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Mainzer Journal. Nr. 162. Mainz, 12. Dezember 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 162. Mittwoch, den 13. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 12. December.
Tagesordnung der 134. öffentlichen Sitzung.

Fortsetzung der Berathung über den vom Verfassungsausschusse vor-
gelegten Entwurf "der Reichstag" und zwar über Art. V. VI. u. VII.

Der Vorsitzende Heinrich v. Gagern zeigt den Austritt des
Herrn v. Unwerth aus Glogau an. Dann interpellirt Schulz
von Weilburg den Reichsminister des Auswärtigen in Bezug auf
die Anhäufung russischer Truppen an den österreichischen Gren-
zen Deutschlands und der untern Donau, was zur Ausführung
des Reichstagsbeschlusses vom 22. Juli geschehen sey?

Venedey fragt denselben Minister des Jnnern und Aeußern:
Hat der Gesandte Heckscher den Auftrag, gegen die dem deutschen
Rechtsgefühle widersprechenden Willkürmaßregeln des Feldmar-
schalls Radetzky wider die Lombardei Verwahrung einzulegen?
Beide Anfragen werden dem Reichsministerium zugefertigt werden.

Die Versammlung ist nach kaum eröffneter Sitzung schon bei
der Tagesordnung, und auch heute wieder schlägt die Berathung
über den Verfassungsentwurf einen so raschen Gang ein, daß
wir, trotz der Bemerkung, womit der Präsident das Abstimmungs-
geschäft vor §. 16. unterbricht, "es regne von Verbesserungsan-
trägen," die er erst einzutheilen und zu ordnen habe, doch der
Erledigung einer langen Reihe von Paragraphen entgegensehen
dürfen. Jn folgender Gestalt werden die ersten drei Paragraphen
des Artikel V. ohne Discussion zum Beschlusse erhoben:

Art. V. §. 15. Zu einem Beschlusse eines jeden Hauses des
Reichstages ist die Theilnahme von wenigstens der Hälfte 1)
der gesetzlichen Anzahl seiner Mitglieder und die einfache Stim-
menmehrheit erforderlich. Jm Falle der Stimmengleichheit wird
ein Antrag als abgelehnt betrachtet.

§. 16. Wenn es sich von der Erlassung solcher Gesetze handelt,
durch welche Einrichtungen und Maßregeln begründet werden
sollen, die der Competenz der Reichsgewalt nicht ausdrücklich zu-
gewiesen sind ( Abschnitt von der Reichsgewalt, Art. XIII. §. 56.
am Ende ) , so ist für die Schlußabstimmung eines jeden Hauses
die Gegenwart von wenigstens der Hälfte seiner Mitglieder und
unter diesen eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erfor-
derlich.

§. 17. Das Recht des Gesetzvorschlages, der Beschwerde, der
Adresse und der Untersuchung, sowie der Anklage der Minister
steht jedem Hause für sich zu.

Erst vor der Abstimmung über §. 18. wird wieder eine Be-
sprechung zugelassen. Natürlich, daß Moritz Mohl sofort auf
der Tribune erscheint; doch bedient er sich seines Vortheiles dies-
mal mit solcher Mäßigung, daß er nur kürzlich den Verbesserungs-
antrag Rödingers empfiehlt, nach welchem alle Finanzbewillig-
ungen ausschließlich dem Volkshause zustehen sollen. Jhm folgt
Kurl Welcker, der den Vorschlag des Ausschusses vertheidigt. Er
versteht die Freiheit und die Volkssouveränetät besser ( Lachen von
der Linken ) , als daß er die Krawallsouveränetät und die Massen-
freiheit damit verwechseln könnte. Das Volkshaus einseitig zu
bevorrechtigen, darin erblickt er Gefahr. Denn dann könne leicht
der leidenschaftliche Augenblick der Gebieter des Vaterlandes wer-
den. Aus der Geschichte Frankreichs zeigt er, daß gerade die
Kammer der Pairs durch ihren Widerspruch wider die Beschlüsse
der Abgeordneten dem französischen Volke mehr als einmal die
Freiheit gerettet habe.

