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Marburger Zeitung. Nr. 124, Marburg, 16.10.1906.

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Nr 124 16. Oktober 1906 Marburger Zeitung

[Spaltenumbruch]

bei Ausübung seines, von wahrer Nächstenliebe ge-
leiteten Berufes ereilte, ist eine allgemeine.

(Trauung.
-- Todesfall.)

Gestern nachmittags fand in der
Klosterkirche zu Wind.-Feistritz die Trauung des
Fräuleins Fanni Osimitsch, Tochter des Haus-
und Realitätenbesitzers Herrn Franz Osimitsch, mit
Hrn. Ceslav Miarzinsky, k. k. Postassistenten in
Pontafel statt. Als Beistände fungierten die Herren
Schulleiter Kolletnig und Herr Postassistent
Finsterwalder. -- Heute starb hier die Haus-
besitzerin Frau Marie Fulla, verwitwete Bratuscha
im 89. Lebensjahre.

(Tod
durch Erhängen.)

Der wegen Verbrechen der
Notzucht wider die Natur in Verwahrungshaft des
Bezirksgerichtes Wind.-Feistritz befindliche Josef
Leskovar, pensionierter Bahnwächter aus Weidesch,
hat sich am 14. d. M. in der Früh in seiner
Arrestzelle erhängt. Leskovar galt bis jetzt überall
als fleißiger Arbeiter und stand im 60. Lebensjahre.
Er wurde behufs Obduktion in die städtische
Totenkammer überführt.

(Selbstmord.)

In
Veternik bei Drachenburg machte Donnerstag
der dortige Besitzer Georg Kunei seinem Leben
durch einen Revolverschuß ein Ende. Häuslicher
Zwist soll die Ursache des Selbstmordes gewesen
sein. Vier unversorgte Kinder beweinen ihren Vater.

(Aus ver-
schmähter Liebe.)

Der 42jährige, beim hiesigen
Bergbau beschäftigte Jakob Trolb verfolgt seit
längerer Zeit eine Bauerntochter in Ober-Söding,
welche von ihm nichts wissen will. Gestern abend
kam er wieder nach Ober-Söding und brachte dem
Mädchen mit dem Messer Stiche auf den Kopf,
in die Brust und in die Beine bei. Trolb hat das
Mädchen vor einigen Jahren mit einer Hacke schwer
verletzt, was ihm damals 8 Monate Kerker eintrug.




Pettauer Nachrichten.
Stadttheater.

Die am Montag, den 15. d.
stattgefundene Eröffnungsvorstellung "Der Weg zur
Hölle", Schwank von Gustav Kadelburg fand vor
sehr gut besuchtem Hause beifälligste Aufnahme.
Freitag, den 19. d. geht als erstes musikalisches
Werk Karl Zeller's melodiöse Operette "Der
Kellermeister" in Szene, worin sich das gesamte
Operetten-Personale vorstellen wird. In Marburg
hatte diese Aufführung stürmischen Erfolg und
fanden bereits drei Wiederholungen des Werkes statt.
In Vorbereitung ist das Sensationsschauspiel "Die
Sittennote", die Tragöde eines Schülers in vier
Akten von Adolf Schwayer.

Justizskandale.

Unter dieser Spitzmarke
bringt der letzte "Stajerc" folgende Betrachtung:
"Unsere Pettauer Pervaken -- Gott erbarme sich
ihrer -- sind wohl die ärmsten Leute, die auf
unserer grünen Erde pilgern. Alles, alle unterdücken
sie, diese armen Retter und Erlöser des Volkes,
diese notwendigen Helden und Märtyer, ohne welche
die Slowenen schon längst Zulukaffer oder Eskimos
geworden wären. Nichts, aber gar nichts dürfen
sie tun, diese hohen Herren, deren Herzen für die
hohe Sache der pervakischen Politik schlagen. Kaum
beginnt einer dieser Ritter von der traurigen Ge-
stalt hinterrücks ein wenig zu verleumden, wird er
schon von den bösen Fortschrittlern bei den Ohren
genommen. Kaum beginnt der Pettauer Denunziant
ein wenig herumzuschnüffeln, und schou pfeifen die
Pettauer Spatzen ein Lied, das mit "der größte
Schuft" beginnt und mit "ist der Denunziant"
endet. Nicht einmal lügen, die Wahrheit entstellen,
ehrabschneiden, auf Ehrenmänner ungestraft speien
dürfen diese armen, geknechteten Pervaken in Pettau.
Und das ist böse, denn der richtige Pervak lebt
leichter ohne Luft als ohne Lüge und Denun-
ziantentum. Darum wundern wir uns nicht, daß
in Pettau so viele Justizskandale und sogar Justiz-
morde geschehen. Wer es nicht glaubt, lese die Per-
vakenblätter, besonders jenen "Narod", dessen Name
unwidersprochen mit Silberlöffeldiebstählen in Ver-
bindung steht. Dort steht es schwarz auf weiß, jede
Woche einmal, daß soundsoviel solcher "Skandale"
und "Morde" der Pettauer Justiz geschehen. Nur
einige Fälle! Vor Jahren hetzte die pervakische
Wuchergesellschaft eine Kellnerin Mustafa, sie möge
den "Stajerc" und einige andere Blätter klagen.
Die Kellnerin war so dumm, daß sie wirklich ihre
blutigen Kreuzer den Hetzern in den Rachen warf;
die Blätter aber wurden freigesprochen, weil
[Spaltenumbruch] "G'spusi" keine Beleidigung ist. Die Kellnerin hatte
leere Taschen, ein paar hundert Kronen sollte der
Dr. Zguba (Dr. Verlust) "verdienen" und -- all
dies ist ein "Justizskandal". Dr. Brumen schmähte
Beamte, Zeugen und Geschworene auf das uner-
hörteste; seine in Pettau, Marburg, Cilli, Triest,
Graz und Wien erfolgten Verurteilungen sind nach
seinen Angaben im "Narod" Justizmorde. Und so
geht es weiter. Wahrlich, wir müssen der Justiz
die Binde von den Augen nehmen. Brumen
muß freie Hand haben im Lügen, Verleumden,
Denunzieren. Brumen muß frei sein, wenn er anderen
an die Ehre geht. Und wer ihn verurteilt, macht
einen "Justizmord". Denn Gesetz, Kerker, Strafen,
das alles ist nur für die bösen Fortschrittler. Die
Pervaken aber dürfen alles ungestraft tun ...
wenn'es nicht regnen wird!




Marburger Nachrichten.
Todesfälle.

