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Mainzer Journal. Nr. 244. Mainz, 13. Oktober 1849.

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# Mainz 14. October. Jn Mainz sind 10 neue Erkrank-
ungs-, 5 Genesungs= und 4 Sterbefälle, in Kastel 1 neuer
Erkrankungs= und 1 Genesungsfall, in Kostheim 1 neuer
Erkrankungsfall, welcher den Tod nach sich zog, vorgekommen.

Frankfurt 11. October. Als Träger der neuen provisori-
schen Centralgewalt bezeichnet man preußischer Seits den Gene-
ral v. Radowitz und österreichischer Seits den Grafen v.
Rechberg und Rothen Löwen, welcher, vormals Gesandter zu
Rio de Janeiro, seit dem Abgang des Hrn. v. Schmerling als
Bevollmächtigter [unleserliches Material - 9 Zeichen fehlen]Oesterchs bei der provisorischen Reichscen-
tralgewalt fungirte. Man vermuthet aber, daß die Herren v. Ra-
dowitz und Graf Rechberg nicht die ausschließlichen Träger der
befragten Gewalt seyn werden, sondern daß sie den hohen Prin-
zen der Dynastien Habsburg und Hohenzollern, welche
damit bekleidet werden dürften, zur Seite stehen werden. Jn Be-
treff dieser hegt man für jetzt nur Vermuthungen, die indessen
weder den Prinzen von Preußen noch den Erzherzog Johann von
Oesterreich treffen.

Frankfurt 13. October. Die heutigen Course waren ge-
gen Gestern zum Theile um ein Unbedeutendes zurückgegangen,
von den österreichischen Papieren namentlich die 5% Metalliques
auf89 3 / 4,2 1 / 2 %46 1 / 2, Bankactien 1354, Wiener Wechsel
112 1 / 2; unverändert blieb dagegen der Stand der 4% Metalli-
ques auf73 1 / 2, 3%53 1 / 2, Mailänder Wechsel100 1 / 4 Geld.
Preußische Staatsschuldscheine stiegen auf88 1 / 2. Alles Uebrige
blieb unverändert.

Jtalien.

Rom 4. October. ( A. Z. ) Die Jesuiten sollen nicht zur Ruhe
kommen. Wo im abgelegensten Winkel des Collegio Romano,
den Hintergebäuden des Palazzo Simonetti gegenüber, der Back-
ofen steht, loderten heute früh Schlag halb 8 Uhr ( also genau
um dieselbe Zeit wie das erste= und zweitemal ) unter dickem
Qualm lichte Flamme empor, die sehr bald das Gebälk des un-
tersten Raumes der Sternwarte verkohlten. Das Feuer verbrei-
tete sich mit Windeseile im östlichen und südlichen Seitenflügel
durch die Zimmer auf ebener Erde, wurde jedoch nach vierstündi-
ger außerordentlicher Anstrengung der [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]Pompieri bewältigt. Ab-
sichtliche Brandstiftung ist auch diesmal außer Zweifel. Man will
nun einmal, so setzt die Allgemeine Zeitung außerordentlich wür-
dig und freisinnig hinzu, die Väter Jesu "hinausschwefeln." Ein
Circular des Generalpostmeisters Principe Massimo kündigt eine
allgemeine Reform des Postwesens an und stellt eine beschleunig-
tere Communication in Aussicht. -- General Rostolan hat in
Folge mehrerer neuen Mordversuche gegen französische Soldaten
eine sehr strenge Bekanntmachung gegen das Waffentragen des
Volkes erlassen.

Jonische Jnseln.

Das Linienschiff "Queen," die Fregatte "Thetis" und der
"Prince Regent," auch ein Linienschiff, haben am 15. und 16.
September Malta verlassen, um sich mit dem Geschwader des
Admirals Parker bei Corfu oder Cephalonien zu vereini-
gen. Der Dampfer "Oberon" hat aber schon am 13. die Reise
nach Livorno angetreten, um dem dort ankernden Linienschiffe
"Bellerophon" die Ordre zu bringen, zur Flotte des adriatischen
Meeres zu stoßen. So stehen denn 7 Linienschiffe bei den joni-
schen Jnseln:
"Caledonia" mit 120 Kanonen; "Howe" eben-
falls mit 120; "Queen" mit 110; "Prince Regent" mit 90;
"Bellerophon" mit 84; "Powerful" ebenfalls mit 84; " Venge-
ance " mit 80; -- "Thetis" mit 36, und außerdem kleinere Schiffe
und Dampfer.