Freudentheil hat entdeckt, daß der Pulsschlag der Gegen-
wart rascher geht als früher. Er will, daß bei Meinungsver-
schiedenheiten zwischen Staaten= und Volkshaus die Ausgleichung
zunächst durch eine gemischte Deputation versucht, und wenn dies
fehlschlägt, gemeinsame Sitzungen beider Häuser statt finden sol-
len, in denen die Stimmenmehrheit entscheidet.

Beseler. Durch die Giltigkeitserklärung einseitiger Be-
schlüsse des Volkshauses würden wir wieder aufheben, was wir
in dem Verfassungswerke eben festsetzen: das Staatenhaus. Ein
Einigungsverfahren hingegen zwischen beiden Häusern ist durch
das Mehrheitserachten keineswegs ausgeschlossen. Aber die Be-
stimmungen darüber gehören in die Geschäftsordnung der Häuser.

Vogt: Der einzige Stützpunkt einer Verfassung ist der Geld-
sack. Und diesen wichtigsten Gegenstand gerade schiebt man zurück?
[Spaltenumbruch] Unser ganzes Werk ist unnütz ohne die Bestimmungen über die
Finanzen und ich begreife nicht, warum man sie zurückhält.

Beseler: Die Verzögerung liegt nur darin, daß der Ver-
fassungsausschuß in seinen Berathungen über das Budgetwesen
mit der größten Sorgfalt verfahren und das Urtheil Sachver-
ständiger nicht entbehren wollte. Die Vorlage über die Finanzen
ist indessen, wovon sich Herr Vogt sehr leicht durch eine Anfrage
hätte unterrichten können, soweit gediehen, daß sie für künftige
Woche versprochen werden kann.

Die Abstimmung verwirft sowohl den Antrag Rödingers, als
den folgenden Antrag Nauwercks und Genossen: "Jeder Beschluß
des Staatenhauses wird giltiger Reichstagsbeschluß, sobald er
vom Volkshause angenommen ist. Jeder Beschluß des Volks-
hauses wird giltiger Reichstagsbeschluß, sobald er vom Staaten-
hause angenommen ist. Widerspricht das Staatenhaus, so trifft
das Volkshaus nach zweiter Berathung endgiltige
Entscheidung.
"

Dagegen wird nach dem Vorschlage des Verfassungsausschusses
angenommen:

§. 18. Ein Reichsbeschluß kann nur durch die Uebereinstim-
mung beider Häuser giltig zu Stande kommen.

Die zu §. 19. gestellten Verbesserungsanträge haben haupt-
sächlich den Zweck, Bestimmungen für den Fall zu treffen, daß
die Reichsgewalt einem Reichstagsbeschlusse die Ausführung ver-
weigert. Die Debatte wird zugelassen. Phillips, Welcker, v. Vincke,
Grävell und v. Beckerath melden sich als Redner für den Verf. -
Ausschuß an. Dagegen: Rödinger, Vogt, Nauwerck, Mitter-
maier, Schulz von Darmstadt, Graf Wartensleben, Schmidt
von Berlin und Wigard. Von ihnen erhält Rödinger das
Wort, welcher in den §. 19. die Zusätze aufgenommen sehen
will:

2 ) "Wenn Anleihen aufgenommen werden." Sodann

5 ) "Wenn ein Krieg begonnen oder ein Friedensvertrag ab-
geschlossen werden soll."

