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Mainzer Journal. Nr. 81. Mainz, 8. September 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Particularismus den Sieg verschaffen, während das Ausland
wahrscheinlich zum Theil für die eine, zum Theil für die andere
Partei sich erklären würde. Sagen wir aber deßhalb, man habe
den Waffenstillstand nicht verwerfen sollen? Wir sagen es
nicht,
wir haben nur auf die Lage der Dinge hinweisen wollen
in der Krisis, in welcher wir uns so ganz unvermuthet befinden.
Aber gerade diese Gefahren enthalten vielleicht das Heilmittel in
sich, indem sie wohl geeignet sind, Alle zur Eintracht und
zur Versöhnung zu ermahnen.

Aus dem Odenwald 5. September. Mit wahrem Ent-
setzen haben wir den Abschluß eines so schmachvollen Waffenstill-
standes mit Dänemark gelesen; aller Augen hofften bisher auf
Deutschlands Wiedergeburt, und nun ist die erste Handlung eine
die Ehre Deutschlands so tief herabwürdigende, daß jedes Deut-
schen Herz nur mit Scham erfüllt werden kann. Welche Politik
kann Deutschland befolgen? welche ist die allein mögliche? Keine
andere, als um jeden Preis, sey es auch um den letzten Bluts-
tropfen seines letzten Bürgers, den Einfluß jeder fremden Macht
von sich auszuschließen und jede Gelegenheit mit Freuden zu er-
greifen, um fremde Herrscher von seinem Territorialgebiete zu ver-
treiben. Und nun diesen schmachvollen Waffenstillstand, der uns
wiederum dem Gespötte des Auslandes preisgibt!! Eine russische
Note, eine englische Drohung, eine französische Phrase soll die
Einheit und Kraft Deutschlands zerstören! Wozu haben wir un-
sere Armeen, wozu sind Deutschlands Männer und Jünglinge ge-
boren? Energie und Thatkraft verlangen wir von der Central-
gewalt. Laßet eine Armee in die deutschen Ostseeprovinzen rücken,
gehet nach Polen und erkläret es für wiederhergestellt, rufet die
Moldau und Wallachei zum Kampfe gegen die russische Knute,
und der ganze russische Coloß stürzt zusammen. Dies ist Deutsch-
lands Politik, keine andere führt zum Heile, und wenn die deut-
schen Fürsten den russischen Schwager scheuen, die deutschen
Völker
fürchten ihn nicht; sie rufen, eine Personalunion
Schleswig=Holsteins mit Dänemark
ist unmöglich! Sie
rufen, Schleswig=Holstein muß um jeden Preis frei werden.
Krieg! Krieg!!! Und dann nach Luxemburg zu den Holländern!
Die Nationalversammlung sollte überhaupt den Grundsatz
aussprechen, daß kein fremder Fürst in Deutschland
Besitzungen haben kann;
denn so lange auswärtige Mächte
in unserer Politik eine Stimme haben, können wir nicht einig
werden! Wir wollen frei seyn im Jnnern und nach Außen!



Deutschland.

Wien 3. September. ( A. Z. ) Gestern hat Hr. v. Schwar-
zer
wegen eines Conflictes mit Hrn. Bach über die Competenz
des Reichstages seine Entlassung gegeben. Doblhoff hat er-
klärt, daß er ebenfalls austreten werde, wenn diese Demission
angenommen werden sollte. Es unterliegt kaum einem Zweifel,
daß wir bis morgen beide Entlassungsanerbietungen angenommen
und das Ministerium reconstruirt sehen werden. Man spricht von
Schmerling, doch erfahren wir von anderer Seite, er werde
nicht annehmen. Noch ist Stadion unmöglich. ( Durch seine Ver-
wickelungen mit der Presse erhoben sich für Schwarzer die wider-
wärtigsten Beschuldigungen. Erst vertheidigte er sich im Reichs-
tag gegen den Vorwurf, daß sein Blatt -- die Allg. Oesterreichische
Zeitung -- von Pillersdorff Subvention erhalten habe. Dann
ward ihm vorgeworfen, er überwache und meistere fortwährend
das seinem Freunde Hübner übergebene Blatt, von welchem der
"philosophische" Jellinek Abschied nahm, weil er sich nicht mehr
mit Freiheit darin aussprechen könne. Auch das Journal des
Oesterreichischen Lloyd, bekanntlich einst von Schwarzer geleitet,
trat gegen ihn auf, und eine der neuesten Nummern des Lloyd
enthält als leitenden Artikel eine heftige Polemik gegen Schwarzer
-- von Dr. Schütte. Einige Correspondenzen bezeichneten schon
seit einiger Zeit den Hauptmann Möring -- Mitglied des
Frankfurter Parlaments -- als zum Minister der öffentlichen
Arbeiten bestimmt. Möring -- einer der gebildetsten Officiere der
österreichischen Armee, der längere Zeit in England und Amerika
gewesen -- war schon früher unter den Candidaten für jenes
Portefeuille genannt. )

