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Mainzer Journal. Nr. 64. Mainz, 19. August 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 64. Samstag, den 19. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Der Mainzer Stadtrath und die "Mainzer
Zeitung."

*** Es ist von einem gewissen Jnteresse den rückläufigen
Siegesflug der Mainzer Zeitung zu beobachten. Vor Kurzem
waren ihrer Phantasie die Gränzen Deutschlands zu enge und sie
ging auf nichts weniger aus, als alle Nationalitäten, die slavische
nicht minder als die italienische zu befreien. Jn Deutschland aber
mußten ihr alle Einzelstaaten über die Klinge springen, die Ma-
jorität des Reichstags sollte ihren Präsidenten Gagern an der
Spitze mit Schimpf heimgejagt, und mindestens Einer von ihren
Leuten als Dictator an die Spitze Deutschlands gestellt werden.
Da aber inzwischen die große deutsche Sache ganz unbeirrt ihren
eigenen Weg ging und die Mainzer Zeitung, und leider mit ihr
die gute Stadt Mainz ganz neben draus liegen blieb,
beschränkte sie auf einmal ihre Hauptthätigkeit auf die hessische
Nation und zuletzt sollte Jaup gestürzt werden. Da auch dieser
Anlauf nicht sofort gelang, kam die Reihe an den höchsten Pro-
vinzialbeamten von Rheinhessen -- und nun endlich in der Nr.
vom 15. d. M. ist sie in ihrer glorreichen Retirade -- beim
Mainzer Stadtrath
angelangt. Dieser soll und muß jetzt
fallen, und zwar will die Mainzer Zeitung gegen ihn eben so rück-
sichtsvoll und mit so zarter Sitte verfahren, wie der türkische Sul-
tan. Dieser nämlich schickt bekanntlich, wenn er einen von seinen
Bimbaschis oder Vezieren, oder sonst etwas Vornehmes vom Le-
ben zum Tod zu befördern beschlossen hat, demselben eine seidene
Schnur mit der allergnädigsten Erlaubniß, sich daran selbsteigen-
händig aufzuhängen. So macht es auch die "Mainzer Zeitung"
mit dem Mainzer Stadtrath. Sie will nicht den Stadtrath a la
Louis XIV
. mit der Reitpeitsche auseinander jagen, oder ihn mit
bewaffneter Hand a la Napoleon zu Paaren treiben, oder gar auf
gut Böhmisch aus den Fenstern des Stadthauses hinauswerfen, --
nein, sie bietet ihm nur mit aller möglichen "gesetzlichen" Grazie
"eine glänzende Gelegenheit" dar "ein persönliches Opfer zu brin-
gen," d. h. sie fordert jedes einzelne Mitglied desselben auf " un-
verzüglich seinen Austritt aus demselben anzuzeigen." Und nun
steht zu erwarten, ob der Stadtrath sich der seidenen Schnur, die
ihm hier mit so viel Zierlichkeit dargeboten, auch mit eben so
wohlgezogener Unterthänigkeit bedienen wird.

Warum aber muß der Mainzer Stadtrath sammt und son-
ders in's Gras beißen? Antwort: "er ist das natürliche Kind
des alten, hoffentlich verstorbenen Unterdrückungssystems und das
der Jesuiten; beide sind Todesfeinde der Freiheit und des
Lichtes... Nur die Richtung der ultramontanen Partei im Auge,
trat die Majorität nur zu oft unsere ( ?! ) heiligsten Jnteressen
mit Füßen." Diese Antwort konnte freilich Jeder voraussehen;
denn eine andere Waffe haben ja bekanntlich diese Herren nicht,
und nie ist noch ein anderer Grund von ihren Lippen vernommen
worden, als das eintönige Geschrei: "Reactionäre und Jesuiten!"
womit sie auf jeden ehrlichen Mann, der nicht unbedingt nach
ihrer Pfeife tanzt und auf seine eigene Faust und nach seiner
Ueberzeugung frei zu seyn den Muth hat, die Hunde hetzen möch-
ten. Fürchte sich davor wer Lust hat, wir können deßhalb nur
Mitleid empfinden! Allein der Wahrheit und der Freiheit zur
Ehre wollen wir bei dieser Gelegenheit einige nahe liegende
und ganz einfache Wahrheiten zu bedenken geben.