Am 14. d. M. starb die Haus-
besitzerin Frau Marie Jugg geb. Schneditz im
83. Lebensjahre. Das Leichenbegängnis fand gestern
statt.

Oberlehrerstelle.

An der vierklassigen Knaben-
volksschule in Windisch-Feistritz gelangt bis
Ostern 1907 die Oberlehrerstelle definitiv zur Be-
setzung. Gesuche bis 1. Dezember d. J. an den
Ortsschulrat.

Jahresbericht über den Kaiser Franz
Josef-Knabenhort in Marburg

im Schul-
jahre 1905/06. Dieser Tätigkeitsbericht umfaßt die
Zeit vom 1. September 1905 bis 15. Juli 1906.
In diesen 101/2 Monaten waren die Zöglinge an
251 Tagen im Horte versorgt. 9893 Vormittags-
besuche und die 9897 Nachmittagsbesuche ergaben
19.790 Halbtagsbesuche und ebensoviele Mittagessen
mit Brot und Jausenbrot. Im Laufe des Jahres
waren insgesamt 46 Zöglinge eingeschrieben, der
höchste Stand des Besuches war zeitweilig 43,
zumeist aber 42 Knaben, von denen im Durchschnitt
täglich 39 anwesend waren. Zu Beginn wurden
42 Schüler aufgenommen. 34 davon waren schon
im Vorjahre Zöglinge der Anstalt, 8 neu und 4 im
Laufe des Schuljahres als Ersatz für 4 ausgetretene
eingereiht. Die Knaben stehen im Alter zwischen
dem siebenten und vierzehten Lebensjahre, die meisten
zwischen dem zehnten und dreizehnten Jahre und
besuchen ordnungsmäßig die Volks- und Bürger-
schulen der Stadt, und zwar die Knabenvolks-
schule I 9, die Kuabenvolksschule II 23, die Knaben-
volksschule III 8 und die Knabenbürgerschule 6. Der
Klassenbesuch stellt sich folgendermaßen: 1. Klasse
der Volksschule 4, 2. Klasse 4, 3. Klasse 12,
4. Klasse 8, 5. Klasse 10, Abschlußklasse 2, 1. Klasse
der Bürgerschule 4, 2. Klasse 1 und 3. Klasse 1.
24 Zöglinge hatten Vater und Mutter, 15 keinen
Vater, 4 keine Mutter mehr und 3 waren Waisen.
Von der Zahlung des Wochenbeitrages von 40 H.
waren mit Berücksichtigung besonderer Umstände
sechs ganz und einer halb befreit. Für fünf Knaben
haben edelsinnige Wohltäter die Bezahlung der Bei-
träge übernommen, und zwar die Herren Richard
Freiherr Basso v. Gödel-Lannoy (für 2), A. Götz
und G. Scherbaum (für 2). Die Schulnachrichten
wiesen am Schluße der Schuljahres folgenden Stand
aus: Sitten: vollkommen entsprechend 30, ent-
sprechend 12; Fleiß: ausdauernd 6, befriedigend 18,
ungleichmäßig 15, gering 3; Fortgang: zum
Aufsteigen reif 37, nicht reif 5 Schüler. Gegenüber
den früheren Ausweisen des Schuljahres zeigten sich
in Sitten 12, im Fleiße 14 und im Fortgange 34
gebessert. Im Horte wird versucht, die Erziehung
wie in einer großen Familie zu pflegen; jeder
Knabe soll sich als gleichgehaltenes, vollwertiges
Glied des Ganzen fühlen. Dem Zwecke der Anstalt
entsprechend wurden die Zöglinge zu Gottesfurcht
und Vaterlandsliebe, zu anständiger Lebensführung
und Fleiß angehalten. Die Tätigkeit der Schule
wird in allen ihren Lehrfächern durch Wiederholung
und Einübung unterstützt. Besondere Aufmerksamkeit
findet der Sprach- und Rechenunterricht. Mit einer
gewissen Selbständigkeit kann im Horte das Zeichnen,
Singen und Turnen gepflegt werden. Der Eigenart
in der Befähigung der Knaben wird genügender
Spielraum gelassen und einzelne weisen in den
Leibesübungen, im Singen, im Zeichnen nach den
Grundsätzen einer natürlichen Methode und in der
Knabenhandarbeit schöne Anlagen auf. Im Hand-
fertigkeitsunterrichte, den Herr E. Vadnou Mitt-
woch und Samstag nachmittags erteilte, be-
schäftigten sich die Knaben mit Modellieren in Ton,
mit Papparbeiten, einzelne mit Kerbschnitzen und
[Spaltenumbruch] brachten allerlei Schönes zustande. Bei den gemein-
schastlichen Ausgängen wurde manches aus der
Natur- und Heimatkunde besprochen. Gesunde und
lehrreiche Beschäftigung bietet auch der Garten. Dem
Lesebedürfnis wird die Bücherei gerecht, die 362
Bücher enthält, welche zum Teil zum Vorlesen von
allen Knaben gebraucht wurden, wie: Robinson,
Andersen's Märchen, Rosegger's "Waldbauernbub'"
oder in 91 Fällen an einzelne zur häuslichen Be-
schäftigung entliehen wurden. An Lernmitteln wurde
Papier zum Schreiben und Zeichnen, Bleistifte,
Federn und dergleichen abgegeben. Die Beteilung
mit Kleidern, Wäsche und Schuhen erfolgte im
Herbste. Die Verköstigung besteht zu Mittag aus
Suppe und Brot, zur Jause aus letzerem allein.
Die Kosten der Anstalt betrugen im Kalenderjahre
1905 4915·49 K., davon für Kost 1390·35 K., für
Kleidung, Wäsche und Schuhe 823·79 K. und für
Lernmittel 171·13 K. Ein Zögling kommt beiläufig
auf 117 K. Die öffentliche Wohltätigkeit hat sich
in den Dienst der guten Sache gestellt. Die Stadt-
gemeinde spendete 400 K., die Sparkasse-Jubi-
läumsstiftung 300 K., eine Reihe gutherziger Bürger
der Stadt 485 K. und mancherlei Gegenstände,
wofür hiemit der herzlichste Dank ausgesprochen
wird. Der Verwaltungsrat, der an der Spitze der
Anstalt steht und dessen Obmann Herr Richard
Freiherr Basso v. Gödel-Lannoy ist, erledigte die
Geschäfte in zwei Sitzungen. Er nahm Veranlassung,
Herrn Oberlehrer Alfred Berger, der im Vorjahre
den Leiter im Dienste vertrat, den Dank und die
Anerkennung für sein Wirken auszusprechen. In
festlicher Weise wurden Kaisers Namenstag am
4. Oktober und der Gedenktag für Kaiserin Elisabeth
am 19. November begangen. Die Weihnachtsfeier
wurde am 21. Dezember mit Vorträgen, Gesang
und Bescherung unter Beteiligung vieler Gäste ab-
gehalten. Drei Zöglinge traten nach vollendeter
Schulpflicht in die Lehre. Karl Gassareck, Leiter
des Kaiser Franz Josef-Knabenhortes.