Berlin 4. Septbr. ( B. H. ) Eine diesen Nachmittag einge-
troffene Depesche meldet, daß Oesterreich den englisch-
französischen Vermittelungsvorschlag angenom-
men habe.
-- Aus Frankfurt ist die Nachricht eingelaufen, daß
Oesterreich in diesen Tagen bei der Centralgewalt eine Erklärung
abgeben werde, daß es die Einheit Deutschlands kei-
neswegs in dem Sinne der Verschmelzung aller
einzelnen Staaten und des Aufgehens verstehe!
--
Sowohl die Universität Berlin als die Universität Halle haben
die Betheiligung an der Jenenser Versammlung zur Berathung
[Spaltenumbruch] der Universitäts=Reformen abgelehnt, ein Beschluß, der nebst den
Motiven von dem Minister des Cultus gebilligt worden ist.

Jn höchsten Berliner Sphären ist hier jetzt ein seltsamer Vor-
fall, der unseren Gesandten in Hannover betroffen haben soll, das
Tagesgespräch. Der König von Hannover hat nämlich nach Sans-
souci geschrieben, Herr von Schleinitz ( beiläufig gesagt, bei Hofe
das Orakel aller Welt ) sei plötzlich verschwunden, Niemand wisse
wohin. Er habe nicht nur ein königl. Diner ohne Absagung
versäumt, sondern auch sein eigenes Diner, ohne es absagen zu
lassen nicht abgehalten. So unerhörte Dinge sind natürlich nicht
ohne geheimnißvolle Begegnisse zu erklären. Und -- was soll
man dazu sagen -- dennoch treffen zwei zu derselben Zeit, vom
23. und 26. August, von Herrn v. Schleinitz unterzeichnete Depe-
schen im auswärtigen Amte ein. [ Das sind eben so große Diplo-
matenmirakel, wie der preußisch=dänische Waffenstillstand! ]

Aus Bayern 6. September. Wir lasen neulich in dem
Mainzer Journale eine etwas bittere Aeußerung über das lamm-
herzige Bayern, welches sich durch die kirchenfeindlichen Bestre-
bungen seines Cultusministers Beisler zwar in höchliches Er-
staunen versetzt finde, aber dabei es auch bewenden lasse. Dieses
Urtheil war doch etwas verfrüht. Was die öffentlichen Blätter
angeht, so verfolgt der treffliche Münchner "Volksbote" unseren
Cultusminister mit unerbittlicher Geißel, und schüttet die schärfste
Lauge über das Haupt des "Verantwortlichen" in solchem Maße,
daß der Getroffene unmöglich heil davon kommen kann. Dürften
wir dabei von der Stimmung des Volkes und des Klerus unserer
Landschaft auf jene der anderen Gegenden Bayerns schließen, so
stände wohl überall ein solcher Sturm gegen den Schöpfer der
Jdee einer Reichssynode zu erwarten, wie er bereits in unserem
Kreise beabsichtiget, aber bis jetzt noch leider durch höhere Friede-
fertigkeit niedergehalten wurde. Bis heute hat übrigens Beis-
ler
durch seine Rede vom 22. August der Geltendmachung der
kirchlichen Freiheit im Allgemeinen durch ganz Deutschland, und
der besondern Entknechtung der Kirche in Bayern weit aus
unter allen Abgeordneten der Paulskirche den größten Vor-
schub
geleistet. Den Halben, die sich in die Trennung von
Kirche und Staat nicht finden mochten, sind durch jene offenherzige
Rede die Augen geöffnet, die Entschiedenen, die schon längst für
die Unabhängigkeit der Kirche stritten, haben einen neuen, schla-
genden Beleg zu ihren Gründen erhalten. Bei dem ganzen Volke
aber, das sich in kirchlichen Dingen nun einmal, geleitet von sehr
gesundem Mutterwitze, lieber von den "Satrapen des Papstes"
" knechten, " als von den Paschas des Polizeistaates " admi-
nistriren
" lassen will, ist ein Mißtrauen rege geworden, wel-
ches zu "beseitigen" selbst den "geeignetsten Regierungsmaßnah-
men " nicht gelingen wird. Ach ja! Wir kommen vorwärts! Wie
heißt der Schlachtgesang der Krähwinkler Recken? -- Nur lang-
sam voran! langsam voran!