Der Stadtrath ist frei von der Bürgerschaft gewählt. Jns-
besondere ist die letzte Wahl, bei welcher ein paar ( aber auch
nur ein paar ) entschiedene Katholiken in den Gemeinderath ka-
men, von einer immensen Majorität der Bürgerschaft ausge-
gangen und war eine durch und durch freie. Von einem
jesuitischen Einfluß zu reden ist eine unendliche Albernheit, da es
[Spaltenumbruch] in Mainz keine Jesuiten gibt, oder wir bitten die Mainzer Zeit-
ung sie namhaft zu machen, und werden darauf Red' und Ant-
wort stehen. Außerdem ist es eine Jnjurie auf die Mainzer Bür-
gerschaft, als ob sie das willenlose Werkzeug einer, wie die
Herren vom Frankfurter Journal nebst Genossen sagen, "im
Finstern schleichenden Partei" gewesen.

Dieser angeblich ultramontane Stadtrath besteht ferner
unseres Wissens zu einem nicht kleinen Theil aus Protestan-
ten
und zu einem großen Theil aus Katholiken, die nichts we-
niger als allzu kirchlich sind. Derselbe Stadtrath, dieses Werk-
zeug des Jesuitismus hat auch nie und nimmer einen die Ka-
tholiken begünstigenden oder die Nichtkatholiken benachtheiligenden
Beschluß gefaßt. Nur zweimal hat er Versuche von der aller-
intolerantesten
und katholikenfeindlichsten Art zu-
rückgewiesen, -- das ist sein ganzes Verbrechen. Einmal näm-
lich wollte man den Katholiken wehren von ihrem Geld auf
den ihnen gehörenden Theil des Kirchhofs eine Kapelle
zu bauen, -- allein die der Mainzer Zeitung so verhaßte Ma-
jorität des Stadtrathes hat es den Katholiken erlaubt! Das
anderemal wollte man unter dem Vorwand der Schulverbesserung
die katholischen und aus katholischen Stiftungen dotirten Schulen
in indifferentistische Communalschulen verwandeln und die Ma-
jorität des Staatraths hat einen Beschluß gefaßt, wodurch eines
Theils die erwünschten Verbesserungen im Schulwesen herbeige-
führt und anderntheils die Rechte der katholischen Familienväter,
die da eine ihrer religiösen Ueberzeugung entsprechende Erziehung
ihrer Kinder in der Schule fordern können und fordern müssen,
gewahrt werden. Dieses sind die jesuitischen Verbrechen des
Stadtraths in den Augen der Mainzer Zeitung und wir finden
sie hier in merkwürdiger Eintracht uud Sympathie mit manchen
der von ihr so hart mitgenommenen "Wohldenkenden," von de-
nen jene intoleranten Angriffe gegen die Gewissensfreiheit, die
Rechte und die Jnteressen der Mainzer katholischen Bürgerschaft
bekannter maßen ausgegangen sind.

