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Marburger Zeitung. Nr. 138, Marburg, 18.11.1902.

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Marburger Zeitung Nr. 138, 18. November 1902.

[Spaltenumbruch] und auf den Satz: Die echte Liebe ist einzig und
allein die Mutterliebe. Und der Dichter des Volkes,
der Seher, er hat Recht. Eine Mutter hat einmal
gesagt: Sind die Kinder klein, so treten sie der
Mutter aus die Füsse; sind sie groß, dann treten
sie ihr aufs Herz. Mit Schmerzen gebiert die
Mutter die Kinder und wenn sie erwachsen sind,
dann schlagen sie -- wie es am Lande vorkommt
-- ihre eigene Mutter, und trotzdem verzeiht die
Mutterliebe den Kindern wieder alles. Wie oft
schon war es der Fall, daß bei Gerichtsverhand-
lungen die Mutter die erste war, die ihrem Kinde
verzieh -- so ist die Mutterliebe. Der Staatsan-
walt wendete sich nun der eigentlichen Begründung
der Anklage zu und verlangte die Schuldigsprechung
des Angeklagten. Der Verteidiger machte geltend,
daß es sich heute nicht um das vierte Gebot
handle, sondern ausschließlich nur darum, ob Josef
Bracko seine Mutter erschlagen habe oder nicht.
Redner verneint diese Frage. Ein Beweis dafür,
daß Josef Bracko seine Mutter wirklich erschlagen
habe, sei während der ganzen Verhandlung nicht
erbracht worden. Die Todesursache kann eine andere
sein. Die Geschworenen -- Obmann Herr Martinz
aus Friedau -- bejahten die auf Totschlag lautende
Frage mit 11 Ja und 1 Nein. Bracko wurde zu
8 Jahren schweren Kerker mit einem Fast-
tage im Monate und Dunkelhaft am 11. August
verurteilt. Angeklagter und Zeugen sprachen nur
slovenisch.





Ein Gattenmörder.

Auf Josef Bracko, der seine leibliche
Mutter erschlug, folgte heute Franz Lenartic,
der seine eigene Frau ermordete. Was
für das Opfer sinnloser Brutalität besondere Ge-
fühle wachruft, ist der Umstand, daß sie unter dem
scharfen Messer ihres Mannes wegen ihrer Liebe
zu ihren Kindern, die doch auch die Kinder ihres
Mannes sind, verbluten mußte.

Franz Lenartic, der heute die Anklagebank
"schmückt", ist 31 Jahre alt, katholisch, Besitzer in
Richterofzen und ob Uebertretung gegen die körper-
liche Sicherheit nach den §§ 431 und 411 St.-G.
bereits vorbestraft. Franz Lenartic steht nun heute
unter folgender Beschuldigung vor den Geschwo-
renen. Im Jänner 1900 heiratete der Besitzer Franz
Lenartic in Richterofzen die Besitzerstochter
Maria Plohl. Die Ehe war keine glückliche.
Maria Lenartic, die sich mehr um ihre Kinder, als
um die Wirtschaft kümmerte, was am Lande nicht
Brauch ist, gab ihrem Gatten hiedurch häufig An-
laß zum ärger[n]. Dieser hingegen, im nüchternen
Zustande zwar ein sehr fleißiger Arbeiter, trank
gerne und war beinahe täglich etwas betrunken, in-
folge dessen die zwischen den beiden Ehegatten ent-
stehenden Streitigkeiten auf Seite des Mannes oft
in Mißhandlungen und Bedrohungen der Frau
ausarteten, die häufig so arg wurden, daß Maria
Lenartic bei den Nachbarsleuten vor ihrem betrun-
kenen Manne Schutz suchen mußte. Daß unter sol-
chen Umständen die Wirtschaft nicht in die Höhe
kam und die Vermögensverhältnisse der beiden
immer schlechter wurden, kann man sich nun leicht
denken.

Nach einer neuerlichen schweren Mißhand-
lung verließ die Frau ihren Mann, begab sich mit
dem jüngsten Kinde zu ihren Eltern und kehrte erst
über Zureden des Dr. Gottscher in Radkersburg,
an den sie sich wegen Einleitung der Scheidung
wandte und über Bitten ihres Mannes zurück.
Doch war das gute Einvernehmen nicht von langer
Dauer. Es reifte bei Lenartic der Entschluß, zuerst
seine Gattin und Kinder zu tödten und dann auch
seinem Leben ein Ende zu machen.

Am 29. September l. J. kam es nun aller-
dings nur zur teilweisen Ausführung dieses Ent-
schlusses. Nach der Aussage der Maria Lenartic,
die noch vor ihrem Tode vernommen und beeidet
werden konnte, sowie der bei der Tat im Hause
des Lenartic anwesend gewesenen Zeugen Martin
Safaric und Maria Klemencic, geschah dies
folgendermaßen: Schon einige Tage vor dem 29.
September hatte Franz Lenartic in Vorbereitung
seiner Tat ein Küchenmesser geschliffen. Am 29.
September hatten nun beide Gatten den ganzen
Tag Heu getrocknet. In der Dämmerung forderte
Franz Lenartic nun seine Frau auf, die Schweine
füttern zu gehen. Maria Lenartic erklärte aber, hie-
zu keine Zeit zu haben, da das eine Kind weine.
Auf diese Weigerung seiner Frau begann Franz
Lenartic heftig zu fluchen, worauf ihm Maria Le-
[Spaltenumbruch] nartic sagte: "Jaz nisem posiljeno sem sla in
lahko zopet odidem. Zakaj si po mene prisel,
ce me zdaj tako preklinjas"
und sich nach diesen
Worten ins Haus und zwar ins hintere Zimmer
begab. Franz Lenartic begann nun im vorderen
Zimmer und in der Küche das von ihm bereits
geschliffene Messer zu suchen und schrie, als er es
nicht sogleich fand: "Kje je moj noz? Ce vi
mi noza naprej ne spravite, gorje vam!"

