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Mainzer Journal. Nr. 110. Mainz, 12. Oktober 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 110. Donnerstag, den 12. October. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die "Rheinische Zeitung" und die Versammlung
der deutschen Piusvereine.

== Die Rheinische Zeitung enthält in Nr. 152. einen Bericht
über die vom 3. bis zum 6. dieses stattgehabte Versammlung der
katholischen Vereine Deutschlands, welcher offenbar ein reines
Bild jenes großartigen und herzerfreuenden Eindruckes ist, den
diese Versammlung auf jedes unbefangene Gemüth hervorbringen
mußte. Wir danken dem Berichterstatter dafür. Jn Nr. 153.
glaubt aber der Redakteur der rheinischen Zeitung es seiner Ue-
berzeugung schuldig zu seyn, eine Verwahrung gegen diesen Ar-
tikel, der in seiner Abwesenheit Eingang in die Spalten seines
Blattes gefunden, einzulegen, namentlich um den Verdacht eines
Wechsels der Fahne von sich abzuwenden. Ehrenhaft, wie er sich
auch sonst bewiesen, gesteht auch er mit Freuden zu, daß die
erwähnte Generalversammlung einen wohlthuenden Eindruck auf
die Anwesenden machte, daß die Männer, welche da redeten und
wirkten, als überzeugungstreue Diener eines für wahr erkannten
Gedankens erschienen, daß ihre Worte das rechte Gepräge der
Wahrhaftigkeit, des warmen Glaubens und der Menschenliebe
verriethen, daß ferner die Katholiken Recht haben, die von der
Bureaukratie längst gekränkten Rechte und Freiheiten ihrer Kirche
wieder zu erringen, und daß ganz natürlich sey, wenn gute Ka-
tholiken zusammentreten, um die Freiheit und Ehre ihrer Kirche
zu wahren; ja er bekennt sogar, daß es von allen kirchlichen Gesell-
schaften seit der christlichen Aera keine ein so lebensstarkes Element
der menschlichen Civilisation gewesen, als die katholische.

Aber -- nun kommen die Einwendungen und Verwahrungen,
welche wir Satz für Satz zergliedern und beantworten wollen.
Aber, heißt es, die Partei des wahren politischen
Fortschritts darf in jenen Vereinen ihre Bundes-
genossen nicht suchen.
Hierbei müssen wir gleich stehen blei-
ben, und erklären: 1 ) Der katholische Verein Deutschlands wird
seinen ausgesprochenen Grundsätzen gemäß niemals sich dazu herge-
ben der Bundesgenosse irgend einer politischen Partei zu
seyn; wenn es daher auch einer politischen Partei einfallen wollte, sich
um unsere Bundesgenossenschaft zu bewerben, es würde vergeblich
seyn. Wir zählen Anhänger aller politischen Ansichten in unserer
Mitte und wir sind in der höheren Einheit, die uns bindet, inni-
ger verbunden, als je Genossen einer politischen Partei seyn
können. 2 ) Jhr saget: "die Partei des wahren politi-
schen Fortschrittes
dürfe in unseren Vereinen keinen Bun-
desgenossen suchen." Was von solcher Bundesgenossenschaft zu
halten, wurde eben erklärt; allein wir erlauben uns die Frage:
womit beweiset ihr, daß ihr allein die Partei des wahren poli-
tischen Fortschrittes seyd? Jhr behauptet es von euch, aber auch
wir behaupten es -- so weit unsere Bestrebungen die Politik
berühren -- von uns, und geben euch nicht zu, daß ihr an ächter
Freisinnigkeit, an Patriotismus, an Erkenntniß und Wissen-
schaft, an thatkräftiger Liebe für das Wohl des Volkes uns über-
bietet. So steht denn Behauptung gegen Behauptung, und nur
der Erfolg kann entscheiden, wer Recht hat. Allein jetzt schon
können wir zeigen, daß die Gründe, welche der Redacteur der
"Rh. Ztg." wider uns vorbringt, falsch sind. Deßhalb soll
nämlich die Partei des wahren politischen Fortschritts mit uns
keine Gemeinschaft haben, weil wir die Kirche und unsere
Kirche allein als das wesentlichste Lebenselement der mensch-
lichen Entwickelung betrachten und betrachten müssen. Das
ist wahr, wir betrachten das Christenthum als das wesentlichste
und höchste, ja als das göttliche Lebenselement aller mensch-
lichen Entwickelung, und müssen es als solches betrachten. Denn
[Spaltenumbruch] das Christenthum ist entweder dieses, oder es ist gar Nichts;
noch mehr, es ist ungeheuere, unendliche Anmaßung und Lüge.
