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Marburger Zeitung. Nr. 96, Marburg, 12.08.1902.

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Nr. 96, 12. August 1902. Marburger Zeitung

[Spaltenumbruch] betraut worden sein; diese Bauunternehmung hat
auch seinerzeit die Bahn Gonobitz--Pöltschach ge-
baut. Der raschen Baudurchführung kann man
entnehmen, daß die Südbahngesellschaft ergiebige
Kohlenlager bei Gonobitz aufgeschlossen hat und
den Betrieb im großen Maßstab einleiten wird.
Die Kohle ist Steinkohle von vorzüglicher Qualität
und übertrifft selbst die Ostrauer Kohle an
Kaloriengehalt.

(Auch ein Widerruf.)

Infolge der bereits
charakterisierten Nachricht des "Slovenski Gospodar",
wonach der Cillier städtische Maschinist Kandolf
einen Kutscher erschlagen haben soll, wurden über
Veranlassung der Staatsanwaltschaft Cilli gegen
Kandolf die Vorerhebungen wegen Verbrechens des
Totschlages eingeleitet. Wie schon einmal erwähnt,
ist diese Notiz nichts anderes, als eine frivole,
gewissenlose Erfindung eines verkommenen Pfaffen.
Dem "Slovenski Gospodar" wird nun selbst angst
und bange, denn die Anklagebank vor den Mar-
burger Geschworenen birgt für ihn schmerzliche Erinne-
rungen. Die Vorahnung der vergitterten Fenster
preßt dem Organe der untersteirischen Hetzgeistlichkeit
folgende "freiwillige" Erklärung ab: "Wir wider-
rufen daher heute jene Nachricht im vollen Um-
fange und erklären, daß wir überhaupt Herrn Kan-
dolf
an seiner Ehre nicht schaden wollten, sondern
haben die Neuigkeit lediglich als gewöhnliche
Zeitungsnachricht gebracht." Vor allem müssen wir,
bemerkt hiezu die Cillier "D. W.", den "Slovenski
Gospodor" insoferne aus dem Traume helfen, als
wir feststellen, daß er überhaupt niemandem an
seiner Ehre schaden kann. Nach seiner Ansicht han-
delt es sich hier nicht um eine Ehrenbeleidigung,
sondern um das Verbrechen der Verleum-
dung.
Mit der albernen Bezeichnung "gewöhnliche
Zeitungsnachricht" ist Gospodar in diesem Falle
nicht zu retten, denn seine Lügennotiz hatte ja Ten-
denz in sich, welche dadurch charakterisiert wurde,
daß Herr Kandolf ausdrücklich als Deutscher
bezeichnet und daß behauptet wurde, die "Deutsche
Wacht" [h]ätte den Fall als "Blüte deutscher Kultur"
totgeschwiegen.

(Eine dreifache Kindesmörderin.)

Ueber die Ursache, welche die Maria Baumann
in St. Lorenzen am Draufelde zum Kindesmorde
bewog. finden wir in der "P. Z." eine andere
Lesart. Wie ihr berichtet wird, kam der gutgestellte
Grundbesitzer Anton Baumann Samstag abends
nachhause und klagte seiner Ehegattin Maria Bau-
mann, daß er sich verkühlt habe. Er legte sich zu
Bette, wurde jedoch in der Nacht wieder wach und
bemerkte, daß das Zimmerfenster offen war. Darob
erbittert, stellte er seine Ehegattin Maria Baumann
zur Rede, wobei es nach längerem Streite zu
Tätlichkeiten kam. Am Sonntag-Morgen konnte
Baumann wegen seines kränklichen Zustandes nicht
zur Frühmesse und er mußte das Bett hüten.
Maria Baumann rief nun, erbittert über die er-
littenen Tätlichkeiten, ihr 6jähriges Kind zu sich,
erfaßte das zweite, kaum zwei Jahre alte bei der
Hand und nahm auch den friedlich schlummernden
Säugling aus der Wiege. Mit den drei Kindern
ging sie zu einer kaum eine Viertelstunde entfernten
Lache und ertränkte dort alle drei Kinder, indem
sie dieselben solange unter Wasser hielt, bis sie er-
stickten. Nachdem sie sich überzeugt hatte, daß die
Kinder tot waren, sprang sie selber in das
Wasser,
um sich zu ertränken. Das Wasser war
jedoch für sie zu -- kalt und so ging sie nach
Hause und sagte dort angekommen: "Meine Kinder
sind in der Lache, geht sie holen!"

(Ein Pettauer Künstler.)

Der Pet-
tauer Künstler Herr A. Oswatisch, welcher län-
gere Zeit auf verschiedenen Kunstanstalten sein be-
deutendes Talent ausgebildet hat, hat beim Pet-
tauer Kaufmanne Herrn Kollenz zwei Bilder aus-
gestellt und hiemit abermals den Nachweis seiner
hervorragenden Begabung geliefert. "Das Mädchen
vor dem Spiegel" ist, wie die "Pettauer Zeitung"
schreibt, ein ganz allerliebstes Gemälde, welches bis
in die feinsten Nuanzen der Natur abgelauscht ist.
Nicht weniger gelungen ist ihm das zweite Bild
"Eine Studie." Wir rufen dem jungen vielverhei-
ßenden Pettauer Künstler zu: "Nur weiter auf dem
betretenen Wege, frisch auf zum weiteren Streben,
das bisherige hat wahrlich reichliche, schöne Früchte
getragen." Wir hoffen, daß sich für die überaus
gelungenen Bilder, zumal sie um einen verhältnis-
mäßig geringen Preis angeboten werden, bald auch
ein Käufer finden wird!

