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Mainzer Journal. Nr. 243. Mainz, 12. Oktober 1849.

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[Beginn Spaltensatz] gerade so sehr zu fördern, als die Stürmer in der Pfalz selber!
Wie muß man aber so ein Betragen nennen? Außer Landes-
verrath
wissen wir kein Wort, das uns passend dünkte; und
zwar Verrath in der perfidesten, gefährlichsten, niederträchtigsten
Form. Wer aber, fragen wir, ist im Stande diese Herren zur
Vergütung des durch ihr Benehmen entstandenen Schadens
zu bringen?

Sehet Pfälzer, das waren euere Deputirten; das die Män-
ner, denen auch viele Ruhigere aus euch ihre Stimme gaben; das
die Männer des "allgemeinen Vertrauens." Wir sind begierig,
was einer oder der andere jener rothen Herren, der noch zur Zeit
florirt, auf diese Eröffnung zur Vertheidigung erwiedern wird.
Wird man etwa das Ganze leugnen? Oder wird man vielleicht
damit sich entschuldigen wollen, daß man das Wohl der Pfalz ja
dadurch befördert habe, daß man dem Aufstande den größtmög-
lichen activen und passiven Vorschub geleistet -- also gerade durch
dieses Betragen Verdienst habe -- weil ja im Aufstande und sei-
ner Durchführung eben das Glück der Pfalz bestanden? Wenn
man so sprechen würde, nun dann müssen wir verstummen, und
jede Erörterung wäre verloren; dann paßt nur noch eine Ra-
statter Antwort darauf. Die Pfalz aber möge einmal zur Einsicht
kommen, wie sie sich nur selbst unglücklich gemacht hat, daß sie
diese paar Dutzend Schwärmer, Phantasten, Lumpen und Preller
bei sich hegte und pflegte, sie überall vorzog, sich ihnen hingab,
auf sie hörte, sie anstaunte und von ihnen zuletzt ins Verderben
sich führen ließ!

Se. Maj. der König haben Sich allerhöchst bewogen gefunden, dem
Adjuncten Vollet von Ruppertsecken in der Pfalz in allergnädigster
Anerkennung der von ihm während der Periode des Aufstandes in der
Pfalz bethätigten ehrenfesten Haltung und bewiesenen treuen Anhäng-
lichkeit das goldene Ehrenzeichen des Verdienst=Ordens der bayrischen
Krone huldreichst zu verleihen.

Se. Maj. der König haben Sich bewogen gefunden, dem Landcom-
missär Joseph Adam Anton Freiherrn von Pöllnitz zu Fran-
kenthal
die nachgesuchte Versetzung in den Ruhestand vorerst auf die
Dauer eines Jahres allergnädigst zu bewilligen.