Und es ist auch wahr, daß wir nur unsere Kirche als die ächte,
volle, lebendige und folgerichtige Verwirklichung und Verkörper-
ung des christlichen Lebensgedankens ansehen, und wir können
nicht anders, so gewiß wir aus Ueberzeugung katholisch sind,
ebensogewiß als Herr Creizenach einer anderen Ansicht seyn
muß, weil er kein Christ und kein Katholik ist.

Allein wenn nun aus dieser Ueberzeugung aller Katholiken
( ein Katholik, der diese Ueberzeugung nicht hat, und doch den Na-
men beibehält, ist in unseren Augen entweder geist= und gedankenlos,
oder wahrheit= und ehrlos ) gefolgert wird, daß die katholische Kirche
und die katholische Partei ( ihr nennet uns nämlich Partei, wir
aber lassen uns zu keiner "Partei" degradiren ) die politische
Freiheit und den Staat
als Mittel zu religiösen Zwecken,
wie der Artikel etwas geschraubt sich ausdrückt "zur Hervorbring-
ung der überirdischen Beziehungen des menschlichen Daseyns" be-
trachte, so ist dieses nur eine halbe und darum gar keine Wahr-
heit, denn eine s. g. halbe Wahrheit ist keine Wahrheit. Die
katholische Kirche, aber nicht blos sie, sondern Jeder, der nicht
Atheist oder Pantheist, der nicht Leugner der Unsterblichkeit ist,
muß das Ueberirdische als das letzte und höchste
Ziel des Menschen ansehen,
auf welches wir Alles bezie-
hen sollen; allein dieß beeinträchtigt die Selbstständig-
keit des Staates und des politischen Gebietes nicht
im mindesten;
im Gegentheil politische Freiheit und
ein starker und selbstständiger Rechtsstaat
erscheint
uns als Lebensbedingung für das freie und gedeihliche Wirken
des Christenthums und der Kirche. Daß es doch Vielen so schwer
ist, das politische und religiöse Gebiet auseinander zu halten, und
daß man immer wieder, in neuen Formen, den alten heidnischen,
und dann wieder von den Voltairianern aufgewärmten Vorwurf
auftischt, die Christen könnten keine guten Bürger auf Erden seyn,
weil sie an ein ewiges Leben glauben und dessen Erlangung als
ihre höchste Aufgabe betrachten! Wir wollen diesem nicht die alte
Wahrheit, daß ein guter Christ der beste Bürger sey, und den
Ausspruch Christi, daß Denen, die vor Allem nach dem Reiche
Gottes und seiner Gerechtigkeit trachten, alles Jrdische, das aller-
dings vergänglich und im Vergleich mit dem Ewigen geringfügig
ist, als Beigabe zufalle, -- sondern die Weltgeschichte entgegen-
setzen. Könnte doch unsere aufgeblasene Zeit sich glücklich preisen,
auch nur Einen jener öffentlichen Charaktere zu besitzen, wie der
Katholicismus sie in großer Menge hervorgebracht hat!

Doch auch unser Gegner beruft sich auf die Geschichte, --
sie soll es bewähren, daß, wo eine Kirche mit derartig exclu-
siver Richtung nicht mehr unterdrückt ist, sie dar-
nach streben wird, zu unterdrücken.
Wir aber sagen,
daß die Geschichte diese Behauptung Lügen straft. Allerdings
ist das Christenthum das große weltumgestaltende und weltbe-
herrschende Prinzip, und es will Alles an sich ziehen, aber
nicht auf dem Wege äußerlicher Gewalt, sondern auf dem
Wege geistiger Entwickelung, nicht durch Unterdrückung,
sondern durch Ueberzeugung. Durch Ueberzeugung hat
das Christenthum nach 300jähriger Verfolgung das alte römische
Reich überwunden, die Germanen bekehrt, die ganze europäische
Menschheit durchdrungen. Das lehrt die Geschichte. Was je Ge-
waltthätiges nicht von der Kirche, sondern von einzelnen katholi-
schen Fürsten und Gewalthabern geschah, ist Ausnahme, nicht aus
dem Geiste des Katholicismus, sondern aus menschlichem Jrrthum
und menschlicher Leidenschaft entsprungen. Wenn der Redacteur
der Rheinischen Zeitung die Geschichte anders auffaßt, so müssen
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 110. Donnerstag, den 12. October. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die „Rheinische Zeitung“ und die Versammlung
der deutschen Piusvereine.

