hätte ihm gerne nur so viel davon geglaubt,
als nöthig war, um der Aufrichtigkeit seines Geständ-
nisses die gebührende Ehre zu erweisen, aber unglück-
licherweise stimmte die Praxis seines reiferen Alters
nur zu sehr damit überein, als daß man nicht das
Ganze hätte für wahr halten sollen. Es war ein nur
zu sehr hervorstechender Zug in seinem Charakter, seiner
Selbstsucht und Eigenliebe zu fröhnen und sich kein Ver-
gnügen zu versagen, durch welches das Bewußtseyn,
das er von sich selbst hatte, und die Mittel, in Allem
groß und vielvermögend zu erscheinen, erhöht werden
konnten. Zur besonderen Befriedigung gereichte es ihm,
wenn er dabei möglichst wenig zur Zufriedenheit anderer
beitragen durfte. Seine Liebe zur Berühmtheit über-
[Spaltenumbruch] wog noch seine Liebe zum Geld, und dieses ist das höchste,
was man von ihm sagen kann; er war aber auf's
ängstlichste bemüht, beide Hand in Hand mit einander
gehen zu lassen."

Jn wiefern das griechische Anlehen keine Jnstanz
gegen diese Behauptung bildet, ist aus dem Früheren
zu ersehen. Als weitere Probe von Byrons Freige-
bigkeit ist bekannt, daß er seine Manuscripte an Be-
kannte, an Dallas z. B., gegeben, ohne sich um ihren
Ertrag zu bekümmern; wie läßt sich dieses mit der Be-
schuldigung der Habsucht vereinigen? Hunt behauptet,
er habe recht wohl nach dem gefragt, was seine schrift-
stellerischen Produkte einbringen könnten, und er habe
ein gut Theil davon gezogen, aber an Berühmtheit sey
ihm, wie schon gesagt worden, noch mehr gelegen ge-
wesen, und seine Präsente, wenn er solche machte, habe
er mit aller Umsicht darauf berechnet. "Jn England
verschleuderte er einmal und gerieth in Schulden, weil
er glaubte, Aufwand schicke sich für ihn; er suchte aber
alles dieses und mehr wieder hereinzubringen, indem
er eine Erbin heirathete. Jn der Schweiz, als Shelley
in seiner Nähe war, schien er wirklich generös zu seyn,
weil er einen großmüthigen, freigebigen Mann zum
Bewunderer hatte und einen, dessen Einflnß er im
höchsten Grade fühlte. Zudem hatte Shelley selbst
Geld oder doch Anwartschaft darauf, weßwegen er ihn
um so höher achtete und sorgfältig bemüht war, in
diesem Punkt keine Blöße zu geben. Jn Jtalien,
nachdem eine verschiedene Lebensweise und der Erfolg
von Beppo und Don Juan ihn überzeugt hatten, daß
ein romantischer Charakter nicht nothwendig zur Be-
rühmtheit gehöre, setzte er seinen Freund, als sie ihre
Beziehungen wieder erneuert hatten, eines Tags höch-
lich in Erstaunen durch die Frage, ob er nicht eine
aufrichtige Hochachtung für einen wohlhabenden Mann
empfinde, eine größere wenigstens für den reichen als
für einen andern Mann in der Gesellschaft? Shelley
gab ihm ein "superbes Nein" zurück, wie es Napoleon
genannt haben würde."

Bisher haben wir die moralischen Grundlagen von
Byrons Wesen kennen gelernt, wie dasselbe einem eben
so vertrauten als urtheilsfähigen Beobachter erschien; es
bleibt übrig einen Blick zu werfen auf die Weise, in
welcher ein solcher Charakter in der Gesellschaft, im
Umgang mit Männern und Frauen sich gab. Wir haben
gleich zu Anfang Hunts Klagen darüber gehört, daß
man nie gewußt, wie man mit Byron daran sey, daß
er, wie in Geldsachen verschwenderisch und filzig, so im
Umgang auf der einen Seite unbesonnen hingebend, auf
der andern beständig zurückhaltend gewesen sey. Hierauf
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Märtyrer werden sollte, Er hatte so wenig wahres
Jnteresse für die Freiheit, als Alfieri oder irgend ein
anderer stolzer Mann von Rang; aber er konnte keinen
Despotismus ertragen als seinen eigenen; zudem hatte
er ein heftiges Verlangen nach Ruhm. Allerdings ist
auch dieß ein Band mit den Wünschen und Bedürf-
nissen der Gesellschaft, welches unter günstigen Umstän-
den zum Vortheil ausschlagen kann.“

