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Mainzer Journal. Nr. 175. Mainz, 28. Dezember 1848.

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[Beginn Spaltensatz] durch die Concurrenz der Zucht= und Arbeitshäuser mit den Fa-
briken den Einzelnen ganz seiner eigenen Kraft, gegenüber dem
gewaltigen Capitale, anvertrauen; er soll nicht diesen Krieg Aller
gegen Alle, wie er bei jeder Versteigerung der Arbeit an den
Wenigstfordernden auftritt, fortführen und steigern, er soll nicht
milde Stiftungen verkürzen. Das einzige Mittel dem Gewerbe
den goldenen Boden, den es verloren, wieder zu schaffen, ist
Wiederherstellung der Corporation, die für die Tüchtigkeit der
Arbeit und für das Betragen, für die Ehrlichkeit und Ehren-
haftigkeit ihrer Mitglieder in solidum garantirt und einsteht mit
ihrer eigenen Ehre. Und vor Allem nothwendig ist die Ver-
bannung des Schwindelgeistes in unserm Staatshaushalte, die
Verpfändung des Vermögens der künftigen Generationen. Wenn
wir alles Vermögen unserer Nachkommen in Schuldhypotheken
verwandeln, dann wird das ganze Volk der Zukunft ein Volk
von Proletariern seyn. Die Staaten müssen lernen, die nützlichen
Ausgaben von den nothwendigen und die nothwendigen von den
nothwendigsten zu unterscheiden. Sie müssen wirklich in Allem
blos Nützlichen die strengste Sparsamkeit einhalten: sie dürfen
dafür nur in seltenen Ausnahmefällen Schulden machen. Die
Staatsschulden müssen vermindert und die Staatsausgaben auf
das Aeußerste beschränkt werden. Darum ist eine drakonische
Strenge gegen jeden Aufstandsversuch nothwendig, damit die
ungeheueren stehenden Heere, auch die Besatzungen der Festungen
und Hauptstädte vermindert werden können; darum muß aber
auch das deutsche Volk eine Organisation erhalten, bei welcher
jede Gemeinde für die Erhaltung des Landfriedens in ihrem Be-
zirke unter der schwersten Strafe zu haften gehalten ist. Die Ge-
meinden, Stadt= und Landgemeinden, müssen so eingerichtet wer-
den, daß sie mit Hilfe einer mäßigen Gensdarmerie die Bürg-
schaften der Sicherheit in sich selbst finden und bieten. Die gefähr-
lichsten Proletarier sind aber die Kinder der Proletarier und ihrer
muß das deutsche Volk sich in den frühesten Jahren annehmen.
Es muß sie zu Auswanderern, und darum zu Ackerbauern
bilden und erziehen, so weit diese Sorge nicht die Privatwohl-
thätigkeit übernimmt, welche in allen Fällen geeigneter ist indivi-
duelle Neigung und Anlage zu berücksichtigen. Getraidehänd-
ler
darf keine Regierung seyn, denn sie muß die Wucherer be-
strafen können und sorgen, daß nur dann Getraide zur Ausfuhr
kommt, wenn man es nicht später um den doppelten Preis wieder
einführen muß.

Wir wissen, das Alles ist schwer durchzuführen; wir behaup-
ten nicht, daß alle Noth verschwinden würde, wenn man auch
die weisesten Staatsmaßregeln anordnete. Wenn nur einige von
diesen Vorschlägen ein williges Gehör finden, ja, wenn wir
nur einen Anstoß gegeben haben manchem in diesem Felde mehr
Befähigten, mehr durch Erfahrung gereiften Socialisten im
guten Sinne des Wortes -- so sind wir zufrieden. Die besten
Erlöser sind aber allzeit die gewesen, welche freiwillig die
Noth selbst übernommen und getragen, welche ihr
wenigstens Aug' in Auge gegenüber gestanden,

der sie Linderung verschaffen wollten. Dann wird das Proleta-
riat geheilt, wenigstens des Giftes, des Jngrimmes, der Ent-
sittlichung, der Verzweiflung, der Empörung, des Neides ent-
leert seyn, wenn die Liebe sich stark genug zeigen wird, edle
Christenherzen zu drängen und zu begeistern und zu stählen mit
Beharrlichkeit, daß sie freiwillige Proletarier, Brüder der Ar-
men, wirkliche Theilnehmer ihres ganzen Elendes, ihrer Noth
und Entbehrung werden. Die dazu sich entschließen, die diesen
Entschluß beharrlich durchführen möchten, die wären in Wahr-
heit Retter des Volkes, sie wären Freunde der Menschheit, Vä-
ter und Mütter des Vaterlandes. Außer dem Christenthume ist
aber solche Liebe nie gefunden worden. Eine blaue Blouse trägt
auch ein vornehmer Literat, -- er mag sich Proletarier nennen, --
er ist es vielleicht in mehr als einer Beziehung, -- aber nicht
freiwillig, nicht aus Liebe, und darum wird er wohl das Blut
der Arbeiter den Kugeln und ihre Sittlichkeit der Barricadenwuth
aufopfern, aber keine Noth lindern und keine Erbitterung ver-
söhnen können.