Aus Kurhessen 11. October. Auf der Friedrich=Wilhelms-
nordbahn hat sich ein Vorfall ereignet, der viel von sich reden
macht und allgemeine Entrüstung erregt. Der Amtmann W. von
Schenklengsfeld, gegenwärtig mit Versehung der Staatsprocura-
tur in Rothenburg beauftragt, fuhr in Gesellschaft mehrer Da-
men auf der Eisenbahn von Kassel zurück. Jn einem und dem-
selben Wagen mit ihm befand sich eine Anzahl Gymnasiasten aus
Hersfeld, die, wie es schien, in nicht ganz unnüchternem Zustande
sich befanden und bald anfingen durch Absingen unflätiger Lieder
die übrige Gesellschaft zu belästigen. Der Beamte verwies den
jungen Herren das Ungehörige ihres Benehmens und dieselben
schienen für einige Zeit sich ruhig verhalten zu wollen. Als der
Wagenzug aber durch den Tunnel fuhr, regnete es plötzlich von
allen Seiten derbe Schläge auf Herrn W., der umsonst nach
Hilfe rief. Erst auf der nächsten Station konnten die so sehr be-
lästigten Reisenden von ihren brutalen Reisegefährten sich trennen
und dem Gerichte Anzeige von diesem Scandale machen. Bereits
ist eine Untersuchung gegen die hoffnungsvollen Jünglinge einge-
leitet, die wiederum einen Beweis geliefert haben, welche Früchte
unsere antik=classische Bildung und das erhabene Vorbild der
Griechen und Römer liefert. -- Von der Zusammenberufung der
Landstände hört man noch immer nichts, die beiden Mitglieder
der Kammer, Herbener und Schneider, von den Höchstbe-
steuerten des Verwaltungsbezirkes Marburg gewählt, aber wegen
eines Wahlformfehlers beanstandet, sind wieder gewählt und die
Hoffnungen des Herrn von Schenk zu Schweinsberg abermals
[unleserliches Material - 9 Zeichen fehlen]getäuscht worden. Das Ministerium der auswärtigen Angele-
genheiten, welches v. Schenk früher versah, wird noch immer
von dem Kriegsminister Major von Bödicker interimistisch
verwaltet. Erfreulich ist es, daß unser gegenwärtiges Ministerium
doch auch Etwas für Förderung der Kunst thut, wofür unter den
früheren Ministerien auch nicht das Geringste geschah. Jm Auf-
trage des Ministeriums wird jetzt die jedem Architekten als pracht-
volles Denkmal altdeutscher Baukunst bekannte Elisabethenkirche
zu Marburg und die ehemalige Klosterkirche zu Haina in Ober-
hessen durch den talentvollen Fuldaer Architekten Lange, einen
Schüler des berühmten Meisters von Lassaulx in Koblenz, restau-
rirt. Die Arbeiten an beiden kirchlichen Gebäuden sind im rasche-
sten Fortgange begriffen. -- Unsere Landesuniversität Marburg
erleidet abermals zwei schwere Verluste. Professor Dr. Ludwig
aus der medicinischen Facultät, ein strebsamer junger Lehrer, geht
als Professor der Anatomie nach Zürich, während der Theolog
Thiersch, wohl der bedeutendste Name in der theologischen
Facultät, seine Entlassung vom Lehramte eingereicht hat, das
mit seiner inneren Ueberzeugung sich nicht mehr vereinigen läßt,
denn Herr Thiersch ist zu der englischen Secte der Jrvingianer
[Spaltenumbruch] übergegangen und wird künftig unter diesen Dissenters eine be-
deutende Stellung einnehmen.

Worms 11. October. Die heutige "Wormser Zeitung" ver-
öffentlicht das folgende interessante Urtheil von Dr. Löhr
über seinen Freund Bandel.

Aus einem vor einigen Tagen angekommenen Schreiben von
Dr. Löhr wird uns nachfolgende Stelle, deren Authenticität
wir verbürgen, zur Veröffentlichung mitgetheilt. Wir entsprechen
diesem Wunsche um so bereitwilliger, als diese leider zu späten
Bekenntnisse ein Licht über den moralischen Urheber so vieler
Schändlichkeiten werfen, die in unserer Stadt begangen wurden.
Diese Stelle lautet wörtlich, wie folgt:

"Von Bandel habe ich einen Brief erhalten; derselbe hat sich
bei....... nach meiner Adresse erkundigt. Jch glaubte, seine
Absicht sey, mir noch einen freundschaftlichen Brief zu schreiben;
statt dessen hatte dieser alte Sünder nur, wie immer, eine
eigennützige Absicht. Ein langes Schreiben, eingewickelt in
den gewöhnlichen Wust von Schmeicheleien -- und hintendrein
die Hauptsache. Zur Zeit, als Blenker Ludwigshafen nahm,
wurde in Worms eine Beistandsproclamation erlassen, die auch
Bandel mitunterschrieben. Er will nun, ich solle in einem Briefe
erklären: "Jch habe dieselbe drucken lassen, ohne daß die unten
daran Gedruckten dieselbe unterschrieben gehabt hätten, in der
Voraussetzung, diese würden ihre Unterschrift nachträglich geben;
ich hätte also einen Act der Fälschung begangen." Mich küm-
mert dies wenig mehr, aber einem so alten Sünder zu lieb,
der sich jedesmal hintendrein gestellt wie ein Feigling und anhal-
tend an uns gehetzt, etwas der Art zu thun, das wäre doch
zu viel. Bandel hat mich zu Ausgaben verleitet, z. B. in der
Eich'schen Geschichte, mir die Erstattung versprochen und nie
etwas geleistet, auch davon also in dem Briefe, den er schrieb,
keine Sylbe. Eine solche schmutzige Gemeinheit ärgert Einen.
Theile Eberstadt die Sache mit von Bandel Löhr. "

Schon in einem früheren Schreiben theilte Dr. Löhr ein
Pröbchen seiner gemachten Erfahrungen mit, indem er schrieb:
" daß er Deutschland beklagen würde, wenn solche
Menschen, wie sie jetzt in der Schweiz zusammen-
säßen, von denen Einer den Andern in Schlechtig-
keit zu übertreffen suche, jemals nur auf kurze Zeit
die Gewalt in ihre Hände bekämen.
"