Maria Lenartic war während dieser Zeit im
hinteren Zimmer geblieben und beruhigte dort ihr
jüngstes, weinendes Kind. Auf einmal trat der Be-
schuldigte in dieses Zimmer und versetzte sofort
seiner Gattin mit dem scharfgeschliffenen Messer 2
Stiche in die Brust. Dies ereignete sich so schnell,
daß Maria Lenartic, die ihr jüngstes Kind auf
dem Arme trug, an eine Abwehr gar nicht denken
konnte und ihrem Manne nur zurief: "Kaj delas,
jaz imam ja otroka na sebi"
und dann aus dem
Zimmer in die Küche flüchtete, wo sie der Magd
Maria Klemencic das Kind gab. Auch der Beschul-
digte eilte in der Absicht, seine Frau nochmals zu
stechen, hinaus, jedoch in der Meinung, Maria
Lenartic sei in den Hof geflohen, nicht in die
Küche, sondern ins Freie. Gleich darauf kam auch
Maria Lenartic aus der Küche in den Hof geeilt,
um sich zu ihrem Nachbarn zu flüchten, brach aber
auf der Hausschwelle infolge ihrer Verletzungen
blutend zusammen. Martin Safaric, der bereits auf
das erste Geschrei der Maria Lenartic ins Zimmer
geeilt war, die Tat aber nicht mehr hatte hindern
können, hob mit Hilfe des inzwischen auch hinzu-
gekommenen Anton Scöks die Verwundete auf und
und trug sie in ihr Bett.

Während die beiden mit dieser sich beschäf-
tigten, trat unbemerkt Franz Lenartic ins Zimmer,
kam zum Bette und schnitt sich mit einem Rasier-
messer in den Hals. Er wollte sich gerade noch
einen zweiten Schnitt beibringen, als Safaric ihn
bemerkte, ihm das Rasiermesser aus der Hand riß
und ihn zu Boden warf. Franz Lenartic stand
dann auf und während sich Safaric wieder der
Maria Lenartic zuwandte, sprang der Beschuldigte
gegen die im selben Zimmer befindliche Wiege des
älteren Kindes, augenscheinlich in der Absicht, auch
diesem etwas anzutun. Safaric riß ihn jedoch zu-
rück, worauf Beschuldigter ins Freie eilte.

Maria Lenartic erlitt durch die Messerstiche
des Beschuldigten zwei lebensgefährliche Verle-
tzungen in der rechten und linken Brustseite und
starb in der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober l. J.
im Krankenhause zu Radkersburg. Die Sachver-
ständigen gaben als Todesursache die durch die
Stichverletzung in der rechten Brustseite hervorge-
rufene kolossale Blut- und Luftansammlung an,
durch welche die rechte Lunge vollkommen kompri-
miert und luftleer gemacht, somit aus der Atmung
ausgeschaltet wurde, sowie die durch beide Stich-
verletzungen hervorgerufene Rippenfellentzündung.
Der Beschuldigte ist seiner Tathandlung geständig
und stellt den Sachverhalt im wesentlichen gleich-
lautend wie seine Gattin und die oben genannten
Zeugen dar, doch leugnet er, die Absicht gehabt zu
haben, seine Frau tödten.

Um 1/42 Uhr nachm. wurde die Verhandlung,
welche L.-G.-R. Dr. Vouschek leitete und bei welcher
als öffentlicher Ankläger Staatsanwaltssubstitut
Dr. Roschanz, als Verteidiger Dr. Haas amtete,
abgebrochen. Ueber den Zeugen Frank wurde wegen
des Verdachtes der falschen Zeugenaussage die Ver-
wahrungshaft verhängt. Um 4 Uhr wurde die Ver-
handlung wieder aufgenommen. Um 1/46 Uhr abends
währt dieselbe noch fort. Das Urteil bringen wir
in der nächsten Nummer.




Marburger Nachrichten.
(Der Marburger Turnverein [deutsche
Turnerschaft])

hält, wie alljährlich, so auch
dieses Jahr am 6. Dezember seinen Weihnachts-
abend ab, worauf schon in Kürze aufmerksam ge-
macht wurde. Es wird noch hinzugefügt, daß sich
die diesjährige Weihnachtsfeier von den früheren
besonders unterscheiden wird, da es dem genannten
Verein durch stetes Wachsen der Mitgliederanzahl,
sowie durch die dadurch gehobeue Lust und Freude
zur deutschen Turnsache möglich geworden ist, die
Vortragsordnung, deren Inhalt später näher be-
sprochen werden soll, äußerst lebhaft zu gestalten.
Das zahlreiche Erscheinen der unterstützenden Mit-
glieder des Marburger Turnvereines ist sehr er-
wünscht. Ebenso ist der Eintritt für Geladene durch
Vorzeigung der Vortragsordnung, welche am be-
[Spaltenumbruch] treffenden Abend dortselbst für 40 h erhältlich ist[,]
gestattet.

(Sektion Marburg des D. u. Oe.
Alpen-Vereines.)

Morgen abends findet
im Kasino-Speisesaale (ersten Stock) eine Versamm-
lung dieser Sektion statt, in welcher Herr Direktor
Wirth über die General-Versammlung zu Würzburg
sprechen wird. Gäste sind bei diesen Versammlungen,
welche jeden ersten und dritten Mittwoch in den
Wintermonaten stattfinden, stets willkommen.

(Vom Theater.)

Ziehrer, welcher
kürzlich in Wien das vierzigste Jahr seiner Tätig-
keit als Dirigent feierte, wird morgen auch hier in
Marburg durch die Aufführung seiner Operette
"Die Landstreicher geehrt werden und es ist wohl
zu erwarten, daß die einschmeichelnden Weisen des
beliebten Tondichters den Abend zu einem allseits
befriedigenden gestalten werden. -- Donnerstag
kommt das bekannt gute Lustspiel "Komtesse Guckerl"
zur Aufführung, in welchem Frl. Payer die Cilli
spielt. -- Für Samstag wird als Straußfeier
"Der Karneval von Rom" vorbereitet und wir
wollen hoffen, daß kein neues Hindernis die Auf-
führung vereitelt.

(Deutsches Studentenheim in Mar-
burg.)