Post-Automobilverkehr Marburg--
St. Leonhard--Pettau.

Wir erhielten folgende
Zuschrift: Als vor einigen Wochen die Zeitungen
die Nachricht brachten, daß die Staatsverwaltung
unter gewissen Voraussetzungen bereit sei, Auto-
mobillinien für den Post-, Personen- und (be-
schränkten) Sachenverkehr einzurichten, ist der gefertigte
Gerichtsvorsteher im Interesse des Bezirksgerichtes
und über Ersuchen maßgebender Interessentenkreise
der Sache nähergetreten und hat an zuständigen
Stellen in Wien und Graz Erkundigungen ein-
gezogen. Es käme hauptsächlich die Einrichtung des
Automobilverkehrs zwischen Marburg--Sankt
Leonhard--Hl. Dreifaltigkeit--Pettau

in Frage. Diesfalls scheinen mir die Voraus-
setzungen zu einer solchen Einrichtung so günstig zu
sein, wie nicht leicht irgendwo. Denn hier würden
sich voraussichtlich für die Übernahme der von der
Staatsverwaltung geforderten Garantierung drei
große Bezirke, zwei große Städte und zwei Märkte
nach einem zu vereinbarenden Schlüssel bereit erklären.
Welche Verbindlichkeiten die Staatsverwaltung
begehrt und überhaupt die diesbezüglichen näheren
Anleitungen sind aus dem Zirkulare der k. k. Post-
und Telegraphendirektion in Graz vom 1. Oktober
1906, Z. 55375, ersichtlich. (Wir werden auf dieses
Zirkular zurückkommen. Die Schriftleitung.) Um in
der Sache so rasch als möglich zum Ziele zu ge-
langen, erlaube ich mir eine gemeinsame Beratung
von Vertretern der Stadtgemeinden Marburg und
Pettau, der Bezirksvertretungen Marburg, Pettau
und St. Leonhard und der Marktgemeinden
St. Leonhard und Hl. Dreifaltigkeit vorzuschagen.
Ich gestatte mir nun die Bitte, es wolle dortamts
der Gegenstand einer Vorberatung unterzogen und
sodann zur gemeinschaftlichen Beratung eine Ver-
tretung entsendet werden. Für diese gemeinschaftliche
Beratung der beteiligten Kreise erlaube ich mir als
Ort St. Leonhard und als Tag den 11. November
1906, nachmittags 2 Uhr (Bezirksgericht, 1. Stock,
Amtszimmer Nr. 1) vorzuschlagen. Zur Beratung
kämen hauptsächlich folgende Punkte: 1. Die Fest-
stellung des Schlüssels, nach welchem die beteiligten
Interessentengruppen für die Garantiesumme ein-
tretendenfalls aufzukommen hätten. 2. Die Ver-
breiterung der Bezirksstraße ab Reichsstraße Leiters-
berg über St. Leonhard bis Pettau. 3. Die all-
fällige Umlegung der Bezirksstraße in Samarko,
Mutschen (Schicker). Sollten die hier gemachten
Vorschläge in irgend welcher Beziehung nicht genehm
sein, so erbitte ich Mitteilung bis zum 1. November
1906, damit noch Änderungen durchgeführt werden
können. Sollte von keiner Seite ein gegenteiliger
Antrag oder Ablehnung einlangen, werde ich die

Nr 124 16. Oktober 1906 Marburger Zeitung

[Spaltenumbruch]

bei Ausübung ſeines, von wahrer Nächſtenliebe ge-
leiteten Berufes ereilte, iſt eine allgemeine.

(Trauung.
— Todesfall.)

Geſtern nachmittags fand in der
Kloſterkirche zu Wind.-Feiſtritz die Trauung des
Fräuleins Fanni Oſimitſch, Tochter des Haus-
und Realitätenbeſitzers Herrn Franz Oſimitſch, mit
Hrn. Ceslav Miarzinsky, k. k. Poſtaſſiſtenten in
Pontafel ſtatt. Als Beiſtände fungierten die Herren
Schulleiter Kolletnig und Herr Poſtaſſiſtent
Finſterwalder. — Heute ſtarb hier die Haus-
beſitzerin Frau Marie Fulla, verwitwete Bratuſcha
im 89. Lebensjahre.

(Tod
durch Erhängen.)

Der wegen Verbrechen der
Notzucht wider die Natur in Verwahrungshaft des
Bezirksgerichtes Wind.-Feiſtritz befindliche Joſef
Leskovar, penſionierter Bahnwächter aus Weideſch,
hat ſich am 14. d. M. in der Früh in ſeiner
Arreſtzelle erhängt. Leskovar galt bis jetzt überall
als fleißiger Arbeiter und ſtand im 60. Lebensjahre.
Er wurde behufs Obduktion in die ſtädtiſche
Totenkammer überführt.

(Selbſtmord.)

In
Veternik bei Drachenburg machte Donnerstag
der dortige Beſitzer Georg Kunei ſeinem Leben
durch einen Revolverſchuß ein Ende. Häuslicher
Zwiſt ſoll die Urſache des Selbſtmordes geweſen
ſein. Vier unverſorgte Kinder beweinen ihren Vater.

(Aus ver-
ſchmähter Liebe.)

Der 42jährige, beim hieſigen
Bergbau beſchäftigte Jakob Trolb verfolgt ſeit
längerer Zeit eine Bauerntochter in Ober-Söding,
welche von ihm nichts wiſſen will. Geſtern abend
kam er wieder nach Ober-Söding und brachte dem
Mädchen mit dem Meſſer Stiche auf den Kopf,
in die Bruſt und in die Beine bei. Trolb hat das
Mädchen vor einigen Jahren mit einer Hacke ſchwer
verletzt, was ihm damals 8 Monate Kerker eintrug.




Pettauer Nachrichten.
Stadttheater.