== Die Rheinische Zeitung enthält in Nr. 152. einen Bericht
über die vom 3. bis zum 6. dieses stattgehabte Versammlung der
katholischen Vereine Deutschlands, welcher offenbar ein reines
Bild jenes großartigen und herzerfreuenden Eindruckes ist, den
diese Versammlung auf jedes unbefangene Gemüth hervorbringen
mußte. Wir danken dem Berichterstatter dafür. Jn Nr. 153.
glaubt aber der Redakteur der rheinischen Zeitung es seiner Ue-
berzeugung schuldig zu seyn, eine Verwahrung gegen diesen Ar-
tikel, der in seiner Abwesenheit Eingang in die Spalten seines
Blattes gefunden, einzulegen, namentlich um den Verdacht eines
Wechsels der Fahne von sich abzuwenden. Ehrenhaft, wie er sich
auch sonst bewiesen, gesteht auch er mit Freuden zu, daß die
erwähnte Generalversammlung einen wohlthuenden Eindruck auf
die Anwesenden machte, daß die Männer, welche da redeten und
wirkten, als überzeugungstreue Diener eines für wahr erkannten
Gedankens erschienen, daß ihre Worte das rechte Gepräge der
Wahrhaftigkeit, des warmen Glaubens und der Menschenliebe
verriethen, daß ferner die Katholiken Recht haben, die von der
Bureaukratie längst gekränkten Rechte und Freiheiten ihrer Kirche
wieder zu erringen, und daß ganz natürlich sey, wenn gute Ka-
tholiken zusammentreten, um die Freiheit und Ehre ihrer Kirche
zu wahren; ja er bekennt sogar, daß es von allen kirchlichen Gesell-
schaften seit der christlichen Aera keine ein so lebensstarkes Element
der menschlichen Civilisation gewesen, als die katholische.

Aber — nun kommen die Einwendungen und Verwahrungen,
welche wir Satz für Satz zergliedern und beantworten wollen.
Aber, heißt es, die Partei des wahren politischen
Fortschritts darf in jenen Vereinen ihre Bundes-
genossen nicht suchen.
Hierbei müssen wir gleich stehen blei-
ben, und erklären: 1 ) Der katholische Verein Deutschlands wird
seinen ausgesprochenen Grundsätzen gemäß niemals sich dazu herge-
ben der Bundesgenosse irgend einer politischen Partei zu
seyn; wenn es daher auch einer politischen Partei einfallen wollte, sich
um unsere Bundesgenossenschaft zu bewerben, es würde vergeblich
seyn. Wir zählen Anhänger aller politischen Ansichten in unserer
Mitte und wir sind in der höheren Einheit, die uns bindet, inni-
ger verbunden, als je Genossen einer politischen Partei seyn
können. 2 ) Jhr saget: „die Partei des wahren politi-
schen Fortschrittes
dürfe in unseren Vereinen keinen Bun-
desgenossen suchen.“ Was von solcher Bundesgenossenschaft zu
halten, wurde eben erklärt; allein wir erlauben uns die Frage:
womit beweiset ihr, daß ihr allein die Partei des wahren poli-
tischen Fortschrittes seyd? Jhr behauptet es von euch, aber auch
wir behaupten es — so weit unsere Bestrebungen die Politik
berühren — von uns, und geben euch nicht zu, daß ihr an ächter
Freisinnigkeit, an Patriotismus, an Erkenntniß und Wissen-
schaft, an thatkräftiger Liebe für das Wohl des Volkes uns über-
bietet. So steht denn Behauptung gegen Behauptung, und nur
der Erfolg kann entscheiden, wer Recht hat. Allein jetzt schon
können wir zeigen, daß die Gründe, welche der Redacteur der
„Rh. Ztg.“ wider uns vorbringt, falsch sind. Deßhalb soll
nämlich die Partei des wahren politischen Fortschritts mit uns
keine Gemeinschaft haben, weil wir die Kirche und unsere
Kirche allein als das wesentlichste Lebenselement der mensch-
lichen Entwickelung betrachten und betrachten müssen. Das
ist wahr, wir betrachten das Christenthum als das wesentlichste
und höchste, ja als das göttliche Lebenselement aller mensch-
lichen Entwickelung, und müssen es als solches betrachten. Denn
[Spaltenumbruch] das Christenthum ist entweder dieses, oder es ist gar Nichts;
noch mehr, es ist ungeheuere, unendliche Anmaßung und Lüge.