Ein solcher Blick hinter die Coulissen zeigt uns das ganze
Räderwerk der modernen Demokratie. Hier sehen wir die ge-
feierten Helden des Tages in ihrer ganzen Glorie. Demokraten!
denen noch ein ehrliches Herz im Busen schlägt, steigt euch nicht
bald die Schamröthe ins Gesicht, daß ihr euch von solchen Leu-
ten so lange am Gängelbande herumführen ließet? Die Helden-
thaten Eures ersten Bürgermeistercandidaten Blenker sind
weltbekannt. Der Bürgergeneral Siegel hat ihn in einem Tages-
befehle für einen "feigen Plünderer" erklärt. Jn dem oben mitge-
theilten Briefe habet ihr ein Porträt eures zweiten Bürgermei-
stercandidaten und Vice=Bezirksrath Bandel, ein Porträt in
wenigen Zügen, entworfen -- von seinem Collegen, dem Be-
zirksrathe Dr. Löhr. So wird Einer nach dem Andern entlarvt.
Noch hat die zwölfte Stunde nicht geschlagen; die Zeit wird uns
noch gar manches Erbauliche enthüllen. Und doch wird die
"Neue Zeit" sagen: "Nie stand es mit unserer Demokratie besser,
als heute!"

Frankreich.

* * * Paris 10. October. Die heutige Sitzung der Kammer bot
sehr wenig Jnteressantes dar, eine größere Ausbeute versprechen indes-
sen die Verhandlungen des hohen Staatsgerichtshofes zu Versailles, der
heute zur Aburtheilung der Juniinsurgenten zusammengetreten ist. Man
besorgt dort ( in Versailles ) eben so wenig Ruhestörungen, als hier bei
der bevorstehenden Verhandlung der römischen Frage, für welche Herr
Thiers zum Berichterstatter ernannt worden ist.

Unsere Nachrichten aus Konstantinopel reichen bis zum 25. Es war
nichts vorgefallen und man denkt dort eben so wenig an einen Krieg
mit Rußland wie anderwärts. Von einer englischen oder französischen
Flotte, welche deutsche Blätter schon vor geraumer Zeit nach den Dar-
danellen auslaufen ließen, keine Spur. -- 5% 87. 75. -- 3% 55. 60.
-- Bankactien 2340.



Handelsberichte.

* * * Mainz 12. October. Diese Woche brachte uns im Rüböl-
geschäft bedeutende Veränderungen. Die hohe Post von Köln in Verbin-
dung mit der Steigerung der Saatpreise in Holland machte die Blanko-
Verkäufer ängstlich und rief dringende Frage zur Deckung hervor. --
Hierdurch stiegen gestern die Forderungen bis auf Rthlr. 47 für Octoberöl;
heute ist nun die Stimmung weniger aufgeregt und könnte man viel-
leicht a Rthlr.46 1 / 2 unterkommen. Per Mai find mehrfache Kaufordres
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] gerade so sehr zu fördern, als die Stürmer in der Pfalz selber!
Wie muß man aber so ein Betragen nennen? Außer Landes-
verrath
wissen wir kein Wort, das uns passend dünkte; und
zwar Verrath in der perfidesten, gefährlichsten, niederträchtigsten
Form. Wer aber, fragen wir, ist im Stande diese Herren zur
Vergütung des durch ihr Benehmen entstandenen Schadens
zu bringen?

Sehet Pfälzer, das waren euere Deputirten; das die Män-
ner, denen auch viele Ruhigere aus euch ihre Stimme gaben; das
die Männer des „allgemeinen Vertrauens.“ Wir sind begierig,
was einer oder der andere jener rothen Herren, der noch zur Zeit
florirt, auf diese Eröffnung zur Vertheidigung erwiedern wird.
Wird man etwa das Ganze leugnen? Oder wird man vielleicht
damit sich entschuldigen wollen, daß man das Wohl der Pfalz ja
dadurch befördert habe, daß man dem Aufstande den größtmög-
lichen activen und passiven Vorschub geleistet — also gerade durch
dieses Betragen Verdienst habe — weil ja im Aufstande und sei-
ner Durchführung eben das Glück der Pfalz bestanden? Wenn
man so sprechen würde, nun dann müssen wir verstummen, und
jede Erörterung wäre verloren; dann paßt nur noch eine Ra-
statter Antwort darauf. Die Pfalz aber möge einmal zur Einsicht
kommen, wie sie sich nur selbst unglücklich gemacht hat, daß sie
diese paar Dutzend Schwärmer, Phantasten, Lumpen und Preller
bei sich hegte und pflegte, sie überall vorzog, sich ihnen hingab,
auf sie hörte, sie anstaunte und von ihnen zuletzt ins Verderben
sich führen ließ!