Großbritannien.

London 10. October. Der Gesundheitszustand Londons ist
beinahe wieder der geworden, welcher er durchschnittlich um diese
Jahreszeit zu seyn pflegt. Jn der vorigen Woche sind 1290 To-
desfälle vorgekommen, darunter 288 in Folge der Cholera. Seit
der ersten Woche des Monates September, wo die Zahl der To-
desfälle 3183 betrug, ist die Sterblichkeit beständig im Abnehmen
gewesen. -- Lord Roden, welcher in Castlewellan die gerichtliche
Untersuchung wegen der bei Dolly's Bray am 12. Juli begange-
nenen Excesse von sich gewiesen hatte, ist auch nach dem Berichte
des königlichen Commissars auf den Antrag des Lordstatthalters
von Jrland durch den Lordkanzler seiner Stelle als Friedensrich-
ter für die Grafschaften Down und Louth entsetzt worden. Das-
selbe Schicksal hat außer ihm zwei andere orangistische Mitglieder
des Magistrates von Castlewellan betroffen. Es ist leicht möglich,
daß diese Absetzung große Parteierbitterung erregen wird. --
John O'Connell hat am vorigen Montage seine Repealagitation
in der Versöhnungshalle zu Dublin begonnen. Nur wenige ein-
flußreiche Mitglieder der alten Repealpartei waren zugegen; doch
kündigte O'Connell an, sehr wirksame Unterstützung sey ihm zu-
[Spaltenumbruch] gesagt worden. Seine Angriffe richtete er besonders gegen das
Eigenthum der irischen Kirche und gegen Lord Clarendon.

Türkei.

Konstantinopel 27. September. ( Br. Z. ) Hier haben sich
die Besorgnisse wegen eines Bruches mit Oesterreich und Ruß-
land bedeutend gehoben. Eine starke Partei hat sich im Divan
gebildet, welche zum Nachgeben und Auslieferung der Flüchtlinge
von Seite der Pforte dringt. [ Wie noch immer, so oft Rußland
drohend aufgetreten ist. Man kennt ja die geheimen Fäden, durch
welche die turkischen Großen geleitet werden! ] Selbst ein Theil
der Ulemas hat sich für die bestehende Anerkennung der österrei-
chischen Jurisdiction über magyarische Unterthanen erklärt. Der
Einfluß des englischen Botschafters Stratford=Canning scheint
sonach erschüttert und der französische General Aupik erwartet
erst weitere Jnstructionen. -- Sämmtliche Gefangene mit Kossuth
und den Renegaten Bem u. s. w. sind übrigens fortwährend in
Widdin.

Konstantinopel 26. September. ( A. Z. ) Bei dem Still-
stande, der in der Flüchtlingsfrage eingetreten ist, haben wir nun
einen Augenblick der Ruhe, der wohl -- ich wünschte mich zu
täuschen -- der Windstille vor dem Sturme am meisten ähnlich
seyn dürfte. Das der Pforte unbequeme Factum des Abbruchs
der Verbindung von Seiten der österreichischen und russischen
Mission wird von ihren halbofficiellen Organen, dem Journal
und Courter de Constantinople gänzlich mit Stillschweigen über-
gangen. Wir erfahren daraus nur, daß Fuad Efendi den Auftrag
erhalten habe sich von Bucharest nach Warschau zu begeben, um
der russischen Regierung die Antwort der Pforte auf das von
ersterer gestellte Begehren zu überbringen. Durch den Kriegs-
dampfer "Eregli" wurde ihm nebstbei ein Handschreiben des Sul-
tans zur Uebergabe an den Kaiser Nikolaus zugeschickt, welches
als Antwort auf den vom Fürsten Radziwil überbrachten Brief
des Autokrators dienen soll. Wohlunterrichtete Personen glauben,
daß Fuad Efendi's Mission, vorderhand wenigstens, an einer
alten tractatmäßigen und von Rußland stets aufrecht erhaltenen
Praxis scheitern dürfte, nach welcher kein osmanischer Abgesand-
ter ohne vorhergegangene Einwilligung des russischen Hofes die
Staaten desselben betreten darf. Jn gleicher Weise wie Kaiser
Nikolaus durch Fuad Efendi soll der Kaiser von Oesterreich, wie
man sagt, durch Schekib Efendi, den gewesenen Botschafter in
Wien, beschickt werden. Ob die Pforte zur Durchführung ihrer
Absichten mehr auf die Persönlichkeit und Beredtsamkeit ihrer bei-
den Abgesandten oder mehr auf englischen oder gar englisch=fran-
zösischen Beistand rechnet, wage ich nicht zu entscheiden. Die eng-
lische Hilfe wollte man dieser Tage schon in Gestalt einer impo-
santen brittischen Seemacht von Malta aufgebrochen, ja selbst in
den Dardanellen angekommen wissen. Bei näherer Beleuchtung
zeigte sich indessen, daß dieselbe zwar in der That von Malta auf-
gebrochen, aber in den jonischen Gewässern erschienen war, wo
man ihrer der auf Cephalonia ausgebrochenen Unruhen wegen
bedurfte. Ueber die dortigen Vorfälle sind Sie ohne Zweifel auf
directem Wege besser als wir hier unterrichtet und wissen daher
bis zu welchem Grande die aus Jtalien gekommenen revolutionä-
ren Flüchtlinge dabei die Hand mit im Spiele gehabt haben mögen.
Jedenfalls scheinen die hierher gelangten officiellen Proclamatio-
nen des Lord Obercommissärs zu beweisen, daß dem brittischen
Löwen zur Bezwingung blutiger Aufstände eben auch keine magi-
schen Zaubermittel zu Gebote stehen.