Deutschland.

Wien 22. December. ( Schw. M. ) Aus Ungarn haben
wir seit zwei Tagen keine neueren Kriegesnachrichten. Die Armee-
corps des Fürsten Windischgrätz und des Banus Jellachich haben
sich von Preßburg und Wieselburg größtentheils gegen Raab
hin gezogen, von dessen Besetzung durch die k. k. Truppen man
schon gestern Abend sprach, welche Nachricht aber bis zur Stunde
noch keine amtliche Bestätigung erhalten hat. Feldmarschalllieu-
tenant Simonich dürfte von Kaschau den Weg nach Erlau
eingeschlagen haben, um von da gegen die Pesther Seite zu ope-
[Spaltenumbruch] riren, gleichwie das Heer des Banus sich gegen Ofen wenden
wird. Zu einer entscheidenden Schlacht dürfte es wohl erst
bei diesen Hauptstädten kommen. Von den Generalen Nugent
und Dahlen, welche die steierische und croatische Grenze decken,
ist uns noch gar keine Nachricht zugekommen. Die siebenbür-
gischen
Sachsen und Walachen waren durch den Aufruhr der
fanatisirten Szeckler bisher zum Theil gelähmt; allein letztere
unterwerfen sich nun, oder erliegen allmälig, und so wird gegen
die Magyaren auch von dieser Seite bald angegriffen werden
können. Bei uns überwiegt der Ausgang dieses Kampfes vor
der Hand alle Jnteressen, auch die bevorstehende Wahl des deut-
schen Reichsoberhauptes in Frankfurt. Die Consolidirung Ge-
sammtösterreichs nach Jnnen hin ist das Losungswort des Tages.
Dieser Zweck wird auch ohne Zweifel nach dem Siege über die
ultramagyarische Fraction erreicht werden, deren Uebermuth auf
dem Pesther Reichstage neuerlich so weit ging, selbst dem ge-
schehenen Thronwechsel ihre Anerkennung zu versagen. Die
Anstrengungen zum Widerstande sind eben so maßlos als terro-
ristisch, ja barbarisch. Kossuth hat eine Militäraushebung
von mehr als 200,000 Mann im Lande anbefohlen, aus den
Kirchenglocken werden Kanonen gegossen, und überall, wo sich die
Jnsurgenten zurückziehen, verbrennen sie das vorräthige Getreide,
Heu, Stroh , das nicht mitgenommen werden kann, um die
nachrückende kaiserliche Armee der Hungersnoth preiszugeben.
Jn Preßburg geschah dies auf den öffentlichen Plätzen, wodurch
die Stadt fast in Feuersgefahr gerieth. Die meisten Bauern haben
nicht so viel Vorrath retten können, um damit die Aussaat im
Frühjahre zu bewerkstelligen. Armes Ungarn! -- Der Reichs-
tag in Kremsier
hat dem Ministerium 80, nicht blos 50 Mil-
lionen bewilligt, die übrigen Ausschußanträge aber genehmigt. --
Die Carnevalsbelustigungen sind für diesmal in Wien
verboten.