Se. Maj. der König haben Sich allerhöchst bewogen gefunden, dem
Adjuncten Vollet von Ruppertsecken in der Pfalz in allergnädigster
Anerkennung der von ihm während der Periode des Aufstandes in der
Pfalz bethätigten ehrenfesten Haltung und bewiesenen treuen Anhäng-
lichkeit das goldene Ehrenzeichen des Verdienst=Ordens der bayrischen
Krone huldreichst zu verleihen.

Se. Maj. der König haben Sich bewogen gefunden, dem Landcom-
missär Joseph Adam Anton Freiherrn von Pöllnitz zu Fran-
kenthal
die nachgesuchte Versetzung in den Ruhestand vorerst auf die
Dauer eines Jahres allergnädigst zu bewilligen.

Aus Kurhessen 11. October. Auf der Friedrich=Wilhelms-
nordbahn hat sich ein Vorfall ereignet, der viel von sich reden
macht und allgemeine Entrüstung erregt. Der Amtmann W. von
Schenklengsfeld, gegenwärtig mit Versehung der Staatsprocura-
tur in Rothenburg beauftragt, fuhr in Gesellschaft mehrer Da-
men auf der Eisenbahn von Kassel zurück. Jn einem und dem-
selben Wagen mit ihm befand sich eine Anzahl Gymnasiasten aus
Hersfeld, die, wie es schien, in nicht ganz unnüchternem Zustande
sich befanden und bald anfingen durch Absingen unflätiger Lieder
die übrige Gesellschaft zu belästigen. Der Beamte verwies den
jungen Herren das Ungehörige ihres Benehmens und dieselben
schienen für einige Zeit sich ruhig verhalten zu wollen. Als der
Wagenzug aber durch den Tunnel fuhr, regnete es plötzlich von
allen Seiten derbe Schläge auf Herrn W., der umsonst nach
Hilfe rief. Erst auf der nächsten Station konnten die so sehr be-
lästigten Reisenden von ihren brutalen Reisegefährten sich trennen
und dem Gerichte Anzeige von diesem Scandale machen. Bereits
ist eine Untersuchung gegen die hoffnungsvollen Jünglinge einge-
leitet, die wiederum einen Beweis geliefert haben, welche Früchte
unsere antik=classische Bildung und das erhabene Vorbild der
Griechen und Römer liefert. — Von der Zusammenberufung der
Landstände hört man noch immer nichts, die beiden Mitglieder
der Kammer, Herbener und Schneider, von den Höchstbe-
steuerten des Verwaltungsbezirkes Marburg gewählt, aber wegen
eines Wahlformfehlers beanstandet, sind wieder gewählt und die
Hoffnungen des Herrn von Schenk zu Schweinsberg abermals
[unleserliches Material – 9 Zeichen fehlen]getäuscht worden. Das Ministerium der auswärtigen Angele-
genheiten, welches v. Schenk früher versah, wird noch immer
von dem Kriegsminister Major von Bödicker interimistisch
verwaltet. Erfreulich ist es, daß unser gegenwärtiges Ministerium
doch auch Etwas für Förderung der Kunst thut, wofür unter den
früheren Ministerien auch nicht das Geringste geschah. Jm Auf-
trage des Ministeriums wird jetzt die jedem Architekten als pracht-
volles Denkmal altdeutscher Baukunst bekannte Elisabethenkirche
zu Marburg und die ehemalige Klosterkirche zu Haina in Ober-
hessen durch den talentvollen Fuldaer Architekten Lange, einen
Schüler des berühmten Meisters von Lassaulx in Koblenz, restau-
rirt. Die Arbeiten an beiden kirchlichen Gebäuden sind im rasche-
sten Fortgange begriffen. — Unsere Landesuniversität Marburg
erleidet abermals zwei schwere Verluste. Professor Dr. Ludwig
aus der medicinischen Facultät, ein strebsamer junger Lehrer, geht
als Professor der Anatomie nach Zürich, während der Theolog
Thiersch, wohl der bedeutendste Name in der theologischen
Facultät, seine Entlassung vom Lehramte eingereicht hat, das
mit seiner inneren Ueberzeugung sich nicht mehr vereinigen läßt,
denn Herr Thiersch ist zu der englischen Secte der Jrvingianer
[Spaltenumbruch] übergegangen und wird künftig unter diesen Dissenters eine be-
deutende Stellung einnehmen.