Nebst der englischen Hilfe sind es die Flüchtlinge in Widdin
und die Stellung des jetzigen Ministeriums, welche wie es in
Momenten gespannter Erwartung zu gehen pflegt, tagtäglich zu
den widersprechendsten Gerüchten ausgebeutet werden. Nach den-
selben wären z. B. die Flüchtlinge längst insgeheim mit englischen,
französischen oder sardinischen Pässen durch Konstantinopel durch
und über Smyrna ins Weite expedirt worden, was jedoch von
glaubwürdigen Reisenden, die von der Donau kommen, bestimmt
als falsch erklärt wird. Die Gerüchte über einen ernsten Kampf,
den die Hauptpersonen des jetzigen Ministeriums zur Stunde mit
ihren Collegen oder mit ihren der Regierung fernstehenden Geg-
nern zu bestehen haben, sind vorzüglich durch die plötzlich erfolgte
Absetzung des Medicinalchefs [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]Abdülhak Efendi, eines mit dem
Serail des Sultans enge verbundenen Ulema's,

rege geworden. Man vergesse nicht, daß das Ministerium Reschid
Pascha unter den orthodoxen Muselmännern nie recht populär
werden konnte, und auch jetzt werden unter ihnen, wie man mich
versichert, immer mehr Stimmen laut, welche seinen Widerstand
gegen die Forderungen Oesterreichs und Rußlands durch nichts
gerechtfertigt finden. "Wegen ein paar Rebellen," hört man
manchen Alttürken sagen, "sollen wir uns etwa gar in einen
Krieg verwickeln?!"

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz]

# Mainz 14. October. Jn Mainz sind 10 neue Erkrank-
ungs-, 5 Genesungs= und 4 Sterbefälle, in Kastel 1 neuer
Erkrankungs= und 1 Genesungsfall, in Kostheim 1 neuer
Erkrankungsfall, welcher den Tod nach sich zog, vorgekommen.

Frankfurt 11. October. Als Träger der neuen provisori-
schen Centralgewalt bezeichnet man preußischer Seits den Gene-
ral v. Radowitz und österreichischer Seits den Grafen v.
Rechberg und Rothen Löwen, welcher, vormals Gesandter zu
Rio de Janeiro, seit dem Abgang des Hrn. v. Schmerling als
Bevollmächtigter [unleserliches Material – 9 Zeichen fehlen]Oesterchs bei der provisorischen Reichscen-
tralgewalt fungirte. Man vermuthet aber, daß die Herren v. Ra-
dowitz und Graf Rechberg nicht die ausschließlichen Träger der
befragten Gewalt seyn werden, sondern daß sie den hohen Prin-
zen der Dynastien Habsburg und Hohenzollern, welche
damit bekleidet werden dürften, zur Seite stehen werden. Jn Be-
treff dieser hegt man für jetzt nur Vermuthungen, die indessen
weder den Prinzen von Preußen noch den Erzherzog Johann von
Oesterreich treffen.