(Raubanfall.)

Am Sonntag verließ der
in Jahringtal in der Costa'schen Hube wohnende
[Spaltenumbruch] Meier Franz Schwab in Leitersberg das
Gasthaus, bezw. den Eigenbauweinschank des
Johann Nekrepp, um nach Hause zu gehen. Als er
sich -- es war um 11 Uhr nachts -- einige
Schritte vom Gasthause entfernte hatte und auf der
Reichsstraße ging, wurde er plötzlich von einigen
Burschen überfallen, zu Boden geworfen und seiner
Barschaft im Betrage von beläufig 8 Kr. beraubt,
worauf sich die Täter wieder entfernten. Den von
der k. k. Gendarmerie sofore eingeleiteten energischen
Nachforschungen dürfte es hoffentlich in Bälde
gelingen, die betreffenden Burschen festzunehmen.




Aus dem Gerichtssaale.
Eine Marburger Narodni dom-Geschichte.


In der Nacht vom 1. auf den 2. Juni d. J.
behauptete der als tschechischer allslavischer Agitator
und als Mithäuptling im Narodni dom bekannte
pensionierte Bahnexpedient und gegenwärtige Ver-
sicherungsagent Sagl im hiesigen Cafe "Meran",
der Schriftleiter der "Marburger Zeitung", Herr
Norbert Jahn, habe einige Stunden vorher in
ein Fenster des Narodni dom-Gasthauses einen
Stein geworfen. Da die mit dem Tschechen Sagl
an einem Tische Sitzenden dieser "Sensations-
nachricht", die den Stempel der Erfindung zu
deutlich trug, naturgemäß keinen Glauben schenkten,
entspann sich über diese Behauptung des Tschechen
Sagl eine lange Wechselrede, in deren Verlauf der
Tscheche Sagl zu wiederholtenmalen behauptete,
zwei windische Narodni dom-Gäste, hiesige win-
dische Gymnasiallehrer (!) hätten Herrn Norbert
Jahn als den Täter erkannt. Am nächsten
Tage gesellte sich der Tscheche Sagl in der
Burggasse zu dem hiesigen Berichterstatter des
"Grazer Volksblattes", Herrn Gstirner und be-
hauptete ihm gegenüber ebenfalls auf das Bestimm-
teste, Herr Jahn habe einen Stein in das Fenster
geworfen. Als Herr Gstirner hierüber seine berech-
tigtsten Zweifel ausdrückte, wiederholte der Tscheche
Sagl seine Behauptung mit den Worten: "Aber
wenn ich es Ihnen sage! Der Jahn hat es getan
und kein anderer!" Sagl forderte schließlich Herrn
Gstirner auf, den ganzen "Narodni dom"-Vorfall
mit dem Steinwurf im "Grazer Volksblatt"
zu veröffentlichen. Herr Gstirner ent-
gegnete ihm hierauf, daß er eine so schwere Be-
schuldigung ohne genügende Beweise unmöglich
seinem Blatte einsenden kann; außerdem glaube er
das, was ihm Sagl erzähle, nicht. Selbstverständ-
lich brachte der Schriftleiter unseres Blattes, als
er von den Behauptungen Sagls im Kaffeehause
erfuhr, durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Eduard
Glantschnigg gegen den Tschechen Sagl
sofort die Ehrenbeleidigungsklage ein, in welche
dann später, nach einigen Wochen, als auch die
Herrn Gstirner gegenüber gemachte Behauptung
Sagl's bekannt wurde, auch dieser Fall einbezogen
wurde. Kaum hatte der Tscheche Sagl erfahren,
daß er geklagt ist, als er auch schon einen niedlichen
Coup ausführte. Er richtete an die k. k. Staats-
anwaltschaft in Marburg eine Eingabe, in welcher
er um die Verfolgung des "Täters" ersuchte und zugleich
angab, ein Herr Ferd. Fischer in der Schillerstraße
könne der Staatsanwaltschaft die besten Auskünfte über
die Tathandlung des Herr Norbert Jahn geben,
nachdem Herr Fischer Herrn Jahn vor dem "Na-
rodni dom" am Steinwurfe hindern wollte, worauf
Herr Jahn Herrn Fischer einen derartigen Faust-
schlag ins Gesicht versetzt habe, daß Herr Fischer
blutüberströmt zusammengebrochen
und betäubt liegen geblieben sei.
Kaum
war diese Anzeige an die Staatsanwaltschaft abge-
schickt, als der Tscheche Sagl zu Herrn Fischer
ging und demselben sagte, daß er eine Vorladung
zum Kreisgerichte bekommen werde. Herr Sagl
verständigte Herrn Fischer von allem und sagte
schließlich beim Fortgehen zu ihm (wie Herr Fischer
später beim Kreisgerichte zu Protokoll gab): "Herr
Fischer, lassen Sie mich beim Gericht nicht
schwimmen!
Ich kann Ihnen mehr helfen als
ein anderer! Ich kann Ihnen eine gute
Stelle als Verwalter in Galizien ver-
schaffen.
" Herr Fischer erklärte jedoch, auf die
galizische "Stelle" des Tschechen Sagl gerne zu
verzichten. Naturgemäß leitete die Staatsanwalt-
schaft in Folge der Anzeige des Tschechen Sagl
gegen den Schriftleiter unseres Blattes die Unter-
suchung ein. Herr Fischer wurde einvernommen und
gab vor dem Untersuchungsrichter zu Protokoll,
daß er weder in jener noch einer sonstigen Nacht
[Spaltenumbruch] in oder vor dem Narodni dom war, am wenigsten
aber mit Herrn Jahn, daß er ferners schon um
halb 10 Uhr abends, also 21/2 Stunden vor dem
angeblichen Scheibeneinwurf, mit seiner Familie
zu Bette gegangen war und daß schließlich und in-
folge dessen die schauerliche Angabe, Herr Jahn habe
ihn derart niedergeschlagen, daß er blutüberströmt und
bewußtlos liegen geblieben (!) sei, vom Anfange bis
zum Ende frei erfunden und erlogen ist. Das
Ergebnis der Untersuchung (die windischen Lehrer am
Gymnasium und an der Lehrerbildungsanstalt,
welche damals im "Narodni dom" waren, gaben
alles windisch zu Protokoll!) war natürlich ein
derartiges, daß die Untersuchung gegen Herrn
Jahn eingestellt werden mußte, worauf in die
Ehrenbeleidigungsklage beim Bezirksgerichte einge-
gangen wurde. Es würde zu weit führen, alle Schach-
züge und Vertagungen, welche vonseite der geklagten
Seite (Vertreter Dr. Rosina) durchgeführt, bezw.
beantragt wurden, zu schildern. Es fanden drei
Verhandlungen statt. Sämtlichen Zeugen stritt
der Tscheche Sagl ins Gesicht hinein ab, die
unter Anklage stehenden Aeußerungen gemacht zu
haben, suchte jedoch, ohne zu erklären, daß er einen
Wahrheitsbeweis für seine Aeußerungeu führen
wolle, durch Vorladung von Narodni dom-Gästen
die ganze Angelegenheit auf eine andere Grundlage
zu bringen. Gestern nachmittags um 4 Uhr begann
nach 2maliger Vertagung die Schlußverhandlung. Als
Richter amtete diesmal Herr Gerichtssekretär Kapun,
während in den beiden früheren Verhandlungen Herr
Gerichtssekretär Wenedikter die Verhandlung
führte. Bei dieser Verhandlung stellte es sich heraus,
daß der tschechische allslavische Agitator kein
Wort slovenisch versteht
und sich daher
der deutschen Sprache bedienen muß, wenn er
im "Narodni dom" mit den windischen Häuptlingen los-
zieht. Der Richter fragt ihn auf das Eindringlichste, ob
er für seine Behauptung, Herr Jahn habe einen Stein
in den "Narodni dom" geworfen, den Wahrheits-,
bezw. Wahrscheinlichkeitsbeweis führen
könne oder wolle. Sagl mußte erklären, daß er
dies nicht im geringsten zu tun imstande sei;
er bestreite, überhaupt gegen Herrn Jahn diese Beschul-
digung erhoben zu haben. Auf Grund der den Ange-
klagten jedoch überführenden Zeugenaussagen
wurde Sagl vom Richter schuldig gesprochen
und zu einer Geldstrafe von zweihundert
Kronen,
sowie zum Ersatze sämtlicher Gerichts-
kosten, im Nichteinbringungsfalle zu 10 Tagen
Arrest, verbunden mit zwei Fasttagen, ver-
urteilt.
Die Vertretung des Klägers hatte Herr
Dr. Eduard Glantschnigg inne.




