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Marburger Zeitung. Nr. 222, Marburg, 30.09.1917.

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Nr. 222, 30. September 1917 Marburger Zeitung

[Spaltenumbruch]

Führer des Hochverrates und seitdem lastet
das tschechisch-slawische Schwergewicht immer
drückender auf Österreich. Die Kramarsch, Rasin,
Koroschetz und Krek beherrschen die leiteuden
Faktoren, denen sie auch die Autonomie heraus-
preßten, den ersten gewaltigen Schritt auf dem
Wege, der im Kriege die Militärgerichte beschäftigte
und der nach Rußland und nach Serbien führt
und zum Ende des heutigen Österreichs. Man sieht
hier deutlich, auf welche Weise man in
Oesterreich Erfolge erzielt: Nur durch rücksichtsloses,
erpresserisches Drauflosgehen. Der Deutsche
Nationalverband
sieht dies fortwährend, aber
er vermag sich niemals dazu aufzuraffen, auch
nur einigermaßen das tschechisch-südslawische
Vorbild zugunsten unseres deutschen
Volkes nach zuahmen!
Der Deutsche National-
verband steht inmitten des Wirbels der Ereignisse
da wie ein Gelähmter und versäumt die Zeit und
jede Gelegenheit! Und in den Händen dieser
Männer ruht ein großer Teil der Geschicke des
deutschen Volkes in Osterreich!




Abgeordnetenhaus.
(4. Sitzung. Beginn 11 Uhr.)
Die Finanzvorlagen.

Da[s] Ringelspiel geht weiter, von den Finanz-
vorlagen
wird wie an den ersten Tagen noch
immer nicht gesprochen; das nationale
Tschechenmotiv beherrscht immer gewalt-
tätiger das Haus und dazwischen hinein klingen
auch südslawische Motive -- alte Lieder, nur noch
heißer, noch wilder als vor dem Kriege.

Der Abg. Schreiter sprach von deutscher
Selbsthilfe
gegenüber den tschechischen Umtrieben
und sagte: Wir erklären, daß wir entschlossen
sind, mit allen Mitteln und sei es auch mit
Aufopferung unserer Persönlichkeit, zu ver-
hindern, daß wir mit den Tschechen in
einen Staat eingepfercht werden.
-- Der
Abg. Hartl klagte die Regierung wegen ihrer die
Tschechen fördernden Haltung an. Was sich in den
tschechischen Gemeinden abspiele, sei eine
stille Revolution. Die Herren Klofac, Rafin,
Stanek und Genossen und ihre Anschauungen
beherrschen jetzt die tschechische Politik.

Die Tschechen rissen wieder den Mund auf;
der Abg. Sedlak beschwerte sich, weil der
Ministerpräsident vor den tschechischen Forderungen
nicht ganz umgefallen sei und der Abg. Kalina
setzte diese Arbeit fort. Abg. Domes (dentscher
Soz.) pries die "hochstehende Persönlichkeit" des
Dr. Adler (der wegen Menchelmord an dem
Ministerpräsidenten Stürgkh zum Tode verurteillt
und dann zu 20 Jahren Kerker begnadigt wurde)
und sagte, daß die Persönlichkeit des Abg. Wolf,
der sich über Adler ausgelassen habe, viel zu
niedrig stehe.

Der kärntnerische Abg. Hofer nahm sich der
Landwirtschaft an, worauf der Abg. v. Pogacnik
sofort mit südslawischen Quereleien einsetzte; der
Abg. Verstovschek hatte gar die eiserne Stirne,
die Abberufung aller deutschen Flücht-
linge
aus dem "slowenischen" Teile der
Steiermark
zu verlangen; sie seien von
früheren Regierungen zum Zwecke der Germani-
sierung in slowenische (!) Gebiete gebracht worden!
(Die deutschen Flüchtlinge müßte man in
Untersteier erst suchen, man wird ihrer nicht viele
finden; dagegen gibt uns dies Anlaß, gegen den
weiteren Anfenthalt der zu Sloweni-
sierungszwecken massenhaft nach
Untersteier gekommenen südslawischen
Flüchtlinge,
welche uns obendrein das Leben
verteuern, nachdrücklich Protest
zu
erheben!)

In dieser Sitzung brachten Abg. Seitz und
Genossen auch einen Antrag betreffend die Auf-
hebung der Todesstrafe
ein. (Ein bekanntes
französisches Zitat besagt: Mögen mit der Auf-
hebung der Tötung die Herren Mörder beginnen!)
-- Nächste Sitzung am 2. Oktober.




Der Justizausschuß verhandelte den Antrag
des Abg. Dr. Adolf Groß betreffend die Haftung
des Staates für von staatlichen Bediensteten
oder Militärpersonen in Ausübung des Dienstes
geübten Rechtsverletzungen.

Justizminister Dr. Ritter v. Schauer erklärte,
er werde den Versuch, zu einem guten Haftungs-
gesetz zu kommen, unterstützen. Die Regierung sei
bereit, in Verhandlungen mit Ungarn und dem
Kriegsministerium wegen Einführung der Ent-


[Spaltenumbruch]
Die Not der Zeit.

"Oesterreich-Ungarn besitzt noch große
wirtschaftlich unentwickelte Möglichkeiten und
unbehobene Schätze." (Großadmiral Tirpitz
über Oesterreich-Ungarn.)

Staatsmonopol oder Kartellwirtschaft.