☽ Frankfurt 13. October. Die heutigen Course waren ge-
gen Gestern zum Theile um ein Unbedeutendes zurückgegangen,
von den österreichischen Papieren namentlich die 5% Metalliques
auf89 3 / 4,2 1 / 2 %46 1 / 2, Bankactien 1354, Wiener Wechsel
112 1 / 2; unverändert blieb dagegen der Stand der 4% Metalli-
ques auf73 1 / 2, 3%53 1 / 2, Mailänder Wechsel100 1 / 4 Geld.
Preußische Staatsschuldscheine stiegen auf88 1 / 2. Alles Uebrige
blieb unverändert.

Jtalien.

Rom 4. October. ( A. Z. ) Die Jesuiten sollen nicht zur Ruhe
kommen. Wo im abgelegensten Winkel des Collegio Romano,
den Hintergebäuden des Palazzo Simonetti gegenüber, der Back-
ofen steht, loderten heute früh Schlag halb 8 Uhr ( also genau
um dieselbe Zeit wie das erste= und zweitemal ) unter dickem
Qualm lichte Flamme empor, die sehr bald das Gebälk des un-
tersten Raumes der Sternwarte verkohlten. Das Feuer verbrei-
tete sich mit Windeseile im östlichen und südlichen Seitenflügel
durch die Zimmer auf ebener Erde, wurde jedoch nach vierstündi-
ger außerordentlicher Anstrengung der [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]Pompieri bewältigt. Ab-
sichtliche Brandstiftung ist auch diesmal außer Zweifel. Man will
nun einmal, so setzt die Allgemeine Zeitung außerordentlich wür-
dig und freisinnig hinzu, die Väter Jesu „hinausschwefeln.“ Ein
Circular des Generalpostmeisters Principe Massimo kündigt eine
allgemeine Reform des Postwesens an und stellt eine beschleunig-
tere Communication in Aussicht. — General Rostolan hat in
Folge mehrerer neuen Mordversuche gegen französische Soldaten
eine sehr strenge Bekanntmachung gegen das Waffentragen des
Volkes erlassen.

Jonische Jnseln.

Das Linienschiff „Queen,“ die Fregatte „Thetis“ und der
„Prince Regent,“ auch ein Linienschiff, haben am 15. und 16.
September Malta verlassen, um sich mit dem Geschwader des
Admirals Parker bei Corfu oder Cephalonien zu vereini-
gen. Der Dampfer „Oberon“ hat aber schon am 13. die Reise
nach Livorno angetreten, um dem dort ankernden Linienschiffe
„Bellerophon“ die Ordre zu bringen, zur Flotte des adriatischen
Meeres zu stoßen. So stehen denn 7 Linienschiffe bei den joni-
schen Jnseln:
„Caledonia“ mit 120 Kanonen; „Howe“ eben-
falls mit 120; „Queen“ mit 110; „Prince Regent“ mit 90;
„Bellerophon“ mit 84; „Powerful“ ebenfalls mit 84; „ Venge-
ance “ mit 80; — „Thetis“ mit 36, und außerdem kleinere Schiffe
und Dampfer.

Großbritannien.

London 10. October. Der Gesundheitszustand Londons ist
beinahe wieder der geworden, welcher er durchschnittlich um diese
Jahreszeit zu seyn pflegt. Jn der vorigen Woche sind 1290 To-
desfälle vorgekommen, darunter 288 in Folge der Cholera. Seit
der ersten Woche des Monates September, wo die Zahl der To-
desfälle 3183 betrug, ist die Sterblichkeit beständig im Abnehmen
gewesen. — Lord Roden, welcher in Castlewellan die gerichtliche
Untersuchung wegen der bei Dolly's Bray am 12. Juli begange-
nenen Excesse von sich gewiesen hatte, ist auch nach dem Berichte
des königlichen Commissars auf den Antrag des Lordstatthalters
von Jrland durch den Lordkanzler seiner Stelle als Friedensrich-
ter für die Grafschaften Down und Louth entsetzt worden. Das-
selbe Schicksal hat außer ihm zwei andere orangistische Mitglieder
des Magistrates von Castlewellan betroffen. Es ist leicht möglich,
daß diese Absetzung große Parteierbitterung erregen wird. —
John O'Connell hat am vorigen Montage seine Repealagitation
in der Versöhnungshalle zu Dublin begonnen. Nur wenige ein-
flußreiche Mitglieder der alten Repealpartei waren zugegen; doch
kündigte O'Connell an, sehr wirksame Unterstützung sey ihm zu-
[Spaltenumbruch] gesagt worden. Seine Angriffe richtete er besonders gegen das
Eigenthum der irischen Kirche und gegen Lord Clarendon.