[irrelevantes Material]

Nr. 96, 12. Auguſt 1902. Marburger Zeitung

[Spaltenumbruch] betraut worden ſein; dieſe Bauunternehmung hat
auch ſeinerzeit die Bahn Gonobitz—Pöltſchach ge-
baut. Der raſchen Baudurchführung kann man
entnehmen, daß die Südbahngeſellſchaft ergiebige
Kohlenlager bei Gonobitz aufgeſchloſſen hat und
den Betrieb im großen Maßſtab einleiten wird.
Die Kohle iſt Steinkohle von vorzüglicher Qualität
und übertrifft ſelbſt die Oſtrauer Kohle an
Kaloriengehalt.

(Auch ein Widerruf.)

Infolge der bereits
charakteriſierten Nachricht des „Slovenski Goſpodar“,
wonach der Cillier ſtädtiſche Maſchiniſt Kandolf
einen Kutſcher erſchlagen haben ſoll, wurden über
Veranlaſſung der Staatsanwaltſchaft Cilli gegen
Kandolf die Vorerhebungen wegen Verbrechens des
Totſchlages eingeleitet. Wie ſchon einmal erwähnt,
iſt dieſe Notiz nichts anderes, als eine frivole,
gewiſſenloſe Erfindung eines verkommenen Pfaffen.
Dem „Slovenski Goſpodar“ wird nun ſelbſt angſt
und bange, denn die Anklagebank vor den Mar-
burger Geſchworenen birgt für ihn ſchmerzliche Erinne-
rungen. Die Vorahnung der vergitterten Fenſter
preßt dem Organe der unterſteiriſchen Hetzgeiſtlichkeit
folgende „freiwillige“ Erklärung ab: „Wir wider-
rufen daher heute jene Nachricht im vollen Um-
fange und erklären, daß wir überhaupt Herrn Kan-
dolf
an ſeiner Ehre nicht ſchaden wollten, ſondern
haben die Neuigkeit lediglich als gewöhnliche
Zeitungsnachricht gebracht.“ Vor allem müſſen wir,
bemerkt hiezu die Cillier „D. W.“, den „Slovenski
Goſpodor“ inſoferne aus dem Traume helfen, als
wir feſtſtellen, daß er überhaupt niemandem an
ſeiner Ehre ſchaden kann. Nach ſeiner Anſicht han-
delt es ſich hier nicht um eine Ehrenbeleidigung,
ſondern um das Verbrechen der Verleum-
dung.
Mit der albernen Bezeichnung „gewöhnliche
Zeitungsnachricht“ iſt Goſpodar in dieſem Falle
nicht zu retten, denn ſeine Lügennotiz hatte ja Ten-
denz in ſich, welche dadurch charakteriſiert wurde,
daß Herr Kandolf ausdrücklich als Deutſcher
bezeichnet und daß behauptet wurde, die „Deutſche
Wacht“ [h]ätte den Fall als „Blüte deutſcher Kultur“
totgeſchwiegen.