Ausdrücklich gibt die Mainzer Zeitung als Grund ihrer Feind-
schaft gegen den Gemeinderath seine angebliche katholische Gesinn-
ung an. Diese katholische Gesinnung beschränkt sich aber in der
Wahrheit darauf, daß die Mehrzahl des Gemeinderaths sich nicht
feindselig gegen die Katholiken und ihre Religion gezeigt, und
daß einige Mitglieder desselben sogar eine lebendige Ueberzeugung
von der Religion haben, welche 28,000 Mainzer, die Mehrzahl
der Deutschen und der Europäer bekennen. Allein die Mainzer
Zeitung will -- oder sie stelle es ausdrücklich in Abrede und wi-
derrufe in so weit ihren Artikel vom 15. August -- sie will
alle irgend wie katholisch gesinnten Stadträthe aus
dem Stadtrath ausstoßen
-- blos weil sie dieses sind.
Es gibt Leute, die immer nur vom Fanatismus der Freunde der
Religion zu reden wissen, als ob es keinen Fanatismus der
Religionsfeinde gäbe!
Wir aber erklären: ehrenwerthe,
tüchtige, freisinnige, ihre Vaterstadt liebende Bürger ausstoßen
und verfolgen, blos weil sie auch katholisch sind -- ist nichts An-
deres als Jntoleranz, Fanatismus und eine ganz offenbare Ver-
folgung
der katholischen Religion!

Die Mainzer Zeitung sagt auch, daß der bisherige Gemeinde-
rath zu unthätig gewesen sey -- und darin stimmen wir
vollständig mit ihr überein.
Allein wir bemerken, daß
diese Unthätigkeit nicht vorzüglich durch den Stadtrath verschul-
det ist, daß aber gerade seit der letzten Stadtrathswahl, und zum
guten Theile durch die Anregung Neugewählter, sichtlich eine
größere Thätigkeit zugleich mit der Oeffentlichkeit der Verhand-
lungen eingetreten ist. Uebrigens fragen wir, was denn die
Herren von der Mainzer Zeitung
schon für das wahre
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 64. Samstag, den 19. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Der Mainzer Stadtrath und die „Mainzer
Zeitung.“

⁂ Es ist von einem gewissen Jnteresse den rückläufigen
Siegesflug der Mainzer Zeitung zu beobachten. Vor Kurzem
waren ihrer Phantasie die Gränzen Deutschlands zu enge und sie
ging auf nichts weniger aus, als alle Nationalitäten, die slavische
nicht minder als die italienische zu befreien. Jn Deutschland aber
mußten ihr alle Einzelstaaten über die Klinge springen, die Ma-
jorität des Reichstags sollte ihren Präsidenten Gagern an der
Spitze mit Schimpf heimgejagt, und mindestens Einer von ihren
Leuten als Dictator an die Spitze Deutschlands gestellt werden.
Da aber inzwischen die große deutsche Sache ganz unbeirrt ihren
eigenen Weg ging und die Mainzer Zeitung, und leider mit ihr
die gute Stadt Mainz ganz neben draus liegen blieb,
beschränkte sie auf einmal ihre Hauptthätigkeit auf die hessische
Nation und zuletzt sollte Jaup gestürzt werden. Da auch dieser
Anlauf nicht sofort gelang, kam die Reihe an den höchsten Pro-
vinzialbeamten von Rheinhessen — und nun endlich in der Nr.
vom 15. d. M. ist sie in ihrer glorreichen Retirade — beim
Mainzer Stadtrath
angelangt. Dieser soll und muß jetzt
fallen, und zwar will die Mainzer Zeitung gegen ihn eben so rück-
sichtsvoll und mit so zarter Sitte verfahren, wie der türkische Sul-
tan. Dieser nämlich schickt bekanntlich, wenn er einen von seinen
Bimbaschis oder Vezieren, oder sonst etwas Vornehmes vom Le-
ben zum Tod zu befördern beschlossen hat, demselben eine seidene
Schnur mit der allergnädigsten Erlaubniß, sich daran selbsteigen-
händig aufzuhängen. So macht es auch die „Mainzer Zeitung“
mit dem Mainzer Stadtrath. Sie will nicht den Stadtrath à la
Louis XIV
. mit der Reitpeitsche auseinander jagen, oder ihn mit
bewaffneter Hand à la Napoleon zu Paaren treiben, oder gar auf
gut Böhmisch aus den Fenstern des Stadthauses hinauswerfen, —
nein, sie bietet ihm nur mit aller möglichen „gesetzlichen“ Grazie
„eine glänzende Gelegenheit“ dar „ein persönliches Opfer zu brin-
gen,“ d. h. sie fordert jedes einzelne Mitglied desselben auf „ un-
verzüglich seinen Austritt aus demselben anzuzeigen.“ Und nun
steht zu erwarten, ob der Stadtrath sich der seidenen Schnur, die
ihm hier mit so viel Zierlichkeit dargeboten, auch mit eben so
wohlgezogener Unterthänigkeit bedienen wird.