Und es ist auch wahr, daß wir nur unsere Kirche als die ächte,
volle, lebendige und folgerichtige Verwirklichung und Verkörper-
ung des christlichen Lebensgedankens ansehen, und wir können
nicht anders, so gewiß wir aus Ueberzeugung katholisch sind,
ebensogewiß als Herr Creizenach einer anderen Ansicht seyn
muß, weil er kein Christ und kein Katholik ist.

Allein wenn nun aus dieser Ueberzeugung aller Katholiken
( ein Katholik, der diese Ueberzeugung nicht hat, und doch den Na-
men beibehält, ist in unseren Augen entweder geist= und gedankenlos,
oder wahrheit= und ehrlos ) gefolgert wird, daß die katholische Kirche
und die katholische Partei ( ihr nennet uns nämlich Partei, wir
aber lassen uns zu keiner „Partei“ degradiren ) die politische
Freiheit und den Staat
als Mittel zu religiösen Zwecken,
wie der Artikel etwas geschraubt sich ausdrückt „zur Hervorbring-
ung der überirdischen Beziehungen des menschlichen Daseyns“ be-
trachte, so ist dieses nur eine halbe und darum gar keine Wahr-
heit, denn eine s. g. halbe Wahrheit ist keine Wahrheit. Die
katholische Kirche, aber nicht blos sie, sondern Jeder, der nicht
Atheist oder Pantheist, der nicht Leugner der Unsterblichkeit ist,
muß das Ueberirdische als das letzte und höchste
Ziel des Menschen ansehen,
auf welches wir Alles bezie-
hen sollen; allein dieß beeinträchtigt die Selbstständig-
keit des Staates und des politischen Gebietes nicht
im mindesten;
im Gegentheil politische Freiheit und
ein starker und selbstständiger Rechtsstaat
erscheint
uns als Lebensbedingung für das freie und gedeihliche Wirken
des Christenthums und der Kirche. Daß es doch Vielen so schwer
ist, das politische und religiöse Gebiet auseinander zu halten, und
daß man immer wieder, in neuen Formen, den alten heidnischen,
und dann wieder von den Voltairianern aufgewärmten Vorwurf
auftischt, die Christen könnten keine guten Bürger auf Erden seyn,
weil sie an ein ewiges Leben glauben und dessen Erlangung als
ihre höchste Aufgabe betrachten! Wir wollen diesem nicht die alte
Wahrheit, daß ein guter Christ der beste Bürger sey, und den
Ausspruch Christi, daß Denen, die vor Allem nach dem Reiche
Gottes und seiner Gerechtigkeit trachten, alles Jrdische, das aller-
dings vergänglich und im Vergleich mit dem Ewigen geringfügig
ist, als Beigabe zufalle, — sondern die Weltgeschichte entgegen-
setzen. Könnte doch unsere aufgeblasene Zeit sich glücklich preisen,
auch nur Einen jener öffentlichen Charaktere zu besitzen, wie der
Katholicismus sie in großer Menge hervorgebracht hat!

Doch auch unser Gegner beruft sich auf die Geschichte, —
sie soll es bewähren, daß, wo eine Kirche mit derartig exclu-
siver Richtung nicht mehr unterdrückt ist, sie dar-
nach streben wird, zu unterdrücken.