(Eine dreifache Kindesmörderin.)

Ueber die Urſache, welche die Maria Baumann
in St. Lorenzen am Draufelde zum Kindesmorde
bewog. finden wir in der „P. Z.“ eine andere
Lesart. Wie ihr berichtet wird, kam der gutgeſtellte
Grundbeſitzer Anton Baumann Samstag abends
nachhauſe und klagte ſeiner Ehegattin Maria Bau-
mann, daß er ſich verkühlt habe. Er legte ſich zu
Bette, wurde jedoch in der Nacht wieder wach und
bemerkte, daß das Zimmerfenſter offen war. Darob
erbittert, ſtellte er ſeine Ehegattin Maria Baumann
zur Rede, wobei es nach längerem Streite zu
Tätlichkeiten kam. Am Sonntag-Morgen konnte
Baumann wegen ſeines kränklichen Zuſtandes nicht
zur Frühmeſſe und er mußte das Bett hüten.
Maria Baumann rief nun, erbittert über die er-
littenen Tätlichkeiten, ihr 6jähriges Kind zu ſich,
erfaßte das zweite, kaum zwei Jahre alte bei der
Hand und nahm auch den friedlich ſchlummernden
Säugling aus der Wiege. Mit den drei Kindern
ging ſie zu einer kaum eine Viertelſtunde entfernten
Lache und ertränkte dort alle drei Kinder, indem
ſie dieſelben ſolange unter Waſſer hielt, bis ſie er-
ſtickten. Nachdem ſie ſich überzeugt hatte, daß die
Kinder tot waren, ſprang ſie ſelber in das
Waſſer,
um ſich zu ertränken. Das Waſſer war
jedoch für ſie zu — kalt und ſo ging ſie nach
Hauſe und ſagte dort angekommen: „Meine Kinder
ſind in der Lache, geht ſie holen!“

(Ein Pettauer Künſtler.)

Der Pet-
tauer Künſtler Herr A. Oswatiſch, welcher län-
gere Zeit auf verſchiedenen Kunſtanſtalten ſein be-
deutendes Talent ausgebildet hat, hat beim Pet-
tauer Kaufmanne Herrn Kollenz zwei Bilder aus-
geſtellt und hiemit abermals den Nachweis ſeiner
hervorragenden Begabung geliefert. „Das Mädchen
vor dem Spiegel“ iſt, wie die „Pettauer Zeitung“
ſchreibt, ein ganz allerliebſtes Gemälde, welches bis
in die feinſten Nuanzen der Natur abgelauſcht iſt.
Nicht weniger gelungen iſt ihm das zweite Bild
„Eine Studie.“ Wir rufen dem jungen vielverhei-
ßenden Pettauer Künſtler zu: „Nur weiter auf dem
betretenen Wege, friſch auf zum weiteren Streben,
das bisherige hat wahrlich reichliche, ſchöne Früchte
getragen.“ Wir hoffen, daß ſich für die überaus
gelungenen Bilder, zumal ſie um einen verhältnis-
mäßig geringen Preis angeboten werden, bald auch
ein Käufer finden wird!

(Raubanfall.)

Am Sonntag verließ der
in Jahringtal in der Coſta’ſchen Hube wohnende
[Spaltenumbruch] Meier Franz Schwab in Leitersberg das
Gaſthaus, bezw. den Eigenbauweinſchank des
Johann Nekrepp, um nach Hauſe zu gehen. Als er
ſich — es war um 11 Uhr nachts — einige
Schritte vom Gaſthauſe entfernte hatte und auf der
Reichsſtraße ging, wurde er plötzlich von einigen
Burſchen überfallen, zu Boden geworfen und ſeiner
Barſchaft im Betrage von beläufig 8 Kr. beraubt,
worauf ſich die Täter wieder entfernten. Den von
der k. k. Gendarmerie ſofore eingeleiteten energiſchen
Nachforſchungen dürfte es hoffentlich in Bälde
gelingen, die betreffenden Burſchen feſtzunehmen.




Aus dem Gerichtsſaale.
Eine Marburger Narodni dom-Geſchichte.