3. Spendenausweis. Stadtgemeinde Graz
1000 Kr. (erste Rate der Spende von 2000 Kr.)
Stadtgemeinde Wien 200 Kr. Verband deutscher
Hochschüler Marburgs 400 Kr. Zweig Marburg
des deutschen Sprachvereines, Jahresbeitrag 50 Kr.
Ausschuß für deutsche Unterhaltungsabende in
Graz 50 Kr. Kegelgesellschaft Marburg durch Herrn
W. Witlaczil 10 Kr. Durch die "Marburger Zeitg."
anläßlich der Promotion des Herrn Dr. Fischereder
16 Kr. Binder Hermann, Güterinspektor in Mar-
burg, 10 Kr. Dahn Felix, Geheimer Justizrat in
Breslau, sein Werk "Kampf um Rom". Dr. Dimmer
Friedrich, Universitätsprofessor, 6 Kr. Erber Otto,
Gewerke in Hohenmauthen, 15 Kr. Dr. Michael
Hainisch, k. k. Universitätsprofessor in Wien, 10 Kr.
Dr. Richard Hiebaum, Rechtsanwalt in Judenburg,
10 Kr. Hlawatschek Franz, Professor der techn.
Hochschule in Graz, 5 Kr. Dr. Koloman Höck,
Rechtsanwalt in Mattighofen, N.-Oest., 10 Kr.
Dr. Karl Höhn, Oberfinanzrat in Czecnowitz,
5 Kr. Dr. Hoffmann von Wellenhof, Reichs-
ratsabgeordneter in Graz, 5 Kr. Ferdinand
Kalus, Oberinspektor der Südbahn in Marburg,
50 Kr. Dr. Robert Knaffl, Arzt in Villach, 20 Kr.
Leopold Kralik Buchdruckereibesitzer durch Hernn Dr.
Glantschnigg Eduard, Strafe des Pfarrers Schegula
50 K. Herr Dr. Julius Kratter, Universitätätspro-
fessor in Graz 10 K. Dr. Josef Krautgasser, Arzt
in Mureck 10 K. Dr. Arnold v. Luschin, Univer-
sitätsprofessor in Graz 3 K. Franz Neuper, Ge-
werke in Unter-Zeiring 10 K. Herr Pirchan Karl,
Kaufmann in Marburg 1 Dukaten. Pototschnig
Heinrich, Ingenieur in Windisch-Graz 5 K. Dr.
Othmar Reiser, Hof- und Gerichtsadvokat in Wien
40 K. Scholze Wilhelm in Gablonz a. N. 10 K.
Edmund Unger-Ullmann, Gewerke in Hohenmauthen
15 K. Dr. Wiesthaler Hermann, Notar in Rann
20 K. Frl. Toni Wogg in Cilli 2 K., Herr Dr.
Wolffhardt Eduard, Reichsratsabgeordneter in Wien
10 K., Zusammen mit den übrigen Ausweisen:
31718 Kronen 4 Heller. -- Die Verwaltung der
"Marb. Ztg." erklärt sich bereit, ebenfalls Spenden
für das Studentenheim entgegenzunehmen.

(Vollversammlung der landwirt-
schaftlichen Filiale Marburg.)

Unter dem
Vorsitze des Herrn Inspektors Binder fand
Sonntag vormittags im Kasino eine Vollversamm-
lung der landwirtschaftlichen Filiale Marburg statt.
Der Vorsitzende begrüßte die Erschienenen, ins-
besondere den Statthaltereirat Bezirkshauptmann
Grafen Attems, den er auch ersuchte, den Bestrebun-
gen der Filiale seine Fürsorge widmen zu wollen.
Der Vorsitzende bringt nun geschäftliche Mitteilungen
bestehend in an die Filiale gerichteten Zuschriften
zur Kenntnis. Unter anderem teilte der landwirt-
schaftliche Genossenschafts-Verband mit, daß Kupfer-
vitriol nur in Säcken, welche 50 Kilo enthalten,
abgegeben werden kann. Der Zentralausschuß be-
klagt in einem Schreiben an die Filiale die schwache
Beteiligung der bäuerlichen Bevölkerung an den
Versammlungen der einzelnen Filialen und weist
darauf hin, daß wir unter solchen Umständen aller-
dings rückständig bleiben müssen. Nachdem zu den
Mitteilungen niemand das Wort ergriff, erteilte
der Vorsitzende Herrn Direktor Zweifler das
Wort zu seinem Vortrage über Kellerwirtschaft.
Redner betont, daß die Weinfässer vor der Gährung
nicht gefüllt sein dürfen, wohl aber müssen sie es

Marburger Zeitung Nr. 138, 18. November 1902.

[Spaltenumbruch] und auf den Satz: Die echte Liebe iſt einzig und
allein die Mutterliebe. Und der Dichter des Volkes,
der Seher, er hat Recht. Eine Mutter hat einmal
geſagt: Sind die Kinder klein, ſo treten ſie der
Mutter auſ die Füſſe; ſind ſie groß, dann treten
ſie ihr aufs Herz. Mit Schmerzen gebiert die
Mutter die Kinder und wenn ſie erwachſen ſind,
dann ſchlagen ſie — wie es am Lande vorkommt
— ihre eigene Mutter, und trotzdem verzeiht die
Mutterliebe den Kindern wieder alles. Wie oft
ſchon war es der Fall, daß bei Gerichtsverhand-
lungen die Mutter die erſte war, die ihrem Kinde
verzieh — ſo iſt die Mutterliebe. Der Staatsan-
walt wendete ſich nun der eigentlichen Begründung
der Anklage zu und verlangte die Schuldigſprechung
des Angeklagten. Der Verteidiger machte geltend,
daß es ſich heute nicht um das vierte Gebot
handle, ſondern ausſchließlich nur darum, ob Joſef
Bračko ſeine Mutter erſchlagen habe oder nicht.
Redner verneint dieſe Frage. Ein Beweis dafür,
daß Joſef Bračko ſeine Mutter wirklich erſchlagen
habe, ſei während der ganzen Verhandlung nicht
erbracht worden. Die Todesurſache kann eine andere
ſein. Die Geſchworenen — Obmann Herr Martinz
aus Friedau — bejahten die auf Totſchlag lautende
Frage mit 11 Ja und 1 Nein. Bračko wurde zu
8 Jahren ſchweren Kerker mit einem Faſt-
tage im Monate und Dunkelhaft am 11. Auguſt
verurteilt. Angeklagter und Zeugen ſprachen nur
ſloveniſch.





Ein Gattenmörder.

Auf Joſef Bračko, der ſeine leibliche
Mutter erſchlug, folgte heute Franz Lenartič,
der ſeine eigene Frau ermordete. Was
für das Opfer ſinnloſer Brutalität beſondere Ge-
fühle wachruft, iſt der Umſtand, daß ſie unter dem
ſcharfen Meſſer ihres Mannes wegen ihrer Liebe
zu ihren Kindern, die doch auch die Kinder ihres
Mannes ſind, verbluten mußte.