Das Finanzprogramm unserer Regierung, ins-
besonders die Höhe unserer Staatsschulden müssen
auch jenen zu denken geben, die bisher gewohnt
waren, sich um die sogenannte Politik nicht zu
kümmern und die Sorge und die Arbeit den
schlechten Stand unserer Staatswirtschaft bessern
zu helfen, anderen überlassen haben. Es ist an der
Zeit oder eigentlich die höchste Zeit, nun endlich
einmal eine großzügige und straffe Volkswirtschafts-
politik anzubahnen. Gerade die Rede des Minister-
präsidenten enthielt einen Punkt, der von wirklich
ungeahnter Bedeutung für den österreichischen
Staatshaushalt werden könnte, wenn, ja wenn
wir nicht in Oesterreich leben würden.

In dieser Rubrik war schon einmal Gelegen-
heit, im allgemeinen auf die schädlichen Wirkungen
der Kartelle hinzuweisen. Jetzt muß im Besonderen
auf einen Anschlag, der gegen das Volksvermögen
geführt wird, gewiesen und die ungeheure
Gefahr, die dem Volke wie dem Staate droht, ins
rechte Licht gerückt werden. Das Regierungs-
programm spricht von einer Ueberlassung der öster-
reichischen Wasserkräfte an die Privatwirtschaft. Es
ist von Interesse, ein wenig die Folgen, die ein
[Spaltenumbruch] solches Beginnen haben würde, ins rechte Licht
zu rücken.

Staatsmonopol oder Kartellwirtschaft. Um
die beiden Pole dreht sich unser kommendes
Wirtschaftsleben. Die Monopolisierung irgend eines
Wirtschaftszweiges durch den Staat kann vielleicht
für den Konsumenten keine Verbilligung des
Verbrauchsgegenstandes bringen. Und doch ist sie
bei gleichen Umständen für das Volk günstiger
denn die Kartellwirtschaft, weil diese den Gebarungs-
überschuß nicht dem allgemeinen Wohle zuführt,
sondern lediglich zur Bereicherung einzelner Gruppen
dient. Die Kartellwirtschaft zieht noch den weiteren
Nachteil nach sich, daß an die Erzeugung meist
noch das Börsespiel angehängt wird, d. h. daß die
betreffende Industrie in einer Aktien-Gesellschaft
vereinigt wird, welche auch an der Börse noch mit
dem Heranziehen des Volkskapitals durch den
Ankauf der betreffenden Aktien rechnet.

Ein Staat, der sich und seinen Bürgern wohl
will, muß sich mit aller Entschiedenheit gegen das
Kartellwesen stemmen und alles um sich zur
eigenen Bewirtschaftung heranziehen, was zur
Hebung des Staatshaushaltes dient.

Deutschland geht mit der Elektrizitätsfrage
voran, weil es die Bewirtschaftung des Elektrizitäts-
wesens in seine eigene Hand nehmen will. Wir
haben einen ungleich größeren Reichtum an Wasser-
kräften und wollen sie der Ansbentung durch
Banken und A.-G. ausliefern.

Die Regierung, welche diese Tat begeht, lädt
eine Schuld auf sich, die untilgbar ist.




[Spaltenumbruch]

schädigung für ungerechtfertigte Ver-
urteilungen
durch die Militärgerichte ein-
zutreten.




Randglossen der Woche.
Die Luftangriffe auf England.

Das
Renterbüro meldet über den erfolgreichen Zeppelin-
angriff vom 25. September folgendes: Die feind-
lichen Luftschiffe versuchten sich mehreren verteidigten
Plätzen zu nähern, wurden aber durch Geschütz-
feuer vertrieben. Die Luftschiffe warfen Bomben
ab. In einer Küstenstadt wurden drei Frauen leicht
verletzt. Der Schaden ist gering.

Die Engländer scheinen für den Bericht über
Fliegerangriffe ein Formular zu besitzen, das immer
wieder abgedruckt wird. Diesmal fehlen allerdings
die obligaten verletzten zwei Kinder.




England sperrt die Ausfuhr nach Skandinavien
und Holland.

"Nationaltitende" teilt mit: Die
britische Regierung stellte auf Ersuchen der ameri-
kanischen Regierung vorläufig alle Ausfuhr nach
Skaudinavien und Holland ein.

Also auf Ersuchen Wilsons, bei dem jedes
zweite Wort "Menschlichkeit" ist, sollen die Holländer
und Skandinavier dem Hunger preisgegeben werden,
falls sie nicht vorziehen, sich der Entente anzu-
schließen.




Wieder neue Heeresfront-Kommandanten.

General Tscheremissow
ist zum Kommandanten der Nord- und General
Wolowtschenko als Nachfolger Tscheremissows zum
Kommandanten der Südwestfront ernannt worden.

Wenn der Krieg noch lange fortdauert, wird
schließlich jeder russische Soldat eine Zeit lang
Heeresfrontkommandant gewesen sein.




Schließung der Petersburger Hochschulen.

Das Unterrichtsministerium gibt bekannt, daß alle
Hochschulen in Petersburg mit Ausnahme der
medizinischen Fakultät für dieses Vorlesungsjahr
geschlossen werden.

Kerenskij ist vorsichtig. Es könnte ihm gefährlich
werden, wenn es in Rußland zu viel helle Köpfe gibt.




Die Duse geht zum Kino.

Italienische
Blätter melden: Eleonore Duse hat sich bereits
seit längerer Zeit von der Bühne zurückgezogen.
Demnächst werden aber ihre Bewunderer sie wieder
spielen sehen können, freilich nicht leibhaftig, sondern
nur auf der Leinwand, die heute die Welt bedeutet:
die Duse geht zum Film!

Da wird es bald Gabriele d'Annunzio-Rappaport
doppelt bedauern, daß er sich mit der liebesbedürftigen
alten Dame entzweit hat und sie nicht mehr schröpfen
kann.