In der Nacht vom 1. auf den 2. Juni d. J.
behauptete der als tſchechiſcher allſlaviſcher Agitator
und als Mithäuptling im Narodni dom bekannte
penſionierte Bahnexpedient und gegenwärtige Ver-
ſicherungsagent Sagl im hieſigen Café „Meran“,
der Schriftleiter der „Marburger Zeitung“, Herr
Norbert Jahn, habe einige Stunden vorher in
ein Fenſter des Narodni dom-Gaſthauſes einen
Stein geworfen. Da die mit dem Tſchechen Sagl
an einem Tiſche Sitzenden dieſer „Senſations-
nachricht“, die den Stempel der Erfindung zu
deutlich trug, naturgemäß keinen Glauben ſchenkten,
entſpann ſich über dieſe Behauptung des Tſchechen
Sagl eine lange Wechſelrede, in deren Verlauf der
Tſcheche Sagl zu wiederholtenmalen behauptete,
zwei windiſche Narodni dom-Gäſte, hieſige win-
diſche Gymnaſiallehrer (!) hätten Herrn Norbert
Jahn als den Täter erkannt. Am nächſten
Tage geſellte ſich der Tſcheche Sagl in der
Burggaſſe zu dem hieſigen Berichterſtatter des
„Grazer Volksblattes“, Herrn Gſtirner und be-
hauptete ihm gegenüber ebenfalls auf das Beſtimm-
teſte, Herr Jahn habe einen Stein in das Fenſter
geworfen. Als Herr Gſtirner hierüber ſeine berech-
tigtſten Zweifel ausdrückte, wiederholte der Tſcheche
Sagl ſeine Behauptung mit den Worten: „Aber
wenn ich es Ihnen ſage! Der Jahn hat es getan
und kein anderer!“ Sagl forderte ſchließlich Herrn
Gſtirner auf, den ganzen „Narodni dom“-Vorfall
mit dem Steinwurf im „Grazer Volksblatt“
zu veröffentlichen. Herr Gſtirner ent-
gegnete ihm hierauf, daß er eine ſo ſchwere Be-
ſchuldigung ohne genügende Beweiſe unmöglich
ſeinem Blatte einſenden kann; außerdem glaube er
das, was ihm Sagl erzähle, nicht. Selbſtverſtänd-
lich brachte der Schriftleiter unſeres Blattes, als
er von den Behauptungen Sagls im Kaffeehauſe
erfuhr, durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Eduard
Glantſchnigg gegen den Tſchechen Sagl
ſofort die Ehrenbeleidigungsklage ein, in welche
dann ſpäter, nach einigen Wochen, als auch die
Herrn Gſtirner gegenüber gemachte Behauptung
Sagl’s bekannt wurde, auch dieſer Fall einbezogen
wurde. Kaum hatte der Tſcheche Sagl erfahren,
daß er geklagt iſt, als er auch ſchon einen niedlichen
Coup ausführte. Er richtete an die k. k. Staats-
anwaltſchaft in Marburg eine Eingabe, in welcher
er um die Verfolgung des „Täters“ erſuchte und zugleich
angab, ein Herr Ferd. Fiſcher in der Schillerſtraße
könne der Staatsanwaltſchaft die beſten Auskünfte über
die Tathandlung des Herr Norbert Jahn geben,
nachdem Herr Fiſcher Herrn Jahn vor dem „Na-
rodni dom“ am Steinwurfe hindern wollte, worauf
Herr Jahn Herrn Fiſcher einen derartigen Fauſt-
ſchlag ins Geſicht verſetzt habe, daß Herr Fiſcher
blutüberſtrömt zuſammengebrochen
und betäubt liegen geblieben ſei.
Kaum
war dieſe Anzeige an die Staatsanwaltſchaft abge-
ſchickt, als der Tſcheche Sagl zu Herrn Fiſcher
ging und demſelben ſagte, daß er eine Vorladung
zum Kreisgerichte bekommen werde. Herr Sagl
verſtändigte Herrn Fiſcher von allem und ſagte
ſchließlich beim Fortgehen zu ihm (wie Herr Fiſcher
ſpäter beim Kreisgerichte zu Protokoll gab): „Herr
Fiſcher, laſſen Sie mich beim Gericht nicht
ſchwimmen!
Ich kann Ihnen mehr helfen als
ein anderer! Ich kann Ihnen eine gute
Stelle als Verwalter in Galizien ver-
ſchaffen.
“ Herr Fiſcher erklärte jedoch, auf die
galiziſche „Stelle“ des Tſchechen Sagl gerne zu
verzichten. Naturgemäß leitete die Staatsanwalt-
ſchaft in Folge der Anzeige des Tſchechen Sagl
gegen den Schriftleiter unſeres Blattes die Unter-
ſuchung ein. Herr Fiſcher wurde einvernommen und
gab vor dem Unterſuchungsrichter zu Protokoll,
daß er weder in jener noch einer ſonſtigen Nacht
[Spaltenumbruch] in oder vor dem Narodni dom war, am wenigſten
aber mit Herrn Jahn, daß er ferners ſchon um
halb 10 Uhr abends, alſo 2½ Stunden vor dem
angeblichen Scheibeneinwurf, mit ſeiner Familie
zu Bette gegangen war und daß ſchließlich und in-
folge deſſen die ſchauerliche Angabe, Herr Jahn habe
ihn derart niedergeſchlagen, daß er blutüberſtrömt und
bewußtlos liegen geblieben (!) ſei, vom Anfange bis
zum Ende frei erfunden und erlogen iſt. Das
Ergebnis der Unterſuchung (die windiſchen Lehrer am
Gymnaſium und an der Lehrerbildungsanſtalt,
welche damals im „Narodni dom“ waren, gaben
alles windiſch zu Protokoll!) war natürlich ein
derartiges, daß die Unterſuchung gegen Herrn
Jahn eingeſtellt werden mußte, worauf in die
Ehrenbeleidigungsklage beim Bezirksgerichte einge-
gangen wurde. Es würde zu weit führen, alle Schach-
züge und Vertagungen, welche vonſeite der geklagten
Seite (Vertreter Dr. Roſina) durchgeführt, bezw.
beantragt wurden, zu ſchildern. Es fanden drei
Verhandlungen ſtatt. Sämtlichen Zeugen ſtritt
der Tſcheche Sagl ins Geſicht hinein ab, die
unter Anklage ſtehenden Aeußerungen gemacht zu
haben, ſuchte jedoch, ohne zu erklären, daß er einen
Wahrheitsbeweis für ſeine Aeußerungeu führen
wolle, durch Vorladung von Narodni dom-Gäſten
die ganze Angelegenheit auf eine andere Grundlage
zu bringen. Geſtern nachmittags um 4 Uhr begann
nach 2maliger Vertagung die Schlußverhandlung. Als
Richter amtete diesmal Herr Gerichtsſekretär Kapun,
während in den beiden früheren Verhandlungen Herr
Gerichtsſekretär Wenedikter die Verhandlung
führte. Bei dieſer Verhandlung ſtellte es ſich heraus,
daß der tſchechiſche allſlaviſche Agitator kein
Wort ſloveniſch verſteht
und ſich daher
der deutſchen Sprache bedienen muß, wenn er
im „Narodni dom“ mit den windiſchen Häuptlingen los-
zieht. Der Richter fragt ihn auf das Eindringlichſte, ob
er für ſeine Behauptung, Herr Jahn habe einen Stein
in den „Narodni dom“ geworfen, den Wahrheits-,
bezw. Wahrſcheinlichkeitsbeweis führen
könne oder wolle. Sagl mußte erklären, daß er
dies nicht im geringſten zu tun imſtande ſei;
er beſtreite, überhaupt gegen Herrn Jahn dieſe Beſchul-
digung erhoben zu haben. Auf Grund der den Ange-
klagten jedoch überführenden Zeugenausſagen
wurde Sagl vom Richter ſchuldig geſprochen
und zu einer Geldſtrafe von zweihundert
Kronen,
ſowie zum Erſatze ſämtlicher Gerichts-
koſten, im Nichteinbringungsfalle zu 10 Tagen
Arreſt, verbunden mit zwei Faſttagen, ver-
urteilt.
Die Vertretung des Klägers hatte Herr
Dr. Eduard Glantſchnigg inne.