Warum aber muß der Mainzer Stadtrath sammt und son-
ders in's Gras beißen? Antwort: „er ist das natürliche Kind
des alten, hoffentlich verstorbenen Unterdrückungssystems und das
der Jesuiten; beide sind Todesfeinde der Freiheit und des
Lichtes... Nur die Richtung der ultramontanen Partei im Auge,
trat die Majorität nur zu oft unsere ( ?! ) heiligsten Jnteressen
mit Füßen.“ Diese Antwort konnte freilich Jeder voraussehen;
denn eine andere Waffe haben ja bekanntlich diese Herren nicht,
und nie ist noch ein anderer Grund von ihren Lippen vernommen
worden, als das eintönige Geschrei: „Reactionäre und Jesuiten!“
womit sie auf jeden ehrlichen Mann, der nicht unbedingt nach
ihrer Pfeife tanzt und auf seine eigene Faust und nach seiner
Ueberzeugung frei zu seyn den Muth hat, die Hunde hetzen möch-
ten. Fürchte sich davor wer Lust hat, wir können deßhalb nur
Mitleid empfinden! Allein der Wahrheit und der Freiheit zur
Ehre wollen wir bei dieser Gelegenheit einige nahe liegende
und ganz einfache Wahrheiten zu bedenken geben.

Der Stadtrath ist frei von der Bürgerschaft gewählt. Jns-
besondere ist die letzte Wahl, bei welcher ein paar ( aber auch
nur ein paar ) entschiedene Katholiken in den Gemeinderath ka-
men, von einer immensen Majorität der Bürgerschaft ausge-
gangen und war eine durch und durch freie. Von einem
jesuitischen Einfluß zu reden ist eine unendliche Albernheit, da es
[Spaltenumbruch] in Mainz keine Jesuiten gibt, oder wir bitten die Mainzer Zeit-
ung sie namhaft zu machen, und werden darauf Red' und Ant-
wort stehen. Außerdem ist es eine Jnjurie auf die Mainzer Bür-
gerschaft, als ob sie das willenlose Werkzeug einer, wie die
Herren vom Frankfurter Journal nebst Genossen sagen, „im
Finstern schleichenden Partei“ gewesen.

Dieser angeblich ultramontane Stadtrath besteht ferner
unseres Wissens zu einem nicht kleinen Theil aus Protestan-
ten
und zu einem großen Theil aus Katholiken, die nichts we-
niger als allzu kirchlich sind. Derselbe Stadtrath, dieses Werk-
zeug des Jesuitismus hat auch nie und nimmer einen die Ka-
tholiken begünstigenden oder die Nichtkatholiken benachtheiligenden
Beschluß gefaßt. Nur zweimal hat er Versuche von der aller-
intolerantesten
und katholikenfeindlichsten Art zu-
rückgewiesen, — das ist sein ganzes Verbrechen. Einmal näm-
lich wollte man den Katholiken wehren von ihrem Geld auf
den ihnen gehörenden Theil des Kirchhofs eine Kapelle
zu bauen, — allein die der Mainzer Zeitung so verhaßte Ma-
jorität des Stadtrathes hat es den Katholiken erlaubt! Das
anderemal wollte man unter dem Vorwand der Schulverbesserung
die katholischen und aus katholischen Stiftungen dotirten Schulen
in indifferentistische Communalschulen verwandeln und die Ma-
jorität des Staatraths hat einen Beschluß gefaßt, wodurch eines
Theils die erwünschten Verbesserungen im Schulwesen herbeige-
führt und anderntheils die Rechte der katholischen Familienväter,
die da eine ihrer religiösen Ueberzeugung entsprechende Erziehung
ihrer Kinder in der Schule fordern können und fordern müssen,
gewahrt werden. Dieses sind die jesuitischen Verbrechen des
Stadtraths in den Augen der Mainzer Zeitung und wir finden
sie hier in merkwürdiger Eintracht uud Sympathie mit manchen
der von ihr so hart mitgenommenen „Wohldenkenden,“ von de-
nen jene intoleranten Angriffe gegen die Gewissensfreiheit, die
Rechte und die Jnteressen der Mainzer katholischen Bürgerschaft
bekannter maßen ausgegangen sind.