Wien 22. December. ( A. Z. ) Nach den heutigen Nachrich-
ten aus Preßburg von gestern Abend ist die Schiffbrücke wieder
abgetragen worden, weil sie von den rinnenden Eisschollen sehr
bedroht war. Es herrschte dort vollkommen Ruhe und der ange-
ordnete Belagerungszustand wird ebenso schonend wie in Wien
ausgeübt. Feldmarschalllieutenant Simonich war noch in Tyr-
nau und wird dieser Tage die Feste Leopoldstadt angreifen. Der
Banus von Croatien v. Jellachich war nach Raab abgegangen,
und es fand vorgestern und gestern kein Gefecht statt. Die Ver-
schanzungen zwischen Hochstraß und Raab waren von den Ma-
gyaren verlassen worden. Hente aber dürfte es bei Raab zu einem
Treffen kommen, denn der Marschall Fürst Windischgrätz rückt
heute mit seinem Hauptquartiere und dem zweiten Armeecorps
von Karlburg vor. Aus Niederungarn sind heute keine detaillir-
ten Berichte über die Ereignisse bei Werschetz eingetroffen. Graf
Nugent operirt gegen den Plattensee und F. M. L. Dahlen scheint
bei Warasdin die Bewegungen der Armee aus Slavonien abzu-
warten. Aus Oberungarn wird vom 15. das Vorrücken des rit-
terlichen F. M. L. Grafen Schlick von Kaschau bis nach Miskolez
bestätigt. Um die Wirkung dieser niederschlagenden Nachricht in
Pesth zu paralysiren, erklärte der Agitator Kossuth in der Reichs-
versammlung, indem er diese Hiobspost verkündigte, daß Schlick
ein guter Waffenlieferant seyn würde. Er wollte dadurch andeu-
ten, daß er gefangen werden dürfte. Es ist übrigens unbegreiflich,
wie Kossuth bei diesem jammervollen Stadium seines Wirkens
noch die Gemüther beherrscht und Jedermann durch Schrecken
lähmt. Auf seinen Befehl wurde dieser Tage Graf Nicolaus
Esterhazy, welcher Miene gemacht haben sollte sich in das kaiser-
liche Lager zu begeben, erschossen. Von Preßburg hat er vor
Räumung dieser Stadt einige königliche Beamte nach Comorn
schleppen lassen. Von Comorn bis Pesth herrscht er einem Könige
gleich mit eiserner Strenge. Die magyarische Armee, obwohl
sehr schwankend in ihren Rückzugsbewegungen gegen Comorn,
gehorcht bis zur Stunde seinen Befehlen. Eine ernste Niederlage
der Magyaren wird aber dieses Blatt schnell wenden. Das Land-
volk verhält sich neutral.

Wien 23. December. ( A. Z. ) Seit drei Tagen wird dem
Publicum über die Operationen der in Ungarn operirenden kai-
serlichen Armee nichts Amtliches mitgetheilt. Es werden daher
die lächerlichsten Gerüchte verbreitet, denen das leichtgläubige
Volk vollen Glauben schenkt. Nach den heutigen Nachrichten aber
aus Wieselburg und Preßburg von gestern Abend hat sich seit der
Einnahme Wieselburgs gar nichts Ernstliches ereignet. Die
Truppen sind in beständiger Bewegung. Ein großer Theil der
Preßburger Besatzung ist gestern durch einrückende Croaten ersetzt
worden. Von Wieselburg bis Hochstraß und gegen Raab waren
die Straßen mit kaiserlichen Truppen bedeckt. Bei Abgang dieser
Nachrichten hieß es in Wieselburg, daß die Magyaren alle Ver-
schanzungen bei Raab ohne Schwertstreich geräumt haben und
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[Beginn Spaltensatz] durch die Concurrenz der Zucht= und Arbeitshäuser mit den Fa-
briken den Einzelnen ganz seiner eigenen Kraft, gegenüber dem
gewaltigen Capitale, anvertrauen; er soll nicht diesen Krieg Aller
gegen Alle, wie er bei jeder Versteigerung der Arbeit an den
Wenigstfordernden auftritt, fortführen und steigern, er soll nicht
milde Stiftungen verkürzen. Das einzige Mittel dem Gewerbe
den goldenen Boden, den es verloren, wieder zu schaffen, ist
Wiederherstellung der Corporation, die für die Tüchtigkeit der
Arbeit und für das Betragen, für die Ehrlichkeit und Ehren-
haftigkeit ihrer Mitglieder in solidum garantirt und einsteht mit
ihrer eigenen Ehre. Und vor Allem nothwendig ist die Ver-
bannung des Schwindelgeistes in unserm Staatshaushalte, die
Verpfändung des Vermögens der künftigen Generationen. Wenn
wir alles Vermögen unserer Nachkommen in Schuldhypotheken
verwandeln, dann wird das ganze Volk der Zukunft ein Volk
von Proletariern seyn. Die Staaten müssen lernen, die nützlichen
Ausgaben von den nothwendigen und die nothwendigen von den
nothwendigsten zu unterscheiden. Sie müssen wirklich in Allem
blos Nützlichen die strengste Sparsamkeit einhalten: sie dürfen
dafür nur in seltenen Ausnahmefällen Schulden machen. Die
Staatsschulden müssen vermindert und die Staatsausgaben auf
das Aeußerste beschränkt werden. Darum ist eine drakonische
Strenge gegen jeden Aufstandsversuch nothwendig, damit die
ungeheueren stehenden Heere, auch die Besatzungen der Festungen
und Hauptstädte vermindert werden können; darum muß aber
auch das deutsche Volk eine Organisation erhalten, bei welcher
jede Gemeinde für die Erhaltung des Landfriedens in ihrem Be-
zirke unter der schwersten Strafe zu haften gehalten ist. Die Ge-
meinden, Stadt= und Landgemeinden, müssen so eingerichtet wer-
den, daß sie mit Hilfe einer mäßigen Gensdarmerie die Bürg-
schaften der Sicherheit in sich selbst finden und bieten. Die gefähr-
lichsten Proletarier sind aber die Kinder der Proletarier und ihrer
muß das deutsche Volk sich in den frühesten Jahren annehmen.