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[5/0005] Nr. 96, 12. Auguſt 1902. Marburger Zeitung betraut worden ſein; dieſe Bauunternehmung hat auch ſeinerzeit die Bahn Gonobitz—Pöltſchach ge- baut. Der raſchen Baudurchführung kann man entnehmen, daß die Südbahngeſellſchaft ergiebige Kohlenlager bei Gonobitz aufgeſchloſſen hat und den Betrieb im großen Maßſtab einleiten wird. Die Kohle iſt Steinkohle von vorzüglicher Qualität und übertrifft ſelbſt die Oſtrauer Kohle an Kaloriengehalt. (Auch ein Widerruf.) Infolge der bereits charakteriſierten Nachricht des „Slovenski Goſpodar“, wonach der Cillier ſtädtiſche Maſchiniſt Kandolf einen Kutſcher erſchlagen haben ſoll, wurden über Veranlaſſung der Staatsanwaltſchaft Cilli gegen Kandolf die Vorerhebungen wegen Verbrechens des Totſchlages eingeleitet. Wie ſchon einmal erwähnt, iſt dieſe Notiz nichts anderes, als eine frivole, gewiſſenloſe Erfindung eines verkommenen Pfaffen. Dem „Slovenski Goſpodar“ wird nun ſelbſt angſt und bange, denn die Anklagebank vor den Mar- burger Geſchworenen birgt für ihn ſchmerzliche Erinne- rungen. Die Vorahnung der vergitterten Fenſter preßt dem Organe der unterſteiriſchen Hetzgeiſtlichkeit folgende „freiwillige“ Erklärung ab: „Wir wider- rufen daher heute jene Nachricht im vollen Um- fange und erklären, daß wir überhaupt Herrn Kan- dolf an ſeiner Ehre nicht ſchaden wollten, ſondern haben die Neuigkeit lediglich als gewöhnliche Zeitungsnachricht gebracht.“ Vor allem müſſen wir, bemerkt hiezu die Cillier „D. W.“, den „Slovenski Goſpodor“ inſoferne aus dem Traume helfen, als wir feſtſtellen, daß er überhaupt niemandem an ſeiner Ehre ſchaden kann. Nach ſeiner Anſicht han- delt es ſich hier nicht um eine Ehrenbeleidigung, ſondern um das Verbrechen der Verleum- dung. Mit der albernen Bezeichnung „gewöhnliche Zeitungsnachricht“ iſt Goſpodar in dieſem Falle nicht zu retten, denn ſeine Lügennotiz hatte ja Ten- denz in ſich, welche dadurch charakteriſiert wurde, daß Herr Kandolf ausdrücklich als Deutſcher bezeichnet und daß behauptet wurde, die „Deutſche Wacht“ hätte den Fall als „Blüte deutſcher Kultur“ totgeſchwiegen. (Eine dreifache Kindesmörderin.) Ueber die Urſache, welche die Maria Baumann in St. Lorenzen am Draufelde zum Kindesmorde bewog. finden wir in der „P. Z.“ eine andere Lesart. Wie ihr berichtet wird, kam der gutgeſtellte Grundbeſitzer Anton Baumann Samstag abends nachhauſe und klagte ſeiner Ehegattin Maria Bau- mann, daß er ſich verkühlt habe. Er legte ſich zu Bette, wurde jedoch in der Nacht wieder wach und bemerkte, daß das Zimmerfenſter offen war. Darob erbittert, ſtellte er ſeine Ehegattin Maria Baumann zur Rede, wobei es nach längerem Streite zu Tätlichkeiten kam. Am Sonntag-Morgen konnte Baumann wegen ſeines kränklichen Zuſtandes nicht zur Frühmeſſe und er mußte das Bett hüten. Maria Baumann rief nun, erbittert über die er- littenen Tätlichkeiten, ihr 6jähriges Kind zu ſich, erfaßte das zweite, kaum zwei Jahre alte bei der Hand und nahm auch den friedlich ſchlummernden Säugling aus der Wiege. Mit den drei Kindern ging ſie zu einer kaum eine Viertelſtunde entfernten Lache und ertränkte dort alle drei Kinder, indem ſie dieſelben ſolange unter Waſſer hielt, bis ſie er- ſtickten. Nachdem ſie ſich überzeugt hatte, daß die Kinder tot waren, ſprang ſie ſelber in das Waſſer, um ſich zu ertränken. Das Waſſer war jedoch für ſie zu — kalt und ſo ging ſie nach Hauſe und ſagte dort angekommen: „Meine Kinder ſind in der Lache, geht ſie holen!“ (Ein Pettauer Künſtler.) Der Pet- tauer Künſtler Herr A. Oswatiſch, welcher län- gere Zeit auf verſchiedenen Kunſtanſtalten ſein be- deutendes Talent ausgebildet hat, hat beim Pet- tauer Kaufmanne Herrn Kollenz zwei Bilder aus- geſtellt und hiemit abermals den Nachweis ſeiner hervorragenden Begabung geliefert. „Das Mädchen vor dem Spiegel“ iſt, wie die „Pettauer Zeitung“ ſchreibt, ein ganz allerliebſtes Gemälde, welches bis in die feinſten Nuanzen der Natur abgelauſcht iſt. Nicht weniger gelungen iſt ihm das zweite Bild „Eine Studie.