Franz Lenartič, der heute die Anklagebank
„ſchmückt“, iſt 31 Jahre alt, katholiſch, Beſitzer in
Richterofzen und ob Uebertretung gegen die körper-
liche Sicherheit nach den §§ 431 und 411 St.-G.
bereits vorbeſtraft. Franz Lenartič ſteht nun heute
unter folgender Beſchuldigung vor den Geſchwo-
renen. Im Jänner 1900 heiratete der Beſitzer Franz
Lenartič in Richterofzen die Beſitzerstochter
Maria Plohl. Die Ehe war keine glückliche.
Maria Lenartič, die ſich mehr um ihre Kinder, als
um die Wirtſchaft kümmerte, was am Lande nicht
Brauch iſt, gab ihrem Gatten hiedurch häufig An-
laß zum ärger[n]. Dieſer hingegen, im nüchternen
Zuſtande zwar ein ſehr fleißiger Arbeiter, trank
gerne und war beinahe täglich etwas betrunken, in-
folge deſſen die zwiſchen den beiden Ehegatten ent-
ſtehenden Streitigkeiten auf Seite des Mannes oft
in Mißhandlungen und Bedrohungen der Frau
ausarteten, die häufig ſo arg wurden, daß Maria
Lenartič bei den Nachbarsleuten vor ihrem betrun-
kenen Manne Schutz ſuchen mußte. Daß unter ſol-
chen Umſtänden die Wirtſchaft nicht in die Höhe
kam und die Vermögensverhältniſſe der beiden
immer ſchlechter wurden, kann man ſich nun leicht
denken.

Nach einer neuerlichen ſchweren Mißhand-
lung verließ die Frau ihren Mann, begab ſich mit
dem jüngſten Kinde zu ihren Eltern und kehrte erſt
über Zureden des Dr. Gottſcher in Radkersburg,
an den ſie ſich wegen Einleitung der Scheidung
wandte und über Bitten ihres Mannes zurück.
Doch war das gute Einvernehmen nicht von langer
Dauer. Es reifte bei Lenartič der Entſchluß, zuerſt
ſeine Gattin und Kinder zu tödten und dann auch
ſeinem Leben ein Ende zu machen.

Am 29. September l. J. kam es nun aller-
dings nur zur teilweiſen Ausführung dieſes Ent-
ſchluſſes. Nach der Ausſage der Maria Lenartič,
die noch vor ihrem Tode vernommen und beeidet
werden konnte, ſowie der bei der Tat im Hauſe
des Lenartič anweſend geweſenen Zeugen Martin
Šafarič und Maria Klemenčič, geſchah dies
folgendermaßen: Schon einige Tage vor dem 29.
September hatte Franz Lenartič in Vorbereitung
ſeiner Tat ein Küchenmeſſer geſchliffen. Am 29.
September hatten nun beide Gatten den ganzen
Tag Heu getrocknet. In der Dämmerung forderte
Franz Lenartič nun ſeine Frau auf, die Schweine
füttern zu gehen. Maria Lenartič erklärte aber, hie-
zu keine Zeit zu haben, da das eine Kind weine.
Auf dieſe Weigerung ſeiner Frau begann Franz
Lenartič heftig zu fluchen, worauf ihm Maria Le-
[Spaltenumbruch] nartič ſagte: „Jaz nisem posiljeno sem šla in
lahko zopet odidem. Zakaj si po mene prišel,
če me zdaj tako preklinjaš“
und ſich nach dieſen
Worten ins Haus und zwar ins hintere Zimmer
begab. Franz Lenartič begann nun im vorderen
Zimmer und in der Küche das von ihm bereits
geſchliffene Meſſer zu ſuchen und ſchrie, als er es
nicht ſogleich fand: „Kje je moj nož? Če vi
mi noža naprej ne spravite, gorjé vam!“

Maria Lenartič war während dieſer Zeit im
hinteren Zimmer geblieben und beruhigte dort ihr
jüngſtes, weinendes Kind. Auf einmal trat der Be-
ſchuldigte in dieſes Zimmer und verſetzte ſofort
ſeiner Gattin mit dem ſcharfgeſchliffenen Meſſer 2
Stiche in die Bruſt. Dies ereignete ſich ſo ſchnell,
daß Maria Lenartič, die ihr jüngſtes Kind auf
dem Arme trug, an eine Abwehr gar nicht denken
konnte und ihrem Manne nur zurief: „Kaj delaš,
jaz imam ja otroka na sebi“
und dann aus dem
Zimmer in die Küche flüchtete, wo ſie der Magd
Maria Klemenčič das Kind gab. Auch der Beſchul-
digte eilte in der Abſicht, ſeine Frau nochmals zu
ſtechen, hinaus, jedoch in der Meinung, Maria
Lenartič ſei in den Hof geflohen, nicht in die
Küche, ſondern ins Freie. Gleich darauf kam auch
Maria Lenartič aus der Küche in den Hof geeilt,
um ſich zu ihrem Nachbarn zu flüchten, brach aber
auf der Hausſchwelle infolge ihrer Verletzungen
blutend zuſammen. Martin Šafarič, der bereits auf
das erſte Geſchrei der Maria Lenartič ins Zimmer
geeilt war, die Tat aber nicht mehr hatte hindern
können, hob mit Hilfe des inzwiſchen auch hinzu-
gekommenen Anton Scöks die Verwundete auf und
und trug ſie in ihr Bett.

Während die beiden mit dieſer ſich beſchäf-
tigten, trat unbemerkt Franz Lenartič ins Zimmer,
kam zum Bette und ſchnitt ſich mit einem Raſier-
meſſer in den Hals. Er wollte ſich gerade noch
einen zweiten Schnitt beibringen, als Šafarič ihn
bemerkte, ihm das Raſiermeſſer aus der Hand riß
und ihn zu Boden warf. Franz Lenartič ſtand
dann auf und während ſich Šafarič wieder der
Maria Lenartič zuwandte, ſprang der Beſchuldigte
gegen die im ſelben Zimmer befindliche Wiege des
älteren Kindes, augenſcheinlich in der Abſicht, auch
dieſem etwas anzutun. Šafarič riß ihn jedoch zu-
rück, worauf Beſchuldigter ins Freie eilte.