Die am Montag, den 15. d.
ſtattgefundene Eröffnungsvorſtellung „Der Weg zur
Hölle“, Schwank von Guſtav Kadelburg fand vor
ſehr gut beſuchtem Hauſe beifälligſte Aufnahme.
Freitag, den 19. d. geht als erſtes muſikaliſches
Werk Karl Zeller’s melodiöſe Operette „Der
Kellermeiſter“ in Szene, worin ſich das geſamte
Operetten-Perſonale vorſtellen wird. In Marburg
hatte dieſe Aufführung ſtürmiſchen Erfolg und
fanden bereits drei Wiederholungen des Werkes ſtatt.
In Vorbereitung iſt das Senſationsſchauſpiel „Die
Sittennote“, die Tragöde eines Schülers in vier
Akten von Adolf Schwayer.

Juſtizſkandale.

Unter dieſer Spitzmarke
bringt der letzte „Stajerc“ folgende Betrachtung:
„Unſere Pettauer Pervaken — Gott erbarme ſich
ihrer — ſind wohl die ärmſten Leute, die auf
unſerer grünen Erde pilgern. Alles, alle unterdücken
ſie, dieſe armen Retter und Erlöſer des Volkes,
dieſe notwendigen Helden und Märtyer, ohne welche
die Slowenen ſchon längſt Zulukaffer oder Eskimos
geworden wären. Nichts, aber gar nichts dürfen
ſie tun, dieſe hohen Herren, deren Herzen für die
hohe Sache der pervakiſchen Politik ſchlagen. Kaum
beginnt einer dieſer Ritter von der traurigen Ge-
ſtalt hinterrücks ein wenig zu verleumden, wird er
ſchon von den böſen Fortſchrittlern bei den Ohren
genommen. Kaum beginnt der Pettauer Denunziant
ein wenig herumzuſchnüffeln, und ſchou pfeifen die
Pettauer Spatzen ein Lied, das mit „der größte
Schuft“ beginnt und mit „iſt der Denunziant“
endet. Nicht einmal lügen, die Wahrheit entſtellen,
ehrabſchneiden, auf Ehrenmänner ungeſtraft ſpeien
dürfen dieſe armen, geknechteten Pervaken in Pettau.
Und das iſt böſe, denn der richtige Pervak lebt
leichter ohne Luft als ohne Lüge und Denun-
ziantentum. Darum wundern wir uns nicht, daß
in Pettau ſo viele Juſtizſkandale und ſogar Juſtiz-
morde geſchehen. Wer es nicht glaubt, leſe die Per-
vakenblätter, beſonders jenen „Narod“, deſſen Name
unwiderſprochen mit Silberlöffeldiebſtählen in Ver-
bindung ſteht. Dort ſteht es ſchwarz auf weiß, jede
Woche einmal, daß ſoundſoviel ſolcher „Skandale“
und „Morde“ der Pettauer Juſtiz geſchehen. Nur
einige Fälle! Vor Jahren hetzte die pervakiſche
Wuchergeſellſchaft eine Kellnerin Muſtafa, ſie möge
den „Stajerc“ und einige andere Blätter klagen.
Die Kellnerin war ſo dumm, daß ſie wirklich ihre
blutigen Kreuzer den Hetzern in den Rachen warf;
die Blätter aber wurden freigeſprochen, weil
[Spaltenumbruch] „G’ſpuſi“ keine Beleidigung iſt. Die Kellnerin hatte
leere Taſchen, ein paar hundert Kronen ſollte der
Dr. Zguba (Dr. Verluſt) „verdienen“ und — all
dies iſt ein „Juſtizſkandal“. Dr. Brumen ſchmähte
Beamte, Zeugen und Geſchworene auf das uner-
hörteſte; ſeine in Pettau, Marburg, Cilli, Trieſt,
Graz und Wien erfolgten Verurteilungen ſind nach
ſeinen Angaben im „Narod“ Juſtizmorde. Und ſo
geht es weiter. Wahrlich, wir müſſen der Juſtiz
die Binde von den Augen nehmen. Brumen
muß freie Hand haben im Lügen, Verleumden,
Denunzieren. Brumen muß frei ſein, wenn er anderen
an die Ehre geht. Und wer ihn verurteilt, macht
einen „Juſtizmord“. Denn Geſetz, Kerker, Strafen,
das alles iſt nur für die böſen Fortſchrittler. Die
Pervaken aber dürfen alles ungeſtraft tun ...
wenn’es nicht regnen wird!




Marburger Nachrichten.
Todesfälle.

Am 14. d. M. ſtarb die Haus-
beſitzerin Frau Marie Jugg geb. Schneditz im
83. Lebensjahre. Das Leichenbegängnis fand geſtern
ſtatt.

Oberlehrerſtelle.

An der vierklaſſigen Knaben-
volksſchule in Windiſch-Feiſtritz gelangt bis
Oſtern 1907 die Oberlehrerſtelle definitiv zur Be-
ſetzung. Geſuche bis 1. Dezember d. J. an den
Ortsſchulrat.