Neue Rennställe.

In jüngster Zeit sind sowohl
auf den Galoppbahnen, wie beim Trabrennsport
[Spaltenumbruch] einige neue Rennställe aufgetaucht, was in erster
Linie auf die großen Wertverschiebungen durch
Kriegsgewinne usw. zurückzuführen sein dürfte.

Auch ein Zeichen der Zeit!




Von der Parlamentseröffnung.

Die neuen
Minister sind vollzählig im Hause erschienen. Die
Ministerbank mußte, um den Kabinettsmitgliedern
Platz zu gewähren, verlängert werden.

Ach, denkt mancher Abgeordneter, warum hat
man sie nicht noch mehr verlängert.




Der Nationalverband.

In einem Schreiben
Dobernigs an das "Grazer Tagblatt" heißt es u. a.
Der Nationalverband verhält sich nach wie vor
auch jetzt wieder zuwartend und will seine Stellung
zur Regierung nach deren Taten einrichten.

Das deutsche Volk wartet noch immer, um sich
seiner "Vertreter" endlich entledigen zu können.




Ein Ausschuß zur Förderung eines
baldigen Friedens.

Die Abgeordneten Dr. Wilhelm
Neumann und Genossen haben in der heutigen
Sitzung einen Antrag betreffend die Einsetzung
eines 25gliedrigen Ausschusses zur Förderung eines
baldigen Friedens eingebracht.

Diese Friedenswinsler, die uns den Krieg
verlängern, sollte man auf 14 Tage zu unseren
Frontsoldaten schicken. Natürlich ohne Diätenbezug.




Kurze Nachrichten.
Tod eines südslawischen Hochverräters.

In London ist der kroatische Landtagsabg. Franz
Supilo im Zustande der Geistesstörung gestorben.
Er war serbophil und flüchtete zu Kriegsbeginn
mit anderen seiner südslawischen Gesinnungsgenossen
ins feindliche Ausland, um dort den Zusammen-
bruch Österreichs abzuwarten. Den erlebte er aber
nicht mehr. Er war auch, wie der "Corriere della
Sera" schreibt, "einer der besteu Freunde Italiens
unter den Südslawen".

2 Millionen Mark für Brennholz.

Neben
Lebensmitteln will der Magistrat Berlin nun auch
Brennholz beschaffen. Der Magistrat fordert die
Stadtverordnetenversammlung auf, ihn zu ermächtigen,
vorläufig 2 Millionen Mark dafür zu veraus-
gaben.

Schwerer Fliegerunfall in Schweden.

Die
Fliegerleutnants Freiherr Bliren-Finecke und
von Pfeiff unternahmen einen Uebungsflug auf
dem Flugptatz Malmslätt bei Linköping. Nach der
Landung explodierte der Motor und beide Offiziere
verbrannten.

Drei Jahre Zuchthaus wegen Brotmarken-
fälschung.

Das Schwurgericht in Halle verurteilte
die beiden Berliner Arbeiter Franz Korus und
Karl Grefling zu je drei Jahren Zuchthaus und
fünf Jahren Ehrverlust, weil sie in Merseburg
Brotmarken in größeren Mengen gefälscht und an
Arbeiter der Leuna-Werke verkauft hatten.


Nr. 222, 30. September 1917 Marburger Zeitung

[Spaltenumbruch]

Führer des Hochverrates und ſeitdem laſtet
das tſchechiſch-ſlawiſche Schwergewicht immer
drückender auf Öſterreich. Die Kramarſch, Raſin,
Koroſchetz und Krek beherrſchen die leiteuden
Faktoren, denen ſie auch die Autonomie heraus-
preßten, den erſten gewaltigen Schritt auf dem
Wege, der im Kriege die Militärgerichte beſchäftigte
und der nach Rußland und nach Serbien führt
und zum Ende des heutigen Öſterreichs. Man ſieht
hier deutlich, auf welche Weiſe man in
Oeſterreich Erfolge erzielt: Nur durch rückſichtsloſes,
erpreſſeriſches Drauflosgehen. Der Deutſche
Nationalverband
ſieht dies fortwährend, aber
er vermag ſich niemals dazu aufzuraffen, auch
nur einigermaßen das tſchechiſch-ſüdſlawiſche
Vorbild zugunſten unſeres deutſchen
Volkes nach zuahmen!
Der Deutſche National-
verband ſteht inmitten des Wirbels der Ereigniſſe
da wie ein Gelähmter und verſäumt die Zeit und
jede Gelegenheit! Und in den Händen dieſer
Männer ruht ein großer Teil der Geſchicke des
deutſchen Volkes in Oſterreich!




Abgeordnetenhaus.
(4. Sitzung. Beginn 11 Uhr.)
Die Finanzvorlagen.

Da[ſ] Ringelſpiel geht weiter, von den Finanz-
vorlagen
wird wie an den erſten Tagen noch
immer nicht geſprochen; das nationale
Tſchechenmotiv beherrſcht immer gewalt-
tätiger das Haus und dazwiſchen hinein klingen
auch ſüdſlawiſche Motive — alte Lieder, nur noch
heißer, noch wilder als vor dem Kriege.