Es muß sie zu Auswanderern, und darum zu Ackerbauern
bilden und erziehen, so weit diese Sorge nicht die Privatwohl-
thätigkeit übernimmt, welche in allen Fällen geeigneter ist indivi-
duelle Neigung und Anlage zu berücksichtigen. Getraidehänd-
ler
darf keine Regierung seyn, denn sie muß die Wucherer be-
strafen können und sorgen, daß nur dann Getraide zur Ausfuhr
kommt, wenn man es nicht später um den doppelten Preis wieder
einführen muß.

Wir wissen, das Alles ist schwer durchzuführen; wir behaup-
ten nicht, daß alle Noth verschwinden würde, wenn man auch
die weisesten Staatsmaßregeln anordnete. Wenn nur einige von
diesen Vorschlägen ein williges Gehör finden, ja, wenn wir
nur einen Anstoß gegeben haben manchem in diesem Felde mehr
Befähigten, mehr durch Erfahrung gereiften Socialisten im
guten Sinne des Wortes — so sind wir zufrieden. Die besten
Erlöser sind aber allzeit die gewesen, welche freiwillig die
Noth selbst übernommen und getragen, welche ihr
wenigstens Aug' in Auge gegenüber gestanden,

der sie Linderung verschaffen wollten. Dann wird das Proleta-
riat geheilt, wenigstens des Giftes, des Jngrimmes, der Ent-
sittlichung, der Verzweiflung, der Empörung, des Neides ent-
leert seyn, wenn die Liebe sich stark genug zeigen wird, edle
Christenherzen zu drängen und zu begeistern und zu stählen mit
Beharrlichkeit, daß sie freiwillige Proletarier, Brüder der Ar-
men, wirkliche Theilnehmer ihres ganzen Elendes, ihrer Noth
und Entbehrung werden. Die dazu sich entschließen, die diesen
Entschluß beharrlich durchführen möchten, die wären in Wahr-
heit Retter des Volkes, sie wären Freunde der Menschheit, Vä-
ter und Mütter des Vaterlandes. Außer dem Christenthume ist
aber solche Liebe nie gefunden worden. Eine blaue Blouse trägt
auch ein vornehmer Literat, — er mag sich Proletarier nennen, —
er ist es vielleicht in mehr als einer Beziehung, — aber nicht
freiwillig, nicht aus Liebe, und darum wird er wohl das Blut
der Arbeiter den Kugeln und ihre Sittlichkeit der Barricadenwuth
aufopfern, aber keine Noth lindern und keine Erbitterung ver-
söhnen können.



Deutschland.