Fürst Ludwig v. Wallerstein, der bekanntlich an dem jüngsten
Verbrüderungsfeste bayerischer und württembergischer demokrati-
scher Vereine in Nördlingen thätigsten Antheil genommen, und
sich deßwegen einigen Vergleichungen zwischen sonst und jetzt aus-
gesetzt gesehen hatte, antwortet in einer umständlichen Erklärung
in der Augsburgrr Postzeitung. Sie läßt sich in die Worte zu-
sammenfassen: "Meine politische Ueberzeugung ist bekannt; sie
hat nie gewechselt.
" [ Jst wahrscheinlich ein Druckfehler
und sollte heißen: immer. Naturam furca expellas, tamen
usque redibit
. Auf Deutsch: die Katze läßt das Mausen nicht. ]

X Von der Haardt 7. September. Seit einer Woche durchlaufe
ich die Spalten ihres Journales ( das nebenher gesagt täglich belieb-
ter wird und an Ruf gewinnt ) , um darin die Schilderung der Fest-
reise des Johannes Ronge durch die Pfalz von geübter Hand ver-
zeichnet zu sehen. Umsonst! Beklagenswerther Prophet der Laura-
hütte, der du keinen besseren Historiographen erhalten kannst, als diese
schwache unberühmte Feder! Ob übrigens Ronge direkt aus dem
Essighause von Frankfurt nach Neustadt, Dürkheim und Franken-
thal kam, vermögen wir nicht zu sagen. Constatirt bleibt, daß
ihm an diesen drei Orten ein öffentlicher Empfang ward. Jn
Frankenthal, berichtet uns ein Augenzeuge, ging die Demonstra-
tion fast in eine Farce über. Was die Predigten des Reformators
des neunzehnten Jahrhunderts betrifft, so war die Wirkung der-
selben, wie wir hören, eine sehr flaue. Das gesteht natürlich die
Handvoll Deutschkatholiken nicht ein, welche die Unternehmer
dieses höchst traurigen Schauspieles waren. -- Wir stehen auf
dem Standpuncte der religiösen Freiheit. Von demselben aus
fügen wir den Worten der Jronie noch einige des bittern Ernstes
bei. Mag da rongisch werden, wer will -- sagen wir. Die
Wahrheit läuft nicht der Masse, nicht der Majorität nach. Jhren
Sieg erkämpft sie auf dem geistigen Wahlfelde -- hoffentlich sehr
bald. Aber Schmach rufen wir über Jene herab, die den Namen
der Religion und den Deutschlands so entwürdigen, daß sie einen
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Particularismus den Sieg verschaffen, während das Ausland
wahrscheinlich zum Theil für die eine, zum Theil für die andere
Partei sich erklären würde. Sagen wir aber deßhalb, man habe
den Waffenstillstand nicht verwerfen sollen? Wir sagen es
nicht,
wir haben nur auf die Lage der Dinge hinweisen wollen
in der Krisis, in welcher wir uns so ganz unvermuthet befinden.
Aber gerade diese Gefahren enthalten vielleicht das Heilmittel in
sich, indem sie wohl geeignet sind, Alle zur Eintracht und
zur Versöhnung zu ermahnen.