Türkei.

Konstantinopel 27. September. ( Br. Z. ) Hier haben sich
die Besorgnisse wegen eines Bruches mit Oesterreich und Ruß-
land bedeutend gehoben. Eine starke Partei hat sich im Divan
gebildet, welche zum Nachgeben und Auslieferung der Flüchtlinge
von Seite der Pforte dringt. [ Wie noch immer, so oft Rußland
drohend aufgetreten ist. Man kennt ja die geheimen Fäden, durch
welche die turkischen Großen geleitet werden! ] Selbst ein Theil
der Ulemas hat sich für die bestehende Anerkennung der österrei-
chischen Jurisdiction über magyarische Unterthanen erklärt. Der
Einfluß des englischen Botschafters Stratford=Canning scheint
sonach erschüttert und der französische General Aupik erwartet
erst weitere Jnstructionen. — Sämmtliche Gefangene mit Kossuth
und den Renegaten Bem u. s. w. sind übrigens fortwährend in
Widdin.

Konstantinopel 26. September. ( A. Z. ) Bei dem Still-
stande, der in der Flüchtlingsfrage eingetreten ist, haben wir nun
einen Augenblick der Ruhe, der wohl — ich wünschte mich zu
täuschen — der Windstille vor dem Sturme am meisten ähnlich
seyn dürfte. Das der Pforte unbequeme Factum des Abbruchs
der Verbindung von Seiten der österreichischen und russischen
Mission wird von ihren halbofficiellen Organen, dem Journal
und Courter de Constantinople gänzlich mit Stillschweigen über-
gangen. Wir erfahren daraus nur, daß Fuad Efendi den Auftrag
erhalten habe sich von Bucharest nach Warschau zu begeben, um
der russischen Regierung die Antwort der Pforte auf das von
ersterer gestellte Begehren zu überbringen. Durch den Kriegs-
dampfer „Eregli“ wurde ihm nebstbei ein Handschreiben des Sul-
tans zur Uebergabe an den Kaiser Nikolaus zugeschickt, welches
als Antwort auf den vom Fürsten Radziwil überbrachten Brief
des Autokrators dienen soll. Wohlunterrichtete Personen glauben,
daß Fuad Efendi's Mission, vorderhand wenigstens, an einer
alten tractatmäßigen und von Rußland stets aufrecht erhaltenen
Praxis scheitern dürfte, nach welcher kein osmanischer Abgesand-
ter ohne vorhergegangene Einwilligung des russischen Hofes die
Staaten desselben betreten darf. Jn gleicher Weise wie Kaiser
Nikolaus durch Fuad Efendi soll der Kaiser von Oesterreich, wie
man sagt, durch Schekib Efendi, den gewesenen Botschafter in
Wien, beschickt werden. Ob die Pforte zur Durchführung ihrer
Absichten mehr auf die Persönlichkeit und Beredtsamkeit ihrer bei-
den Abgesandten oder mehr auf englischen oder gar englisch=fran-
zösischen Beistand rechnet, wage ich nicht zu entscheiden. Die eng-
lische Hilfe wollte man dieser Tage schon in Gestalt einer impo-
santen brittischen Seemacht von Malta aufgebrochen, ja selbst in
den Dardanellen angekommen wissen. Bei näherer Beleuchtung
zeigte sich indessen, daß dieselbe zwar in der That von Malta auf-
gebrochen, aber in den jonischen Gewässern erschienen war, wo
man ihrer der auf Cephalonia ausgebrochenen Unruhen wegen
bedurfte. Ueber die dortigen Vorfälle sind Sie ohne Zweifel auf
directem Wege besser als wir hier unterrichtet und wissen daher
bis zu welchem Grande die aus Jtalien gekommenen revolutionä-
ren Flüchtlinge dabei die Hand mit im Spiele gehabt haben mögen.
Jedenfalls scheinen die hierher gelangten officiellen Proclamatio-
nen des Lord Obercommissärs zu beweisen, daß dem brittischen
Löwen zur Bezwingung blutiger Aufstände eben auch keine magi-
schen Zaubermittel zu Gebote stehen.

