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Mainzer Journal. Nr. 243. Mainz, 12. Oktober 1849.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 243. Samstag, den 13. October. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Vom württembergischen Bodensee. ( S. M. ) Jm politi-
schen Leben ist äußerlich eine wohlthuende Ruhe eingetreten, wäh-
rend die Revolutionspartei ihre Umtriebe mehr im Stillen fort-
setzt, die Aufregung nicht einschlummern läßt und bemüht ist, auch
gegen die jetzige Regierung unter den Nichtunterrichteten und der
arbeitenden Classe Haß zu verbreiten.

# Mainz 13. October. Stand der Brechruhr. Nach der
neuesten Anzeige sind in Mainz 2 neue Krankheits=, 5 Gene-
sungs- und 5 Sterbefälle vorgekommen. -- Aus der Gemeinde
Kastel sind zwei neue Krankheits= und zwei Genesungsfälle an-
gezeigt worden

Aus Schleswig-Holstein Anfangs October. ( S. M. ) Von
der Diplomatie preisgegeben, mußte unser Volk den Vollzug des
Berliner Waffenstillstandes in so weit geschehen lassen, als es
keinen directen, gewaltsamen Widerstand dagegen erhob. Knir-
schend vor Wuth und Zorn ging unser Heer im Anfange August
über die Eider zurück, bald folgte ihm die Statthalterschaft, die
ihr Heil und Schutz noch fortwährend in Berlin zu finden glaubte
und den Enthusiasmus des Heeres und Volkes nicht benützen
wollte, die Landesversammlung ging auseinander, und so
ist denn seit Ende August das arme Herzogthum Schleswig völlig
der Landesverwaltung, vom Volk witz " Landeszerspal-
tung " und nach Tillisch und Eulenburg auch " Till=Eulenspiegel-
commission " genannt, preisgegeben und auf seine eigene Kraft,
Einsicht und Leitung verwiesen. Mit gerechtem Stolze erfüllt es
mich, sagen zu können, daß Schleswig diese Feuerprobe glänzend
und herrlich besteht und eine deutsche Gesinnung, den Grund und
die Quelle dieser ausgezeichneten Haltung bewährt, wie sie kein
anderer deutscher Stamm mehr je gezeigt hat. Die Auftritte in
Tönning, Husum, Friedrichsstadt, Eckernförde, Tondern und
Schleswig, wo man mit den octroyirten Bürgermeistern und
Amtmännern abgefahren, sind bekannt. Auch in Flensburg
herrscht viel deutscher Sinn und selbst in dem Norden Schles-
wigs sind eigentliche dänische Sympathien nicht vorhanden;
vor allen Dingen sind ächt deutsch Apenrade und Haders-
leben, welche an Gesinnung allen übrigen schleswig=holstei-
nischen Städten voranstehen. Nachgeben werden die Schles-
wiger nicht; ihnen wohnt die alte deutsche Zähigkeit inne,
die nicht zu brechen ist. Vortrefflich benimmt sich bei uns der
preußische Soldat. Die preußischen Soldaten sind ganz
für uns eingenommen, verachten die dänisch gesinnten Beamten,
die sie beschützen sollen und haben, zuverlässigen Nachrichten zu
Folge, bei der Tondernschen Geschichte aufs Volk zu schießen und
einzuhauen sich geweigert, Jnfanterie wie Husaren. Darauf bauen
wir auch unsere Hoffnung, daß, wenn wir einmal wieder los-
schlagen müssen, Preußen uns wenigstens nicht zu Gunsten der
Dänen bekämpfen kann und wird, wozu sein eigenes Heer sich
kaum gebrauchen ließe. Unser Heer wird sehr vermehrt und die
Einübung der Mannschaften, sowie die sonstigen Rüstungen gehen
unablässig fort. Trotz des ausdrücklichen Verbotes der Landes-
verwaltung strömt die Jugend Schleswigs täglich freiwillig in
Rendsburg zu den Fahnen, und selbst aus den dänisch redenden
Bezirken des äußersten Nordens, wo gar keine Aushebung ge-
halten wird, treffen die Rekruten fortwährend ein. Der Geist ist
jetzt bei uns nicht schlecht, Geld und Nahrungsmittel haben wir
und Krieg ist die Losung von Tausenden. Unser Heer ist jetzt
schon über 30,000 Mann stark, und wird das nächste Mal allen
Anzeichen nach nicht schlechter schlagen, als diesen Sommer.
Nur Eines taugt nicht: daß unser General zugleich noch immer
in preußischen Diensten steht, und die Politik unserer Regierung,
die immer erst in Berlin vorfragt, was sie thun soll.