Außerdem aber schlägt er einen neuen zwischen 19. und 20. ein-
zuschiebenden Paragraphen vor eines Jnhaltes, daß dadurch der
Reichsgewalt jedes Veto gegen die Reichstagsbeschlüsse entwunden
würde. Nur, wenn der Redner Hoffnung hätte, diese seine Vor-
schläge durchzusetzen, erklärt, er, würden er und seine politischen
Meinungsgenossen sich mit einer Verfassung Deutschlands befreun-
den können, die freilich weit hinter ihren Erwartungen zurückge-
blieben sey. Herr Rödinger steht heute zum ersten Male auf der
Rednerbühne. Auf dies "Guthaben" hin, wie er seine bisherige
Zurückhaltung nennt, gründet er einen Vortrag von erstaunlicher
Länge und Breite. Wir wünschen nur, daß er damit für die ganze
übrige Sitzungszeit mit dem Hause abgerechnet haben möge.

Phillips: Der §. 19., wie ihn der Verfassungsentwurf
vorschlägt, rettet das constitutionelle Princip durch die Feststellung
des absoluten Veto, ohne deshalb die Volksfreiheit zu beeinträch-
tigen. Man verzeihe mir, daß ich auf England komme. Es ist
bekannt, daß die jungfräuliche Königin ( Lachen von der Linken ) ,
daß also die jungfräuliche Königin -- ich meine Elisabeth --
während ihrer glorreichen Regierung 34 Bills genehmigt, 48
aber verworfen hat. Jn einem constitutionellen Staate reicht das
suspensive Veto nicht aus, es bedarf des absolnten.

Vogt von Gießen: Das Bewußtseyn der Freiheit ist
seit der jungfräulichen Königin so tief in Mark und
Bein jedes Engländers eingedrungen, daß in England das
absolute Veto zwar ein noch giltiges Kronrecht, im Gebrauche
aber vollkommen antiquirt ist. Jn Deutschland ist jedoch der Zu-
stand nicht der Art, daß wir der Reichsregierung eine so gefähr-
liche Waffe wider die Freiheit in die Hand geben dürften. Auch
sey es im Jnteresse des Verfassungswerkes selbst, das absolute
Veto wegzulassen und nur das suspensive zu gestatten, sonst werde
der nächste revolutionäre Sturm die ganze Verfassung über den
Haufen werfen.

Welcker: Jn der organisirten Freiheit sey eine feindselige
Stellung des Reichsoberhauptes zum Volkswillen durchaus nicht
denkbar. Denn selbst, wenn es einmal zu einem Zwiespalte ge-
deihe, so werde es ein vorübergehender seyn, denn dann fehle es
dem Volke nicht an Mitteln, seinem Willen Nachdruck zu geben.
Drei Gewalten sollten an die Spitze des Reiches gestellt werden.
von ihnen alles Leben und jede gesetzliche Bestimmung ausgehen,
Allein dies müßten gesunde und unverkrüppelte Gewalten seyn
[Ende Spaltensatz]

1) Jm Entwurfe des Verfassungsausschusses hieß es: "von wenig-
stens einem Drittel."
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 162. Mittwoch, den 13. December. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Verhandlungen der Nationalversammlung.
Vom 12. December.
Tagesordnung der 134. öffentlichen Sitzung.

Fortsetzung der Berathung über den vom Verfassungsausschusse vor-
gelegten Entwurf „der Reichstag“ und zwar über Art. V. VI. u. VII.

Der Vorsitzende Heinrich v. Gagern zeigt den Austritt des
Herrn v. Unwerth aus Glogau an. Dann interpellirt Schulz
von Weilburg den Reichsminister des Auswärtigen in Bezug auf
die Anhäufung russischer Truppen an den österreichischen Gren-
zen Deutschlands und der untern Donau, was zur Ausführung
des Reichstagsbeschlusses vom 22. Juli geschehen sey?

Venedey fragt denselben Minister des Jnnern und Aeußern:
Hat der Gesandte Heckscher den Auftrag, gegen die dem deutschen
Rechtsgefühle widersprechenden Willkürmaßregeln des Feldmar-
schalls Radetzky wider die Lombardei Verwahrung einzulegen?
Beide Anfragen werden dem Reichsministerium zugefertigt werden.