Wien 22. December. ( Schw. M. ) Aus Ungarn haben
wir seit zwei Tagen keine neueren Kriegesnachrichten. Die Armee-
corps des Fürsten Windischgrätz und des Banus Jellachich haben
sich von Preßburg und Wieselburg größtentheils gegen Raab
hin gezogen, von dessen Besetzung durch die k. k. Truppen man
schon gestern Abend sprach, welche Nachricht aber bis zur Stunde
noch keine amtliche Bestätigung erhalten hat. Feldmarschalllieu-
tenant Simonich dürfte von Kaschau den Weg nach Erlau
eingeschlagen haben, um von da gegen die Pesther Seite zu ope-
[Spaltenumbruch] riren, gleichwie das Heer des Banus sich gegen Ofen wenden
wird. Zu einer entscheidenden Schlacht dürfte es wohl erst
bei diesen Hauptstädten kommen. Von den Generalen Nugent
und Dahlen, welche die steierische und croatische Grenze decken,
ist uns noch gar keine Nachricht zugekommen. Die siebenbür-
gischen
Sachsen und Walachen waren durch den Aufruhr der
fanatisirten Szeckler bisher zum Theil gelähmt; allein letztere
unterwerfen sich nun, oder erliegen allmälig, und so wird gegen
die Magyaren auch von dieser Seite bald angegriffen werden
können. Bei uns überwiegt der Ausgang dieses Kampfes vor
der Hand alle Jnteressen, auch die bevorstehende Wahl des deut-
schen Reichsoberhauptes in Frankfurt. Die Consolidirung Ge-
sammtösterreichs nach Jnnen hin ist das Losungswort des Tages.
Dieser Zweck wird auch ohne Zweifel nach dem Siege über die
ultramagyarische Fraction erreicht werden, deren Uebermuth auf
dem Pesther Reichstage neuerlich so weit ging, selbst dem ge-
schehenen Thronwechsel ihre Anerkennung zu versagen. Die
Anstrengungen zum Widerstande sind eben so maßlos als terro-
ristisch, ja barbarisch. Kossuth hat eine Militäraushebung
von mehr als 200,000 Mann im Lande anbefohlen, aus den
Kirchenglocken werden Kanonen gegossen, und überall, wo sich die
Jnsurgenten zurückziehen, verbrennen sie das vorräthige Getreide,
Heu, Stroh , das nicht mitgenommen werden kann, um die
nachrückende kaiserliche Armee der Hungersnoth preiszugeben.
Jn Preßburg geschah dies auf den öffentlichen Plätzen, wodurch
die Stadt fast in Feuersgefahr gerieth. Die meisten Bauern haben
nicht so viel Vorrath retten können, um damit die Aussaat im
Frühjahre zu bewerkstelligen. Armes Ungarn! — Der Reichs-
tag in Kremsier
hat dem Ministerium 80, nicht blos 50 Mil-
lionen bewilligt, die übrigen Ausschußanträge aber genehmigt. —
Die Carnevalsbelustigungen sind für diesmal in Wien
verboten.

Wien 22. December. ( A. Z. ) Nach den heutigen Nachrich-
ten aus Preßburg von gestern Abend ist die Schiffbrücke wieder
abgetragen worden, weil sie von den rinnenden Eisschollen sehr
bedroht war. Es herrschte dort vollkommen Ruhe und der ange-
ordnete Belagerungszustand wird ebenso schonend wie in Wien
ausgeübt. Feldmarschalllieutenant Simonich war noch in Tyr-
nau und wird dieser Tage die Feste Leopoldstadt angreifen. Der
Banus von Croatien v. Jellachich war nach Raab abgegangen,
und es fand vorgestern und gestern kein Gefecht statt. Die Ver-
schanzungen zwischen Hochstraß und Raab waren von den Ma-
gyaren verlassen worden. Hente aber dürfte es bei Raab zu einem
Treffen kommen, denn der Marschall Fürst Windischgrätz rückt
heute mit seinem Hauptquartiere und dem zweiten Armeecorps
von Karlburg vor. Aus Niederungarn sind heute keine detaillir-
ten Berichte über die Ereignisse bei Werschetz eingetroffen. Graf
Nugent operirt gegen den Plattensee und F. M. L. Dahlen scheint
bei Warasdin die Bewegungen der Armee aus Slavonien abzu-
warten. Aus Oberungarn wird vom 15. das Vorrücken des rit-
terlichen F. M. L. Grafen Schlick von Kaschau bis nach Miskolez
bestätigt. Um die Wirkung dieser niederschlagenden Nachricht in
Pesth zu paralysiren, erklärte der Agitator Kossuth in der Reichs-
versammlung, indem er diese Hiobspost verkündigte, daß Schlick
ein guter Waffenlieferant seyn würde. Er wollte dadurch andeu-
ten, daß er gefangen werden dürfte. Es ist übrigens unbegreiflich,
wie Kossuth bei diesem jammervollen Stadium seines Wirkens
noch die Gemüther beherrscht und Jedermann durch Schrecken
lähmt. Auf seinen Befehl wurde dieser Tage Graf Nicolaus
Esterhazy, welcher Miene gemacht haben sollte sich in das kaiser-
liche Lager zu begeben, erschossen. Von Preßburg hat er vor
Räumung dieser Stadt einige königliche Beamte nach Comorn
schleppen lassen. Von Comorn bis Pesth herrscht er einem Könige
gleich mit eiserner Strenge. Die magyarische Armee, obwohl
sehr schwankend in ihren Rückzugsbewegungen gegen Comorn,
gehorcht bis zur Stunde seinen Befehlen. Eine ernste Niederlage
der Magyaren wird aber dieses Blatt schnell wenden. Das Land-
volk verhält sich neutral.