Aus Frankfurt 7. October wird der freilich nicht ganz zu-
verlässigen "Weserzeitung" geschrieben: Der Erzherzog Jo-
hann hat bereits eventuell urkundlich abdicirt.

Nach wiederholten langen Berathungen mit seinen Ministern
wurde die Abdicationsurkunde vorgestern Abend ausgefertigt und
gestern Morgen vollzogen. Jhr wesentlicher Jnhalt ist folgender:
Nachdem zwischen den beiden Großmächten Preußen und Oester-
reich unterm 30. v. Mts. zu Wien der Vertrag wegen Bildung
eines neuen provisorischen Bundesorganes abgeschlossen worden,
lege der Erzherzog Johann, bei erfolgter Ratification und unter
Voraussetzung der Zustimmung sämmtlicher deutscher Regierun-
[Spaltenumbruch] gen, sein bisher verwaltetes Amt in die Hände Sr. Maj. des
Königs von Preußen und Sr. Maj. des Kaisers von Oesterreich
nieder. Diese Erklärung ist, wie wir hören, schon auf dem Wege
nach Wien und Berlin. Man nimmt hier mit Bestimmtheit an,
daß die Ablösung [ wie delicat! ] des Erzherzogs durch die Cen-
tralcommission schon zu Ende dieses Monates stattfindet. Auch
sollen Anordnungen getroffen seyn, welche sich auf die unmittel-
bar nachfolgende Abreise des österreichischen Prinzen beziehen.

Jn gewisser Uebereinstimmung damit steht, was dem " Schwä-
bischen Merkur" gemeldet wird: Das an der Zeil gelegene hes-
sische Palais ist neuerdings Sr. K. Hoh. dem Prinzen von
Preußen zur Verfügung gestellt worden. Dagegen hat eine zu
des Erzherzog Reichsverwesers nächsten Umgebungen gehö-
rende hohe Militärperson den kürzlich zur Aufnahme ihrer Familie
abgeschlossenen Miethvertrag wieder gekündigt. -- Von demnäch-
stigen Truppendislocationen ist jetzt wieder Alles still, vielmehr
deutet die so eben von Amts wegen verkündigte Umquartirung
der nicht casernirten preußischen Mannschaft darauf hin, daß de-
ren Abmarsch noch nicht so bald erfolgen dürfte.

Schweiz.

Bern 10. October. ( D. Z. ) Ueber die Verpflegung der Flücht-
linge in Bern habe ich Jhnen in meinem letzten Briefe einige
Details mitgetheilt. Gestern sprach ich einen gebildeten Flüchtling,
der mit 172 Genossen in Freiburg einquartirt ist. Auch dort
fühlen sich Alle sehr wohl. Nicht nur, daß Essen und Trinken
nahrhaft und wohlschmeckend ist, auf für warme Winterkleidung
ist da bereits gesorgt. Jn Genf erhalten die Flüchtlinge täglich
Suppe, Fleisch und Brod; außerdem jeder einen Schoppen
Wein. Jm Waadtland ist die Verpflegung auch gut; nur eine
kurze Zeit erhielt ein Theil der Flüchtlinge Strafkost, weil sie
sich nicht der nothwendigen strengen Disciplin unterwerfen woll-
ten. Aus dem Canton Solothurn kommen einige gegründete
Klagen; aus der östlichen Schweiz dagegen vernimmt man nur
Lob über die Behandlung. Am behaglichsten sollen sich die Flücht-
linge im Kloster St. Urban ( Canton Luzern ) fühlen, wo sie
sich "ein kleines Theater" errichtet und neulich den "Deserteur"
von Kotzebue aufgeführt haben. So steht es im Allgemeinen.
Daß es Einzelnen durch eigene Schuld oft erbärmlich geht, davon
hat man allerdings auch Beispiele.