Die Versammlung ist nach kaum eröffneter Sitzung schon bei
der Tagesordnung, und auch heute wieder schlägt die Berathung
über den Verfassungsentwurf einen so raschen Gang ein, daß
wir, trotz der Bemerkung, womit der Präsident das Abstimmungs-
geschäft vor §. 16. unterbricht, „es regne von Verbesserungsan-
trägen,“ die er erst einzutheilen und zu ordnen habe, doch der
Erledigung einer langen Reihe von Paragraphen entgegensehen
dürfen. Jn folgender Gestalt werden die ersten drei Paragraphen
des Artikel V. ohne Discussion zum Beschlusse erhoben:

Art. V. §. 15. Zu einem Beschlusse eines jeden Hauses des
Reichstages ist die Theilnahme von wenigstens der Hälfte 1)
der gesetzlichen Anzahl seiner Mitglieder und die einfache Stim-
menmehrheit erforderlich. Jm Falle der Stimmengleichheit wird
ein Antrag als abgelehnt betrachtet.

§. 16. Wenn es sich von der Erlassung solcher Gesetze handelt,
durch welche Einrichtungen und Maßregeln begründet werden
sollen, die der Competenz der Reichsgewalt nicht ausdrücklich zu-
gewiesen sind ( Abschnitt von der Reichsgewalt, Art. XIII. §. 56.
am Ende ) , so ist für die Schlußabstimmung eines jeden Hauses
die Gegenwart von wenigstens der Hälfte seiner Mitglieder und
unter diesen eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erfor-
derlich.

§. 17. Das Recht des Gesetzvorschlages, der Beschwerde, der
Adresse und der Untersuchung, sowie der Anklage der Minister
steht jedem Hause für sich zu.

Erst vor der Abstimmung über §. 18. wird wieder eine Be-
sprechung zugelassen. Natürlich, daß Moritz Mohl sofort auf
der Tribune erscheint; doch bedient er sich seines Vortheiles dies-
mal mit solcher Mäßigung, daß er nur kürzlich den Verbesserungs-
antrag Rödingers empfiehlt, nach welchem alle Finanzbewillig-
ungen ausschließlich dem Volkshause zustehen sollen. Jhm folgt
Kurl Welcker, der den Vorschlag des Ausschusses vertheidigt. Er
versteht die Freiheit und die Volkssouveränetät besser ( Lachen von
der Linken ) , als daß er die Krawallsouveränetät und die Massen-
freiheit damit verwechseln könnte. Das Volkshaus einseitig zu
bevorrechtigen, darin erblickt er Gefahr. Denn dann könne leicht
der leidenschaftliche Augenblick der Gebieter des Vaterlandes wer-
den. Aus der Geschichte Frankreichs zeigt er, daß gerade die
Kammer der Pairs durch ihren Widerspruch wider die Beschlüsse
der Abgeordneten dem französischen Volke mehr als einmal die
Freiheit gerettet habe.

Freudentheil hat entdeckt, daß der Pulsschlag der Gegen-
wart rascher geht als früher. Er will, daß bei Meinungsver-
schiedenheiten zwischen Staaten= und Volkshaus die Ausgleichung
zunächst durch eine gemischte Deputation versucht, und wenn dies
fehlschlägt, gemeinsame Sitzungen beider Häuser statt finden sol-
len, in denen die Stimmenmehrheit entscheidet.

Beseler. Durch die Giltigkeitserklärung einseitiger Be-
schlüsse des Volkshauses würden wir wieder aufheben, was wir
in dem Verfassungswerke eben festsetzen: das Staatenhaus. Ein
Einigungsverfahren hingegen zwischen beiden Häusern ist durch
das Mehrheitserachten keineswegs ausgeschlossen. Aber die Be-
stimmungen darüber gehören in die Geschäftsordnung der Häuser.