“ Wir rufen dem jungen vielverhei- ßenden Pettauer Künſtler zu: „Nur weiter auf dem betretenen Wege, friſch auf zum weiteren Streben, das bisherige hat wahrlich reichliche, ſchöne Früchte getragen.“ Wir hoffen, daß ſich für die überaus gelungenen Bilder, zumal ſie um einen verhältnis- mäßig geringen Preis angeboten werden, bald auch ein Käufer finden wird! (Raubanfall.) Am Sonntag verließ der in Jahringtal in der Coſta’ſchen Hube wohnende Meier Franz Schwab in Leitersberg das Gaſthaus, bezw. den Eigenbauweinſchank des Johann Nekrepp, um nach Hauſe zu gehen. Als er ſich — es war um 11 Uhr nachts — einige Schritte vom Gaſthauſe entfernte hatte und auf der Reichsſtraße ging, wurde er plötzlich von einigen Burſchen überfallen, zu Boden geworfen und ſeiner Barſchaft im Betrage von beläufig 8 Kr. beraubt, worauf ſich die Täter wieder entfernten. Den von der k. k. Gendarmerie ſofore eingeleiteten energiſchen Nachforſchungen dürfte es hoffentlich in Bälde gelingen, die betreffenden Burſchen feſtzunehmen. Aus dem Gerichtsſaale. Eine Marburger Narodni dom-Geſchichte. Marburg, 12. Auguſt. In der Nacht vom 1. auf den 2. Juni d. J. behauptete der als tſchechiſcher allſlaviſcher Agitator und als Mithäuptling im Narodni dom bekannte penſionierte Bahnexpedient und gegenwärtige Ver- ſicherungsagent Sagl im hieſigen Café „Meran“, der Schriftleiter der „Marburger Zeitung“, Herr Norbert Jahn, habe einige Stunden vorher in ein Fenſter des Narodni dom-Gaſthauſes einen Stein geworfen. Da die mit dem Tſchechen Sagl an einem Tiſche Sitzenden dieſer „Senſations- nachricht“, die den Stempel der Erfindung zu deutlich trug, naturgemäß keinen Glauben ſchenkten, entſpann ſich über dieſe Behauptung des Tſchechen Sagl eine lange Wechſelrede, in deren Verlauf der Tſcheche Sagl zu wiederholtenmalen behauptete, zwei windiſche Narodni dom-Gäſte, hieſige win- diſche Gymnaſiallehrer (!) hätten Herrn Norbert Jahn als den Täter erkannt. Am nächſten Tage geſellte ſich der Tſcheche Sagl in der Burggaſſe zu dem hieſigen Berichterſtatter des „Grazer Volksblattes“, Herrn Gſtirner und be- hauptete ihm gegenüber ebenfalls auf das Beſtimm- teſte, Herr Jahn habe einen Stein in das Fenſter geworfen. Als Herr Gſtirner hierüber ſeine berech- tigtſten Zweifel ausdrückte, wiederholte der Tſcheche Sagl ſeine Behauptung mit den Worten: „Aber wenn ich es Ihnen ſage! Der Jahn hat es getan und kein anderer!“ Sagl forderte ſchließlich Herrn Gſtirner auf, den ganzen „Narodni dom“-Vorfall mit dem Steinwurf im „Grazer Volksblatt“ zu veröffentlichen. Herr Gſtirner ent- gegnete ihm hierauf, daß er eine ſo ſchwere Be- ſchuldigung ohne genügende Beweiſe unmöglich ſeinem Blatte einſenden kann; außerdem glaube er das, was ihm Sagl erzähle, nicht. Selbſtverſtänd- lich brachte der Schriftleiter unſeres Blattes, als er von den Behauptungen Sagls im Kaffeehauſe erfuhr, durch Herrn Rechtsanwalt Dr. Eduard Glantſchnigg gegen den Tſchechen Sagl ſofort die Ehrenbeleidigungsklage ein, in welche dann ſpäter, nach einigen Wochen, als auch die Herrn Gſtirner gegenüber gemachte Behauptung Sagl’s bekannt wurde, auch dieſer Fall einbezogen wurde. Kaum hatte der Tſcheche Sagl erfahren, daß er geklagt iſt, als er auch ſchon einen niedlichen Coup ausführte. Er richtete an die k. k. Staats- anwaltſchaft in Marburg eine Eingabe, in welcher er um die Verfolgung des „Täters“ erſuchte und zugleich angab, ein Herr Ferd. Fiſcher in der Schillerſtraße könne der Staatsanwaltſchaft die beſten Auskünfte über die Tathandlung des Herr Norbert Jahn geben, nachdem Herr Fiſcher Herrn Jahn vor dem „Na- rodni