Worms 11. October. Die heutige „Wormser Zeitung“ ver-
öffentlicht das folgende interessante Urtheil von Dr. Löhr
über seinen Freund Bandel.

Aus einem vor einigen Tagen angekommenen Schreiben von
Dr. Löhr wird uns nachfolgende Stelle, deren Authenticität
wir verbürgen, zur Veröffentlichung mitgetheilt. Wir entsprechen
diesem Wunsche um so bereitwilliger, als diese leider zu späten
Bekenntnisse ein Licht über den moralischen Urheber so vieler
Schändlichkeiten werfen, die in unserer Stadt begangen wurden.
Diese Stelle lautet wörtlich, wie folgt:

„Von Bandel habe ich einen Brief erhalten; derselbe hat sich
bei....... nach meiner Adresse erkundigt. Jch glaubte, seine
Absicht sey, mir noch einen freundschaftlichen Brief zu schreiben;
statt dessen hatte dieser alte Sünder nur, wie immer, eine
eigennützige Absicht. Ein langes Schreiben, eingewickelt in
den gewöhnlichen Wust von Schmeicheleien — und hintendrein
die Hauptsache. Zur Zeit, als Blenker Ludwigshafen nahm,
wurde in Worms eine Beistandsproclamation erlassen, die auch
Bandel mitunterschrieben. Er will nun, ich solle in einem Briefe
erklären: „Jch habe dieselbe drucken lassen, ohne daß die unten
daran Gedruckten dieselbe unterschrieben gehabt hätten, in der
Voraussetzung, diese würden ihre Unterschrift nachträglich geben;
ich hätte also einen Act der Fälschung begangen.“ Mich küm-
mert dies wenig mehr, aber einem so alten Sünder zu lieb,
der sich jedesmal hintendrein gestellt wie ein Feigling und anhal-
tend an uns gehetzt, etwas der Art zu thun, das wäre doch
zu viel. Bandel hat mich zu Ausgaben verleitet, z. B. in der
Eich'schen Geschichte, mir die Erstattung versprochen und nie
etwas geleistet, auch davon also in dem Briefe, den er schrieb,
keine Sylbe. Eine solche schmutzige Gemeinheit ärgert Einen.
Theile Eberstadt die Sache mit von Bandel Löhr.

Schon in einem früheren Schreiben theilte Dr. Löhr ein
Pröbchen seiner gemachten Erfahrungen mit, indem er schrieb:
daß er Deutschland beklagen würde, wenn solche
Menschen, wie sie jetzt in der Schweiz zusammen-
säßen, von denen Einer den Andern in Schlechtig-
keit zu übertreffen suche, jemals nur auf kurze Zeit
die Gewalt in ihre Hände bekämen.

Ein solcher Blick hinter die Coulissen zeigt uns das ganze
Räderwerk der modernen Demokratie. Hier sehen wir die ge-
feierten Helden des Tages in ihrer ganzen Glorie. Demokraten!
denen noch ein ehrliches Herz im Busen schlägt, steigt euch nicht
bald die Schamröthe ins Gesicht, daß ihr euch von solchen Leu-
ten so lange am Gängelbande herumführen ließet? Die Helden-
thaten Eures ersten Bürgermeistercandidaten Blenker sind
weltbekannt. Der Bürgergeneral Siegel hat ihn in einem Tages-
befehle für einen „feigen Plünderer“ erklärt. Jn dem oben mitge-
theilten Briefe habet ihr ein Porträt eures zweiten Bürgermei-
stercandidaten und Vice=Bezirksrath Bandel, ein Porträt in
wenigen Zügen, entworfen — von seinem Collegen, dem Be-
zirksrathe Dr. Löhr. So wird Einer nach dem Andern entlarvt.
Noch hat die zwölfte Stunde nicht geschlagen; die Zeit wird uns
noch gar manches Erbauliche enthüllen. Und doch wird die
„Neue Zeit“ sagen: „Nie stand es mit unserer Demokratie besser,
als heute!“

Frankreich.