Ausdrücklich gibt die Mainzer Zeitung als Grund ihrer Feind-
schaft gegen den Gemeinderath seine angebliche katholische Gesinn-
ung an. Diese katholische Gesinnung beschränkt sich aber in der
Wahrheit darauf, daß die Mehrzahl des Gemeinderaths sich nicht
feindselig gegen die Katholiken und ihre Religion gezeigt, und
daß einige Mitglieder desselben sogar eine lebendige Ueberzeugung
von der Religion haben, welche 28,000 Mainzer, die Mehrzahl
der Deutschen und der Europäer bekennen. Allein die Mainzer
Zeitung will — oder sie stelle es ausdrücklich in Abrede und wi-
derrufe in so weit ihren Artikel vom 15. August — sie will
alle irgend wie katholisch gesinnten Stadträthe aus
dem Stadtrath ausstoßen
blos weil sie dieses sind.
Es gibt Leute, die immer nur vom Fanatismus der Freunde der
Religion zu reden wissen, als ob es keinen Fanatismus der
Religionsfeinde gäbe!
Wir aber erklären: ehrenwerthe,
tüchtige, freisinnige, ihre Vaterstadt liebende Bürger ausstoßen
und verfolgen, blos weil sie auch katholisch sind — ist nichts An-
deres als Jntoleranz, Fanatismus und eine ganz offenbare Ver-
folgung
der katholischen Religion!

Die Mainzer Zeitung sagt auch, daß der bisherige Gemeinde-
rath zu unthätig gewesen sey — und darin stimmen wir
vollständig mit ihr überein.
Allein wir bemerken, daß
diese Unthätigkeit nicht vorzüglich durch den Stadtrath verschul-
det ist, daß aber gerade seit der letzten Stadtrathswahl, und zum
guten Theile durch die Anregung Neugewählter, sichtlich eine
größere Thätigkeit zugleich mit der Oeffentlichkeit der Verhand-
lungen eingetreten ist. Uebrigens fragen wir, was denn die
Herren von der Mainzer Zeitung
schon für das wahre
[Ende Spaltensatz]