Vogt: Der einzige Stützpunkt einer Verfassung ist der Geld-
sack. Und diesen wichtigsten Gegenstand gerade schiebt man zurück?
[Spaltenumbruch] Unser ganzes Werk ist unnütz ohne die Bestimmungen über die
Finanzen und ich begreife nicht, warum man sie zurückhält.

Beseler: Die Verzögerung liegt nur darin, daß der Ver-
fassungsausschuß in seinen Berathungen über das Budgetwesen
mit der größten Sorgfalt verfahren und das Urtheil Sachver-
ständiger nicht entbehren wollte. Die Vorlage über die Finanzen
ist indessen, wovon sich Herr Vogt sehr leicht durch eine Anfrage
hätte unterrichten können, soweit gediehen, daß sie für künftige
Woche versprochen werden kann.

Die Abstimmung verwirft sowohl den Antrag Rödingers, als
den folgenden Antrag Nauwercks und Genossen: „Jeder Beschluß
des Staatenhauses wird giltiger Reichstagsbeschluß, sobald er
vom Volkshause angenommen ist. Jeder Beschluß des Volks-
hauses wird giltiger Reichstagsbeschluß, sobald er vom Staaten-
hause angenommen ist. Widerspricht das Staatenhaus, so trifft
das Volkshaus nach zweiter Berathung endgiltige
Entscheidung.

Dagegen wird nach dem Vorschlage des Verfassungsausschusses
angenommen:

§. 18. Ein Reichsbeschluß kann nur durch die Uebereinstim-
mung beider Häuser giltig zu Stande kommen.

Die zu §. 19. gestellten Verbesserungsanträge haben haupt-
sächlich den Zweck, Bestimmungen für den Fall zu treffen, daß
die Reichsgewalt einem Reichstagsbeschlusse die Ausführung ver-
weigert. Die Debatte wird zugelassen. Phillips, Welcker, v. Vincke,
Grävell und v. Beckerath melden sich als Redner für den Verf. -
Ausschuß an. Dagegen: Rödinger, Vogt, Nauwerck, Mitter-
maier, Schulz von Darmstadt, Graf Wartensleben, Schmidt
von Berlin und Wigard. Von ihnen erhält Rödinger das
Wort, welcher in den §. 19. die Zusätze aufgenommen sehen
will:

2 ) „Wenn Anleihen aufgenommen werden.“ Sodann

5 ) „Wenn ein Krieg begonnen oder ein Friedensvertrag ab-
geschlossen werden soll.“

Außerdem aber schlägt er einen neuen zwischen 19. und 20. ein-
zuschiebenden Paragraphen vor eines Jnhaltes, daß dadurch der
Reichsgewalt jedes Veto gegen die Reichstagsbeschlüsse entwunden
würde. Nur, wenn der Redner Hoffnung hätte, diese seine Vor-
schläge durchzusetzen, erklärt, er, würden er und seine politischen
Meinungsgenossen sich mit einer Verfassung Deutschlands befreun-
den können, die freilich weit hinter ihren Erwartungen zurückge-
blieben sey. Herr Rödinger steht heute zum ersten Male auf der
Rednerbühne. Auf dies „Guthaben“ hin, wie er seine bisherige
Zurückhaltung nennt, gründet er einen Vortrag von erstaunlicher
Länge und Breite. Wir wünschen nur, daß er damit für die ganze
übrige Sitzungszeit mit dem Hause abgerechnet haben möge.

Phillips: Der §. 19., wie ihn der Verfassungsentwurf
vorschlägt, rettet das constitutionelle Princip durch die Feststellung
des absoluten Veto, ohne deshalb die Volksfreiheit zu beeinträch-
tigen. Man verzeihe mir, daß ich auf England komme. Es ist
bekannt, daß die jungfräuliche Königin ( Lachen von der Linken ) ,
daß also die jungfräuliche Königin — ich meine Elisabeth —
während ihrer glorreichen Regierung 34 Bills genehmigt, 48
aber verworfen hat. Jn einem constitutionellen Staate reicht das
suspensive Veto nicht aus, es bedarf des absolnten.