Der Abg. Schreiter ſprach von deutſcher
Selbſthilfe
gegenüber den tſchechiſchen Umtrieben
und ſagte: Wir erklären, daß wir entſchloſſen
ſind, mit allen Mitteln und ſei es auch mit
Aufopferung unſerer Perſönlichkeit, zu ver-
hindern, daß wir mit den Tſchechen in
einen Staat eingepfercht werden.
— Der
Abg. Hartl klagte die Regierung wegen ihrer die
Tſchechen fördernden Haltung an. Was ſich in den
tſchechiſchen Gemeinden abſpiele, ſei eine
ſtille Revolution. Die Herren Klofac, Rafin,
Stanek und Genoſſen und ihre Anſchauungen
beherrſchen jetzt die tſchechiſche Politik.

Die Tſchechen riſſen wieder den Mund auf;
der Abg. Sedlak beſchwerte ſich, weil der
Miniſterpräſident vor den tſchechiſchen Forderungen
nicht ganz umgefallen ſei und der Abg. Kalina
ſetzte dieſe Arbeit fort. Abg. Domes (dentſcher
Soz.) pries die „hochſtehende Perſönlichkeit“ des
Dr. Adler (der wegen Menchelmord an dem
Miniſterpräſidenten Stürgkh zum Tode verurteillt
und dann zu 20 Jahren Kerker begnadigt wurde)
und ſagte, daß die Perſönlichkeit des Abg. Wolf,
der ſich über Adler ausgelaſſen habe, viel zu
niedrig ſtehe.

Der kärntneriſche Abg. Hofer nahm ſich der
Landwirtſchaft an, worauf der Abg. v. Pogacnik
ſofort mit ſüdſlawiſchen Quereleien einſetzte; der
Abg. Verſtovſchek hatte gar die eiſerne Stirne,
die Abberufung aller deutſchen Flücht-
linge
aus dem „ſloweniſchen“ Teile der
Steiermark
zu verlangen; ſie ſeien von
früheren Regierungen zum Zwecke der Germani-
ſierung in ſloweniſche (!) Gebiete gebracht worden!
(Die deutſchen Flüchtlinge müßte man in
Unterſteier erſt ſuchen, man wird ihrer nicht viele
finden; dagegen gibt uns dies Anlaß, gegen den
weiteren Anfenthalt der zu Sloweni-
ſierungszwecken maſſenhaft nach
Unterſteier gekommenen ſüdſlawiſchen
Flüchtlinge,
welche uns obendrein das Leben
verteuern, nachdrücklich Proteſt
zu
erheben!)

In dieſer Sitzung brachten Abg. Seitz und
Genoſſen auch einen Antrag betreffend die Auf-
hebung der Todesſtrafe
ein. (Ein bekanntes
franzöſiſches Zitat beſagt: Mögen mit der Auf-
hebung der Tötung die Herren Mörder beginnen!)
— Nächſte Sitzung am 2. Oktober.




Der Juſtizausſchuß verhandelte den Antrag
des Abg. Dr. Adolf Groß betreffend die Haftung
des Staates für von ſtaatlichen Bedienſteten
oder Militärperſonen in Ausübung des Dienſtes
geübten Rechtsverletzungen.

Juſtizminiſter Dr. Ritter v. Schauer erklärte,
er werde den Verſuch, zu einem guten Haftungs-
geſetz zu kommen, unterſtützen. Die Regierung ſei
bereit, in Verhandlungen mit Ungarn und dem
Kriegsminiſterium wegen Einführung der Ent-


[Spaltenumbruch]
Die Not der Zeit.

„Oeſterreich-Ungarn beſitzt noch große
wirtſchaftlich unentwickelte Möglichkeiten und
unbehobene Schätze.“ (Großadmiral Tirpitz
über Oeſterreich-Ungarn.)

Staatsmonopol oder Kartellwirtſchaft.

Das Finanzprogramm unſerer Regierung, ins-
beſonders die Höhe unſerer Staatsſchulden müſſen
auch jenen zu denken geben, die bisher gewohnt
waren, ſich um die ſogenannte Politik nicht zu
kümmern und die Sorge und die Arbeit den
ſchlechten Stand unſerer Staatswirtſchaft beſſern
zu helfen, anderen überlaſſen haben. Es iſt an der
Zeit oder eigentlich die höchſte Zeit, nun endlich
einmal eine großzügige und ſtraffe Volkswirtſchafts-
politik anzubahnen. Gerade die Rede des Miniſter-
präſidenten enthielt einen Punkt, der von wirklich
ungeahnter Bedeutung für den öſterreichiſchen
Staatshaushalt werden könnte, wenn, ja wenn
wir nicht in Oeſterreich leben würden.

In dieſer Rubrik war ſchon einmal Gelegen-
heit, im allgemeinen auf die ſchädlichen Wirkungen
der Kartelle hinzuweiſen. Jetzt muß im Beſonderen
auf einen Anſchlag, der gegen das Volksvermögen
geführt wird, gewieſen und die ungeheure
Gefahr, die dem Volke wie dem Staate droht, ins
rechte Licht gerückt werden. Das Regierungs-
programm ſpricht von einer Ueberlaſſung der öſter-
reichiſchen Waſſerkräfte an die Privatwirtſchaft. Es
iſt von Intereſſe, ein wenig die Folgen, die ein
[Spaltenumbruch] ſolches Beginnen haben würde, ins rechte Licht
zu rücken.

Staatsmonopol oder Kartellwirtſchaft. Um
die beiden Pole dreht ſich unſer kommendes
Wirtſchaftsleben. Die Monopoliſierung irgend eines
Wirtſchaftszweiges durch den Staat kann vielleicht
für den Konſumenten keine Verbilligung des
Verbrauchsgegenſtandes bringen. Und doch iſt ſie
bei gleichen Umſtänden für das Volk günſtiger
denn die Kartellwirtſchaft, weil dieſe den Gebarungs-
überſchuß nicht dem allgemeinen Wohle zuführt,
ſondern lediglich zur Bereicherung einzelner Gruppen
dient. Die Kartellwirtſchaft zieht noch den weiteren
Nachteil nach ſich, daß an die Erzeugung meiſt
noch das Börſeſpiel angehängt wird, d. h. daß die
betreffende Induſtrie in einer Aktien-Geſellſchaft
vereinigt wird, welche auch an der Börſe noch mit
dem Heranziehen des Volkskapitals durch den
Ankauf der betreffenden Aktien rechnet.