Jtalien.

Rom. Der französische Commandant, General Rostolan, hat,
veranlaßt durch mehrfache Meuchelmorde, welche an
französischen Soldaten begangen wurden, nochmals die Abliefe-
rung aller Waffen binnen 24 Stunden anbefohlen; die Dawider-
handelnden werden unnachsichtlich dem Standgerichte überwiesen.
Jedenfalls ist Pius der Neunte an diesen Mordthaten schuld, --
er hätte den Banditen "freisinnigere" Jnstitutionen geben sollen!

Frankreich.

*** Paris 10. October. Die politische Ausbeute ist im Au-
genblicke so dürftig, daß alle Blätter zur Unterhaltung ihrer Leser
mehr oder minder pikante Anekdoten bringen, welche die Situa-
tion manchmal recht gut beleuchten. Hier einige derselben! Ein
Rother will in der Nationalversammlung die Frage aufwerfen,
wer L. Napoleon ermächtigt habe, ein Staatsgebäude, nämlich
den Palast zu St. Cloud, als Landhaus zu benutzen? -- Dem
"Corsaire" zufolge hat unser Consul auf Haiti die Weisung er-
halten, gegen die Umwandlung der Republik in ein Kaiserreich zu
protestiren. Ein ganz guter Witz! -- Thiers soll, als er kürzlich
gefragt ward, ob er nicht geneigt sey, statt Dufaure's in das jetzige
Ministerium einzutreten, geantwortet haben: "Man nimmt kein
Portefeuille an, wenn man deren bald zu vergeben hat." -- Der durch
Austheilung einer Ohrfeige bekannt gewordene Pierre Bonaparte
hat bei seiner Abreise nach Afrika einem Eisenbahncassirer, der ihm
eine Banknote nicht wechseln wollte, mehrere derbe Ohrfeigen ver-
setzt. Schade, daß die Gräfin Landsfeld schon wieder vergeben ist,
es hätte das ein kostbares Pärchen gegeben! -- Gestern hat der
Verein der Arbeiterverbindungen ein Bankett an der Barriere
des Amandiers veranstaltet, dem auch die verbündeten "Lehrer
und Lehrerinnen" unter ihrer Präsidentin, Mad. Rolland, bei-
wohnten. Damit die Polizei sie nicht belästigen könne, hatten sie
eine Hochzeit zum Vorwande genommen, die durch ein Pikenik
gefeiert werden sollte. Die Einladungskarten waren von den
Eltern der Braut ausgestellt, die dem Polizeicommissär vorgestellt
[Ende Spaltensatz]

Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 243. Samstag, den 13. October. 1849.


[Beginn Spaltensatz]
Deutschland.

Vom württembergischen Bodensee. ( S. M. ) Jm politi-
schen Leben ist äußerlich eine wohlthuende Ruhe eingetreten, wäh-
rend die Revolutionspartei ihre Umtriebe mehr im Stillen fort-
setzt, die Aufregung nicht einschlummern läßt und bemüht ist, auch
gegen die jetzige Regierung unter den Nichtunterrichteten und der
arbeitenden Classe Haß zu verbreiten.

# Mainz 13. October. Stand der Brechruhr. Nach der
neuesten Anzeige sind in Mainz 2 neue Krankheits=, 5 Gene-
sungs- und 5 Sterbefälle vorgekommen. — Aus der Gemeinde
Kastel sind zwei neue Krankheits= und zwei Genesungsfälle an-
gezeigt worden