Aus dem Odenwald 5. September. Mit wahrem Ent-
setzen haben wir den Abschluß eines so schmachvollen Waffenstill-
standes mit Dänemark gelesen; aller Augen hofften bisher auf
Deutschlands Wiedergeburt, und nun ist die erste Handlung eine
die Ehre Deutschlands so tief herabwürdigende, daß jedes Deut-
schen Herz nur mit Scham erfüllt werden kann. Welche Politik
kann Deutschland befolgen? welche ist die allein mögliche? Keine
andere, als um jeden Preis, sey es auch um den letzten Bluts-
tropfen seines letzten Bürgers, den Einfluß jeder fremden Macht
von sich auszuschließen und jede Gelegenheit mit Freuden zu er-
greifen, um fremde Herrscher von seinem Territorialgebiete zu ver-
treiben. Und nun diesen schmachvollen Waffenstillstand, der uns
wiederum dem Gespötte des Auslandes preisgibt!! Eine russische
Note, eine englische Drohung, eine französische Phrase soll die
Einheit und Kraft Deutschlands zerstören! Wozu haben wir un-
sere Armeen, wozu sind Deutschlands Männer und Jünglinge ge-
boren? Energie und Thatkraft verlangen wir von der Central-
gewalt. Laßet eine Armee in die deutschen Ostseeprovinzen rücken,
gehet nach Polen und erkläret es für wiederhergestellt, rufet die
Moldau und Wallachei zum Kampfe gegen die russische Knute,
und der ganze russische Coloß stürzt zusammen. Dies ist Deutsch-
lands Politik, keine andere führt zum Heile, und wenn die deut-
schen Fürsten den russischen Schwager scheuen, die deutschen
Völker
fürchten ihn nicht; sie rufen, eine Personalunion
Schleswig=Holsteins mit Dänemark
ist unmöglich! Sie
rufen, Schleswig=Holstein muß um jeden Preis frei werden.
Krieg! Krieg!!! Und dann nach Luxemburg zu den Holländern!
Die Nationalversammlung sollte überhaupt den Grundsatz
aussprechen, daß kein fremder Fürst in Deutschland
Besitzungen haben kann;
denn so lange auswärtige Mächte
in unserer Politik eine Stimme haben, können wir nicht einig
werden! Wir wollen frei seyn im Jnnern und nach Außen!



Deutschland.

Wien 3. September. ( A. Z. ) Gestern hat Hr. v. Schwar-
zer
wegen eines Conflictes mit Hrn. Bach über die Competenz
des Reichstages seine Entlassung gegeben. Doblhoff hat er-
klärt, daß er ebenfalls austreten werde, wenn diese Demission
angenommen werden sollte. Es unterliegt kaum einem Zweifel,
daß wir bis morgen beide Entlassungsanerbietungen angenommen
und das Ministerium reconstruirt sehen werden. Man spricht von
Schmerling, doch erfahren wir von anderer Seite, er werde
nicht annehmen. Noch ist Stadion unmöglich. ( Durch seine Ver-
wickelungen mit der Presse erhoben sich für Schwarzer die wider-
wärtigsten Beschuldigungen. Erst vertheidigte er sich im Reichs-
tag gegen den Vorwurf, daß sein Blatt — die Allg. Oesterreichische
Zeitung — von Pillersdorff Subvention erhalten habe. Dann
ward ihm vorgeworfen, er überwache und meistere fortwährend
das seinem Freunde Hübner übergebene Blatt, von welchem der
„philosophische“ Jellinek Abschied nahm, weil er sich nicht mehr
mit Freiheit darin aussprechen könne. Auch das Journal des
Oesterreichischen Lloyd, bekanntlich einst von Schwarzer geleitet,
trat gegen ihn auf, und eine der neuesten Nummern des Lloyd
enthält als leitenden Artikel eine heftige Polemik gegen Schwarzer
— von Dr. Schütte. Einige Correspondenzen bezeichneten schon
seit einiger Zeit den Hauptmann Möring — Mitglied des
Frankfurter Parlaments — als zum Minister der öffentlichen
Arbeiten bestimmt. Möring — einer der gebildetsten Officiere der
österreichischen Armee, der längere Zeit in England und Amerika
gewesen — war schon früher unter den Candidaten für jenes
Portefeuille genannt. )

Berlin 4. Septbr. ( B. H. ) Eine diesen Nachmittag einge-
troffene Depesche meldet, daß Oesterreich den englisch-
französischen Vermittelungsvorschlag angenom-
men habe.
— Aus Frankfurt ist die Nachricht eingelaufen, daß
Oesterreich in diesen Tagen bei der Centralgewalt eine Erklärung
abgeben werde, daß es die Einheit Deutschlands kei-
neswegs in dem Sinne der Verschmelzung aller
einzelnen Staaten und des Aufgehens verstehe!

Sowohl die Universität Berlin als die Universität Halle haben
die Betheiligung an der Jénenser Versammlung zur Berathung
[Spaltenumbruch] der Universitäts=Reformen abgelehnt, ein Beschluß, der nebst den
Motiven von dem Minister des Cultus gebilligt worden ist.