Nebst der englischen Hilfe sind es die Flüchtlinge in Widdin
und die Stellung des jetzigen Ministeriums, welche wie es in
Momenten gespannter Erwartung zu gehen pflegt, tagtäglich zu
den widersprechendsten Gerüchten ausgebeutet werden. Nach den-
selben wären z. B. die Flüchtlinge längst insgeheim mit englischen,
französischen oder sardinischen Pässen durch Konstantinopel durch
und über Smyrna ins Weite expedirt worden, was jedoch von
glaubwürdigen Reisenden, die von der Donau kommen, bestimmt
als falsch erklärt wird. Die Gerüchte über einen ernsten Kampf,
den die Hauptpersonen des jetzigen Ministeriums zur Stunde mit
ihren Collegen oder mit ihren der Regierung fernstehenden Geg-
nern zu bestehen haben, sind vorzüglich durch die plötzlich erfolgte
Absetzung des Medicinalchefs [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]Abdülhak Efendi, eines mit dem
Serail des Sultans enge verbundenen Ulema's,

rege geworden. Man vergesse nicht, daß das Ministerium Reschid
Pascha unter den orthodoxen Muselmännern nie recht populär
werden konnte, und auch jetzt werden unter ihnen, wie man mich
versichert, immer mehr Stimmen laut, welche seinen Widerstand
gegen die Forderungen Oesterreichs und Rußlands durch nichts
gerechtfertigt finden. „Wegen ein paar Rebellen,“ hört man
manchen Alttürken sagen, „sollen wir uns etwa gar in einen
Krieg verwickeln?!“