Aus Schleswig-Holstein Anfangs October. ( S. M. ) Von
der Diplomatie preisgegeben, mußte unser Volk den Vollzug des
Berliner Waffenstillstandes in so weit geschehen lassen, als es
keinen directen, gewaltsamen Widerstand dagegen erhob. Knir-
schend vor Wuth und Zorn ging unser Heer im Anfange August
über die Eider zurück, bald folgte ihm die Statthalterschaft, die
ihr Heil und Schutz noch fortwährend in Berlin zu finden glaubte
und den Enthusiasmus des Heeres und Volkes nicht benützen
wollte, die Landesversammlung ging auseinander, und so
ist denn seit Ende August das arme Herzogthum Schleswig völlig
der Landesverwaltung, vom Volk witz „ Landeszerspal-
tung “ und nach Tillisch und Eulenburg auch „ Till=Eulenspiegel-
commission “ genannt, preisgegeben und auf seine eigene Kraft,
Einsicht und Leitung verwiesen. Mit gerechtem Stolze erfüllt es
mich, sagen zu können, daß Schleswig diese Feuerprobe glänzend
und herrlich besteht und eine deutsche Gesinnung, den Grund und
die Quelle dieser ausgezeichneten Haltung bewährt, wie sie kein
anderer deutscher Stamm mehr je gezeigt hat. Die Auftritte in
Tönning, Husum, Friedrichsstadt, Eckernförde, Tondern und
Schleswig, wo man mit den octroyirten Bürgermeistern und
Amtmännern abgefahren, sind bekannt. Auch in Flensburg
herrscht viel deutscher Sinn und selbst in dem Norden Schles-
wigs sind eigentliche dänische Sympathien nicht vorhanden;
vor allen Dingen sind ächt deutsch Apenrade und Haders-
leben, welche an Gesinnung allen übrigen schleswig=holstei-
nischen Städten voranstehen. Nachgeben werden die Schles-
wiger nicht; ihnen wohnt die alte deutsche Zähigkeit inne,
die nicht zu brechen ist. Vortrefflich benimmt sich bei uns der
preußische Soldat. Die preußischen Soldaten sind ganz
für uns eingenommen, verachten die dänisch gesinnten Beamten,
die sie beschützen sollen und haben, zuverlässigen Nachrichten zu
Folge, bei der Tondernschen Geschichte aufs Volk zu schießen und
einzuhauen sich geweigert, Jnfanterie wie Husaren. Darauf bauen
wir auch unsere Hoffnung, daß, wenn wir einmal wieder los-
schlagen müssen, Preußen uns wenigstens nicht zu Gunsten der
Dänen bekämpfen kann und wird, wozu sein eigenes Heer sich
kaum gebrauchen ließe. Unser Heer wird sehr vermehrt und die
Einübung der Mannschaften, sowie die sonstigen Rüstungen gehen
unablässig fort. Trotz des ausdrücklichen Verbotes der Landes-
verwaltung strömt die Jugend Schleswigs täglich freiwillig in
Rendsburg zu den Fahnen, und selbst aus den dänisch redenden
Bezirken des äußersten Nordens, wo gar keine Aushebung ge-
halten wird, treffen die Rekruten fortwährend ein. Der Geist ist
jetzt bei uns nicht schlecht, Geld und Nahrungsmittel haben wir
und Krieg ist die Losung von Tausenden. Unser Heer ist jetzt
schon über 30,000 Mann stark, und wird das nächste Mal allen
Anzeichen nach nicht schlechter schlagen, als diesen Sommer.
Nur Eines taugt nicht: daß unser General zugleich noch immer
in preußischen Diensten steht, und die Politik unserer Regierung,
die immer erst in Berlin vorfragt, was sie thun soll.

Aus Frankfurt 7. October wird der freilich nicht ganz zu-
verlässigen „Weserzeitung“ geschrieben: Der Erzherzog Jo-
hann hat bereits eventuell urkundlich abdicirt.