Vogt von Gießen: Das Bewußtseyn der Freiheit ist
seit der jungfräulichen Königin so tief in Mark und
Bein jedes Engländers eingedrungen, daß in England das
absolute Veto zwar ein noch giltiges Kronrecht, im Gebrauche
aber vollkommen antiquirt ist. Jn Deutschland ist jedoch der Zu-
stand nicht der Art, daß wir der Reichsregierung eine so gefähr-
liche Waffe wider die Freiheit in die Hand geben dürften. Auch
sey es im Jnteresse des Verfassungswerkes selbst, das absolute
Veto wegzulassen und nur das suspensive zu gestatten, sonst werde
der nächste revolutionäre Sturm die ganze Verfassung über den
Haufen werfen.

Welcker: Jn der organisirten Freiheit sey eine feindselige
Stellung des Reichsoberhauptes zum Volkswillen durchaus nicht
denkbar. Denn selbst, wenn es einmal zu einem Zwiespalte ge-
deihe, so werde es ein vorübergehender seyn, denn dann fehle es
dem Volke nicht an Mitteln, seinem Willen Nachdruck zu geben.
Drei Gewalten sollten an die Spitze des Reiches gestellt werden.
von ihnen alles Leben und jede gesetzliche Bestimmung ausgehen,
Allein dies müßten gesunde und unverkrüppelte Gewalten seyn
[Ende Spaltensatz]