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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              <p>Redacteur: Franz Sausen. &#x2014; Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. &#x2014; Druck von Florian Kupferberg.</p>
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[0006] # Mainz 14. October. Jn Mainz sind 10 neue Erkrank- ungs-, 5 Genesungs= und 4 Sterbefälle, in Kastel 1 neuer Erkrankungs= und 1 Genesungsfall, in Kostheim 1 neuer Erkrankungsfall, welcher den Tod nach sich zog, vorgekommen. Frankfurt 11. October. Als Träger der neuen provisori- schen Centralgewalt bezeichnet man preußischer Seits den Gene- ral v. Radowitz und österreichischer Seits den Grafen v. Rechberg und Rothen Löwen, welcher, vormals Gesandter zu Rio de Janeiro, seit dem Abgang des Hrn. v. Schmerling als Bevollmächtigter _________Oesterchs bei der provisorischen Reichscen- tralgewalt fungirte. Man vermuthet aber, daß die Herren v. Ra- dowitz und Graf Rechberg nicht die ausschließlichen Träger der befragten Gewalt seyn werden, sondern daß sie den hohen Prin- zen der Dynastien Habsburg und Hohenzollern, welche damit bekleidet werden dürften, zur Seite stehen werden. Jn Be- treff dieser hegt man für jetzt nur Vermuthungen, die indessen weder den Prinzen von Preußen noch den Erzherzog Johann von Oesterreich treffen. ☽ Frankfurt 13. October. Die heutigen Course waren ge- gen Gestern zum Theile um ein Unbedeutendes zurückgegangen, von den österreichischen Papieren namentlich die 5% Metalliques auf89 3 / 4,2 1 / 2 %46 1 / 2, Bankactien 1354, Wiener Wechsel 112 1 / 2; unverändert blieb dagegen der Stand der 4% Metalli- ques auf73 1 / 2, 3%53 1 / 2, Mailänder Wechsel100 1 / 4 Geld. Preußische Staatsschuldscheine stiegen auf88 1 / 2. Alles Uebrige blieb unverändert. Jtalien. Rom 4. October. ( A. Z. ) Die Jesuiten sollen nicht zur Ruhe kommen. Wo im abgelegensten Winkel des Collegio Romano, den Hintergebäuden des Palazzo Simonetti gegenüber, der Back- ofen steht, loderten heute früh Schlag halb 8 Uhr ( also genau um dieselbe Zeit wie das erste= und zweitemal ) unter dickem Qualm lichte Flamme empor, die sehr bald das Gebälk des un- tersten Raumes der Sternwarte verkohlten. Das Feuer verbrei- tete sich mit Windeseile im östlichen und südlichen Seitenflügel durch die Zimmer auf ebener Erde, wurde jedoch nach vierstündi- ger außerordentlicher Anstrengung der ________Pompieri bewältigt. Ab- sichtliche Brandstiftung ist auch diesmal außer Zweifel. Man will nun einmal, so setzt die Allgemeine Zeitung außerordentlich wür- dig und freisinnig hinzu, die Väter Jesu „hinausschwefeln.“ Ein Circular des Generalpostmeisters Principe Massimo kündigt eine allgemeine Reform des Postwesens an und stellt eine beschleunig- tere Communication in Aussicht. — General Rostolan hat in Folge mehrerer neuen Mordversuche gegen französische Soldaten eine sehr strenge Bekanntmachung gegen das Waffentragen des Volkes erlassen. Jonische Jnseln. Das Linienschiff „Queen,“ die Fregatte „Thetis“ und der „Prince Regent,“ auch ein Linienschiff, haben am 15. und 16. September Malta verlassen, um sich mit dem Geschwader des Admirals Parker bei Corfu oder Cephalonien zu vereini- gen. Der Dampfer „Oberon“ hat aber schon am 13. die Reise nach Livorno angetreten, um dem dort ankernden Linienschiffe „Bellerophon“ die Ordre zu bringen, zur Flotte des adriatischen Meeres zu stoßen. So stehen denn 7 Linienschiffe bei den joni- schen Jnseln: „Caledonia“ mit 120 Kanonen; „Howe“ eben- falls mit 120; „Queen“ mit 110; „Prince Regent“ mit 90; „Bellerophon“ mit 84; „Powerful“ ebenfalls mit 84; „ Venge- ance “ mit 80; — „Thetis“ mit 36, und außerdem kleinere Schiffe und Dampfer. Großbritannien. London 10. October. Der Gesundheitszustand Londons ist beinahe wieder der geworden, welcher er durchschnittlich um diese Jahreszeit zu seyn pflegt. Jn der vorigen Woche sind 1290 To- desfälle vorgekommen, darunter 288 in Folge der Cholera. Seit der ersten Woche des Monates September, wo die Zahl der To- desfälle 3183 betrug, ist die Sterblichkeit beständig im Abnehmen gewesen. — Lord Roden, welcher in Castlewellan die gerichtliche Untersuchung wegen der bei Dolly's Bray am 12. Juli begange- nenen Excesse von sich gewiesen hatte, ist auch nach dem Berichte des königlichen Commissars auf den Antrag des Lordstatthalters von Jrland durch den Lordkanzler seiner Stelle als Friedensrich- ter für die Grafschaften Down und Louth entsetzt worden. Das- selbe Schicksal hat außer ihm zwei andere orangistische Mitglieder des Magistrates von Castlewellan betroffen. Es ist leicht möglich, daß diese Absetzung große Parteierbitterung erregen wird. — John O'Connell hat am vorigen Montage seine Repealagitation in der Versöhnungshalle zu Dublin begonnen. Nur wenige ein- flußreiche Mitglieder der alten Repealpartei waren zugegen; doch kündigte O'Connell an, sehr wirksame Unterstützung sey ihm zu- gesagt worden. Seine Angriffe