Nach wiederholten langen Berathungen mit seinen Ministern
wurde die Abdicationsurkunde vorgestern Abend ausgefertigt und
gestern Morgen vollzogen. Jhr wesentlicher Jnhalt ist folgender:
Nachdem zwischen den beiden Großmächten Preußen und Oester-
reich unterm 30. v. Mts. zu Wien der Vertrag wegen Bildung
eines neuen provisorischen Bundesorganes abgeschlossen worden,
lege der Erzherzog Johann, bei erfolgter Ratification und unter
Voraussetzung der Zustimmung sämmtlicher deutscher Regierun-
[Spaltenumbruch] gen, sein bisher verwaltetes Amt in die Hände Sr. Maj. des
Königs von Preußen und Sr. Maj. des Kaisers von Oesterreich
nieder. Diese Erklärung ist, wie wir hören, schon auf dem Wege
nach Wien und Berlin. Man nimmt hier mit Bestimmtheit an,
daß die Ablösung [ wie delicat! ] des Erzherzogs durch die Cen-
tralcommission schon zu Ende dieses Monates stattfindet. Auch
sollen Anordnungen getroffen seyn, welche sich auf die unmittel-
bar nachfolgende Abreise des österreichischen Prinzen beziehen.

Jn gewisser Uebereinstimmung damit steht, was dem „ Schwä-
bischen Merkur“ gemeldet wird: Das an der Zeil gelegene hes-
sische Palais ist neuerdings Sr. K. Hoh. dem Prinzen von
Preußen zur Verfügung gestellt worden. Dagegen hat eine zu
des Erzherzog Reichsverwesers nächsten Umgebungen gehö-
rende hohe Militärperson den kürzlich zur Aufnahme ihrer Familie
abgeschlossenen Miethvertrag wieder gekündigt. — Von demnäch-
stigen Truppendislocationen ist jetzt wieder Alles still, vielmehr
deutet die so eben von Amts wegen verkündigte Umquartirung
der nicht casernirten preußischen Mannschaft darauf hin, daß de-
ren Abmarsch noch nicht so bald erfolgen dürfte.

Schweiz.

Bern 10. October. ( D. Z. ) Ueber die Verpflegung der Flücht-
linge in Bern habe ich Jhnen in meinem letzten Briefe einige
Details mitgetheilt. Gestern sprach ich einen gebildeten Flüchtling,
der mit 172 Genossen in Freiburg einquartirt ist. Auch dort
fühlen sich Alle sehr wohl. Nicht nur, daß Essen und Trinken
nahrhaft und wohlschmeckend ist, auf für warme Winterkleidung
ist da bereits gesorgt. Jn Genf erhalten die Flüchtlinge täglich
Suppe, Fleisch und Brod; außerdem jeder einen Schoppen
Wein. Jm Waadtland ist die Verpflegung auch gut; nur eine
kurze Zeit erhielt ein Theil der Flüchtlinge Strafkost, weil sie
sich nicht der nothwendigen strengen Disciplin unterwerfen woll-
ten. Aus dem Canton Solothurn kommen einige gegründete
Klagen; aus der östlichen Schweiz dagegen vernimmt man nur
Lob über die Behandlung. Am behaglichsten sollen sich die Flücht-
linge im Kloster St. Urban ( Canton Luzern ) fühlen, wo sie
sich „ein kleines Theater“ errichtet und neulich den „Deserteur“
von Kotzebue aufgeführt haben. So steht es im Allgemeinen.
Daß es Einzelnen durch eigene Schuld oft erbärmlich geht, davon
hat man allerdings auch Beispiele.

Jtalien.

Rom. Der französische Commandant, General Rostolan, hat,
veranlaßt durch mehrfache Meuchelmorde, welche an
französischen Soldaten begangen wurden, nochmals die Abliefe-
rung aller Waffen binnen 24 Stunden anbefohlen; die Dawider-
handelnden werden unnachsichtlich dem Standgerichte überwiesen.
Jedenfalls ist Pius der Neunte an diesen Mordthaten schuld, —
er hätte den Banditen „freisinnigere“ Jnstitutionen geben sollen!

Frankreich.