1) Jm Entwurfe des Verfassungsausschusses hieß es: „von wenig-
stens einem Drittel.“
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 162. Mittwoch, den 13. December. 1848. Verhandlungen der Nationalversammlung. Vom 12. December. Tagesordnung der 134. öffentlichen Sitzung. Fortsetzung der Berathung über den vom Verfassungsausschusse vor- gelegten Entwurf „der Reichstag“ und zwar über Art. V. VI. u. VII. Der Vorsitzende Heinrich v. Gagern zeigt den Austritt des Herrn v. Unwerth aus Glogau an. Dann interpellirt Schulz von Weilburg den Reichsminister des Auswärtigen in Bezug auf die Anhäufung russischer Truppen an den österreichischen Gren- zen Deutschlands und der untern Donau, was zur Ausführung des Reichstagsbeschlusses vom 22. Juli geschehen sey? Venedey fragt denselben Minister des Jnnern und Aeußern: Hat der Gesandte Heckscher den Auftrag, gegen die dem deutschen Rechtsgefühle widersprechenden Willkürmaßregeln des Feldmar- schalls Radetzky wider die Lombardei Verwahrung einzulegen? Beide Anfragen werden dem Reichsministerium zugefertigt werden. Die Versammlung ist nach kaum eröffneter Sitzung schon bei der Tagesordnung, und auch heute wieder schlägt die Berathung über den Verfassungsentwurf einen so raschen Gang ein, daß wir, trotz der Bemerkung, womit der Präsident das Abstimmungs- geschäft vor §. 16. unterbricht, „es regne von Verbesserungsan- trägen,“ die er erst einzutheilen und zu ordnen habe, doch der Erledigung einer langen Reihe von Paragraphen entgegensehen dürfen. Jn folgender Gestalt werden die ersten drei Paragraphen des Artikel V. ohne Discussion zum Beschlusse erhoben: Art. V. §. 15. Zu einem Beschlusse eines jeden Hauses des Reichstages ist die Theilnahme von wenigstens der Hälfte 1) der gesetzlichen Anzahl seiner Mitglieder und die einfache Stim- menmehrheit erforderlich. Jm Falle der Stimmengleichheit wird ein Antrag als abgelehnt betrachtet. §. 16. Wenn es sich von der Erlassung solcher Gesetze handelt, durch welche Einrichtungen und Maßregeln begründet werden sollen, die der Competenz der Reichsgewalt nicht ausdrücklich zu- gewiesen sind ( Abschnitt von der Reichsgewalt, Art. XIII. §. 56. am Ende ) , so ist für die Schlußabstimmung eines jeden Hauses die Gegenwart von wenigstens der Hälfte seiner Mitglieder und unter diesen eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erfor- derlich. §. 17. Das Recht des Gesetzvorschlages, der Beschwerde, der Adresse und der Untersuchung, sowie der Anklage der Minister steht jedem Hause für sich zu. Erst vor der Abstimmung über §. 18. wird wieder eine Be- sprechung zugelassen. Natürlich, daß Moritz Mohl sofort auf der Tribune erscheint; doch bedient er sich seines Vortheiles dies- mal mit solcher Mäßigung, daß er nur kürzlich den Verbesserungs- antrag Rödingers empfiehlt, nach welchem alle Finanzbewillig- ungen ausschließlich dem Volkshause zustehen sollen. Jhm folgt Kurl Welcker, der den Vorschlag des Ausschusses vertheidigt. Er versteht die Freiheit und die Volkssouveränetät besser ( Lachen von der Linken ) , als daß er die Krawallsouveränetät und die Massen- freiheit damit verwechseln könnte. Das Volkshaus einseitig zu bevorrechtigen, darin erblickt er Gefahr. Denn dann könne leicht der leidenschaftliche Augenblick der Gebieter des Vaterlandes wer- den. Aus der Geschichte Frankreichs zeigt er, daß gerade die Kammer der Pairs durch ihren Widerspruch wider die Beschlüsse der Abgeordneten dem französischen Volke mehr als einmal die Freiheit gerettet habe. Freudentheil hat entdeckt, daß der Pulsschlag der Gegen- wart rascher geht als früher. Er will, daß bei Meinungsver- schiedenheiten zwischen Staaten= und Volkshaus die Ausgleichung zunächst durch eine gemischte Deputation versucht, und wenn dies fehlschlägt, gemeinsame Sitzungen beider Häuser statt finden sol- len, in denen die Stimmenmehrheit entscheidet. Beseler. Durch die Giltigkeitserklärung einseitiger Be- schlüsse des Volkshauses würden wir wieder aufheben, was wir in dem Verfassungswerke eben festsetzen: das Staatenhaus. Ein Einigungsverfahren hingegen zwischen beiden Häusern ist durch das Mehrheitserachten keineswegs ausgeschlossen. Aber die Be- stimmungen darüber gehören in die Geschäftsordnung der Häuser. Vogt: Der einzige Stützpunkt einer Verfassung ist der Geld- sack. Und diesen wichtigsten Gegenstand gerade schiebt man zurück? Unser ganzes Werk ist unnütz ohne die Bestimmungen über die Finanzen