Jn höchsten Berliner Sphären ist hier jetzt ein seltsamer Vor-
fall, der unseren Gesandten in Hannover betroffen haben soll, das
Tagesgespräch. Der König von Hannover hat nämlich nach Sans-
souci geschrieben, Herr von Schleinitz ( beiläufig gesagt, bei Hofe
das Orakel aller Welt ) sei plötzlich verschwunden, Niemand wisse
wohin. Er habe nicht nur ein königl. Diner ohne Absagung
versäumt, sondern auch sein eigenes Diner, ohne es absagen zu
lassen nicht abgehalten. So unerhörte Dinge sind natürlich nicht
ohne geheimnißvolle Begegnisse zu erklären. Und — was soll
man dazu sagen — dennoch treffen zwei zu derselben Zeit, vom
23. und 26. August, von Herrn v. Schleinitz unterzeichnete Depe-
schen im auswärtigen Amte ein. [ Das sind eben so große Diplo-
matenmirakel, wie der preußisch=dänische Waffenstillstand! ]

⨁ Aus Bayern 6. September. Wir lasen neulich in dem
Mainzer Journale eine etwas bittere Aeußerung über das lamm-
herzige Bayern, welches sich durch die kirchenfeindlichen Bestre-
bungen seines Cultusministers Beisler zwar in höchliches Er-
staunen versetzt finde, aber dabei es auch bewenden lasse. Dieses
Urtheil war doch etwas verfrüht. Was die öffentlichen Blätter
angeht, so verfolgt der treffliche Münchner „Volksbote“ unseren
Cultusminister mit unerbittlicher Geißel, und schüttet die schärfste
Lauge über das Haupt des „Verantwortlichen“ in solchem Maße,
daß der Getroffene unmöglich heil davon kommen kann. Dürften
wir dabei von der Stimmung des Volkes und des Klerus unserer
Landschaft auf jene der anderen Gegenden Bayerns schließen, so
stände wohl überall ein solcher Sturm gegen den Schöpfer der
Jdee einer Reichssynode zu erwarten, wie er bereits in unserem
Kreise beabsichtiget, aber bis jetzt noch leider durch höhere Friede-
fertigkeit niedergehalten wurde. Bis heute hat übrigens Beis-
ler
durch seine Rede vom 22. August der Geltendmachung der
kirchlichen Freiheit im Allgemeinen durch ganz Deutschland, und
der besondern Entknechtung der Kirche in Bayern weit aus
unter allen Abgeordneten der Paulskirche den größten Vor-
schub
geleistet. Den Halben, die sich in die Trennung von
Kirche und Staat nicht finden mochten, sind durch jene offenherzige
Rede die Augen geöffnet, die Entschiedenen, die schon längst für
die Unabhängigkeit der Kirche stritten, haben einen neuen, schla-
genden Beleg zu ihren Gründen erhalten. Bei dem ganzen Volke
aber, das sich in kirchlichen Dingen nun einmal, geleitet von sehr
gesundem Mutterwitze, lieber von den „Satrapen des Papstes“
knechten, “ als von den Paschas des Polizeistaates „ admi-
nistriren
“ lassen will, ist ein Mißtrauen rege geworden, wel-
ches zu „beseitigen“ selbst den „geeignetsten Regierungsmaßnah-
men “ nicht gelingen wird. Ach ja! Wir kommen vorwärts! Wie
heißt der Schlachtgesang der Krähwinkler Recken? — Nur lang-
sam voran! langsam voran!

Fürst Ludwig v. Wallerstein, der bekanntlich an dem jüngsten
Verbrüderungsfeste bayerischer und württembergischer demokrati-
scher Vereine in Nördlingen thätigsten Antheil genommen, und
sich deßwegen einigen Vergleichungen zwischen sonst und jetzt aus-
gesetzt gesehen hatte, antwortet in einer umständlichen Erklärung
in der Augsburgrr Postzeitung. Sie läßt sich in die Worte zu-
sammenfassen: „Meine politische Ueberzeugung ist bekannt; sie
hat nie gewechselt.
“ [ Jst wahrscheinlich ein Druckfehler
und sollte heißen: immer. Naturam furca expellas, tamen
usque redibit
. Auf Deutsch: die Katze läßt das Mausen nicht. ]