richtete er besonders gegen das Eigenthum der irischen Kirche und gegen Lord Clarendon. Türkei. Konstantinopel 27. September. ( Br. Z. ) Hier haben sich die Besorgnisse wegen eines Bruches mit Oesterreich und Ruß- land bedeutend gehoben. Eine starke Partei hat sich im Divan gebildet, welche zum Nachgeben und Auslieferung der Flüchtlinge von Seite der Pforte dringt. [ Wie noch immer, so oft Rußland drohend aufgetreten ist. Man kennt ja die geheimen Fäden, durch welche die turkischen Großen geleitet werden! ] Selbst ein Theil der Ulemas hat sich für die bestehende Anerkennung der österrei- chischen Jurisdiction über magyarische Unterthanen erklärt. Der Einfluß des englischen Botschafters Stratford=Canning scheint sonach erschüttert und der französische General Aupik erwartet erst weitere Jnstructionen. — Sämmtliche Gefangene mit Kossuth und den Renegaten Bem u. s. w. sind übrigens fortwährend in Widdin. Konstantinopel 26. September. ( A. Z. ) Bei dem Still- stande, der in der Flüchtlingsfrage eingetreten ist, haben wir nun einen Augenblick der Ruhe, der wohl — ich wünschte mich zu täuschen — der Windstille vor dem Sturme am meisten ähnlich seyn dürfte. Das der Pforte unbequeme Factum des Abbruchs der Verbindung von Seiten der österreichischen und russischen Mission wird von ihren halbofficiellen Organen, dem Journal und Courter de Constantinople gänzlich mit Stillschweigen über- gangen. Wir erfahren daraus nur, daß Fuad Efendi den Auftrag erhalten habe sich von Bucharest nach Warschau zu begeben, um der russischen Regierung die Antwort der Pforte auf das von ersterer gestellte Begehren zu überbringen. Durch den Kriegs- dampfer „Eregli“ wurde ihm nebstbei ein Handschreiben des Sul- tans zur Uebergabe an den Kaiser Nikolaus zugeschickt, welches als Antwort auf den vom Fürsten Radziwil überbrachten Brief des Autokrators dienen soll. Wohlunterrichtete Personen glauben, daß Fuad Efendi's Mission, vorderhand wenigstens, an einer alten tractatmäßigen und von Rußland stets aufrecht erhaltenen Praxis scheitern dürfte, nach welcher kein osmanischer Abgesand- ter ohne vorhergegangene Einwilligung des russischen Hofes die Staaten desselben betreten darf. Jn gleicher Weise wie Kaiser Nikolaus durch Fuad Efendi soll der Kaiser von Oesterreich, wie man sagt, durch Schekib Efendi, den gewesenen Botschafter in Wien, beschickt werden. Ob die Pforte zur Durchführung ihrer Absichten mehr auf die Persönlichkeit und Beredtsamkeit ihrer bei- den Abgesandten oder mehr auf englischen oder gar englisch=fran- zösischen Beistand rechnet, wage ich nicht zu entscheiden. Die eng- lische Hilfe wollte man dieser Tage schon in Gestalt einer impo- santen brittischen Seemacht von Malta aufgebrochen, ja selbst in den Dardanellen angekommen wissen. Bei näherer Beleuchtung zeigte sich indessen, daß dieselbe zwar in der That von Malta auf- gebrochen, aber in den jonischen Gewässern erschienen war, wo man ihrer der auf Cephalonia ausgebrochenen Unruhen wegen bedurfte. Ueber die dortigen Vorfälle sind Sie ohne Zweifel auf directem Wege besser als wir hier unterrichtet und wissen daher bis zu welchem Grande die aus Jtalien gekommenen revolutionä- ren Flüchtlinge dabei die Hand mit im Spiele gehabt haben mögen. Jedenfalls scheinen die hierher gelangten officiellen Proclamatio- nen des Lord Obercommissärs zu beweisen, daß dem brittischen Löwen zur Bezwingung blutiger Aufstände eben auch keine magi- schen Zaubermittel zu Gebote stehen. Nebst der englischen Hilfe sind es die Flüchtlinge in Widdin und die Stellung des jetzigen Ministeriums, welche wie es in Momenten gespannter Erwartung zu gehen pflegt, tagtäglich zu den widersprechendsten Gerüchten ausgebeutet werden. Nach den- selben wären z. B. die Flüchtlinge längst insgeheim mit englischen, französischen oder sardinischen Pässen durch Konstantinopel durch und über Smyrna ins Weite expedirt worden, was jedoch von glaubwürdigen Reisenden, die von der Donau kommen, bestimmt als falsch erklärt wird. Die Gerüchte über einen ernsten Kampf, den die Hauptpersonen des jetzigen Ministeriums zur Stunde mit ihren Collegen oder mit ihren der Regierung fernstehenden Geg- nern zu bestehen haben, sind vorzüglich durch die plötzlich erfolgte Absetzung des Medicinalchefs ________Abdülhak Efendi, eines mit dem Serail des Sultans enge verbundenen Ulema's, rege geworden. Man vergesse nicht, daß das Ministerium Reschid Pascha unter den orthodoxen Muselmännern nie recht populär werden konnte, und auch jetzt werden unter ihnen, wie man mich versichert, immer mehr Stimmen laut, welche seinen Widerstand gegen die Forderungen Oesterreichs und Rußlands durch nichts gerechtfertigt finden. „Wegen ein paar Rebellen,“ hört man manchen Alttürken sagen, „sollen wir uns etwa gar in einen Krieg verwickeln?!“ Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 244. Mainz, 13. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal244_1849/6>, abgerufen am 22.12.2024.