Maria Lenartič erlitt durch die Meſſerſtiche
des Beſchuldigten zwei lebensgefährliche Verle-
tzungen in der rechten und linken Bruſtſeite und
ſtarb in der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober l. J.
im Krankenhauſe zu Radkersburg. Die Sachver-
ſtändigen gaben als Todesurſache die durch die
Stichverletzung in der rechten Bruſtſeite hervorge-
rufene koloſſale Blut- und Luftanſammlung an,
durch welche die rechte Lunge vollkommen kompri-
miert und luftleer gemacht, ſomit aus der Atmung
ausgeſchaltet wurde, ſowie die durch beide Stich-
verletzungen hervorgerufene Rippenfellentzündung.
Der Beſchuldigte iſt ſeiner Tathandlung geſtändig
und ſtellt den Sachverhalt im weſentlichen gleich-
lautend wie ſeine Gattin und die oben genannten
Zeugen dar, doch leugnet er, die Abſicht gehabt zu
haben, ſeine Frau tödten.

Um ¼2 Uhr nachm. wurde die Verhandlung,
welche L.-G.-R. Dr. Vouſchek leitete und bei welcher
als öffentlicher Ankläger Staatsanwaltsſubſtitut
Dr. Roſchanz, als Verteidiger Dr. Haas amtete,
abgebrochen. Ueber den Zeugen Frank wurde wegen
des Verdachtes der falſchen Zeugenausſage die Ver-
wahrungshaft verhängt. Um 4 Uhr wurde die Ver-
handlung wieder aufgenommen. Um ¼6 Uhr abends
währt dieſelbe noch fort. Das Urteil bringen wir
in der nächſten Nummer.




Marburger Nachrichten.
(Der Marburger Turnverein [deutſche
Turnerſchaft])

hält, wie alljährlich, ſo auch
dieſes Jahr am 6. Dezember ſeinen Weihnachts-
abend ab, worauf ſchon in Kürze aufmerkſam ge-
macht wurde. Es wird noch hinzugefügt, daß ſich
die diesjährige Weihnachtsfeier von den früheren
beſonders unterſcheiden wird, da es dem genannten
Verein durch ſtetes Wachſen der Mitgliederanzahl,
ſowie durch die dadurch gehobeue Luſt und Freude
zur deutſchen Turnſache möglich geworden iſt, die
Vortragsordnung, deren Inhalt ſpäter näher be-
ſprochen werden ſoll, äußerſt lebhaft zu geſtalten.
Das zahlreiche Erſcheinen der unterſtützenden Mit-
glieder des Marburger Turnvereines iſt ſehr er-
wünſcht. Ebenſo iſt der Eintritt für Geladene durch
Vorzeigung der Vortragsordnung, welche am be-
[Spaltenumbruch] treffenden Abend dortſelbſt für 40 h erhältlich iſt[,]
geſtattet.

(Sektion Marburg des D. u. Oe.
Alpen-Vereines.)

Morgen abends findet
im Kaſino-Speiſeſaale (erſten Stock) eine Verſamm-
lung dieſer Sektion ſtatt, in welcher Herr Direktor
Wirth über die General-Verſammlung zu Würzburg
ſprechen wird. Gäſte ſind bei dieſen Verſammlungen,
welche jeden erſten und dritten Mittwoch in den
Wintermonaten ſtattfinden, ſtets willkommen.

(Vom Theater.)

Ziehrer, welcher
kürzlich in Wien das vierzigſte Jahr ſeiner Tätig-
keit als Dirigent feierte, wird morgen auch hier in
Marburg durch die Aufführung ſeiner Operette
„Die Landſtreicher geehrt werden und es iſt wohl
zu erwarten, daß die einſchmeichelnden Weiſen des
beliebten Tondichters den Abend zu einem allſeits
befriedigenden geſtalten werden. — Donnerstag
kommt das bekannt gute Luſtſpiel „Komteſſe Guckerl“
zur Aufführung, in welchem Frl. Payer die Cilli
ſpielt. — Für Samstag wird als Straußfeier
„Der Karneval von Rom“ vorbereitet und wir
wollen hoffen, daß kein neues Hindernis die Auf-
führung vereitelt.

(Deutſches Studentenheim in Mar-
burg.)

3. Spendenausweis. Stadtgemeinde Graz
1000 Kr. (erſte Rate der Spende von 2000 Kr.)
Stadtgemeinde Wien 200 Kr. Verband deutſcher
Hochſchüler Marburgs 400 Kr. Zweig Marburg
des deutſchen Sprachvereines, Jahresbeitrag 50 Kr.
Ausſchuß für deutſche Unterhaltungsabende in
Graz 50 Kr. Kegelgeſellſchaft Marburg durch Herrn
W. Witlaczil 10 Kr. Durch die „Marburger Zeitg.“
anläßlich der Promotion des Herrn Dr. Fiſchereder
16 Kr. Binder Hermann, Güterinſpektor in Mar-
burg, 10 Kr. Dahn Felix, Geheimer Juſtizrat in
Breslau, ſein Werk „Kampf um Rom“. Dr. Dimmer
Friedrich, Univerſitätsprofeſſor, 6 Kr. Erber Otto,
Gewerke in Hohenmauthen, 15 Kr. Dr. Michael
Hainiſch, k. k. Univerſitätsprofeſſor in Wien, 10 Kr.
Dr. Richard Hiebaum, Rechtsanwalt in Judenburg,
10 Kr. Hlawatſchek Franz, Profeſſor der techn.
Hochſchule in Graz, 5 Kr. Dr. Koloman Höck,
Rechtsanwalt in Mattighofen, N.-Oeſt., 10 Kr.
Dr. Karl Höhn, Oberfinanzrat in Czecnowitz,
5 Kr. Dr. Hoffmann von Wellenhof, Reichs-
ratsabgeordneter in Graz, 5 Kr. Ferdinand
Kalus, Oberinſpektor der Südbahn in Marburg,
50 Kr. Dr. Robert Knaffl, Arzt in Villach, 20 Kr.
Leopold Kralik Buchdruckereibeſitzer durch Hernn Dr.
Glantſchnigg Eduard, Strafe des Pfarrers Schegula
50 K. Herr Dr. Julius Kratter, Univerſitätätspro-
feſſor in Graz 10 K. Dr. Joſef Krautgaſſer, Arzt
in Mureck 10 K. Dr. Arnold v. Luſchin, Univer-
ſitätsprofeſſor in Graz 3 K. Franz Neuper, Ge-
werke in Unter-Zeiring 10 K. Herr Pirchan Karl,
Kaufmann in Marburg 1 Dukaten. Pototſchnig
Heinrich, Ingenieur in Windiſch-Graz 5 K. Dr.
Othmar Reiſer, Hof- und Gerichtsadvokat in Wien
40 K. Scholze Wilhelm in Gablonz a. N. 10 K.
Edmund Unger-Ullmann, Gewerke in Hohenmauthen
15 K. Dr. Wiesthaler Hermann, Notar in Rann
20 K. Frl. Toni Wogg in Cilli 2 K., Herr Dr.
Wolffhardt Eduard, Reichsratsabgeordneter in Wien
10 K., Zuſammen mit den übrigen Ausweiſen:
31718 Kronen 4 Heller. — Die Verwaltung der
„Marb. Ztg.“ erklärt ſich bereit, ebenfalls Spenden
für das Studentenheim entgegenzunehmen.