Wien 23. December. ( A. Z. ) Seit drei Tagen wird dem
Publicum über die Operationen der in Ungarn operirenden kai-
serlichen Armee nichts Amtliches mitgetheilt. Es werden daher
die lächerlichsten Gerüchte verbreitet, denen das leichtgläubige
Volk vollen Glauben schenkt. Nach den heutigen Nachrichten aber
aus Wieselburg und Preßburg von gestern Abend hat sich seit der
Einnahme Wieselburgs gar nichts Ernstliches ereignet. Die
Truppen sind in beständiger Bewegung. Ein großer Theil der
Preßburger Besatzung ist gestern durch einrückende Croaten ersetzt
worden. Von Wieselburg bis Hochstraß und gegen Raab waren
die Straßen mit kaiserlichen Truppen bedeckt. Bei Abgang dieser
Nachrichten hieß es in Wieselburg, daß die Magyaren alle Ver-
schanzungen bei Raab ohne Schwertstreich geräumt haben und
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[0002] durch die Concurrenz der Zucht= und Arbeitshäuser mit den Fa- briken den Einzelnen ganz seiner eigenen Kraft, gegenüber dem gewaltigen Capitale, anvertrauen; er soll nicht diesen Krieg Aller gegen Alle, wie er bei jeder Versteigerung der Arbeit an den Wenigstfordernden auftritt, fortführen und steigern, er soll nicht milde Stiftungen verkürzen. Das einzige Mittel dem Gewerbe den goldenen Boden, den es verloren, wieder zu schaffen, ist Wiederherstellung der Corporation, die für die Tüchtigkeit der Arbeit und für das Betragen, für die Ehrlichkeit und Ehren- haftigkeit ihrer Mitglieder in solidum garantirt und einsteht mit ihrer eigenen Ehre. Und vor Allem nothwendig ist die Ver- bannung des Schwindelgeistes in unserm Staatshaushalte, die Verpfändung des Vermögens der künftigen Generationen. Wenn wir alles Vermögen unserer Nachkommen in Schuldhypotheken verwandeln, dann wird das ganze Volk der Zukunft ein Volk von Proletariern seyn. Die Staaten müssen lernen, die nützlichen Ausgaben von den nothwendigen und die nothwendigen von den nothwendigsten zu unterscheiden. Sie müssen wirklich in Allem blos Nützlichen die strengste Sparsamkeit einhalten: sie dürfen dafür nur in seltenen Ausnahmefällen Schulden machen. Die Staatsschulden müssen vermindert und die Staatsausgaben auf das Aeußerste beschränkt werden. Darum ist eine drakonische Strenge gegen jeden Aufstandsversuch nothwendig, damit die ungeheueren stehenden Heere, auch die Besatzungen der Festungen und Hauptstädte vermindert werden können; darum muß aber auch das deutsche Volk eine Organisation erhalten, bei welcher jede Gemeinde für die Erhaltung des Landfriedens in ihrem Be- zirke unter der schwersten Strafe zu haften gehalten ist. Die Ge- meinden, Stadt= und Landgemeinden, müssen so eingerichtet wer- den, daß sie mit Hilfe einer mäßigen Gensdarmerie die Bürg- schaften der Sicherheit in sich selbst finden und bieten. Die gefähr- lichsten Proletarier sind aber die Kinder der Proletarier und ihrer muß das deutsche Volk sich in den frühesten Jahren annehmen. Es muß sie zu Auswanderern, und darum zu Ackerbauern bilden und erziehen, so weit diese Sorge nicht die Privatwohl- thätigkeit übernimmt, welche in allen Fällen geeigneter ist indivi- duelle Neigung und Anlage zu berücksichtigen. Getraidehänd- ler darf keine Regierung seyn, denn sie muß die Wucherer be- strafen können und sorgen, daß nur dann Getraide zur Ausfuhr kommt, wenn man es nicht später um den doppelten Preis wieder einführen muß. Wir wissen, das Alles ist schwer durchzuführen; wir behaup- ten nicht, daß alle Noth verschwinden würde, wenn man auch die weisesten Staatsmaßregeln anordnete. Wenn nur einige von diesen Vorschlägen