Ein Staat, der ſich und ſeinen Bürgern wohl
will, muß ſich mit aller Entſchiedenheit gegen das
Kartellweſen ſtemmen und alles um ſich zur
eigenen Bewirtſchaftung heranziehen, was zur
Hebung des Staatshaushaltes dient.

Deutſchland geht mit der Elektrizitätsfrage
voran, weil es die Bewirtſchaftung des Elektrizitäts-
weſens in ſeine eigene Hand nehmen will. Wir
haben einen ungleich größeren Reichtum an Waſſer-
kräften und wollen ſie der Ansbentung durch
Banken und A.-G. ausliefern.

Die Regierung, welche dieſe Tat begeht, lädt
eine Schuld auf ſich, die untilgbar iſt.




[Spaltenumbruch]

ſchädigung für ungerechtfertigte Ver-
urteilungen
durch die Militärgerichte ein-
zutreten.




Randgloſſen der Woche.
Die Luftangriffe auf England.

Das
Renterbüro meldet über den erfolgreichen Zeppelin-
angriff vom 25. September folgendes: Die feind-
lichen Luftſchiffe verſuchten ſich mehreren verteidigten
Plätzen zu nähern, wurden aber durch Geſchütz-
feuer vertrieben. Die Luftſchiffe warfen Bomben
ab. In einer Küſtenſtadt wurden drei Frauen leicht
verletzt. Der Schaden iſt gering.

Die Engländer ſcheinen für den Bericht über
Fliegerangriffe ein Formular zu beſitzen, das immer
wieder abgedruckt wird. Diesmal fehlen allerdings
die obligaten verletzten zwei Kinder.




England ſperrt die Ausfuhr nach Skandinavien
und Holland.

„Nationaltitende“ teilt mit: Die
britiſche Regierung ſtellte auf Erſuchen der ameri-
kaniſchen Regierung vorläufig alle Ausfuhr nach
Skaudinavien und Holland ein.

Alſo auf Erſuchen Wilſons, bei dem jedes
zweite Wort „Menſchlichkeit“ iſt, ſollen die Holländer
und Skandinavier dem Hunger preisgegeben werden,
falls ſie nicht vorziehen, ſich der Entente anzu-
ſchließen.




Wieder neue Heeresfront-Kommandanten.

General Tſcheremiſſow
iſt zum Kommandanten der Nord- und General
Wolowtſchenko als Nachfolger Tſcheremiſſows zum
Kommandanten der Südweſtfront ernannt worden.

Wenn der Krieg noch lange fortdauert, wird
ſchließlich jeder ruſſiſche Soldat eine Zeit lang
Heeresfrontkommandant geweſen ſein.




Schließung der Petersburger Hochſchulen.

Das Unterrichtsminiſterium gibt bekannt, daß alle
Hochſchulen in Petersburg mit Ausnahme der
mediziniſchen Fakultät für dieſes Vorleſungsjahr
geſchloſſen werden.

Kerenskij iſt vorſichtig. Es könnte ihm gefährlich
werden, wenn es in Rußland zu viel helle Köpfe gibt.




Die Duſe geht zum Kino.

Italieniſche
Blätter melden: Eleonore Duſe hat ſich bereits
ſeit längerer Zeit von der Bühne zurückgezogen.
Demnächſt werden aber ihre Bewunderer ſie wieder
ſpielen ſehen können, freilich nicht leibhaftig, ſondern
nur auf der Leinwand, die heute die Welt bedeutet:
die Duſe geht zum Film!

Da wird es bald Gabriele d’Annunzio-Rappaport
doppelt bedauern, daß er ſich mit der liebesbedürftigen
alten Dame entzweit hat und ſie nicht mehr ſchröpfen
kann.




Neue Rennſtälle.

In jüngſter Zeit ſind ſowohl
auf den Galoppbahnen, wie beim Trabrennſport
[Spaltenumbruch] einige neue Rennſtälle aufgetaucht, was in erſter
Linie auf die großen Wertverſchiebungen durch
Kriegsgewinne uſw. zurückzuführen ſein dürfte.

Auch ein Zeichen der Zeit!




Von der Parlamentseröffnung.

Die neuen
Miniſter ſind vollzählig im Hauſe erſchienen. Die
Miniſterbank mußte, um den Kabinettsmitgliedern
Platz zu gewähren, verlängert werden.

Ach, denkt mancher Abgeordneter, warum hat
man ſie nicht noch mehr verlängert.




Der Nationalverband.

In einem Schreiben
Dobernigs an das „Grazer Tagblatt“ heißt es u. a.
Der Nationalverband verhält ſich nach wie vor
auch jetzt wieder zuwartend und will ſeine Stellung
zur Regierung nach deren Taten einrichten.

Das deutſche Volk wartet noch immer, um ſich
ſeiner „Vertreter“ endlich entledigen zu können.




Ein Ausſchuß zur Förderung eines
baldigen Friedens.

Die Abgeordneten Dr. Wilhelm
Neumann und Genoſſen haben in der heutigen
Sitzung einen Antrag betreffend die Einſetzung
eines 25gliedrigen Ausſchuſſes zur Förderung eines
baldigen Friedens eingebracht.