X Von der Haardt 7. September. Seit einer Woche durchlaufe
ich die Spalten ihres Journales ( das nebenher gesagt täglich belieb-
ter wird und an Ruf gewinnt ) , um darin die Schilderung der Fest-
reise des Johannes Ronge durch die Pfalz von geübter Hand ver-
zeichnet zu sehen. Umsonst! Beklagenswerther Prophet der Laura-
hütte, der du keinen besseren Historiographen erhalten kannst, als diese
schwache unberühmte Feder! Ob übrigens Ronge direkt aus dem
Essighause von Frankfurt nach Neustadt, Dürkheim und Franken-
thal kam, vermögen wir nicht zu sagen. Constatirt bleibt, daß
ihm an diesen drei Orten ein öffentlicher Empfang ward. Jn
Frankenthal, berichtet uns ein Augenzeuge, ging die Demonstra-
tion fast in eine Farce über. Was die Predigten des Reformators
des neunzehnten Jahrhunderts betrifft, so war die Wirkung der-
selben, wie wir hören, eine sehr flaue. Das gesteht natürlich die
Handvoll Deutschkatholiken nicht ein, welche die Unternehmer
dieses höchst traurigen Schauspieles waren. — Wir stehen auf
dem Standpuncte der religiösen Freiheit. Von demselben aus
fügen wir den Worten der Jronie noch einige des bittern Ernstes
bei. Mag da rongisch werden, wer will — sagen wir. Die
Wahrheit läuft nicht der Masse, nicht der Majorität nach. Jhren
Sieg erkämpft sie auf dem geistigen Wahlfelde — hoffentlich sehr
bald. Aber Schmach rufen wir über Jene herab, die den Namen
der Religion und den Deutschlands so entwürdigen, daß sie einen
[Ende Spaltensatz]