Um dieses Urtheil mehr zu begründen, führen wir
eine weitere Stelle an, wo er sagt: „Was die Griechen
betrifft, so wurde das Geschenk von 10,000 Pfund zu-
erst in alle Welt gehörig ausposaunt; dann wurde es
ein Anlehen von 10,000 Pfund, und in einer An-
wandlung von wohlüberlegter Vertraulichkeit sagte er,
er denke, unter 4000 Pfund werde er nicht wegkom-
men.“ Jch weiß nicht, wie viel überhaupt endlich ge-
geben wurde, aber ich ließ mir sagen, daß man eine
gute Versicherung dafür nahm, und später hörte ich,
daß alles heimbezahlt sey.“

Mit dieser Erzählung sind wir schon in eine wei-
tere Untersuchung hineingerathen, die mit Rang und
Titel in genauer Verbindung steht. Sind dieses mehr
nur eingebildete Vorzüge, die aber gleichwohl keiner,
der sie hat, so leicht aufgibt, so ist dagegen der Besitz
ein sehr reeller Vortheil, und es fragt sich nun, wie
Byron sonst in Geldsachen dachte. Hierüber läßt sich
Hunt so vernehmen: „Lord Byron war kein generöser
Mann; in allem, was er that, suchte er entweder selbst
die Trompete vor sich her zu blasen oder sie von an-
dern blasen zu lassen. Jch spreche von seinem Beneh-
men in späterer Zeit; wie er es früher darin hielt,
kann ich nicht sagen; wenn man aber ihm selbst glau-
ben darf, so hatte er von Kindheit an eine Anlage
zum Geiz. Jn Harrow, erzählte er mir, sparte er
gern sein Geld, nicht um, wie andere Knaben, etwas
Bedeutendes dafür zu kaufen oder sich ein besonderes
Vergnügen zu machen, sondern um es anzusehen und zu
zählen. Jch hätte ihm gerne nur so viel davon geglaubt,
als nöthig war, um der Aufrichtigkeit seines Geständ-
nisses die gebührende Ehre zu erweisen, aber unglück-
licherweise stimmte die Praxis seines reiferen Alters
nur zu sehr damit überein, als daß man nicht das
Ganze hätte für wahr halten sollen. Es war ein nur
zu sehr hervorstechender Zug in seinem Charakter, seiner
Selbstsucht und Eigenliebe zu fröhnen und sich kein Ver-
gnügen zu versagen, durch welches das Bewußtseyn,
das er von sich selbst hatte, und die Mittel, in Allem
groß und vielvermögend zu erscheinen, erhöht werden
konnten. Zur besonderen Befriedigung gereichte es ihm,
wenn er dabei möglichst wenig zur Zufriedenheit anderer
beitragen durfte. Seine Liebe zur Berühmtheit über-
[Spaltenumbruch] wog noch seine Liebe zum Geld, und dieses ist das höchste,
was man von ihm sagen kann; er war aber auf's
ängstlichste bemüht, beide Hand in Hand mit einander
gehen zu lassen.“

Jn wiefern das griechische Anlehen keine Jnstanz
gegen diese Behauptung bildet, ist aus dem Früheren
zu ersehen. Als weitere Probe von Byrons Freige-
bigkeit ist bekannt, daß er seine Manuscripte an Be-
kannte, an Dallas z. B., gegeben, ohne sich um ihren
Ertrag zu bekümmern; wie läßt sich dieses mit der Be-
schuldigung der Habsucht vereinigen? Hunt behauptet,
er habe recht wohl nach dem gefragt, was seine schrift-
stellerischen Produkte einbringen könnten, und er habe
ein gut Theil davon gezogen, aber an Berühmtheit sey
ihm, wie schon gesagt worden, noch mehr gelegen ge-
wesen, und seine Präsente, wenn er solche machte, habe
er mit aller Umsicht darauf berechnet. „Jn England
verschleuderte er einmal und gerieth in Schulden, weil
er glaubte, Aufwand schicke sich für ihn; er suchte aber
alles dieses und mehr wieder hereinzubringen, indem
er eine Erbin heirathete. Jn der Schweiz, als Shelley
in seiner Nähe war, schien er wirklich generös zu seyn,
weil er einen großmüthigen, freigebigen Mann zum
Bewunderer hatte und einen, dessen Einflnß er im
höchsten Grade fühlte. Zudem hatte Shelley selbst
Geld oder doch Anwartschaft darauf, weßwegen er ihn
um so höher achtete und sorgfältig bemüht war, in
diesem Punkt keine Blöße zu geben. Jn Jtalien,
nachdem eine verschiedene Lebensweise und der Erfolg
von Beppo und Don Juan ihn überzeugt hatten, daß
ein romantischer Charakter nicht nothwendig zur Be-
rühmtheit gehöre, setzte er seinen Freund, als sie ihre
Beziehungen wieder erneuert hatten, eines Tags höch-
lich in Erstaunen durch die Frage, ob er nicht eine
aufrichtige Hochachtung für einen wohlhabenden Mann
empfinde, eine größere wenigstens für den reichen als
für einen andern Mann in der Gesellschaft? Shelley
gab ihm ein „superbes Nein“ zurück, wie es Napoleon
genannt haben würde.“