Wir aber sagen,
daß die Geschichte diese Behauptung Lügen straft. Allerdings
ist das Christenthum das große weltumgestaltende und weltbe-
herrschende Prinzip, und es will Alles an sich ziehen, aber
nicht auf dem Wege äußerlicher Gewalt, sondern auf dem
Wege geistiger Entwickelung, nicht durch Unterdrückung,
sondern durch Ueberzeugung. Durch Ueberzeugung hat
das Christenthum nach 300jähriger Verfolgung das alte römische
Reich überwunden, die Germanen bekehrt, die ganze europäische
Menschheit durchdrungen. Das lehrt die Geschichte. Was je Ge-
waltthätiges nicht von der Kirche, sondern von einzelnen katholi-
schen Fürsten und Gewalthabern geschah, ist Ausnahme, nicht aus
dem Geiste des Katholicismus, sondern aus menschlichem Jrrthum
und menschlicher Leidenschaft entsprungen. Wenn der Redacteur
der Rheinischen Zeitung die Geschichte anders auffaßt, so müssen
[Ende Spaltensatz]

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Die „Rheinische Zeitung“ und die Versammlung der deutschen Piusvereine. == Die Rheinische Zeitung enthält in Nr. 152. einen Bericht über die vom 3. bis zum 6. dieses stattgehabte Versammlung der katholischen Vereine Deutschlands, welcher offenbar ein reines Bild jenes großartigen und herzerfreuenden Eindruckes ist, den diese Versammlung auf jedes unbefangene Gemüth hervorbringen mußte. Wir danken dem Berichterstatter dafür. Jn Nr. 153. glaubt aber der Redakteur der rheinischen Zeitung es seiner Ue- berzeugung schuldig zu seyn, eine Verwahrung gegen diesen Ar- tikel, der in seiner Abwesenheit Eingang in die Spalten seines Blattes gefunden, einzulegen, namentlich um den Verdacht eines Wechsels der Fahne von sich abzuwenden. Ehrenhaft, wie er sich auch sonst bewiesen, gesteht auch er mit Freuden zu, daß die erwähnte Generalversammlung einen wohlthuenden Eindruck auf die Anwesenden machte, daß die Männer, welche da redeten und wirkten, als überzeugungstreue Diener eines für wahr erkannten Gedankens erschienen, daß ihre Worte das rechte Gepräge der Wahrhaftigkeit, des warmen Glaubens und der Menschenliebe verriethen, daß ferner die Katholiken Recht haben, die von der Bureaukratie längst gekränkten Rechte und Freiheiten ihrer Kirche wieder zu erringen, und daß ganz natürlich sey, wenn gute Ka- tholiken zusammentreten, um die Freiheit und Ehre ihrer Kirche zu wahren; ja er bekennt sogar, daß es von allen kirchlichen Gesell- schaften seit der christlichen Aera keine ein so lebensstarkes Element der menschlichen Civilisation gewesen, als die katholische. Aber — nun kommen die Einwendungen und Verwahrungen, welche wir Satz für Satz zergliedern und beantworten wollen. Aber, heißt es, die Partei des wahren politischen Fortschritts darf in jenen Vereinen ihre Bundes- genossen nicht suchen. Hierbei müssen wir gleich stehen blei- ben, und erklären: 1 ) Der katholische Verein Deutschlands wird seinen ausgesprochenen Grundsätzen gemäß niemals sich dazu herge- ben der Bundesgenosse irgend einer politischen Partei zu seyn; wenn es daher auch einer politischen Partei einfallen wollte, sich um unsere Bundesgenossenschaft zu bewerben, es würde vergeblich seyn. Wir zählen Anhänger aller politischen Ansichten in unserer Mitte und wir sind in der höheren Einheit, die uns bindet, inni- ger verbunden, als je Genossen einer politischen Partei seyn können. 2 ) Jhr saget: „die Partei des wahren politi- schen Fortschrittes dürfe in unseren Vereinen keinen Bun- desgenossen suchen.“ Was von solcher Bundesgenossenschaft zu halten, wurde eben erklärt; allein wir erlauben uns die Frage: womit beweiset ihr, daß ihr allein die Partei des wahren poli- tischen Fortschrittes seyd? Jhr behauptet es von euch, aber auch wir behaupten es — so weit unsere Bestrebungen die Politik berühren — von uns, und geben euch nicht zu, daß ihr an ächter Freisinnigkeit, an Patriotismus, an Erkenntniß und Wissen- schaft, an thatkräftiger Liebe für das Wohl des Volkes uns über- bietet. So steht denn Behauptung gegen Behauptung, und nur der Erfolg kann entscheiden, wer Recht hat. Allein jetzt schon können wir zeigen, daß die Gründe, welche der Redacteur der „Rh. Ztg.