ein williges Gehör finden, ja, wenn wir nur einen Anstoß gegeben haben manchem in diesem Felde mehr Befähigten, mehr durch Erfahrung gereiften Socialisten im guten Sinne des Wortes — so sind wir zufrieden. Die besten Erlöser sind aber allzeit die gewesen, welche freiwillig die Noth selbst übernommen und getragen, welche ihr wenigstens Aug' in Auge gegenüber gestanden, der sie Linderung verschaffen wollten. Dann wird das Proleta- riat geheilt, wenigstens des Giftes, des Jngrimmes, der Ent- sittlichung, der Verzweiflung, der Empörung, des Neides ent- leert seyn, wenn die Liebe sich stark genug zeigen wird, edle Christenherzen zu drängen und zu begeistern und zu stählen mit Beharrlichkeit, daß sie freiwillige Proletarier, Brüder der Ar- men, wirkliche Theilnehmer ihres ganzen Elendes, ihrer Noth und Entbehrung werden. Die dazu sich entschließen, die diesen Entschluß beharrlich durchführen möchten, die wären in Wahr- heit Retter des Volkes, sie wären Freunde der Menschheit, Vä- ter und Mütter des Vaterlandes. Außer dem Christenthume ist aber solche Liebe nie gefunden worden. Eine blaue Blouse trägt auch ein vornehmer Literat, — er mag sich Proletarier nennen, — er ist es vielleicht in mehr als einer Beziehung, — aber nicht freiwillig, nicht aus Liebe, und darum wird er wohl das Blut der Arbeiter den Kugeln und ihre Sittlichkeit der Barricadenwuth aufopfern, aber keine Noth lindern und keine Erbitterung ver- söhnen können. Deutschland. Wien 22. December. ( Schw. M. ) Aus Ungarn haben wir seit zwei Tagen keine neueren Kriegesnachrichten. Die Armee- corps des Fürsten Windischgrätz und des Banus Jellachich haben sich von Preßburg und Wieselburg größtentheils gegen Raab hin gezogen, von dessen Besetzung durch die k. k. Truppen man schon gestern Abend sprach, welche Nachricht aber bis zur Stunde noch keine amtliche Bestätigung erhalten hat. Feldmarschalllieu- tenant Simonich dürfte von Kaschau den Weg nach Erlau eingeschlagen haben, um von da gegen die Pesther Seite zu ope- riren, gleichwie das Heer des Banus sich gegen Ofen wenden wird. Zu einer entscheidenden Schlacht dürfte es wohl erst bei diesen Hauptstädten kommen. Von den Generalen Nugent und Dahlen, welche die steierische und croatische Grenze decken, ist uns noch gar keine Nachricht zugekommen. Die siebenbür- gischen Sachsen und Walachen waren durch den Aufruhr der fanatisirten Szeckler bisher zum Theil gelähmt; allein letztere unterwerfen sich nun, oder erliegen allmälig, und so wird gegen die Magyaren auch von dieser Seite bald angegriffen werden können. Bei uns überwiegt der Ausgang dieses Kampfes vor der Hand alle Jnteressen, auch die bevorstehende Wahl des deut- schen Reichsoberhauptes in Frankfurt. Die Consolidirung Ge- sammtösterreichs nach Jnnen hin ist das Losungswort des Tages. Dieser Zweck wird auch ohne Zweifel nach dem Siege über die ultramagyarische Fraction erreicht werden, deren Uebermuth auf dem Pesther Reichstage neuerlich so weit ging, selbst dem ge- schehenen Thronwechsel ihre Anerkennung zu versagen. Die Anstrengungen zum Widerstande sind eben so maßlos als terro- ristisch, ja barbarisch. Kossuth hat eine Militäraushebung von mehr als 200,000 Mann im Lande anbefohlen, aus den Kirchenglocken werden Kanonen gegossen, und überall, wo sich die Jnsurgenten zurückziehen, verbrennen sie das vorräthige Getreide, Heu, Stroh , das nicht mitgenommen werden kann, um die nachrückende kaiserliche Armee der Hungersnoth preiszugeben. Jn Preßburg geschah dies auf den öffentlichen Plätzen, wodurch die Stadt fast in