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[0002] Particularismus den Sieg verschaffen, während das Ausland wahrscheinlich zum Theil für die eine, zum Theil für die andere Partei sich erklären würde. Sagen wir aber deßhalb, man habe den Waffenstillstand nicht verwerfen sollen? Wir sagen es nicht, wir haben nur auf die Lage der Dinge hinweisen wollen in der Krisis, in welcher wir uns so ganz unvermuthet befinden. Aber gerade diese Gefahren enthalten vielleicht das Heilmittel in sich, indem sie wohl geeignet sind, Alle zur Eintracht und zur Versöhnung zu ermahnen. Aus dem Odenwald 5. September. Mit wahrem Ent- setzen haben wir den Abschluß eines so schmachvollen Waffenstill- standes mit Dänemark gelesen; aller Augen hofften bisher auf Deutschlands Wiedergeburt, und nun ist die erste Handlung eine die Ehre Deutschlands so tief herabwürdigende, daß jedes Deut- schen Herz nur mit Scham erfüllt werden kann. Welche Politik kann Deutschland befolgen? welche ist die allein mögliche? Keine andere, als um jeden Preis, sey es auch um den letzten Bluts- tropfen seines letzten Bürgers, den Einfluß jeder fremden Macht von sich auszuschließen und jede Gelegenheit mit Freuden zu er- greifen, um fremde Herrscher von seinem Territorialgebiete zu ver- treiben. Und nun diesen schmachvollen Waffenstillstand, der uns wiederum dem Gespötte des Auslandes preisgibt!! Eine russische Note, eine englische Drohung, eine französische Phrase soll die Einheit und Kraft Deutschlands zerstören! Wozu haben wir un- sere Armeen, wozu sind Deutschlands Männer und Jünglinge ge- boren? Energie und Thatkraft verlangen wir von der Central- gewalt. Laßet eine Armee in die deutschen Ostseeprovinzen rücken, gehet nach Polen und erkläret es für wiederhergestellt, rufet die Moldau und Wallachei zum Kampfe gegen die russische Knute, und der ganze russische Coloß stürzt zusammen. Dies ist Deutsch- lands Politik, keine andere führt zum Heile, und wenn die deut- schen Fürsten den russischen Schwager scheuen, die deutschen Völker fürchten ihn nicht; sie rufen, eine Personalunion Schleswig=Holsteins mit Dänemark ist unmöglich! Sie rufen, Schleswig=Holstein muß um jeden Preis frei werden. Krieg! Krieg!!! Und dann nach Luxemburg zu den Holländern! Die Nationalversammlung sollte überhaupt den Grundsatz aussprechen, daß kein fremder Fürst in Deutschland Besitzungen haben kann; denn so lange auswärtige Mächte in unserer Politik eine Stimme haben, können wir nicht einig werden! Wir wollen frei seyn im Jnnern und nach Außen! Deutschland. Wien 3. September. ( A. Z. ) Gestern hat Hr. v. Schwar- zer wegen eines Conflictes mit Hrn. Bach über die Competenz des Reichstages seine Entlassung gegeben. Doblhoff hat er- klärt, daß er ebenfalls austreten werde, wenn diese Demission angenommen werden sollte. Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß wir bis morgen beide Entlassungsanerbietungen angenommen und das Ministerium reconstruirt sehen werden. Man spricht von Schmerling, doch erfahren wir von anderer Seite, er werde nicht annehmen. Noch ist Stadion unmöglich. ( Durch seine Ver- wickelungen mit der Presse erhoben sich für Schwarzer die wider- wärtigsten Beschuldigungen. Erst vertheidigte er sich im Reichs- tag gegen den Vorwurf, daß sein Blatt — die Allg. Oesterreichische Zeitung — von Pillersdorff Subvention erhalten habe. Dann ward ihm vorgeworfen, er überwache und meistere fortwährend das seinem Freunde Hübner übergebene Blatt, von welchem der „philosophische“ Jellinek Abschied nahm, weil er sich nicht mehr mit Freiheit darin aussprechen könne. Auch das Journal des Oesterreichischen Lloyd, bekanntlich einst von Schwarzer geleitet, trat gegen ihn auf, und eine der neuesten Nummern des Lloyd enthält als leitenden Artikel eine heftige Polemik gegen Schwarzer — von Dr. Schütte. Einige Correspondenzen bezeichneten schon seit einiger Zeit den Hauptmann Möring — Mitglied des Frankfurter Parlaments — als zum Minister der öffentlichen Arbeiten bestimmt. Möring — einer der gebildetsten Officiere der österreichischen Armee, der längere Zeit in England und Amerika gewesen — war schon früher unter den Candidaten für jenes Portefeuille genannt. ) Berlin 4. Septbr. ( B. H. ) Eine diesen Nachmittag einge- troffene Depesche meldet, daß Oesterreich den englisch- französischen Vermittelungsvorschlag angenom- men habe. — Aus Frankfurt ist die Nachricht eingelaufen, daß Oesterreich in diesen Tagen bei der Centralgewalt eine Erklärung abgeben werde, daß es die Einheit Deutschlands kei- neswegs in dem Sinne der Verschmelzung aller einzelnen Staaten und des Aufgehens verstehe! — Sowohl die Universität Berlin als die Universität Halle haben die Betheiligung an der Jénenser Versammlung zur Berathung der Universitäts=Reformen abgelehnt, ein Beschluß, der nebst den Motiven von dem Minister des Cultus gebilligt worden ist. Jn höchsten Berliner Sphären ist hier jetzt ein seltsamer Vor- fall, der unseren Gesandten in Hannover betroffen haben soll, das Tagesgespräch. Der