(Vollverſammlung der landwirt-
ſchaftlichen Filiale Marburg.)

Unter dem
Vorſitze des Herrn Inſpektors Binder fand
Sonntag vormittags im Kaſino eine Vollverſamm-
lung der landwirtſchaftlichen Filiale Marburg ſtatt.
Der Vorſitzende begrüßte die Erſchienenen, ins-
beſondere den Statthaltereirat Bezirkshauptmann
Grafen Attems, den er auch erſuchte, den Beſtrebun-
gen der Filiale ſeine Fürſorge widmen zu wollen.
Der Vorſitzende bringt nun geſchäftliche Mitteilungen
beſtehend in an die Filiale gerichteten Zuſchriften
zur Kenntnis. Unter anderem teilte der landwirt-
ſchaftliche Genoſſenſchafts-Verband mit, daß Kupfer-
vitriol nur in Säcken, welche 50 Kilo enthalten,
abgegeben werden kann. Der Zentralausſchuß be-
klagt in einem Schreiben an die Filiale die ſchwache
Beteiligung der bäuerlichen Bevölkerung an den
Verſammlungen der einzelnen Filialen und weist
darauf hin, daß wir unter ſolchen Umſtänden aller-
dings rückſtändig bleiben müſſen. Nachdem zu den
Mitteilungen niemand das Wort ergriff, erteilte
der Vorſitzende Herrn Direktor Zweifler das
Wort zu ſeinem Vortrage über Kellerwirtſchaft.
Redner betont, daß die Weinfäſſer vor der Gährung
nicht gefüllt ſein dürfen, wohl aber müſſen ſie es