“ wider uns vorbringt, falsch sind. Deßhalb soll nämlich die Partei des wahren politischen Fortschritts mit uns keine Gemeinschaft haben, weil wir die Kirche und unsere Kirche allein als das wesentlichste Lebenselement der mensch- lichen Entwickelung betrachten und betrachten müssen. Das ist wahr, wir betrachten das Christenthum als das wesentlichste und höchste, ja als das göttliche Lebenselement aller mensch- lichen Entwickelung, und müssen es als solches betrachten. Denn das Christenthum ist entweder dieses, oder es ist gar Nichts; noch mehr, es ist ungeheuere, unendliche Anmaßung und Lüge. Und es ist auch wahr, daß wir nur unsere Kirche als die ächte, volle, lebendige und folgerichtige Verwirklichung und Verkörper- ung des christlichen Lebensgedankens ansehen, und wir können nicht anders, so gewiß wir aus Ueberzeugung katholisch sind, ebensogewiß als Herr Creizenach einer anderen Ansicht seyn muß, weil er kein Christ und kein Katholik ist. Allein wenn nun aus dieser Ueberzeugung aller Katholiken ( ein Katholik, der diese Ueberzeugung nicht hat, und doch den Na- men beibehält, ist in unseren Augen entweder geist= und gedankenlos, oder wahrheit= und ehrlos ) gefolgert wird, daß die katholische Kirche und die katholische Partei ( ihr nennet uns nämlich Partei, wir aber lassen uns zu keiner „Partei“ degradiren ) die politische Freiheit und den Staat als Mittel zu religiösen Zwecken, wie der Artikel etwas geschraubt sich ausdrückt „zur Hervorbring- ung der überirdischen Beziehungen des menschlichen Daseyns“ be- trachte, so ist dieses nur eine halbe und darum gar keine Wahr- heit, denn eine s. g. halbe Wahrheit ist keine Wahrheit. Die katholische Kirche, aber nicht blos sie, sondern Jeder, der nicht Atheist oder Pantheist, der nicht Leugner der Unsterblichkeit ist, muß das Ueberirdische als das letzte und höchste Ziel des Menschen ansehen, auf welches wir Alles bezie- hen sollen; allein dieß beeinträchtigt die Selbstständig- keit des Staates und des politischen Gebietes nicht im mindesten; im Gegentheil politische Freiheit und ein starker und selbstständiger Rechtsstaat erscheint uns als Lebensbedingung für das freie und gedeihliche Wirken des Christenthums und der Kirche. Daß es doch Vielen so schwer ist, das politische und religiöse Gebiet auseinander zu halten, und daß man immer wieder, in neuen Formen, den alten heidnischen, und dann wieder von den Voltairianern aufgewärmten Vorwurf auftischt, die Christen könnten keine guten Bürger auf Erden seyn, weil sie an ein ewiges Leben glauben und dessen Erlangung als ihre höchste Aufgabe betrachten! Wir wollen diesem nicht die alte Wahrheit, daß ein guter Christ der beste Bürger sey, und den Ausspruch Christi, daß Denen, die vor Allem nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit trachten, alles Jrdische, das aller- dings vergänglich und im Vergleich mit dem Ewigen geringfügig ist, als Beigabe zufalle, — sondern die Weltgeschichte entgegen- setzen. Könnte doch unsere aufgeblasene Zeit sich glücklich preisen, auch nur Einen jener öffentlichen Charaktere zu besitzen, wie der Katholicismus sie in großer Menge hervorgebracht hat! Doch auch unser Gegner beruft sich auf die Geschichte, — sie soll es bewähren, daß, wo eine Kirche mit derartig exclu- siver Richtung nicht mehr unterdrückt ist, sie dar- nach streben wird, zu unterdrücken. Wir aber sagen, daß die Geschichte diese Behauptung Lügen straft. Allerdings ist das Christenthum das große weltumgestaltende und weltbe- herrschende Prinzip, und es will Alles an sich ziehen, aber nicht auf dem Wege äußerlicher Gewalt, sondern auf dem Wege geistiger Entwickelung, nicht durch Unterdrückung, sondern durch Ueberzeugung. Durch Ueberzeugung hat das Christenthum nach 300jähriger Verfolgung das alte römische Reich überwunden, die Germanen bekehrt, die ganze europäische Menschheit durchdrungen. Das lehrt die Geschichte. Was je Ge- waltthätiges nicht von der Kirche, sondern von einzelnen katholi- schen Fürsten und Gewalthabern geschah, ist Ausnahme, nicht aus dem Geiste des Katholicismus, sondern aus menschlichem Jrrthum und menschlicher Leidenschaft entsprungen. Wenn der Redacteur der Rheinischen Zeitung die Geschichte anders auffaßt, so müssen

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 110. Mainz, 12. Oktober 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal110_1848/1>, abgerufen am 21.11.2024.