Jahresbericht über den Kaiſer Franz
Joſef-Knabenhort in Marburg

im Schul-
jahre 1905/06. Dieſer Tätigkeitsbericht umfaßt die
Zeit vom 1. September 1905 bis 15. Juli 1906.
In dieſen 10½ Monaten waren die Zöglinge an
251 Tagen im Horte verſorgt. 9893 Vormittags-
beſuche und die 9897 Nachmittagsbeſuche ergaben
19.790 Halbtagsbeſuche und ebenſoviele Mittageſſen
mit Brot und Jauſenbrot. Im Laufe des Jahres
waren insgeſamt 46 Zöglinge eingeſchrieben, der
höchſte Stand des Beſuches war zeitweilig 43,
zumeiſt aber 42 Knaben, von denen im Durchſchnitt
täglich 39 anweſend waren. Zu Beginn wurden
42 Schüler aufgenommen. 34 davon waren ſchon
im Vorjahre Zöglinge der Anſtalt, 8 neu und 4 im
Laufe des Schuljahres als Erſatz für 4 ausgetretene
eingereiht. Die Knaben ſtehen im Alter zwiſchen
dem ſiebenten und vierzehten Lebensjahre, die meiſten
zwiſchen dem zehnten und dreizehnten Jahre und
beſuchen ordnungsmäßig die Volks- und Bürger-
ſchulen der Stadt, und zwar die Knabenvolks-
ſchule I 9, die Kuabenvolksſchule II 23, die Knaben-
volksſchule III 8 und die Knabenbürgerſchule 6. Der
Klaſſenbeſuch ſtellt ſich folgendermaßen: 1. Klaſſe
der Volksſchule 4, 2. Klaſſe 4, 3. Klaſſe 12,
4. Klaſſe 8, 5. Klaſſe 10, Abſchlußklaſſe 2, 1. Klaſſe
der Bürgerſchule 4, 2. Klaſſe 1 und 3. Klaſſe 1.
24 Zöglinge hatten Vater und Mutter, 15 keinen
Vater, 4 keine Mutter mehr und 3 waren Waiſen.
Von der Zahlung des Wochenbeitrages von 40 H.
waren mit Berückſichtigung beſonderer Umſtände
ſechs ganz und einer halb befreit. Für fünf Knaben
haben edelſinnige Wohltäter die Bezahlung der Bei-
träge übernommen, und zwar die Herren Richard
Freiherr Baſſo v. Gödel-Lannoy (für 2), A. Götz
und G. Scherbaum (für 2). Die Schulnachrichten
wieſen am Schluße der Schuljahres folgenden Stand
aus: Sitten: vollkommen entſprechend 30, ent-
ſprechend 12; Fleiß: ausdauernd 6, befriedigend 18,
ungleichmäßig 15, gering 3; Fortgang: zum
Aufſteigen reif 37, nicht reif 5 Schüler. Gegenüber
den früheren Ausweiſen des Schuljahres zeigten ſich
in Sitten 12, im Fleiße 14 und im Fortgange 34
gebeſſert. Im Horte wird verſucht, die Erziehung
wie in einer großen Familie zu pflegen; jeder
Knabe ſoll ſich als gleichgehaltenes, vollwertiges
Glied des Ganzen fühlen. Dem Zwecke der Anſtalt
entſprechend wurden die Zöglinge zu Gottesfurcht
und Vaterlandsliebe, zu anſtändiger Lebensführung
und Fleiß angehalten. Die Tätigkeit der Schule
wird in allen ihren Lehrfächern durch Wiederholung
und Einübung unterſtützt. Beſondere Aufmerkſamkeit
findet der Sprach- und Rechenunterricht. Mit einer
gewiſſen Selbſtändigkeit kann im Horte das Zeichnen,
Singen und Turnen gepflegt werden. Der Eigenart
in der Befähigung der Knaben wird genügender
Spielraum gelaſſen und einzelne weiſen in den
Leibesübungen, im Singen, im Zeichnen nach den
Grundſätzen einer natürlichen Methode und in der
Knabenhandarbeit ſchöne Anlagen auf. Im Hand-
fertigkeitsunterrichte, den Herr E. Vadnou Mitt-
woch und Samstag nachmittags erteilte, be-
ſchäftigten ſich die Knaben mit Modellieren in Ton,
mit Papparbeiten, einzelne mit Kerbſchnitzen und
[Spaltenumbruch] brachten allerlei Schönes zuſtande. Bei den gemein-
ſchaſtlichen Ausgängen wurde manches aus der
Natur- und Heimatkunde beſprochen. Geſunde und
lehrreiche Beſchäftigung bietet auch der Garten. Dem
Leſebedürfnis wird die Bücherei gerecht, die 362
Bücher enthält, welche zum Teil zum Vorleſen von
allen Knaben gebraucht wurden, wie: Robinſon,
Anderſen’s Märchen, Roſegger’s „Waldbauernbub’“
oder in 91 Fällen an einzelne zur häuslichen Be-
ſchäftigung entliehen wurden. An Lernmitteln wurde
Papier zum Schreiben und Zeichnen, Bleiſtifte,
Federn und dergleichen abgegeben. Die Beteilung
mit Kleidern, Wäſche und Schuhen erfolgte im
Herbſte. Die Verköſtigung beſteht zu Mittag aus
Suppe und Brot, zur Jauſe aus letzerem allein.
Die Koſten der Anſtalt betrugen im Kalenderjahre
1905 4915·49 K., davon für Koſt 1390·35 K., für
Kleidung, Wäſche und Schuhe 823·79 K. und für
Lernmittel 171·13 K. Ein Zögling kommt beiläufig
auf 117 K. Die öffentliche Wohltätigkeit hat ſich
in den Dienſt der guten Sache geſtellt. Die Stadt-
gemeinde ſpendete 400 K., die Sparkaſſe-Jubi-
läumsſtiftung 300 K., eine Reihe gutherziger Bürger
der Stadt 485 K. und mancherlei Gegenſtände,
wofür hiemit der herzlichſte Dank ausgeſprochen
wird. Der Verwaltungsrat, der an der Spitze der
Anſtalt ſteht und deſſen Obmann Herr Richard
Freiherr Baſſo v. Gödel-Lannoy iſt, erledigte die
Geſchäfte in zwei Sitzungen. Er nahm Veranlaſſung,
Herrn Oberlehrer Alfred Berger, der im Vorjahre
den Leiter im Dienſte vertrat, den Dank und die
Anerkennung für ſein Wirken auszuſprechen. In
feſtlicher Weiſe wurden Kaiſers Namenstag am
4. Oktober und der Gedenktag für Kaiſerin Eliſabeth
am 19. November begangen. Die Weihnachtsfeier
wurde am 21. Dezember mit Vorträgen, Geſang
und Beſcherung unter Beteiligung vieler Gäſte ab-
gehalten. Drei Zöglinge traten nach vollendeter
Schulpflicht in die Lehre. Karl Gaſſareck, Leiter
des Kaiſer Franz Joſef-Knabenhortes.

Poſt-Automobilverkehr Marburg—
St. Leonhard—Pettau.

Wir erhielten folgende
Zuſchrift: Als vor einigen Wochen die Zeitungen
die Nachricht brachten, daß die Staatsverwaltung
unter gewiſſen Vorausſetzungen bereit ſei, Auto-
mobillinien für den Poſt-, Perſonen- und (be-
ſchränkten) Sachenverkehr einzurichten, iſt der gefertigte
Gerichtsvorſteher im Intereſſe des Bezirksgerichtes
und über Erſuchen maßgebender Intereſſentenkreiſe
der Sache nähergetreten und hat an zuſtändigen
Stellen in Wien und Graz Erkundigungen ein-
gezogen. Es käme hauptſächlich die Einrichtung des
Automobilverkehrs zwiſchen Marburg—Sankt
Leonhard—Hl. Dreifaltigkeit—Pettau