Dieſe Friedenswinsler, die uns den Krieg
verlängern, ſollte man auf 14 Tage zu unſeren
Frontſoldaten ſchicken. Natürlich ohne Diätenbezug.




Kurze Nachrichten.
Tod eines ſüdſlawiſchen Hochverräters.

In London iſt der kroatiſche Landtagsabg. Franz
Supilo im Zuſtande der Geiſtesſtörung geſtorben.
Er war ſerbophil und flüchtete zu Kriegsbeginn
mit anderen ſeiner ſüdſlawiſchen Geſinnungsgenoſſen
ins feindliche Ausland, um dort den Zuſammen-
bruch Öſterreichs abzuwarten. Den erlebte er aber
nicht mehr. Er war auch, wie der „Corriere della
Sera“ ſchreibt, „einer der beſteu Freunde Italiens
unter den Südſlawen“.

2 Millionen Mark für Brennholz.

Neben
Lebensmitteln will der Magiſtrat Berlin nun auch
Brennholz beſchaffen. Der Magiſtrat fordert die
Stadtverordnetenverſammlung auf, ihn zu ermächtigen,
vorläufig 2 Millionen Mark dafür zu veraus-
gaben.

Schwerer Fliegerunfall in Schweden.

Die
Fliegerleutnants Freiherr Bliren-Finecke und
von Pfeiff unternahmen einen Uebungsflug auf
dem Flugptatz Malmslätt bei Linköping. Nach der
Landung explodierte der Motor und beide Offiziere
verbrannten.

Drei Jahre Zuchthaus wegen Brotmarken-
fälſchung.

Das Schwurgericht in Halle verurteilte
die beiden Berliner Arbeiter Franz Korus und
Karl Grefling zu je drei Jahren Zuchthaus und
fünf Jahren Ehrverluſt, weil ſie in Merſeburg
Brotmarken in größeren Mengen gefälſcht und an
Arbeiter der Leuna-Werke verkauft hatten.