Bisher haben wir die moralischen Grundlagen von
Byrons Wesen kennen gelernt, wie dasselbe einem eben
so vertrauten als urtheilsfähigen Beobachter erschien; es
bleibt übrig einen Blick zu werfen auf die Weise, in
welcher ein solcher Charakter in der Gesellschaft, im
Umgang mit Männern und Frauen sich gab. Wir haben
gleich zu Anfang Hunts Klagen darüber gehört, daß
man nie gewußt, wie man mit Byron daran sey, daß
er, wie in Geldsachen verschwenderisch und filzig, so im
Umgang auf der einen Seite unbesonnen hingebend, auf
der andern beständig zurückhaltend gewesen sey. Hierauf
[Ende Spaltensatz]

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Sind dieses mehr nur eingebildete Vorzüge, die aber gleichwohl keiner, der sie hat, so leicht aufgibt, so ist dagegen der Besitz ein sehr reeller Vortheil, und es fragt sich nun, wie Byron sonst in Geldsachen dachte. Hierüber läßt sich Hunt so vernehmen: „Lord Byron war kein generöser Mann; in allem, was er that, suchte er entweder selbst die Trompete vor sich her zu blasen oder sie von an- dern blasen zu lassen. Jch spreche von seinem Beneh- men in späterer Zeit; wie er es früher darin hielt, kann ich nicht sagen; wenn man aber ihm selbst glau- ben darf, so hatte er von Kindheit an eine Anlage zum Geiz. Jn Harrow, erzählte er mir, sparte er gern sein Geld, nicht um, wie andere Knaben, etwas Bedeutendes dafür zu kaufen oder sich ein besonderes Vergnügen zu machen, sondern um es anzusehen und zu zählen. Jch hätte ihm gerne nur so viel davon geglaubt, als nöthig war, um der Aufrichtigkeit seines Geständ- nisses die gebührende Ehre zu erweisen, aber unglück- licherweise stimmte die Praxis seines reiferen Alters nur zu sehr damit überein, als daß man nicht das Ganze hätte für wahr halten sollen. Es war ein nur zu sehr hervorstechender Zug in seinem Charakter, seiner Selbstsucht und Eigenliebe zu fröhnen und sich kein Ver- gnügen zu versagen, durch welches das Bewußtseyn, das er von sich selbst hatte, und die Mittel, in Allem groß und vielvermögend zu erscheinen, erhöht werden konnten. Zur besonderen Befriedigung gereichte es ihm, wenn er dabei möglichst wenig zur Zufriedenheit anderer beitragen durfte. Seine Liebe zur Berühmtheit über- wog noch seine Liebe zum Geld, und dieses ist das höchste, was man von ihm sagen kann; er war aber auf's ängstlichste bemüht, beide Hand in Hand mit einander gehen zu lassen.“ Jn wiefern das griechische Anlehen keine Jnstanz gegen diese Behauptung bildet, ist aus dem Früheren zu ersehen. Als weitere Probe von Byrons Freige- bigkeit ist bekannt, daß er seine Manuscripte an Be- kannte, an Dallas z. B., gegeben, ohne sich um ihren Ertrag zu bekümmern; wie läßt sich dieses mit der Be- schuldigung der Habsucht vereinigen? 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Jn Jtalien, nachdem eine verschiedene Lebensweise und der Erfolg von Beppo und Don Juan ihn überzeugt hatten, daß ein romantischer Charakter nicht nothwendig zur Be- rühmtheit gehöre, setzte er seinen Freund, als sie ihre Beziehungen wieder erneuert hatten, eines Tags höch- lich in Erstaunen durch die Frage, ob er nicht eine aufrichtige Hochachtung für einen wohlhabenden Mann empfinde, eine größere wenigstens für den reichen als für einen andern Mann in der Gesellschaft? Shelley gab ihm ein „superbes Nein“ zurück, wie es Napoleon genannt haben würde.“ Bisher haben wir die moralischen Grundlagen von Byrons Wesen kennen gelernt, wie dasselbe einem eben so vertrauten als urtheilsfähigen Beobachter erschien; es bleibt übrig einen Blick zu werfen auf die Weise, in welcher ein solcher Charakter in der Gesellschaft, im Umgang mit Männern und Frauen sich gab. Wir haben gleich zu Anfang Hunts Klagen darüber gehört, daß man nie gewußt, wie man mit Byron daran sey, daß er, wie in Geldsachen verschwenderisch und filzig, so im Umgang auf der einen Seite unbesonnen hingebend, auf der andern beständig zurückhaltend gewesen sey. Hierauf

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Zitationshilfe: Morgenblatt für gebildete Leser. Nr. 6. Stuttgart/Tübingen, 10. Februar 1856, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_morgenblatt06_1856/15>, abgerufen am 24.11.2024.