und ich begreife nicht, warum man sie zurückhält. Beseler: Die Verzögerung liegt nur darin, daß der Ver- fassungsausschuß in seinen Berathungen über das Budgetwesen mit der größten Sorgfalt verfahren und das Urtheil Sachver- ständiger nicht entbehren wollte. Die Vorlage über die Finanzen ist indessen, wovon sich Herr Vogt sehr leicht durch eine Anfrage hätte unterrichten können, soweit gediehen, daß sie für künftige Woche versprochen werden kann. Die Abstimmung verwirft sowohl den Antrag Rödingers, als den folgenden Antrag Nauwercks und Genossen: „Jeder Beschluß des Staatenhauses wird giltiger Reichstagsbeschluß, sobald er vom Volkshause angenommen ist. Jeder Beschluß des Volks- hauses wird giltiger Reichstagsbeschluß, sobald er vom Staaten- hause angenommen ist. Widerspricht das Staatenhaus, so trifft das Volkshaus nach zweiter Berathung endgiltige Entscheidung. “ Dagegen wird nach dem Vorschlage des Verfassungsausschusses angenommen: §. 18. Ein Reichsbeschluß kann nur durch die Uebereinstim- mung beider Häuser giltig zu Stande kommen. Die zu §. 19. gestellten Verbesserungsanträge haben haupt- sächlich den Zweck, Bestimmungen für den Fall zu treffen, daß die Reichsgewalt einem Reichstagsbeschlusse die Ausführung ver- weigert. Die Debatte wird zugelassen. Phillips, Welcker, v. Vincke, Grävell und v. Beckerath melden sich als Redner für den Verf. - Ausschuß an. Dagegen: Rödinger, Vogt, Nauwerck, Mitter- maier, Schulz von Darmstadt, Graf Wartensleben, Schmidt von Berlin und Wigard. Von ihnen erhält Rödinger das Wort, welcher in den §. 19. die Zusätze aufgenommen sehen will: 2 ) „Wenn Anleihen aufgenommen werden.“ Sodann 5 ) „Wenn ein Krieg begonnen oder ein Friedensvertrag ab- geschlossen werden soll.“ Außerdem aber schlägt er einen neuen zwischen 19. und 20. ein- zuschiebenden Paragraphen vor eines Jnhaltes, daß dadurch der Reichsgewalt jedes Veto gegen die Reichstagsbeschlüsse entwunden würde. Nur, wenn der Redner Hoffnung hätte, diese seine Vor- schläge durchzusetzen, erklärt, er, würden er und seine politischen Meinungsgenossen sich mit einer Verfassung Deutschlands befreun- den können, die freilich weit hinter ihren Erwartungen zurückge- blieben sey. Herr Rödinger steht heute zum ersten Male auf der Rednerbühne. Auf dies „Guthaben“ hin, wie er seine bisherige Zurückhaltung nennt, gründet er einen Vortrag von erstaunlicher Länge und Breite. Wir wünschen nur, daß er damit für die ganze übrige Sitzungszeit mit dem Hause abgerechnet haben möge. Phillips: Der §. 19., wie ihn der Verfassungsentwurf vorschlägt, rettet das constitutionelle Princip durch die Feststellung des absoluten Veto, ohne deshalb die Volksfreiheit zu beeinträch- tigen. Man verzeihe mir, daß ich auf England komme. Es ist bekannt, daß die jungfräuliche Königin ( Lachen von der Linken ) , daß also die jungfräuliche Königin — ich meine Elisabeth — während ihrer glorreichen Regierung 34 Bills genehmigt, 48 aber verworfen hat. Jn einem constitutionellen Staate reicht das suspensive Veto nicht aus, es bedarf des absolnten. Vogt von Gießen: Das Bewußtseyn der Freiheit ist seit der jungfräulichen Königin so tief in Mark und Bein jedes Engländers eingedrungen, daß in England das absolute Veto zwar ein noch giltiges Kronrecht, im Gebrauche aber vollkommen antiquirt ist. Jn Deutschland ist jedoch der Zu- stand nicht der Art, daß wir der Reichsregierung eine so gefähr- liche Waffe wider die Freiheit in die Hand geben dürften. Auch sey es im Jnteresse des Verfassungswerkes selbst, das absolute Veto wegzulassen und nur das suspensive zu gestatten, sonst werde der nächste revolutionäre Sturm die ganze Verfassung über den Haufen werfen. Welcker: Jn der organisirten Freiheit sey eine feindselige Stellung des Reichsoberhauptes zum Volkswillen durchaus nicht denkbar. Denn selbst, wenn es einmal zu einem Zwiespalte ge- deihe, so werde es ein vorübergehender seyn, denn dann fehle es dem Volke nicht an Mitteln, seinem Willen Nachdruck zu geben. Drei Gewalten sollten an die Spitze des Reiches gestellt werden. von ihnen alles Leben und jede gesetzliche Bestimmung ausgehen, Allein dies müßten gesunde und unverkrüppelte Gewalten seyn 1) Jm Entwurfe des Verfassungsausschusses hieß es: „von wenig- stens einem Drittel.“

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 162. Mainz, 12. Dezember 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal162_1848/5>, abgerufen am 14.08.2024.