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[0001] Mainzer Journal. Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs- blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an; für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben- falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet. Nro 64. Samstag, den 19. August. 1848. Der Mainzer Stadtrath und die „Mainzer Zeitung.“ ⁂ Es ist von einem gewissen Jnteresse den rückläufigen Siegesflug der Mainzer Zeitung zu beobachten. Vor Kurzem waren ihrer Phantasie die Gränzen Deutschlands zu enge und sie ging auf nichts weniger aus, als alle Nationalitäten, die slavische nicht minder als die italienische zu befreien. Jn Deutschland aber mußten ihr alle Einzelstaaten über die Klinge springen, die Ma- jorität des Reichstags sollte ihren Präsidenten Gagern an der Spitze mit Schimpf heimgejagt, und mindestens Einer von ihren Leuten als Dictator an die Spitze Deutschlands gestellt werden. Da aber inzwischen die große deutsche Sache ganz unbeirrt ihren eigenen Weg ging und die Mainzer Zeitung, und leider mit ihr die gute Stadt Mainz ganz neben draus liegen blieb, beschränkte sie auf einmal ihre Hauptthätigkeit auf die hessische Nation und zuletzt sollte Jaup gestürzt werden. Da auch dieser Anlauf nicht sofort gelang, kam die Reihe an den höchsten Pro- vinzialbeamten von Rheinhessen — und nun endlich in der Nr. vom 15. d. M. ist sie in ihrer glorreichen Retirade — beim Mainzer Stadtrath angelangt. Dieser soll und muß jetzt fallen, und zwar will die Mainzer Zeitung gegen ihn eben so rück- sichtsvoll und mit so zarter Sitte verfahren, wie der türkische Sul- tan. Dieser nämlich schickt bekanntlich, wenn er einen von seinen Bimbaschis oder Vezieren, oder sonst etwas Vornehmes vom Le- ben zum Tod zu befördern beschlossen hat, demselben eine seidene Schnur mit der allergnädigsten Erlaubniß, sich daran selbsteigen- händig aufzuhängen. So macht es auch die „Mainzer Zeitung“ mit dem Mainzer Stadtrath. Sie will nicht den Stadtrath à la Louis XIV. mit der Reitpeitsche auseinander jagen, oder ihn mit bewaffneter Hand à la Napoleon zu Paaren treiben, oder gar auf gut Böhmisch aus den Fenstern des Stadthauses hinauswerfen, — nein, sie bietet ihm nur mit aller möglichen „gesetzlichen“ Grazie „eine glänzende Gelegenheit“ dar „ein persönliches Opfer zu brin- gen,“ d. h. sie fordert jedes einzelne Mitglied desselben auf „ un- verzüglich seinen Austritt aus demselben anzuzeigen.“ Und nun steht zu erwarten, ob der Stadtrath sich der seidenen Schnur, die ihm hier mit so viel Zierlichkeit dargeboten, auch mit eben so wohlgezogener Unterthänigkeit bedienen wird. Warum aber muß der Mainzer Stadtrath sammt und son- ders in's Gras beißen? Antwort: „er ist das natürliche Kind des alten, hoffentlich verstorbenen Unterdrückungssystems und das der Jesuiten; beide sind Todesfeinde der Freiheit und des Lichtes... Nur die Richtung der ultramontanen Partei im Auge, trat die Majorität nur zu oft unsere ( ?! ) heiligsten Jnteressen mit Füßen.“ Diese Antwort konnte freilich Jeder voraussehen; denn eine andere Waffe haben ja bekanntlich diese Herren nicht, und nie ist noch ein anderer Grund von ihren Lippen vernommen worden, als das eintönige Geschrei: „Reactionäre und Jesuiten!“ womit sie auf jeden ehrlichen Mann, der nicht unbedingt nach ihrer Pfeife tanzt und auf seine eigene Faust und nach seiner Ueberzeugung frei zu seyn den Muth hat, die Hunde hetzen möch- ten. Fürchte sich davor wer Lust hat, wir können deßhalb nur Mitleid empfinden! Allein der Wahrheit und der Freiheit zur Ehre wollen wir bei dieser Gelegenheit einige nahe liegende und ganz einfache Wahrheiten zu bedenken geben. Der Stadtrath ist frei von der Bürgerschaft gewählt. Jns- besondere ist die letzte Wahl, bei welcher ein paar ( aber auch nur ein paar ) entschiedene Katholiken in den Gemeinderath ka- men, von einer immensen Majorität der Bürgerschaft ausge- gangen und war eine durch