*** Paris 10. October. Die politische Ausbeute ist im Au-
genblicke so dürftig, daß alle Blätter zur Unterhaltung ihrer Leser
mehr oder minder pikante Anekdoten bringen, welche die Situa-
tion manchmal recht gut beleuchten. Hier einige derselben! Ein
Rother will in der Nationalversammlung die Frage aufwerfen,
wer L. Napoleon ermächtigt habe, ein Staatsgebäude, nämlich
den Palast zu St. Cloud, als Landhaus zu benutzen? — Dem
„Corsaire“ zufolge hat unser Consul auf Haiti die Weisung er-
halten, gegen die Umwandlung der Republik in ein Kaiserreich zu
protestiren. Ein ganz guter Witz! — Thiers soll, als er kürzlich
gefragt ward, ob er nicht geneigt sey, statt Dufaure's in das jetzige
Ministerium einzutreten, geantwortet haben: „Man nimmt kein
Portefeuille an, wenn man deren bald zu vergeben hat.“ — Der durch
Austheilung einer Ohrfeige bekannt gewordene Pierre Bonaparte
hat bei seiner Abreise nach Afrika einem Eisenbahncassirer, der ihm
eine Banknote nicht wechseln wollte, mehrere derbe Ohrfeigen ver-
setzt. Schade, daß die Gräfin Landsfeld schon wieder vergeben ist,
es hätte das ein kostbares Pärchen gegeben! — Gestern hat der
Verein der Arbeiterverbindungen ein Bankett an der Barriere
des Amandiers veranstaltet, dem auch die verbündeten „Lehrer
und Lehrerinnen“ unter ihrer Präsidentin, Mad. Rolland, bei-
wohnten. Damit die Polizei sie nicht belästigen könne, hatten sie
eine Hochzeit zum Vorwande genommen, die durch ein Pikenik
gefeiert werden sollte. Die Einladungskarten waren von den
Eltern der Braut ausgestellt, die dem Polizeicommissär vorgestellt
[Ende Spaltensatz]