* * * Paris 10. October. Die heutige Sitzung der Kammer bot
sehr wenig Jnteressantes dar, eine größere Ausbeute versprechen indes-
sen die Verhandlungen des hohen Staatsgerichtshofes zu Versailles, der
heute zur Aburtheilung der Juniinsurgenten zusammengetreten ist. Man
besorgt dort ( in Versailles ) eben so wenig Ruhestörungen, als hier bei
der bevorstehenden Verhandlung der römischen Frage, für welche Herr
Thiers zum Berichterstatter ernannt worden ist.

Unsere Nachrichten aus Konstantinopel reichen bis zum 25. Es war
nichts vorgefallen und man denkt dort eben so wenig an einen Krieg
mit Rußland wie anderwärts. Von einer englischen oder französischen
Flotte, welche deutsche Blätter schon vor geraumer Zeit nach den Dar-
danellen auslaufen ließen, keine Spur. — 5% 87. 75. — 3% 55. 60.
— Bankactien 2340.



Handelsberichte.

* * * Mainz 12. October. Diese Woche brachte uns im Rüböl-
geschäft bedeutende Veränderungen. Die hohe Post von Köln in Verbin-
dung mit der Steigerung der Saatpreise in Holland machte die Blanko-
Verkäufer ängstlich und rief dringende Frage zur Deckung hervor. —
Hierdurch stiegen gestern die Forderungen bis auf Rthlr. 47 für Octoberöl;
heute ist nun die Stimmung weniger aufgeregt und könnte man viel-
leicht à Rthlr.46 1 / 2 unterkommen. Per Mai find mehrfache Kaufordres
[Ende Spaltensatz]