und durch freie. Von einem jesuitischen Einfluß zu reden ist eine unendliche Albernheit, da es in Mainz keine Jesuiten gibt, oder wir bitten die Mainzer Zeit- ung sie namhaft zu machen, und werden darauf Red' und Ant- wort stehen. Außerdem ist es eine Jnjurie auf die Mainzer Bür- gerschaft, als ob sie das willenlose Werkzeug einer, wie die Herren vom Frankfurter Journal nebst Genossen sagen, „im Finstern schleichenden Partei“ gewesen. Dieser angeblich ultramontane Stadtrath besteht ferner unseres Wissens zu einem nicht kleinen Theil aus Protestan- ten und zu einem großen Theil aus Katholiken, die nichts we- niger als allzu kirchlich sind. Derselbe Stadtrath, dieses Werk- zeug des Jesuitismus hat auch nie und nimmer einen die Ka- tholiken begünstigenden oder die Nichtkatholiken benachtheiligenden Beschluß gefaßt. Nur zweimal hat er Versuche von der aller- intolerantesten und katholikenfeindlichsten Art zu- rückgewiesen, — das ist sein ganzes Verbrechen. Einmal näm- lich wollte man den Katholiken wehren von ihrem Geld auf den ihnen gehörenden Theil des Kirchhofs eine Kapelle zu bauen, — allein die der Mainzer Zeitung so verhaßte Ma- jorität des Stadtrathes hat es den Katholiken erlaubt! Das anderemal wollte man unter dem Vorwand der Schulverbesserung die katholischen und aus katholischen Stiftungen dotirten Schulen in indifferentistische Communalschulen verwandeln und die Ma- jorität des Staatraths hat einen Beschluß gefaßt, wodurch eines Theils die erwünschten Verbesserungen im Schulwesen herbeige- führt und anderntheils die Rechte der katholischen Familienväter, die da eine ihrer religiösen Ueberzeugung entsprechende Erziehung ihrer Kinder in der Schule fordern können und fordern müssen, gewahrt werden. Dieses sind die jesuitischen Verbrechen des Stadtraths in den Augen der Mainzer Zeitung und wir finden sie hier in merkwürdiger Eintracht uud Sympathie mit manchen der von ihr so hart mitgenommenen „Wohldenkenden,“ von de- nen jene intoleranten Angriffe gegen die Gewissensfreiheit, die Rechte und die Jnteressen der Mainzer katholischen Bürgerschaft bekannter maßen ausgegangen sind. Ausdrücklich gibt die Mainzer Zeitung als Grund ihrer Feind- schaft gegen den Gemeinderath seine angebliche katholische Gesinn- ung an. Diese katholische Gesinnung beschränkt sich aber in der Wahrheit darauf, daß die Mehrzahl des Gemeinderaths sich nicht feindselig gegen die Katholiken und ihre Religion gezeigt, und daß einige Mitglieder desselben sogar eine lebendige Ueberzeugung von der Religion haben, welche 28,000 Mainzer, die Mehrzahl der Deutschen und der Europäer bekennen. Allein die Mainzer Zeitung will — oder sie stelle es ausdrücklich in Abrede und wi- derrufe in so weit ihren Artikel vom 15. August — sie will alle irgend wie katholisch gesinnten Stadträthe aus dem Stadtrath ausstoßen — blos weil sie dieses sind. Es gibt Leute, die immer nur vom Fanatismus der Freunde der Religion zu reden wissen, als ob es keinen Fanatismus der Religionsfeinde gäbe! Wir aber erklären: ehrenwerthe, tüchtige, freisinnige, ihre Vaterstadt liebende Bürger ausstoßen und verfolgen, blos weil sie auch katholisch sind — ist nichts An- deres als Jntoleranz, Fanatismus und eine ganz offenbare Ver- folgung der katholischen Religion! Die Mainzer Zeitung sagt auch, daß der bisherige Gemeinde- rath zu unthätig gewesen sey — und darin stimmen wir vollständig mit ihr überein. Allein wir bemerken, daß diese Unthätigkeit nicht vorzüglich durch den Stadtrath verschul- det ist, daß aber gerade seit der letzten Stadtrathswahl, und zum guten Theile durch die Anregung Neugewählter, sichtlich eine größere Thätigkeit zugleich mit der Oeffentlichkeit der Verhand- lungen eingetreten ist. Uebrigens fragen wir, was denn die Herren von der Mainzer Zeitung schon für das wahre

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 64. Mainz, 19. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal064_1848/1>, abgerufen am 03.12.2024.