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[4/0004] Marburger Zeitung Nr. 138, 18. November 1902. und auf den Satz: Die echte Liebe iſt einzig und allein die Mutterliebe. Und der Dichter des Volkes, der Seher, er hat Recht. Eine Mutter hat einmal geſagt: Sind die Kinder klein, ſo treten ſie der Mutter auſ die Füſſe; ſind ſie groß, dann treten ſie ihr aufs Herz. Mit Schmerzen gebiert die Mutter die Kinder und wenn ſie erwachſen ſind, dann ſchlagen ſie — wie es am Lande vorkommt — ihre eigene Mutter, und trotzdem verzeiht die Mutterliebe den Kindern wieder alles. Wie oft ſchon war es der Fall, daß bei Gerichtsverhand- lungen die Mutter die erſte war, die ihrem Kinde verzieh — ſo iſt die Mutterliebe. Der Staatsan- walt wendete ſich nun der eigentlichen Begründung der Anklage zu und verlangte die Schuldigſprechung des Angeklagten. Der Verteidiger machte geltend, daß es ſich heute nicht um das vierte Gebot handle, ſondern ausſchließlich nur darum, ob Joſef Bračko ſeine Mutter erſchlagen habe oder nicht. Redner verneint dieſe Frage. Ein Beweis dafür, daß Joſef Bračko ſeine Mutter wirklich erſchlagen habe, ſei während der ganzen Verhandlung nicht erbracht worden. Die Todesurſache kann eine andere ſein. Die Geſchworenen — Obmann Herr Martinz aus Friedau — bejahten die auf Totſchlag lautende Frage mit 11 Ja und 1 Nein. Bračko wurde zu 8 Jahren ſchweren Kerker mit einem Faſt- tage im Monate und Dunkelhaft am 11. Auguſt verurteilt. Angeklagter und Zeugen ſprachen nur ſloveniſch. Marburg, 18. November. Ein Gattenmörder. Auf Joſef Bračko, der ſeine leibliche Mutter erſchlug, folgte heute Franz Lenartič, der ſeine eigene Frau ermordete. Was für das Opfer ſinnloſer Brutalität beſondere Ge- fühle wachruft, iſt der Umſtand, daß ſie unter dem ſcharfen Meſſer ihres Mannes wegen ihrer Liebe zu ihren Kindern, die doch auch die Kinder ihres Mannes ſind, verbluten mußte. Franz Lenartič, der heute die Anklagebank „ſchmückt“, iſt 31 Jahre alt, katholiſch, Beſitzer in Richterofzen und ob Uebertretung gegen die körper- liche Sicherheit nach den §§ 431 und 411 St.-G. bereits vorbeſtraft. Franz Lenartič ſteht nun heute unter folgender Beſchuldigung vor den Geſchwo- renen. Im Jänner 1900 heiratete der Beſitzer Franz Lenartič in Richterofzen die Beſitzerstochter Maria Plohl. Die Ehe war keine glückliche. Maria Lenartič, die ſich mehr um ihre Kinder, als um die Wirtſchaft kümmerte, was am Lande nicht Brauch iſt, gab ihrem Gatten hiedurch häufig An- laß zum ärgern. Dieſer hingegen, im nüchternen Zuſtande zwar ein ſehr fleißiger Arbeiter, trank gerne und war beinahe täglich etwas betrunken, in- folge deſſen die zwiſchen den beiden Ehegatten ent- ſtehenden Streitigkeiten auf Seite des Mannes oft in Mißhandlungen und Bedrohungen der Frau ausarteten, die häufig ſo arg wurden, daß Maria Lenartič bei den Nachbarsleuten vor ihrem betrun- kenen Manne Schutz ſuchen mußte. Daß unter ſol- chen Umſtänden die Wirtſchaft nicht in die Höhe kam und die Vermögensverhältniſſe der beiden immer ſchlechter wurden, kann man ſich nun leicht denken. Nach einer neuerlichen ſchweren Mißhand- lung verließ die Frau ihren Mann, begab ſich mit dem jüngſten Kinde zu ihren Eltern und kehrte erſt über Zureden des Dr. Gottſcher in Radkersburg, an den ſie ſich wegen Einleitung der Scheidung wandte und über Bitten ihres Mannes zurück. Doch war das gute Einvernehmen nicht von langer Dauer. Es reifte bei Lenartič der Entſchluß, zuerſt ſeine Gattin und Kinder zu tödten und dann auch ſeinem Leben ein Ende zu machen. Am 29. September l. J. kam es nun aller- dings nur zur teilweiſen Ausführung dieſes Ent- ſchluſſes. Nach der Ausſage der Maria Lenartič, die noch vor ihrem Tode vernommen und beeidet werden konnte, ſowie der bei der Tat im Hauſe des Lenartič anweſend geweſenen Zeugen Martin Šafarič und Maria Klemenčič, geſchah dies folgendermaßen: Schon einige Tage vor dem 29. September hatte Franz Lenartič in Vorbereitung ſeiner Tat ein Küchenmeſſer geſchliffen. Am 29. September hatten nun beide Gatten den ganzen Tag Heu getrocknet. In der Dämmerung forderte Franz Lenartič nun ſeine Frau auf, die Schweine füttern zu gehen. Maria Lenartič erklärte aber, hie- zu keine Zeit zu haben, da das eine Kind weine. Auf dieſe Weigerung ſeiner Frau begann Franz Lenartič heftig zu fluchen, worauf ihm Maria Le- nartič ſagte: „Jaz nisem posiljeno sem šla in lahko zopet odidem. Zakaj si po mene prišel, če me zdaj tako preklinjaš“ und ſich nach dieſen Worten ins Haus und zwar ins hintere Zimmer begab. Franz Lenartič begann nun im vorderen Zimmer und in der Küche das von ihm bereits geſchliffene Meſſer zu ſuchen und ſchrie, als er es nicht ſogleich fand: „Kje je moj nož? Če vi mi noža naprej ne spravite, gorjé vam!“ Maria Lenartič war während dieſer Zeit im hinteren Zimmer geblieben und beruhigte dort ihr jüngſtes, weinendes Kind. Auf einmal trat der Be- ſchuldigte in dieſes Zimmer und verſetzte ſofort ſeiner Gattin mit dem ſcharfgeſchliffenen Meſſer 2 Stiche in die Bruſt. Dies ereignete ſich ſo ſchnell, daß Maria Lenartič, die ihr jüngſtes Kind auf dem Arme trug, an eine Abwehr gar nicht denken konnte und ihrem Manne nur zurief: „Kaj delaš, jaz imam ja otroka na sebi“ und dann aus dem Zimmer in die Küche flüchtete, wo ſie der Magd Maria Klemenčič das Kind gab. Auch der Beſchul- digte eilte in der Abſicht, ſeine Frau nochmals zu ſtechen, hinaus, jedoch in der Meinung, Maria Lenartič ſei in den Hof geflohen, nicht in die Küche, ſondern ins Freie. Gleich darauf kam auch Maria Lenartič aus der Küche in den Hof geeilt, um ſich zu ihrem Nachbarn zu flüchten, brach aber auf der Hausſchwelle infolge ihrer Verletzungen blutend zuſammen. Martin Šafarič, der bereits auf das erſte Geſchrei der Maria Lenartič ins Zimmer geeilt war, die Tat aber nicht mehr hatte hindern können, hob mit Hilfe des inzwiſchen auch hinzu- gekommenen Anton Scöks die Verwundete auf und und trug ſie in ihr Bett. Während die beiden mit dieſer ſich beſchäf- tigten, trat unbemerkt Franz Lenartič ins Zimmer, kam zum Bette und ſchnitt ſich mit einem Raſier- meſſer in den Hals. Er wollte ſich gerade noch einen zweiten Schnitt beibringen, als Šafarič ihn bemerkte, ihm das Raſiermeſſer aus der Hand riß und ihn zu Boden warf. Franz Lenartič ſtand dann auf und während ſich Šafarič wieder der Maria Lenartič zuwandte, ſprang der Beſchuldigte gegen die im ſelben Zimmer befindliche Wiege des älteren Kindes, augenſcheinlich in der Abſicht, auch dieſem etwas anzutun. Šafarič riß ihn jedoch zu- rück, worauf Beſchuldigter ins Freie eilte. Maria Lenartič erlitt durch die Meſſerſtiche des Beſchuldigten zwei lebensgefährliche Verle- tzungen in der rechten und linken Bruſtſeite und ſtarb in der Nacht vom 5. auf den 6. Oktober l. J. im Krankenhauſe zu Radkersburg. Die Sachver- ſtändigen gaben als Todesurſache die durch die Stichverletzung in der rechten Bruſtſeite hervorge- rufene koloſſale Blut- und Luftanſammlung an, durch welche die rechte Lunge vollkommen kompri- miert und luftleer gemacht, ſomit aus der Atmung ausgeſchaltet wurde, ſowie die durch beide Stich- verletzungen hervorgerufene Rippenfellentzündung. Der Beſchuldigte iſt ſeiner Tathandlung geſtändig und ſtellt den Sachverhalt im weſentlichen gleich- lautend wie ſeine Gattin und die oben genannten Zeugen dar, doch leugnet er, die Abſicht gehabt zu haben, ſeine Frau tödten. Um ¼2 Uhr nachm. wurde die Verhandlung, welche L.