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[3/0003] Nr. 222, 30. September 1917 Marburger Zeitung Führer des Hochverrates und ſeitdem laſtet das tſchechiſch-ſlawiſche Schwergewicht immer drückender auf Öſterreich. Die Kramarſch, Raſin, Koroſchetz und Krek beherrſchen die leiteuden Faktoren, denen ſie auch die Autonomie heraus- preßten, den erſten gewaltigen Schritt auf dem Wege, der im Kriege die Militärgerichte beſchäftigte und der nach Rußland und nach Serbien führt und zum Ende des heutigen Öſterreichs. Man ſieht hier deutlich, auf welche Weiſe man in Oeſterreich Erfolge erzielt: Nur durch rückſichtsloſes, erpreſſeriſches Drauflosgehen. Der Deutſche Nationalverband ſieht dies fortwährend, aber er vermag ſich niemals dazu aufzuraffen, auch nur einigermaßen das tſchechiſch-ſüdſlawiſche Vorbild zugunſten unſeres deutſchen Volkes nach zuahmen! Der Deutſche National- verband ſteht inmitten des Wirbels der Ereigniſſe da wie ein Gelähmter und verſäumt die Zeit und jede Gelegenheit! Und in den Händen dieſer Männer ruht ein großer Teil der Geſchicke des deutſchen Volkes in Oſterreich! Abgeordnetenhaus. (4. Sitzung. Beginn 11 Uhr.) Die Finanzvorlagen. Daſ Ringelſpiel geht weiter, von den Finanz- vorlagen wird wie an den erſten Tagen noch immer nicht geſprochen; das nationale Tſchechenmotiv beherrſcht immer gewalt- tätiger das Haus und dazwiſchen hinein klingen auch ſüdſlawiſche Motive — alte Lieder, nur noch heißer, noch wilder als vor dem Kriege. Der Abg. Schreiter ſprach von deutſcher Selbſthilfe gegenüber den tſchechiſchen Umtrieben und ſagte: Wir erklären, daß wir entſchloſſen ſind, mit allen Mitteln und ſei es auch mit Aufopferung unſerer Perſönlichkeit, zu ver- hindern, daß wir mit den Tſchechen in einen Staat eingepfercht werden. — Der Abg. Hartl klagte die Regierung wegen ihrer die Tſchechen fördernden Haltung an. Was ſich in den tſchechiſchen Gemeinden abſpiele, ſei eine ſtille Revolution. Die Herren Klofac, Rafin, Stanek und Genoſſen und ihre Anſchauungen beherrſchen jetzt die tſchechiſche Politik. Die Tſchechen riſſen wieder den Mund auf; der Abg. Sedlak beſchwerte ſich, weil der Miniſterpräſident vor den tſchechiſchen Forderungen nicht ganz umgefallen ſei und der Abg. Kalina ſetzte dieſe Arbeit fort. Abg. Domes (dentſcher Soz.) pries die „hochſtehende Perſönlichkeit“ des Dr. Adler (der wegen Menchelmord an dem Miniſterpräſidenten Stürgkh zum Tode verurteillt und dann zu 20 Jahren Kerker begnadigt wurde) und ſagte, daß die Perſönlichkeit des Abg. Wolf, der ſich über Adler ausgelaſſen habe, viel zu niedrig ſtehe. Der kärntneriſche Abg. Hofer nahm ſich der Landwirtſchaft an, worauf der Abg. v. Pogacnik ſofort mit ſüdſlawiſchen Quereleien einſetzte; der Abg. Verſtovſchek hatte gar die eiſerne Stirne, die Abberufung aller deutſchen Flücht- linge aus dem „ſloweniſchen“ Teile der Steiermark zu verlangen; ſie ſeien von früheren Regierungen zum Zwecke der Germani- ſierung in ſloweniſche (!) Gebiete gebracht worden! (Die deutſchen Flüchtlinge müßte man in Unterſteier erſt ſuchen, man wird ihrer nicht viele finden; dagegen gibt uns dies Anlaß, gegen den weiteren Anfenthalt der zu Sloweni- ſierungszwecken maſſenhaft nach Unterſteier gekommenen ſüdſlawiſchen Flüchtlinge, welche uns obendrein das Leben verteuern, nachdrücklich Proteſt zu erheben!) In dieſer Sitzung brachten Abg. Seitz und Genoſſen auch einen Antrag betreffend die Auf- hebung der Todesſtrafe ein. (Ein bekanntes franzöſiſches Zitat beſagt: Mögen mit der Auf- hebung der Tötung die Herren Mörder beginnen!) — Nächſte Sitzung am 2. Oktober. Der Juſtizausſchuß verhandelte den Antrag des Abg. Dr. Adolf Groß betreffend die Haftung des Staates für von ſtaatlichen Bedienſteten oder Militärperſonen in Ausübung des Dienſtes geübten Rechtsverletzungen. Juſtizminiſter Dr. Ritter v. Schauer erklärte, er werde den Verſuch, zu einem guten Haftungs- geſetz zu kommen, unterſtützen. Die Regierung ſei bereit, in Verhandlungen mit Ungarn und dem Kriegsminiſterium wegen Einführung der Ent- Die Not der Zeit. „Oeſterreich-Ungarn beſitzt noch große wirtſchaftlich unentwickelte Möglichkeiten und unbehobene Schätze.“ (Großadmiral Tirpitz über Oeſterreich-Ungarn.) Staatsmonopol oder Kartellwirtſchaft. Das Finanzprogramm unſerer Regierung, ins- beſonders die Höhe unſerer Staatsſchulden müſſen auch jenen zu denken geben, die bisher gewohnt waren, ſich um die ſogenannte Politik nicht zu kümmern und die Sorge und die Arbeit den ſchlechten Stand unſerer Staatswirtſchaft beſſern zu helfen, anderen überlaſſen haben. Es iſt an der Zeit oder eigentlich die höchſte Zeit, nun endlich einmal eine großzügige und ſtraffe Volkswirtſchafts- politik anzubahnen. Gerade die Rede des Miniſter- präſidenten enthielt einen Punkt, der von wirklich ungeahnter Bedeutung für den öſterreichiſchen Staatshaushalt werden könnte, wenn, ja wenn wir nicht in Oeſterreich leben würden. In dieſer Rubrik war ſchon einmal Gelegen- heit, im allgemeinen auf die ſchädlichen Wirkungen der Kartelle hinzuweiſen. Jetzt muß im Beſonderen auf einen Anſchlag, der gegen das Volksvermögen geführt wird, gewieſen und die ungeheure Gefahr, die dem Volke wie dem Staate droht, ins rechte Licht gerückt werden. Das Regierungs- programm ſpricht von einer Ueberlaſſung der öſter- reichiſchen Waſſerkräfte an die Privatwirtſchaft. Es iſt von Intereſſe, ein wenig die Folgen, die ein ſolches Beginnen haben würde, ins rechte Licht zu rücken. Staatsmonopol oder Kartellwirtſchaft. Um die beiden Pole dreht ſich unſer kommendes Wirtſchaftsleben. Die Monopoliſierung irgend eines Wirtſchaftszweiges durch den Staat kann vielleicht für den Konſumenten keine Verbilligung des Verbrauchsgegenſtandes bringen. Und doch iſt ſie bei gleichen Umſtänden für das Volk günſtiger denn die Kartellwirtſchaft, weil dieſe den Gebarungs- überſchuß nicht dem allgemeinen Wohle zuführt, ſondern lediglich zur Bereicherung einzelner Gruppen dient. Die Kartellwirtſchaft zieht noch den weiteren Nachteil nach ſich, daß an die Erzeugung meiſt noch das Börſeſpiel angehängt wird, d. h. daß die betreffende Induſtrie in einer Aktien-Geſellſchaft vereinigt wird, welche auch an der Börſe noch mit dem Heranziehen des Volkskapitals durch den Ankauf der betreffenden Aktien rechnet. Ein Staat, der ſich und ſeinen Bürgern wohl will, muß ſich mit aller Entſchiedenheit gegen das Kartellweſen ſtemmen und alles um ſich zur eigenen Bewirtſchaftung heranziehen, was zur Hebung des Staatshaushaltes dient. Deutſchland geht mit der Elektrizitätsfrage voran, weil es die Bewirtſchaftung des Elektrizitäts- weſens in ſeine eigene Hand nehmen will. Wir haben einen ungleich größeren Reichtum an Waſſer- kräften und wollen ſie der Ansbentung durch Banken und A.