in Frage. Diesfalls ſcheinen mir die Voraus-
ſetzungen zu einer ſolchen Einrichtung ſo günſtig zu
ſein, wie nicht leicht irgendwo. Denn hier würden
ſich vorausſichtlich für die Übernahme der von der
Staatsverwaltung geforderten Garantierung drei
große Bezirke, zwei große Städte und zwei Märkte
nach einem zu vereinbarenden Schlüſſel bereit erklären.
Welche Verbindlichkeiten die Staatsverwaltung
begehrt und überhaupt die diesbezüglichen näheren
Anleitungen ſind aus dem Zirkulare der k. k. Poſt-
und Telegraphendirektion in Graz vom 1. Oktober
1906, Z. 55375, erſichtlich. (Wir werden auf dieſes
Zirkular zurückkommen. Die Schriftleitung.) Um in
der Sache ſo raſch als möglich zum Ziele zu ge-
langen, erlaube ich mir eine gemeinſame Beratung
von Vertretern der Stadtgemeinden Marburg und
Pettau, der Bezirksvertretungen Marburg, Pettau
und St. Leonhard und der Marktgemeinden
St. Leonhard und Hl. Dreifaltigkeit vorzuſchagen.
Ich geſtatte mir nun die Bitte, es wolle dortamts
der Gegenſtand einer Vorberatung unterzogen und
ſodann zur gemeinſchaftlichen Beratung eine Ver-
tretung entſendet werden. Für dieſe gemeinſchaftliche
Beratung der beteiligten Kreiſe erlaube ich mir als
Ort St. Leonhard und als Tag den 11. November
1906, nachmittags 2 Uhr (Bezirksgericht, 1. Stock,
Amtszimmer Nr. 1) vorzuſchlagen. Zur Beratung
kämen hauptſächlich folgende Punkte: 1. Die Feſt-
ſtellung des Schlüſſels, nach welchem die beteiligten
Intereſſentengruppen für die Garantieſumme ein-
tretendenfalls aufzukommen hätten. 2. Die Ver-
breiterung der Bezirksſtraße ab Reichsſtraße Leiters-
berg über St. Leonhard bis Pettau. 3. Die all-
fällige Umlegung der Bezirksſtraße in Samarko,
Mutſchen (Schicker). Sollten die hier gemachten
Vorſchläge in irgend welcher Beziehung nicht genehm
ſein, ſo erbitte ich Mitteilung bis zum 1. November
1906, damit noch Änderungen durchgeführt werden
können. Sollte von keiner Seite ein gegenteiliger
Antrag oder Ablehnung einlangen, werde ich die