-G.-R. Dr. Vouſchek leitete und bei welcher als öffentlicher Ankläger Staatsanwaltsſubſtitut Dr. Roſchanz, als Verteidiger Dr. Haas amtete, abgebrochen. Ueber den Zeugen Frank wurde wegen des Verdachtes der falſchen Zeugenausſage die Ver- wahrungshaft verhängt. Um 4 Uhr wurde die Ver- handlung wieder aufgenommen. Um ¼6 Uhr abends währt dieſelbe noch fort. Das Urteil bringen wir in der nächſten Nummer. Marburger Nachrichten. (Der Marburger Turnverein [deutſche Turnerſchaft]) hält, wie alljährlich, ſo auch dieſes Jahr am 6. Dezember ſeinen Weihnachts- abend ab, worauf ſchon in Kürze aufmerkſam ge- macht wurde. Es wird noch hinzugefügt, daß ſich die diesjährige Weihnachtsfeier von den früheren beſonders unterſcheiden wird, da es dem genannten Verein durch ſtetes Wachſen der Mitgliederanzahl, ſowie durch die dadurch gehobeue Luſt und Freude zur deutſchen Turnſache möglich geworden iſt, die Vortragsordnung, deren Inhalt ſpäter näher be- ſprochen werden ſoll, äußerſt lebhaft zu geſtalten. Das zahlreiche Erſcheinen der unterſtützenden Mit- glieder des Marburger Turnvereines iſt ſehr er- wünſcht. Ebenſo iſt der Eintritt für Geladene durch Vorzeigung der Vortragsordnung, welche am be- treffenden Abend dortſelbſt für 40 h erhältlich iſt, geſtattet. (Sektion Marburg des D. u. Oe. Alpen-Vereines.) Morgen abends findet im Kaſino-Speiſeſaale (erſten Stock) eine Verſamm- lung dieſer Sektion ſtatt, in welcher Herr Direktor Wirth über die General-Verſammlung zu Würzburg ſprechen wird. Gäſte ſind bei dieſen Verſammlungen, welche jeden erſten und dritten Mittwoch in den Wintermonaten ſtattfinden, ſtets willkommen. (Vom Theater.) Ziehrer, welcher kürzlich in Wien das vierzigſte Jahr ſeiner Tätig- keit als Dirigent feierte, wird morgen auch hier in Marburg durch die Aufführung ſeiner Operette „Die Landſtreicher geehrt werden und es iſt wohl zu erwarten, daß die einſchmeichelnden Weiſen des beliebten Tondichters den Abend zu einem allſeits befriedigenden geſtalten werden. — Donnerstag kommt das bekannt gute Luſtſpiel „Komteſſe Guckerl“ zur Aufführung, in welchem Frl. Payer die Cilli ſpielt. — Für Samstag wird als Straußfeier „Der Karneval von Rom“ vorbereitet und wir wollen hoffen, daß kein neues Hindernis die Auf- führung vereitelt. (Deutſches Studentenheim in Mar- burg.) 3. Spendenausweis. Stadtgemeinde Graz 1000 Kr. (erſte Rate der Spende von 2000 Kr.) Stadtgemeinde Wien 200 Kr. Verband deutſcher Hochſchüler Marburgs 400 Kr. Zweig Marburg des deutſchen Sprachvereines, Jahresbeitrag 50 Kr. Ausſchuß für deutſche Unterhaltungsabende in Graz 50 Kr. Kegelgeſellſchaft Marburg durch Herrn W. Witlaczil 10 Kr. Durch die „Marburger Zeitg.“ anläßlich der Promotion des Herrn Dr. Fiſchereder 16 Kr. Binder Hermann, Güterinſpektor in Mar- burg, 10 Kr. Dahn Felix, Geheimer Juſtizrat in Breslau, ſein Werk „Kampf um Rom“. Dr. Dimmer Friedrich, Univerſitätsprofeſſor, 6 Kr. Erber Otto, Gewerke in Hohenmauthen, 15 Kr. Dr. Michael Hainiſch, k. k. Univerſitätsprofeſſor in Wien, 10 Kr. Dr. Richard Hiebaum, Rechtsanwalt in Judenburg, 10 Kr. Hlawatſchek Franz, Profeſſor der techn. Hochſchule in Graz, 5 Kr. Dr. Koloman Höck, Rechtsanwalt in Mattighofen, N.-Oeſt., 10 Kr. Dr. Karl Höhn, Oberfinanzrat in Czecnowitz, 5 Kr. Dr. Hoffmann von Wellenhof, Reichs- ratsabgeordneter in Graz, 5 Kr. Ferdinand Kalus, Oberinſpektor der Südbahn in Marburg, 50 Kr. Dr. Robert Knaffl, Arzt in Villach, 20 Kr. Leopold Kralik Buchdruckereibeſitzer durch Hernn Dr. Glantſchnigg Eduard, Strafe des Pfarrers Schegula 50 K. Herr Dr. Julius Kratter, Univerſitätätspro- feſſor in Graz 10 K. Dr. Joſef Krautgaſſer, Arzt in Mureck 10 K. Dr. Arnold v. Luſchin, Univer- ſitätsprofeſſor in Graz 3 K. Franz Neuper, Ge- werke in Unter-Zeiring 10 K. Herr Pirchan Karl, Kaufmann in Marburg 1 Dukaten. Pototſchnig Heinrich, Ingenieur in Windiſch-Graz 5 K. Dr. Othmar Reiſer, Hof- und Gerichtsadvokat in Wien 40 K. Scholze Wilhelm in Gablonz a. N. 10 K. Edmund Unger-Ullmann, Gewerke in Hohenmauthen 15 K. Dr. Wiesthaler Hermann, Notar in Rann 20 K. Frl. Toni Wogg in Cilli 2 K., Herr Dr. Wolffhardt Eduard, Reichsratsabgeordneter in Wien 10 K., Zuſammen mit den übrigen Ausweiſen: 31718 Kronen 4 Heller. — Die Verwaltung der „Marb. Ztg.“ erklärt ſich bereit, ebenfalls Spenden für das Studentenheim entgegenzunehmen. (Vollverſammlung der landwirt- ſchaftlichen Filiale Marburg.) Unter dem Vorſitze des Herrn Inſpektors Binder fand Sonntag vormittags im Kaſino eine Vollverſamm- lung der landwirtſchaftlichen Filiale Marburg ſtatt. Der Vorſitzende begrüßte die Erſchienenen, ins- beſondere den Statthaltereirat Bezirkshauptmann Grafen Attems, den er auch erſuchte, den Beſtrebun- gen der Filiale ſeine Fürſorge widmen zu wollen. Der Vorſitzende bringt nun geſchäftliche Mitteilungen beſtehend in an die Filiale gerichteten Zuſchriften zur Kenntnis. Unter anderem teilte der landwirt- ſchaftliche Genoſſenſchafts-Verband mit, daß Kupfer- vitriol nur in Säcken, welche 50 Kilo enthalten, abgegeben werden kann. Der Zentralausſchuß be- klagt in einem Schreiben an die Filiale die ſchwache Beteiligung der bäuerlichen Bevölkerung an den Verſammlungen der einzelnen Filialen und weist darauf hin, daß wir unter ſolchen Umſtänden aller- dings rückſtändig bleiben müſſen. Nachdem zu den Mitteilungen niemand das Wort ergriff, erteilte der Vorſitzende Herrn Direktor Zweifler das Wort zu ſeinem Vortrage über Kellerwirtſchaft. Redner betont, daß die Weinfäſſer vor der Gährung nicht gefüllt ſein dürfen, wohl aber müſſen ſie es

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 138, Marburg, 18.11.1902, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger138_1902/4>, abgerufen am 21.11.2024.