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[0003] gerade so sehr zu fördern, als die Stürmer in der Pfalz selber! Wie muß man aber so ein Betragen nennen? Außer Landes- verrath wissen wir kein Wort, das uns passend dünkte; und zwar Verrath in der perfidesten, gefährlichsten, niederträchtigsten Form. Wer aber, fragen wir, ist im Stande diese Herren zur Vergütung des durch ihr Benehmen entstandenen Schadens zu bringen? Sehet Pfälzer, das waren euere Deputirten; das die Män- ner, denen auch viele Ruhigere aus euch ihre Stimme gaben; das die Männer des „allgemeinen Vertrauens.“ Wir sind begierig, was einer oder der andere jener rothen Herren, der noch zur Zeit florirt, auf diese Eröffnung zur Vertheidigung erwiedern wird. Wird man etwa das Ganze leugnen? Oder wird man vielleicht damit sich entschuldigen wollen, daß man das Wohl der Pfalz ja dadurch befördert habe, daß man dem Aufstande den größtmög- lichen activen und passiven Vorschub geleistet — also gerade durch dieses Betragen Verdienst habe — weil ja im Aufstande und sei- ner Durchführung eben das Glück der Pfalz bestanden? Wenn man so sprechen würde, nun dann müssen wir verstummen, und jede Erörterung wäre verloren; dann paßt nur noch eine Ra- statter Antwort darauf. Die Pfalz aber möge einmal zur Einsicht kommen, wie sie sich nur selbst unglücklich gemacht hat, daß sie diese paar Dutzend Schwärmer, Phantasten, Lumpen und Preller bei sich hegte und pflegte, sie überall vorzog, sich ihnen hingab, auf sie hörte, sie anstaunte und von ihnen zuletzt ins Verderben sich führen ließ! Se. Maj. der König haben Sich allerhöchst bewogen gefunden, dem Adjuncten Vollet von Ruppertsecken in der Pfalz in allergnädigster Anerkennung der von ihm während der Periode des Aufstandes in der Pfalz bethätigten ehrenfesten Haltung und bewiesenen treuen Anhäng- lichkeit das goldene Ehrenzeichen des Verdienst=Ordens der bayrischen Krone huldreichst zu verleihen. Se. Maj. der König haben Sich bewogen gefunden, dem Landcom- missär Joseph Adam Anton Freiherrn von Pöllnitz zu Fran- kenthal die nachgesuchte Versetzung in den Ruhestand vorerst auf die Dauer eines Jahres allergnädigst zu bewilligen. Aus Kurhessen 11. October. Auf der Friedrich=Wilhelms- nordbahn hat sich ein Vorfall ereignet, der viel von sich reden macht und allgemeine Entrüstung erregt. Der Amtmann W. von Schenklengsfeld, gegenwärtig mit Versehung der Staatsprocura- tur in Rothenburg beauftragt, fuhr in Gesellschaft mehrer Da- men auf der Eisenbahn von Kassel zurück. Jn einem und dem- selben Wagen mit ihm befand sich eine Anzahl Gymnasiasten aus Hersfeld, die, wie es schien, in nicht ganz unnüchternem Zustande sich befanden und bald anfingen durch Absingen unflätiger Lieder die übrige Gesellschaft zu belästigen. Der Beamte verwies den jungen Herren das Ungehörige ihres Benehmens und dieselben schienen für einige Zeit sich ruhig verhalten zu wollen. Als der Wagenzug aber durch den Tunnel fuhr, regnete es plötzlich von allen Seiten derbe Schläge auf Herrn W., der umsonst nach Hilfe rief. Erst auf der nächsten Station konnten die so sehr be- lästigten Reisenden von ihren brutalen Reisegefährten sich trennen und dem Gerichte Anzeige von diesem Scandale machen. Bereits ist eine Untersuchung gegen die hoffnungsvollen Jünglinge einge- leitet, die wiederum einen Beweis geliefert haben, welche Früchte unsere antik=classische Bildung und das erhabene Vorbild der Griechen und Römer liefert. — Von der Zusammenberufung der Landstände hört man noch immer nichts, die beiden Mitglieder der Kammer, Herbener und Schneider, von den Höchstbe- steuerten des Verwaltungsbezirkes Marburg gewählt, aber wegen eines Wahlformfehlers beanstandet, sind wieder gewählt und die Hoffnungen des Herrn von Schenk zu Schweinsberg abermals _________getäuscht worden. Das Ministerium der auswärtigen Angele- genheiten, welches v. Schenk früher versah, wird noch immer von dem Kriegsminister Major von Bödicker interimistisch verwaltet. Erfreulich ist es, daß unser gegenwärtiges Ministerium doch auch Etwas für Förderung der Kunst thut, wofür unter den früheren Ministerien auch nicht das Geringste geschah. Jm Auf- trage des Ministeriums wird jetzt die jedem Architekten als pracht- volles Denkmal altdeutscher Baukunst bekannte Elisabethenkirche zu Marburg und die ehemalige Klosterkirche zu Haina in Ober- hessen durch den talentvollen Fuldaer Architekten Lange, einen Schüler des berühmten Meisters von Lassaulx in Koblenz, restau- rirt. Die Arbeiten an beiden kirchlichen Gebäuden sind im rasche- sten Fortgange begriffen. — Unsere Landesuniversität Marburg erleidet abermals zwei schwere Verluste. Professor Dr. Ludwig aus der medicinischen Facultät, ein strebsamer junger Lehrer, geht als Professor der Anatomie nach Zürich, während der Theolog Thiersch, wohl der bedeutendste Name in der theologischen Facultät, seine Entlassung vom Lehramte eingereicht hat, das mit seiner inneren