-G. ausliefern. Die Regierung, welche dieſe Tat begeht, lädt eine Schuld auf ſich, die untilgbar iſt. —y—. ſchädigung für ungerechtfertigte Ver- urteilungen durch die Militärgerichte ein- zutreten. Randgloſſen der Woche. Die Luftangriffe auf England. Das Renterbüro meldet über den erfolgreichen Zeppelin- angriff vom 25. September folgendes: Die feind- lichen Luftſchiffe verſuchten ſich mehreren verteidigten Plätzen zu nähern, wurden aber durch Geſchütz- feuer vertrieben. Die Luftſchiffe warfen Bomben ab. In einer Küſtenſtadt wurden drei Frauen leicht verletzt. Der Schaden iſt gering. Die Engländer ſcheinen für den Bericht über Fliegerangriffe ein Formular zu beſitzen, das immer wieder abgedruckt wird. Diesmal fehlen allerdings die obligaten verletzten zwei Kinder. England ſperrt die Ausfuhr nach Skandinavien und Holland. „Nationaltitende“ teilt mit: Die britiſche Regierung ſtellte auf Erſuchen der ameri- kaniſchen Regierung vorläufig alle Ausfuhr nach Skaudinavien und Holland ein. Alſo auf Erſuchen Wilſons, bei dem jedes zweite Wort „Menſchlichkeit“ iſt, ſollen die Holländer und Skandinavier dem Hunger preisgegeben werden, falls ſie nicht vorziehen, ſich der Entente anzu- ſchließen. Wieder neue Heeresfront-Kommandanten. Petersburg, 25. September. General Tſcheremiſſow iſt zum Kommandanten der Nord- und General Wolowtſchenko als Nachfolger Tſcheremiſſows zum Kommandanten der Südweſtfront ernannt worden. Wenn der Krieg noch lange fortdauert, wird ſchließlich jeder ruſſiſche Soldat eine Zeit lang Heeresfrontkommandant geweſen ſein. Schließung der Petersburger Hochſchulen. Das Unterrichtsminiſterium gibt bekannt, daß alle Hochſchulen in Petersburg mit Ausnahme der mediziniſchen Fakultät für dieſes Vorleſungsjahr geſchloſſen werden. Kerenskij iſt vorſichtig. Es könnte ihm gefährlich werden, wenn es in Rußland zu viel helle Köpfe gibt. Die Duſe geht zum Kino. Italieniſche Blätter melden: Eleonore Duſe hat ſich bereits ſeit längerer Zeit von der Bühne zurückgezogen. Demnächſt werden aber ihre Bewunderer ſie wieder ſpielen ſehen können, freilich nicht leibhaftig, ſondern nur auf der Leinwand, die heute die Welt bedeutet: die Duſe geht zum Film! Da wird es bald Gabriele d’Annunzio-Rappaport doppelt bedauern, daß er ſich mit der liebesbedürftigen alten Dame entzweit hat und ſie nicht mehr ſchröpfen kann. Neue Rennſtälle. In jüngſter Zeit ſind ſowohl auf den Galoppbahnen, wie beim Trabrennſport einige neue Rennſtälle aufgetaucht, was in erſter Linie auf die großen Wertverſchiebungen durch Kriegsgewinne uſw. zurückzuführen ſein dürfte. Auch ein Zeichen der Zeit! Von der Parlamentseröffnung. Die neuen Miniſter ſind vollzählig im Hauſe erſchienen. Die Miniſterbank mußte, um den Kabinettsmitgliedern Platz zu gewähren, verlängert werden. Ach, denkt mancher Abgeordneter, warum hat man ſie nicht noch mehr verlängert. Der Nationalverband. In einem Schreiben Dobernigs an das „Grazer Tagblatt“ heißt es u. a. Der Nationalverband verhält ſich nach wie vor auch jetzt wieder zuwartend und will ſeine Stellung zur Regierung nach deren Taten einrichten. Das deutſche Volk wartet noch immer, um ſich ſeiner „Vertreter“ endlich entledigen zu können. Ein Ausſchuß zur Förderung eines baldigen Friedens. Die Abgeordneten Dr. Wilhelm Neumann und Genoſſen haben in der heutigen Sitzung einen Antrag betreffend die Einſetzung eines 25gliedrigen Ausſchuſſes zur Förderung eines baldigen Friedens eingebracht. Dieſe Friedenswinsler, die uns den Krieg verlängern, ſollte man auf 14 Tage zu unſeren Frontſoldaten ſchicken. Natürlich ohne Diätenbezug. Kurze Nachrichten. Tod eines ſüdſlawiſchen Hochverräters. In London iſt der kroatiſche Landtagsabg. Franz Supilo im Zuſtande der Geiſtesſtörung geſtorben. Er war ſerbophil und flüchtete zu Kriegsbeginn mit anderen ſeiner ſüdſlawiſchen Geſinnungsgenoſſen ins feindliche Ausland, um dort den Zuſammen- bruch Öſterreichs abzuwarten. Den erlebte er aber nicht mehr. Er war auch, wie der „Corriere della Sera“ ſchreibt, „einer der beſteu Freunde Italiens unter den Südſlawen“. 2 Millionen Mark für Brennholz. Neben Lebensmitteln will der Magiſtrat Berlin nun auch Brennholz beſchaffen. Der Magiſtrat fordert die Stadtverordnetenverſammlung auf, ihn zu ermächtigen, vorläufig 2 Millionen Mark dafür zu veraus- gaben. Schwerer Fliegerunfall in Schweden. Die Fliegerleutnants Freiherr Bliren-Finecke und von Pfeiff unternahmen einen Uebungsflug auf dem Flugptatz Malmslätt bei Linköping. Nach der Landung explodierte der Motor und beide Offiziere verbrannten. Drei Jahre Zuchthaus wegen Brotmarken- fälſchung. Das Schwurgericht in Halle verurteilte die beiden Berliner Arbeiter Franz Korus und Karl Grefling zu je drei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverluſt, weil ſie in Merſeburg Brotmarken in größeren Mengen gefälſcht und an Arbeiter der Leuna-Werke verkauft hatten.

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 222, Marburg, 30.09.1917, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger222_1917/3>, abgerufen am 23.11.2024.