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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 243. Samstag, den 13. October. 1849. Deutschland. Vom württembergischen Bodensee. ( S. M. ) Jm politi- schen Leben ist äußerlich eine wohlthuende Ruhe eingetreten, wäh- rend die Revolutionspartei ihre Umtriebe mehr im Stillen fort- setzt, die Aufregung nicht einschlummern läßt und bemüht ist, auch gegen die jetzige Regierung unter den Nichtunterrichteten und der arbeitenden Classe Haß zu verbreiten. # Mainz 13. October. Stand der Brechruhr. Nach der neuesten Anzeige sind in Mainz 2 neue Krankheits=, 5 Gene- sungs- und 5 Sterbefälle vorgekommen. — Aus der Gemeinde Kastel sind zwei neue Krankheits= und zwei Genesungsfälle an- gezeigt worden Aus Schleswig-Holstein Anfangs October. ( S. M. ) Von der Diplomatie preisgegeben, mußte unser Volk den Vollzug des Berliner Waffenstillstandes in so weit geschehen lassen, als es keinen directen, gewaltsamen Widerstand dagegen erhob. Knir- schend vor Wuth und Zorn ging unser Heer im Anfange August über die Eider zurück, bald folgte ihm die Statthalterschaft, die ihr Heil und Schutz noch fortwährend in Berlin zu finden glaubte und den Enthusiasmus des Heeres und Volkes nicht benützen wollte, die Landesversammlung ging auseinander, und so ist denn seit Ende August das arme Herzogthum Schleswig völlig der Landesverwaltung, vom Volk witz „ Landeszerspal- tung “ und nach Tillisch und Eulenburg auch „ Till=Eulenspiegel- commission “ genannt, preisgegeben und auf seine eigene Kraft, Einsicht und Leitung verwiesen. Mit gerechtem Stolze erfüllt es mich, sagen zu können, daß Schleswig diese Feuerprobe glänzend und herrlich besteht und eine deutsche Gesinnung, den Grund und die Quelle dieser ausgezeichneten Haltung bewährt, wie sie kein anderer deutscher Stamm mehr je gezeigt hat. Die Auftritte in Tönning, Husum, Friedrichsstadt, Eckernförde, Tondern und Schleswig, wo man mit den octroyirten Bürgermeistern und Amtmännern abgefahren, sind bekannt. Auch in Flensburg herrscht viel deutscher Sinn und selbst in dem Norden Schles- wigs sind eigentliche dänische Sympathien nicht vorhanden; vor allen Dingen sind ächt deutsch Apenrade und Haders- leben, welche an Gesinnung allen übrigen schleswig=holstei- nischen Städten voranstehen. Nachgeben werden die Schles- wiger nicht; ihnen wohnt die alte deutsche Zähigkeit inne, die nicht zu brechen ist. Vortrefflich benimmt sich bei uns der preußische Soldat. Die preußischen Soldaten sind ganz für uns eingenommen, verachten die dänisch gesinnten Beamten, die sie beschützen sollen und haben, zuverlässigen Nachrichten zu Folge, bei der Tondernschen Geschichte aufs Volk zu schießen und einzuhauen sich geweigert, Jnfanterie wie Husaren. Darauf bauen wir auch unsere Hoffnung, daß, wenn wir einmal wieder los- schlagen müssen, Preußen uns wenigstens nicht zu Gunsten der Dänen bekämpfen kann und wird, wozu sein eigenes Heer sich kaum gebrauchen ließe. Unser Heer wird sehr vermehrt und die Einübung der Mannschaften, sowie die sonstigen Rüstungen gehen unablässig fort. Trotz des ausdrücklichen Verbotes der Landes- verwaltung strömt die Jugend Schleswigs täglich freiwillig in Rendsburg zu den Fahnen, und selbst aus den dänisch redenden Bezirken des äußersten Nordens, wo gar keine Aushebung ge- halten wird, treffen die Rekruten fortwährend ein. Der Geist ist jetzt bei uns nicht schlecht, Geld und Nahrungsmittel haben wir und Krieg ist die Losung von Tausenden. Unser Heer ist jetzt schon über 30,000 Mann stark, und wird das nächste Mal allen Anzeichen nach nicht schlechter schlagen, als diesen Sommer. Nur Eines taugt nicht: daß unser General zugleich noch immer in preußischen Diensten steht, und die Politik unserer Regierung, die immer erst in Berlin vorfragt, was sie thun soll. Aus Frankfurt 7. October wird der freilich nicht ganz zu- verlässigen „Weserzeitung“ geschrieben: Der Erzherzog Jo- hann hat bereits eventuell urkundlich abdicirt. Nach wiederholten langen Berathungen mit seinen Ministern wurde die Abdicationsurkunde vorgestern Abend ausgefertigt und gestern Morgen vollzogen. Jhr wesentlicher Jnhalt ist folgender: Nachdem zwischen den beiden Großmächten Preußen und Oester- reich unterm 30. v. Mts. zu Wien der Vertrag wegen Bildung eines neuen provisorischen Bundesorganes abgeschlossen worden, lege der Erzherzog Johann, bei erfolgter Ratification und unter Voraussetzung der Zustimmung sämmtlicher deutscher Regierun- gen, sein bisher