Ueberzeugung sich nicht mehr vereinigen läßt, denn Herr Thiersch ist zu der englischen Secte der Jrvingianer übergegangen und wird künftig unter diesen Dissenters eine be- deutende Stellung einnehmen. Worms 11. October. Die heutige „Wormser Zeitung“ ver- öffentlicht das folgende interessante Urtheil von Dr. Löhr über seinen Freund Bandel. Aus einem vor einigen Tagen angekommenen Schreiben von Dr. Löhr wird uns nachfolgende Stelle, deren Authenticität wir verbürgen, zur Veröffentlichung mitgetheilt. Wir entsprechen diesem Wunsche um so bereitwilliger, als diese leider zu späten Bekenntnisse ein Licht über den moralischen Urheber so vieler Schändlichkeiten werfen, die in unserer Stadt begangen wurden. Diese Stelle lautet wörtlich, wie folgt: „Von Bandel habe ich einen Brief erhalten; derselbe hat sich bei....... nach meiner Adresse erkundigt. Jch glaubte, seine Absicht sey, mir noch einen freundschaftlichen Brief zu schreiben; statt dessen hatte dieser alte Sünder nur, wie immer, eine eigennützige Absicht. Ein langes Schreiben, eingewickelt in den gewöhnlichen Wust von Schmeicheleien — und hintendrein die Hauptsache. Zur Zeit, als Blenker Ludwigshafen nahm, wurde in Worms eine Beistandsproclamation erlassen, die auch Bandel mitunterschrieben. Er will nun, ich solle in einem Briefe erklären: „Jch habe dieselbe drucken lassen, ohne daß die unten daran Gedruckten dieselbe unterschrieben gehabt hätten, in der Voraussetzung, diese würden ihre Unterschrift nachträglich geben; ich hätte also einen Act der Fälschung begangen.“ Mich küm- mert dies wenig mehr, aber einem so alten Sünder zu lieb, der sich jedesmal hintendrein gestellt wie ein Feigling und anhal- tend an uns gehetzt, etwas der Art zu thun, das wäre doch zu viel. Bandel hat mich zu Ausgaben verleitet, z. B. in der Eich'schen Geschichte, mir die Erstattung versprochen und nie etwas geleistet, auch davon also in dem Briefe, den er schrieb, keine Sylbe. Eine solche schmutzige Gemeinheit ärgert Einen. Theile Eberstadt die Sache mit von Bandel Löhr. “ Schon in einem früheren Schreiben theilte Dr. Löhr ein Pröbchen seiner gemachten Erfahrungen mit, indem er schrieb: „ daß er Deutschland beklagen würde, wenn solche Menschen, wie sie jetzt in der Schweiz zusammen- säßen, von denen Einer den Andern in Schlechtig- keit zu übertreffen suche, jemals nur auf kurze Zeit die Gewalt in ihre Hände bekämen. “ Ein solcher Blick hinter die Coulissen zeigt uns das ganze Räderwerk der modernen Demokratie. Hier sehen wir die ge- feierten Helden des Tages in ihrer ganzen Glorie. Demokraten! denen noch ein ehrliches Herz im Busen schlägt, steigt euch nicht bald die Schamröthe ins Gesicht, daß ihr euch von solchen Leu- ten so lange am Gängelbande herumführen ließet? Die Helden- thaten Eures ersten Bürgermeistercandidaten Blenker sind weltbekannt. Der Bürgergeneral Siegel hat ihn in einem Tages- befehle für einen „feigen Plünderer“ erklärt. Jn dem oben mitge- theilten Briefe habet ihr ein Porträt eures zweiten Bürgermei- stercandidaten und Vice=Bezirksrath Bandel, ein Porträt in wenigen Zügen, entworfen — von seinem Collegen, dem Be- zirksrathe Dr. Löhr. So wird Einer nach dem Andern entlarvt. Noch hat die zwölfte Stunde nicht geschlagen; die Zeit wird uns noch gar manches Erbauliche enthüllen. Und doch wird die „Neue Zeit“ sagen: „Nie stand es mit unserer Demokratie besser, als heute!“ Frankreich. * * * Paris 10. October. Die heutige Sitzung der Kammer bot sehr wenig Jnteressantes dar, eine größere Ausbeute versprechen indes- sen die Verhandlungen des hohen Staatsgerichtshofes zu Versailles, der heute zur Aburtheilung der Juniinsurgenten zusammengetreten ist. Man besorgt dort ( in Versailles ) eben so wenig Ruhestörungen, als hier bei der bevorstehenden Verhandlung der römischen Frage, für welche Herr Thiers zum Berichterstatter ernannt worden ist. Unsere Nachrichten aus Konstantinopel reichen bis zum 25. Es war nichts vorgefallen und man denkt dort eben so wenig an einen Krieg mit Rußland wie anderwärts. Von einer englischen oder französischen Flotte, welche deutsche Blätter schon vor geraumer Zeit nach den Dar- danellen auslaufen ließen, keine Spur. — 5% 87. 75. — 3% 55. 60. — Bankactien 2340. Handelsberichte. * * * Mainz 12. October. Diese Woche brachte uns im Rüböl- geschäft bedeutende Veränderungen. Die hohe Post von Köln in Verbin- dung mit der Steigerung der Saatpreise in Holland machte die Blanko- Verkäufer ängstlich und rief dringende Frage zur Deckung hervor. — Hierdurch stiegen gestern die Forderungen bis auf Rthlr. 47 für Octoberöl; heute ist nun die Stimmung weniger aufgeregt und könnte man viel- leicht à Rthlr.46 1 / 2 unterkommen. Per Mai find mehrfache Kaufordres

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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 243. Mainz, 12. Oktober 1849, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal243_1849/3>, abgerufen am 24.11.2024.