Feuersgefahr gerieth. Die meisten Bauern haben nicht so viel Vorrath retten können, um damit die Aussaat im Frühjahre zu bewerkstelligen. Armes Ungarn! — Der Reichs- tag in Kremsier hat dem Ministerium 80, nicht blos 50 Mil- lionen bewilligt, die übrigen Ausschußanträge aber genehmigt. — Die Carnevalsbelustigungen sind für diesmal in Wien verboten. Wien 22. December. ( A. Z. ) Nach den heutigen Nachrich- ten aus Preßburg von gestern Abend ist die Schiffbrücke wieder abgetragen worden, weil sie von den rinnenden Eisschollen sehr bedroht war. Es herrschte dort vollkommen Ruhe und der ange- ordnete Belagerungszustand wird ebenso schonend wie in Wien ausgeübt. Feldmarschalllieutenant Simonich war noch in Tyr- nau und wird dieser Tage die Feste Leopoldstadt angreifen. Der Banus von Croatien v. Jellachich war nach Raab abgegangen, und es fand vorgestern und gestern kein Gefecht statt. Die Ver- schanzungen zwischen Hochstraß und Raab waren von den Ma- gyaren verlassen worden. Hente aber dürfte es bei Raab zu einem Treffen kommen, denn der Marschall Fürst Windischgrätz rückt heute mit seinem Hauptquartiere und dem zweiten Armeecorps von Karlburg vor. Aus Niederungarn sind heute keine detaillir- ten Berichte über die Ereignisse bei Werschetz eingetroffen. Graf Nugent operirt gegen den Plattensee und F. M. L. Dahlen scheint bei Warasdin die Bewegungen der Armee aus Slavonien abzu- warten. Aus Oberungarn wird vom 15. das Vorrücken des rit- terlichen F. M. L. Grafen Schlick von Kaschau bis nach Miskolez bestätigt. Um die Wirkung dieser niederschlagenden Nachricht in Pesth zu paralysiren, erklärte der Agitator Kossuth in der Reichs- versammlung, indem er diese Hiobspost verkündigte, daß Schlick ein guter Waffenlieferant seyn würde. Er wollte dadurch andeu- ten, daß er gefangen werden dürfte. Es ist übrigens unbegreiflich, wie Kossuth bei diesem jammervollen Stadium seines Wirkens noch die Gemüther beherrscht und Jedermann durch Schrecken lähmt. Auf seinen Befehl wurde dieser Tage Graf Nicolaus Esterhazy, welcher Miene gemacht haben sollte sich in das kaiser- liche Lager zu begeben, erschossen. Von Preßburg hat er vor Räumung dieser Stadt einige königliche Beamte nach Comorn schleppen lassen. Von Comorn bis Pesth herrscht er einem Könige gleich mit eiserner Strenge. Die magyarische Armee, obwohl sehr schwankend in ihren Rückzugsbewegungen gegen Comorn, gehorcht bis zur Stunde seinen Befehlen. Eine ernste Niederlage der Magyaren wird aber dieses Blatt schnell wenden. Das Land- volk verhält sich neutral. Wien 23. December. ( A. Z. ) Seit drei Tagen wird dem Publicum über die Operationen der in Ungarn operirenden kai- serlichen Armee nichts Amtliches mitgetheilt. Es werden daher die lächerlichsten Gerüchte verbreitet, denen das leichtgläubige Volk vollen Glauben schenkt. Nach den heutigen Nachrichten aber aus Wieselburg und Preßburg von gestern Abend hat sich seit der Einnahme Wieselburgs gar nichts Ernstliches ereignet. Die Truppen sind in beständiger Bewegung. Ein großer Theil der Preßburger Besatzung ist gestern durch einrückende Croaten ersetzt worden. Von Wieselburg bis Hochstraß und gegen Raab waren die Straßen mit kaiserlichen Truppen bedeckt. Bei Abgang dieser Nachrichten hieß es in Wieselburg, daß die Magyaren alle Ver- schanzungen bei Raab ohne Schwertstreich geräumt haben und

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Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 175. Mainz, 28. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal175_1848/2>, abgerufen am 16.07.2024.