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Singen und Turnen gepflegt werden. Der Eigenart<lb/>
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[3/0003] Nr 124 16. Oktober 1906 Marburger Zeitung bei Ausübung ſeines, von wahrer Nächſtenliebe ge- leiteten Berufes ereilte, iſt eine allgemeine. Wind.-Feiſtritz, 15. Oktober. (Trauung. — Todesfall.) Geſtern nachmittags fand in der Kloſterkirche zu Wind.-Feiſtritz die Trauung des Fräuleins Fanni Oſimitſch, Tochter des Haus- und Realitätenbeſitzers Herrn Franz Oſimitſch, mit Hrn. Ceslav Miarzinsky, k. k. Poſtaſſiſtenten in Pontafel ſtatt. Als Beiſtände fungierten die Herren Schulleiter Kolletnig und Herr Poſtaſſiſtent Finſterwalder. — Heute ſtarb hier die Haus- beſitzerin Frau Marie Fulla, verwitwete Bratuſcha im 89. Lebensjahre. Windiſch-Feiſtritz, 15. Oktober. (Tod durch Erhängen.) Der wegen Verbrechen der Notzucht wider die Natur in Verwahrungshaft des Bezirksgerichtes Wind.-Feiſtritz befindliche Joſef Leskovar, penſionierter Bahnwächter aus Weideſch, hat ſich am 14. d. M. in der Früh in ſeiner Arreſtzelle erhängt. Leskovar galt bis jetzt überall als fleißiger Arbeiter und ſtand im 60. Lebensjahre. Er wurde behufs Obduktion in die ſtädtiſche Totenkammer überführt. Rann, 14. Oktober. (Selbſtmord.) In Veternik bei Drachenburg machte Donnerstag der dortige Beſitzer Georg Kunei ſeinem Leben durch einen Revolverſchuß ein Ende. Häuslicher Zwiſt ſoll die Urſache des Selbſtmordes geweſen ſein. Vier unverſorgte Kinder beweinen ihren Vater. Voitsberg, 14. Oktober. (Aus ver- ſchmähter Liebe.) Der 42jährige, beim hieſigen Bergbau beſchäftigte Jakob Trolb verfolgt ſeit längerer Zeit eine Bauerntochter in Ober-Söding, welche von ihm nichts wiſſen will. Geſtern abend kam er wieder nach Ober-Söding und brachte dem Mädchen mit dem Meſſer Stiche auf den Kopf, in die Bruſt und in die Beine bei. Trolb hat das Mädchen vor einigen Jahren mit einer Hacke ſchwer verletzt, was ihm damals 8 Monate Kerker eintrug. Pettauer Nachrichten. Stadttheater. Die am Montag, den 15. d. ſtattgefundene Eröffnungsvorſtellung „Der Weg zur Hölle“, Schwank von Guſtav Kadelburg fand vor ſehr gut beſuchtem Hauſe beifälligſte Aufnahme. Freitag, den 19. d. geht als erſtes muſikaliſches Werk Karl Zeller’s melodiöſe Operette „Der Kellermeiſter“ in Szene, worin ſich das geſamte Operetten-Perſonale vorſtellen wird. In Marburg hatte dieſe Aufführung ſtürmiſchen Erfolg und fanden bereits drei Wiederholungen des Werkes ſtatt. In Vorbereitung iſt das Senſationsſchauſpiel „Die Sittennote“, die Tragöde eines Schülers in vier Akten von Adolf Schwayer. Juſtizſkandale. Unter dieſer Spitzmarke bringt der letzte „Stajerc“ folgende Betrachtung: „Unſere Pettauer Pervaken — Gott erbarme ſich ihrer — ſind wohl die ärmſten Leute, die auf unſerer grünen Erde pilgern. Alles, alle unterdücken ſie, dieſe armen Retter und Erlöſer des Volkes, dieſe notwendigen Helden und Märtyer, ohne welche die Slowenen ſchon längſt Zulukaffer oder Eskimos geworden wären. Nichts, aber gar nichts dürfen ſie tun, dieſe hohen Herren, deren Herzen für die hohe Sache der pervakiſchen Politik ſchlagen. Kaum beginnt einer dieſer Ritter von der traurigen Ge- ſtalt hinterrücks ein wenig zu verleumden, wird er ſchon von den böſen Fortſchrittlern bei den Ohren genommen. Kaum beginnt der Pettauer Denunziant ein wenig herumzuſchnüffeln, und ſchou pfeifen die Pettauer Spatzen ein Lied, das mit „der größte Schuft“ beginnt und mit „iſt der Denunziant“ endet. Nicht einmal lügen, die Wahrheit entſtellen, ehrabſchneiden, auf Ehrenmänner ungeſtraft ſpeien dürfen dieſe armen, geknechteten Pervaken in Pettau. Und das iſt böſe, denn der richtige Pervak lebt leichter ohne Luft als ohne Lüge und Denun- ziantentum. Darum wundern wir uns nicht, daß in Pettau ſo viele Juſtizſkandale und ſogar Juſtiz- morde geſchehen. Wer es nicht glaubt, leſe die Per- vakenblätter, beſonders jenen „Narod“, deſſen Name unwiderſprochen mit Silberlöffeldiebſtählen in Ver- bindung ſteht. Dort ſteht es ſchwarz auf weiß, jede Woche einmal, daß ſoundſoviel ſolcher „Skandale“ und „Morde“ der Pettauer Juſtiz geſchehen. Nur einige Fälle! Vor Jahren hetzte die pervakiſche Wuchergeſellſchaft eine Kellnerin Muſtafa, ſie möge den „Stajerc“ und einige andere Blätter klagen. Die Kellnerin war ſo dumm, daß ſie wirklich ihre blutigen Kreuzer den Hetzern in den Rachen warf; die Blätter aber wurden freigeſprochen, weil „G’ſpuſi“ keine Beleidigung iſt. Die Kellnerin hatte leere Taſchen, ein paar hundert Kronen ſollte der Dr. Zguba (Dr. Verluſt) „verdienen“ und — all dies iſt ein „Juſtizſkandal“. Dr. Brumen ſchmähte Beamte, Zeugen und Geſchworene auf das uner- hörteſte; ſeine in Pettau, Marburg, Cilli, Trieſt, Graz und Wien erfolgten Verurteilungen ſind nach ſeinen Angaben im „Narod“ Juſtizmorde. Und ſo geht es weiter. Wahrlich, wir müſſen der Juſtiz die Binde von den Augen nehmen. Brumen muß freie Hand haben im Lügen, Verleumden, Denunzieren. Brumen muß frei ſein, wenn er anderen an die Ehre geht. Und wer ihn verurteilt, macht einen „Juſtizmord“. Denn Geſetz, Kerker, Strafen, das alles iſt nur für die böſen Fortſchrittler. Die Pervaken aber dürfen alles ungeſtraft tun ... wenn’es nicht regnen wird! Marburger Nachrichten. Todesfälle. Am 14. d. M. ſtarb die Haus- beſitzerin Frau Marie Jugg geb. Schneditz im 83. Lebensjahre. Das Leichenbegängnis fand geſtern ſtatt. Oberlehrerſtelle. An der vierklaſſigen Knaben- volksſchule in Windiſch-Feiſtritz gelangt bis Oſtern 1907 die Oberlehrerſtelle definitiv zur Be- ſetzung. Geſuche bis 1. Dezember d. J. an den Ortsſchulrat. Jahresbericht über den Kaiſer Franz Joſef-Knabenhort in Marburg im Schul- jahre 1905/06. Dieſer Tätigkeitsbericht umfaßt die Zeit vom 1. September 1905 bis 15. Juli 1906. In dieſen 10½ Monaten waren die Zöglinge an 251 Tagen im Horte verſorgt. 9893 Vormittags- beſuche und die 9897 Nachmittagsbeſuche ergaben 19.790 Halbtagsbeſuche und ebenſoviele Mittageſſen mit Brot und Jauſenbrot. Im Laufe des Jahres waren insgeſamt 46 Zöglinge eingeſchrieben, der höchſte Stand des Beſuches war zeitweilig 43, zumeiſt aber 42 Knaben, von denen im Durchſchnitt täglich 39 anweſend waren. Zu Beginn wurden 42 Schüler aufgenommen. 34 davon waren ſchon im Vorjahre Zöglinge der Anſtalt, 8 neu und 4 im Laufe des Schuljahres als Erſatz für 4 ausgetretene eingereiht. Die Knaben ſtehen im Alter zwiſchen dem ſiebenten und vierzehten Lebensjahre, die meiſten zwiſchen dem zehnten und dreizehnten Jahre und beſuchen ordnungsmäßig die Volks- und Bürger- ſchulen der Stadt, und zwar die Knabenvolks- ſchule I 9, die Kuabenvolksſchule II 23, die Knaben- volksſchule III 8 und die Knabenbürgerſchule 6. Der Klaſſenbeſuch ſtellt ſich folgendermaßen: 1. Klaſſe der Volksſchule 4, 2. Klaſſe 4, 3. Klaſſe 12, 4. Klaſſe 8, 5. Klaſſe 10, Abſchlußklaſſe 2, 1. Klaſſe der Bürgerſchule 4, 2. Klaſſe 1 und 3. Klaſſe 1. 