König von Hannover hat nämlich nach Sans- souci geschrieben, Herr von Schleinitz ( beiläufig gesagt, bei Hofe das Orakel aller Welt ) sei plötzlich verschwunden, Niemand wisse wohin. Er habe nicht nur ein königl. Diner ohne Absagung versäumt, sondern auch sein eigenes Diner, ohne es absagen zu lassen nicht abgehalten. So unerhörte Dinge sind natürlich nicht ohne geheimnißvolle Begegnisse zu erklären. Und — was soll man dazu sagen — dennoch treffen zwei zu derselben Zeit, vom 23. und 26. August, von Herrn v. Schleinitz unterzeichnete Depe- schen im auswärtigen Amte ein. [ Das sind eben so große Diplo- matenmirakel, wie der preußisch=dänische Waffenstillstand! ] ⨁ Aus Bayern 6. September. Wir lasen neulich in dem Mainzer Journale eine etwas bittere Aeußerung über das lamm- herzige Bayern, welches sich durch die kirchenfeindlichen Bestre- bungen seines Cultusministers Beisler zwar in höchliches Er- staunen versetzt finde, aber dabei es auch bewenden lasse. Dieses Urtheil war doch etwas verfrüht. Was die öffentlichen Blätter angeht, so verfolgt der treffliche Münchner „Volksbote“ unseren Cultusminister mit unerbittlicher Geißel, und schüttet die schärfste Lauge über das Haupt des „Verantwortlichen“ in solchem Maße, daß der Getroffene unmöglich heil davon kommen kann. Dürften wir dabei von der Stimmung des Volkes und des Klerus unserer Landschaft auf jene der anderen Gegenden Bayerns schließen, so stände wohl überall ein solcher Sturm gegen den Schöpfer der Jdee einer Reichssynode zu erwarten, wie er bereits in unserem Kreise beabsichtiget, aber bis jetzt noch leider durch höhere Friede- fertigkeit niedergehalten wurde. Bis heute hat übrigens Beis- ler durch seine Rede vom 22. August der Geltendmachung der kirchlichen Freiheit im Allgemeinen durch ganz Deutschland, und der besondern Entknechtung der Kirche in Bayern weit aus unter allen Abgeordneten der Paulskirche den größten Vor- schub geleistet. Den Halben, die sich in die Trennung von Kirche und Staat nicht finden mochten, sind durch jene offenherzige Rede die Augen geöffnet, die Entschiedenen, die schon längst für die Unabhängigkeit der Kirche stritten, haben einen neuen, schla- genden Beleg zu ihren Gründen erhalten. Bei dem ganzen Volke aber, das sich in kirchlichen Dingen nun einmal, geleitet von sehr gesundem Mutterwitze, lieber von den „Satrapen des Papstes“ „ knechten, “ als von den Paschas des Polizeistaates „ admi- nistriren “ lassen will, ist ein Mißtrauen rege geworden, wel- ches zu „beseitigen“ selbst den „geeignetsten Regierungsmaßnah- men “ nicht gelingen wird. Ach ja! Wir kommen vorwärts! Wie heißt der Schlachtgesang der Krähwinkler Recken? — Nur lang- sam voran! langsam voran! Fürst Ludwig v. Wallerstein, der bekanntlich an dem jüngsten Verbrüderungsfeste bayerischer und württembergischer demokrati- scher Vereine in Nördlingen thätigsten Antheil genommen, und sich deßwegen einigen Vergleichungen zwischen sonst und jetzt aus- gesetzt gesehen hatte, antwortet in einer umständlichen Erklärung in der Augsburgrr Postzeitung. Sie läßt sich in die Worte zu- sammenfassen: „Meine politische Ueberzeugung ist bekannt; sie hat nie gewechselt. “ [ Jst wahrscheinlich ein Druckfehler und sollte heißen: immer. Naturam furca expellas, tamen usque redibit. Auf Deutsch: die Katze läßt das Mausen nicht. ] X Von der Haardt 7. September. Seit einer Woche durchlaufe ich die Spalten ihres Journales ( das nebenher gesagt täglich belieb- ter wird und an Ruf gewinnt ) , um darin die Schilderung der Fest- reise des Johannes Ronge durch die Pfalz von geübter Hand ver- zeichnet zu sehen. Umsonst! Beklagenswerther Prophet der Laura- hütte, der du keinen besseren Historiographen erhalten kannst, als diese schwache unberühmte Feder! Ob übrigens Ronge direkt aus dem Essighause von Frankfurt nach Neustadt, Dürkheim und Franken- thal kam, vermögen wir nicht zu sagen. Constatirt bleibt, daß ihm an diesen drei Orten ein öffentlicher Empfang ward. Jn Frankenthal, berichtet uns ein Augenzeuge, ging die Demonstra- tion fast in eine Farce über. Was die Predigten des Reformators des neunzehnten Jahrhunderts betrifft, so war die Wirkung der- selben, wie wir hören, eine sehr flaue. Das gesteht natürlich die Handvoll Deutschkatholiken nicht ein, welche die Unternehmer dieses höchst traurigen Schauspieles waren. — Wir stehen auf dem Standpuncte der religiösen Freiheit. Von demselben aus fügen wir den Worten der Jronie noch einige des bittern Ernstes bei. Mag da rongisch werden, wer will — sagen wir. Die Wahrheit läuft nicht der Masse, nicht der Majorität nach. Jhren Sieg erkämpft sie auf dem geistigen Wahlfelde — hoffentlich sehr bald. Aber Schmach rufen wir über Jene herab, die den Namen der Religion und den Deutschlands so entwürdigen, daß sie einen

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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 81. Mainz, 8. September 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal081_1848/2>, abgerufen am 20.07.2024.