dom“ am Steinwurfe hindern wollte, worauf Herr Jahn Herrn Fiſcher einen derartigen Fauſt- ſchlag ins Geſicht verſetzt habe, daß Herr Fiſcher blutüberſtrömt zuſammengebrochen und betäubt liegen geblieben ſei. Kaum war dieſe Anzeige an die Staatsanwaltſchaft abge- ſchickt, als der Tſcheche Sagl zu Herrn Fiſcher ging und demſelben ſagte, daß er eine Vorladung zum Kreisgerichte bekommen werde. Herr Sagl verſtändigte Herrn Fiſcher von allem und ſagte ſchließlich beim Fortgehen zu ihm (wie Herr Fiſcher ſpäter beim Kreisgerichte zu Protokoll gab): „Herr Fiſcher, laſſen Sie mich beim Gericht nicht ſchwimmen! Ich kann Ihnen mehr helfen als ein anderer! Ich kann Ihnen eine gute Stelle als Verwalter in Galizien ver- ſchaffen.“ Herr Fiſcher erklärte jedoch, auf die galiziſche „Stelle“ des Tſchechen Sagl gerne zu verzichten. Naturgemäß leitete die Staatsanwalt- ſchaft in Folge der Anzeige des Tſchechen Sagl gegen den Schriftleiter unſeres Blattes die Unter- ſuchung ein. Herr Fiſcher wurde einvernommen und gab vor dem Unterſuchungsrichter zu Protokoll, daß er weder in jener noch einer ſonſtigen Nacht in oder vor dem Narodni dom war, am wenigſten aber mit Herrn Jahn, daß er ferners ſchon um halb 10 Uhr abends, alſo 2½ Stunden vor dem angeblichen Scheibeneinwurf, mit ſeiner Familie zu Bette gegangen war und daß ſchließlich und in- folge deſſen die ſchauerliche Angabe, Herr Jahn habe ihn derart niedergeſchlagen, daß er blutüberſtrömt und bewußtlos liegen geblieben (!) ſei, vom Anfange bis zum Ende frei erfunden und erlogen iſt. Das Ergebnis der Unterſuchung (die windiſchen Lehrer am Gymnaſium und an der Lehrerbildungsanſtalt, welche damals im „Narodni dom“ waren, gaben alles windiſch zu Protokoll!) war natürlich ein derartiges, daß die Unterſuchung gegen Herrn Jahn eingeſtellt werden mußte, worauf in die Ehrenbeleidigungsklage beim Bezirksgerichte einge- gangen wurde. Es würde zu weit führen, alle Schach- züge und Vertagungen, welche vonſeite der geklagten Seite (Vertreter Dr. Roſina) durchgeführt, bezw. beantragt wurden, zu ſchildern. Es fanden drei Verhandlungen ſtatt. Sämtlichen Zeugen ſtritt der Tſcheche Sagl ins Geſicht hinein ab, die unter Anklage ſtehenden Aeußerungen gemacht zu haben, ſuchte jedoch, ohne zu erklären, daß er einen Wahrheitsbeweis für ſeine Aeußerungeu führen wolle, durch Vorladung von Narodni dom-Gäſten die ganze Angelegenheit auf eine andere Grundlage zu bringen. Geſtern nachmittags um 4 Uhr begann nach 2maliger Vertagung die Schlußverhandlung. Als Richter amtete diesmal Herr Gerichtsſekretär Kapun, während in den beiden früheren Verhandlungen Herr Gerichtsſekretär Wenedikter die Verhandlung führte. Bei dieſer Verhandlung ſtellte es ſich heraus, daß der tſchechiſche allſlaviſche Agitator kein Wort ſloveniſch verſteht und ſich daher der deutſchen Sprache bedienen muß, wenn er im „Narodni dom“ mit den windiſchen Häuptlingen los- zieht. Der Richter fragt ihn auf das Eindringlichſte, ob er für ſeine Behauptung, Herr Jahn habe einen Stein in den „Narodni dom“ geworfen, den Wahrheits-, bezw. Wahrſcheinlichkeitsbeweis führen könne oder wolle. Sagl mußte erklären, daß er dies nicht im geringſten zu tun imſtande ſei; er beſtreite, überhaupt gegen Herrn Jahn dieſe Beſchul- digung erhoben zu haben. Auf Grund der den Ange- klagten jedoch überführenden Zeugenausſagen wurde Sagl vom Richter ſchuldig geſprochen und zu einer Geldſtrafe von zweihundert Kronen, ſowie zum Erſatze ſämtlicher Gerichts- koſten, im Nichteinbringungsfalle zu 10 Tagen Arreſt, verbunden mit zwei Faſttagen, ver- urteilt. Die Vertretung des Klägers hatte Herr Dr. Eduard Glantſchnigg inne. _

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 96, Marburg, 12.08.1902, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger96_1902/5>, abgerufen am 21.11.2024.