24 Zöglinge hatten Vater und Mutter, 15 keinen Vater, 4 keine Mutter mehr und 3 waren Waiſen. Von der Zahlung des Wochenbeitrages von 40 H. waren mit Berückſichtigung beſonderer Umſtände ſechs ganz und einer halb befreit. Für fünf Knaben haben edelſinnige Wohltäter die Bezahlung der Bei- träge übernommen, und zwar die Herren Richard Freiherr Baſſo v. Gödel-Lannoy (für 2), A. Götz und G. Scherbaum (für 2). Die Schulnachrichten wieſen am Schluße der Schuljahres folgenden Stand aus: Sitten: vollkommen entſprechend 30, ent- ſprechend 12; Fleiß: ausdauernd 6, befriedigend 18, ungleichmäßig 15, gering 3; Fortgang: zum Aufſteigen reif 37, nicht reif 5 Schüler. Gegenüber den früheren Ausweiſen des Schuljahres zeigten ſich in Sitten 12, im Fleiße 14 und im Fortgange 34 gebeſſert. Im Horte wird verſucht, die Erziehung wie in einer großen Familie zu pflegen; jeder Knabe ſoll ſich als gleichgehaltenes, vollwertiges Glied des Ganzen fühlen. Dem Zwecke der Anſtalt entſprechend wurden die Zöglinge zu Gottesfurcht und Vaterlandsliebe, zu anſtändiger Lebensführung und Fleiß angehalten. Die Tätigkeit der Schule wird in allen ihren Lehrfächern durch Wiederholung und Einübung unterſtützt. Beſondere Aufmerkſamkeit findet der Sprach- und Rechenunterricht. Mit einer gewiſſen Selbſtändigkeit kann im Horte das Zeichnen, Singen und Turnen gepflegt werden. Der Eigenart in der Befähigung der Knaben wird genügender Spielraum gelaſſen und einzelne weiſen in den Leibesübungen, im Singen, im Zeichnen nach den Grundſätzen einer natürlichen Methode und in der Knabenhandarbeit ſchöne Anlagen auf. Im Hand- fertigkeitsunterrichte, den Herr E. Vadnou Mitt- woch und Samstag nachmittags erteilte, be- ſchäftigten ſich die Knaben mit Modellieren in Ton, mit Papparbeiten, einzelne mit Kerbſchnitzen und brachten allerlei Schönes zuſtande. Bei den gemein- ſchaſtlichen Ausgängen wurde manches aus der Natur- und Heimatkunde beſprochen. Geſunde und lehrreiche Beſchäftigung bietet auch der Garten. Dem Leſebedürfnis wird die Bücherei gerecht, die 362 Bücher enthält, welche zum Teil zum Vorleſen von allen Knaben gebraucht wurden, wie: Robinſon, Anderſen’s Märchen, Roſegger’s „Waldbauernbub’“ oder in 91 Fällen an einzelne zur häuslichen Be- ſchäftigung entliehen wurden. An Lernmitteln wurde Papier zum Schreiben und Zeichnen, Bleiſtifte, Federn und dergleichen abgegeben. Die Beteilung mit Kleidern, Wäſche und Schuhen erfolgte im Herbſte. Die Verköſtigung beſteht zu Mittag aus Suppe und Brot, zur Jauſe aus letzerem allein. Die Koſten der Anſtalt betrugen im Kalenderjahre 1905 4915·49 K., davon für Koſt 1390·35 K., für Kleidung, Wäſche und Schuhe 823·79 K. und für Lernmittel 171·13 K. Ein Zögling kommt beiläufig auf 117 K. Die öffentliche Wohltätigkeit hat ſich in den Dienſt der guten Sache geſtellt. Die Stadt- gemeinde ſpendete 400 K., die Sparkaſſe-Jubi- läumsſtiftung 300 K., eine Reihe gutherziger Bürger der Stadt 485 K. und mancherlei Gegenſtände, wofür hiemit der herzlichſte Dank ausgeſprochen wird. Der Verwaltungsrat, der an der Spitze der Anſtalt ſteht und deſſen Obmann Herr Richard Freiherr Baſſo v. Gödel-Lannoy iſt, erledigte die Geſchäfte in zwei Sitzungen. Er nahm Veranlaſſung, Herrn Oberlehrer Alfred Berger, der im Vorjahre den Leiter im Dienſte vertrat, den Dank und die Anerkennung für ſein Wirken auszuſprechen. In feſtlicher Weiſe wurden Kaiſers Namenstag am 4. Oktober und der Gedenktag für Kaiſerin Eliſabeth am 19. November begangen. Die Weihnachtsfeier wurde am 21. Dezember mit Vorträgen, Geſang und Beſcherung unter Beteiligung vieler Gäſte ab- gehalten. Drei Zöglinge traten nach vollendeter Schulpflicht in die Lehre. Karl Gaſſareck, Leiter des Kaiſer Franz Joſef-Knabenhortes. Poſt-Automobilverkehr Marburg— St. Leonhard—Pettau. Wir erhielten folgende Zuſchrift: Als vor einigen Wochen die Zeitungen die Nachricht brachten, daß die Staatsverwaltung unter gewiſſen Vorausſetzungen bereit ſei, Auto- mobillinien für den Poſt-, Perſonen- und (be- ſchränkten) Sachenverkehr einzurichten, iſt der gefertigte Gerichtsvorſteher im Intereſſe des Bezirksgerichtes und über Erſuchen maßgebender Intereſſentenkreiſe der Sache nähergetreten und hat an zuſtändigen Stellen in Wien und Graz Erkundigungen ein- gezogen. Es käme hauptſächlich die Einrichtung des Automobilverkehrs zwiſchen Marburg—Sankt Leonhard—Hl. Dreifaltigkeit—Pettau in Frage. Diesfalls ſcheinen mir die Voraus- ſetzungen zu einer ſolchen Einrichtung ſo günſtig zu ſein, wie nicht leicht irgendwo. Denn hier würden ſich vorausſichtlich für die Übernahme der von der Staatsverwaltung geforderten Garantierung drei große Bezirke, zwei große Städte und zwei Märkte nach einem zu vereinbarenden Schlüſſel bereit erklären. Welche Verbindlichkeiten die Staatsverwaltung begehrt und überhaupt die diesbezüglichen näheren Anleitungen ſind aus dem Zirkulare der k. k. Poſt- und Telegraphendirektion in Graz vom 1. Oktober 1906, Z. 55375, erſichtlich. (Wir werden auf dieſes Zirkular zurückkommen. Die Schriftleitung.) Um in der Sache ſo raſch als möglich zum Ziele zu ge- langen, erlaube ich mir eine gemeinſame Beratung von Vertretern der Stadtgemeinden Marburg und Pettau, der Bezirksvertretungen Marburg, Pettau und St. Leonhard und der Marktgemeinden St. Leonhard und Hl. Dreifaltigkeit vorzuſchagen. Ich geſtatte mir nun die Bitte, es wolle dortamts der Gegenſtand einer Vorberatung unterzogen und ſodann zur gemeinſchaftlichen Beratung eine Ver- tretung entſendet werden. Für dieſe gemeinſchaftliche Beratung der beteiligten Kreiſe erlaube ich mir als Ort St. Leonhard und als Tag den 11. November 1906, nachmittags 2 Uhr (Bezirksgericht, 1. Stock, Amtszimmer Nr. 1) vorzuſchlagen. Zur Beratung kämen hauptſächlich folgende Punkte: 1. Die Feſt- ſtellung des Schlüſſels, nach welchem die beteiligten Intereſſentengruppen für die Garantieſumme ein- tretendenfalls aufzukommen hätten. 2. Die Ver- breiterung der Bezirksſtraße ab Reichsſtraße Leiters- berg über St. Leonhard bis Pettau. 3. Die all- fällige Umlegung der Bezirksſtraße in Samarko, Mutſchen (Schicker). Sollten die hier gemachten Vorſchläge in irgend welcher Beziehung nicht genehm ſein, ſo erbitte ich Mitteilung bis zum 1. November 1906, damit noch Änderungen durchgeführt werden können. Sollte von keiner Seite ein gegenteiliger Antrag oder Ablehnung einlangen, werde ich die

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 124, Marburg, 16.10.1906, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger124_1906/3>, abgerufen am 04.12.2024.