verwaltetes Amt in die Hände Sr. Maj. des Königs von Preußen und Sr. Maj. des Kaisers von Oesterreich nieder. Diese Erklärung ist, wie wir hören, schon auf dem Wege nach Wien und Berlin. Man nimmt hier mit Bestimmtheit an, daß die Ablösung [ wie delicat! ] des Erzherzogs durch die Cen- tralcommission schon zu Ende dieses Monates stattfindet. Auch sollen Anordnungen getroffen seyn, welche sich auf die unmittel- bar nachfolgende Abreise des österreichischen Prinzen beziehen. Jn gewisser Uebereinstimmung damit steht, was dem „ Schwä- bischen Merkur“ gemeldet wird: Das an der Zeil gelegene hes- sische Palais ist neuerdings Sr. K. Hoh. dem Prinzen von Preußen zur Verfügung gestellt worden. Dagegen hat eine zu des Erzherzog Reichsverwesers nächsten Umgebungen gehö- rende hohe Militärperson den kürzlich zur Aufnahme ihrer Familie abgeschlossenen Miethvertrag wieder gekündigt. — Von demnäch- stigen Truppendislocationen ist jetzt wieder Alles still, vielmehr deutet die so eben von Amts wegen verkündigte Umquartirung der nicht casernirten preußischen Mannschaft darauf hin, daß de- ren Abmarsch noch nicht so bald erfolgen dürfte. Schweiz. Bern 10. October. ( D. Z. ) Ueber die Verpflegung der Flücht- linge in Bern habe ich Jhnen in meinem letzten Briefe einige Details mitgetheilt. Gestern sprach ich einen gebildeten Flüchtling, der mit 172 Genossen in Freiburg einquartirt ist. Auch dort fühlen sich Alle sehr wohl. Nicht nur, daß Essen und Trinken nahrhaft und wohlschmeckend ist, auf für warme Winterkleidung ist da bereits gesorgt. Jn Genf erhalten die Flüchtlinge täglich Suppe, Fleisch und Brod; außerdem jeder einen Schoppen Wein. Jm Waadtland ist die Verpflegung auch gut; nur eine kurze Zeit erhielt ein Theil der Flüchtlinge Strafkost, weil sie sich nicht der nothwendigen strengen Disciplin unterwerfen woll- ten. Aus dem Canton Solothurn kommen einige gegründete Klagen; aus der östlichen Schweiz dagegen vernimmt man nur Lob über die Behandlung. Am behaglichsten sollen sich die Flücht- linge im Kloster St. Urban ( Canton Luzern ) fühlen, wo sie sich „ein kleines Theater“ errichtet und neulich den „Deserteur“ von Kotzebue aufgeführt haben. So steht es im Allgemeinen. Daß es Einzelnen durch eigene Schuld oft erbärmlich geht, davon hat man allerdings auch Beispiele. Jtalien. Rom. Der französische Commandant, General Rostolan, hat, veranlaßt durch mehrfache Meuchelmorde, welche an französischen Soldaten begangen wurden, nochmals die Abliefe- rung aller Waffen binnen 24 Stunden anbefohlen; die Dawider- handelnden werden unnachsichtlich dem Standgerichte überwiesen. Jedenfalls ist Pius der Neunte an diesen Mordthaten schuld, — er hätte den Banditen „freisinnigere“ Jnstitutionen geben sollen! Frankreich. *** Paris 10. October. Die politische Ausbeute ist im Au- genblicke so dürftig, daß alle Blätter zur Unterhaltung ihrer Leser mehr oder minder pikante Anekdoten bringen, welche die Situa- tion manchmal recht gut beleuchten. Hier einige derselben! Ein Rother will in der Nationalversammlung die Frage aufwerfen, wer L. Napoleon ermächtigt habe, ein Staatsgebäude, nämlich den Palast zu St. Cloud, als Landhaus zu benutzen? — Dem „Corsaire“ zufolge hat unser Consul auf Haiti die Weisung er- halten, gegen die Umwandlung der Republik in ein Kaiserreich zu protestiren. Ein ganz guter Witz! — Thiers soll, als er kürzlich gefragt ward, ob er nicht geneigt sey, statt Dufaure's in das jetzige Ministerium einzutreten, geantwortet haben: „Man nimmt kein Portefeuille an, wenn man deren bald zu vergeben hat.“ — Der durch Austheilung einer Ohrfeige bekannt gewordene Pierre Bonaparte hat bei seiner Abreise nach Afrika einem Eisenbahncassirer, der ihm eine Banknote nicht wechseln wollte, mehrere derbe Ohrfeigen ver- setzt. Schade, daß die Gräfin Landsfeld schon wieder vergeben ist, es hätte das ein kostbares Pärchen gegeben! — Gestern hat der Verein der Arbeiterverbindungen ein Bankett an der Barriere des Amandiers veranstaltet, dem auch die verbündeten „Lehrer und Lehrerinnen“ unter ihrer Präsidentin, Mad. Rolland, bei- wohnten. Damit die Polizei sie nicht belästigen könne, hatten sie eine Hochzeit zum Vorwande genommen, die durch ein Pikenik gefeiert werden sollte. Die Einladungskarten waren von den Eltern der Braut ausgestellt, die dem Polizeicommissär vorgestellt

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 243. Mainz, 12. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal243_1849/5>, abgerufen am 24.11.2024.