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Mainzer Journal. Nr. 52. Mainz, 6. August 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 52. Sonntag, den 6. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Der preußische Armeebefehl vom 29. Juli
1848.

== Es kann nicht oft genug darauf aufmerksam gemacht wer-
den, daß wir nicht in einer Zeit geordneter, legitimer Verhält-
nisse, sondern in einer Uebergangsperiode leben, in welcher zuerst
eine neue legitime Ordnung sich gestalten soll. Der Grund aller
positiven Ordnung aber ist die That. Entspricht die That eines-
theils dem ewigen Recht und anderntheils den gegebenen Verhält-
nissen und den Bedürfnissen der Nation, verwirklicht sich in ihr
eine große Jdee, welche auf die Dauer die Gemüther zu vereini-
gen und zu beherrschen geeignet ist, so ist kein Zweifel, daß sie
fortan den Grund einer neuen positiven Rechtsordnung bilden
wird. Jn dieser Weise gestaltet sich jetzt das neue deutsche Reich.

Mit Willen und Einwilligung der ganzen deutschen Nation,
ihre Fürsten mit einbegriffen, ist die Nationalversammlung zu-
sammengetreten und hat zur Handhabung der Reichsgewalt in
der Person Johann's von Oesterreich einen Reichsverweser er-
nannt. Das war die erste entscheidende That, welche, so sie Be-
stand hält, über die ganze künftige Gestaltung der deutschen Ver-
fassung entscheidet. Es ist damit ausgesprochen 1 ) daß fortan
Deutschland nicht mehr einen Bund souveräner Staaten, sondern
ein Einiges Reich bildet; 2 ) daß zwar die bisherigen Einzel-
staaten mit ihren Fürsten im Allgemeinen bestehen bleiben, aber
dem Reich und der Reichsgewalt untergeordnet seyn sollen; 3 )
die Reichsgewalt aber liegt in der Hand des Reichsoberhauptes
und des Reichstages, -- in jenem ist das monarchische, in diesem
das demokratische Element repräsentirt; jenem steht die executive,
diesem die gesetzgebende Gewalt zu; unabhängig von beiden aber
und nur dem Gesetz unterworfen wird das höchste Reichsgericht
fortan die richterliche Gewalt üben. Die erste entscheidende That
zur Constituirung des Reiches ist mithin von der Nationalver-
sammlung ausgegangen; die zweite That geht aus und muß aus-
gehen von dem Reichsverweser, indem derselbe factisch von seiner
Gewalt Besitz ergreift, und diese That hat er vollbracht durch
den von seinem Kriegsministerium ausgegangenen Befehl an die
Truppen aller Einzelstaaten, heute als am 6. August ihm als
ihrem höchsten Oberhaupte und Befehlshaber zu huldigen. Wo-
her hatte der Reichsverweser das Recht eine solche Forderung zu
stellen? Welches Gesetz gewährt ihm diese Befugniß? Antwort:
Kein geschriebener Buchstabe gibt ihm dies Recht, --
allein dasselbe Recht hat er dazu, welches die Nationalversamm-
lung hatte ihn zu rnennen. Von der Nation zu ihrem Ober-
haupt erhoben, ergreift er Kraft der ihm dadurch verliehenen
Gewalt, ohne den geschriebenen Buchstaben der Reichsverfas-
sung abzuwarten, thatsächlich das Schwert des Reiches, er wen-
det sich an alle deutschen Truppen und erwartet von ihnen densel-
ben Patriotismus, dieselbe deutsche Gesinnung, welche der Ge-
neral Wrangel an den Tag gelegt, da er erklärte, daß er fortan
nicht mehr das Ministerium in Berlin, sondern den Reichsver-
weser als seine oberste Behörde anerkenne. Es ergeht demnach
an die gesammten deutschen Truppen am 6. August eine große
Forderung: sie, ein so wesentlicher Theil der Nation, sollen durch
ihre freiwillige Huldigung die Constituirung des einigen deutschen
Reiches vollenden.

Leider hat ein Theil des preußischen Heeres und seiner Be-
fehlshaber nicht den Geist Wrangels an den Tag gelegt; viel-
mehr hat sich nur zu deutlich der Wille kund gegeben, dem Reichs-
oberhaupte nicht zu huldigen, sondern auch fortan, wie zur Zeit
des Bundestages und der absoluten preußischen Souveränetät,
den König von Preußen allein, wie die Wehrzeitung sich aus-
drückt, als "den höchsten Kriegsfürsten" anzuerkennen und ihm
[Spaltenumbruch] allein Folge zu leisten. Der hieraus am 6. August leichtlich sich
ergebenden unheilvollen Spaltung wollte ohne Zweifel der König
Friedrich Wilhelm IV. durch seinen Armeebefehl vom 29.
Juli 1848 ( siehe unser Blatt vom 3. August ) begegnen, und in-
sofern
ist dieser Armeebefehl ohne Zweifel lobenswerth. Da-
gegen leidet er wiederum an einer so eigenthümlichen [unleserliches Material - 10 Zeichen fehlen]Dunkelheit
und Zweideutigkeit, daß es uns leid thut, nicht blos um der
deutschen Sache, sondern auch um des Wohles Preußens und sei-
nes Regenten willen. Die Worte: "Jch habe mich für die Wahl
Sr. K. K. Hoheit des Erzherzogs Johann ausgesprochen, nicht
nur weil dieser Fürst mein persönlicher Freund ist, sondern auch
weil er in Krieg und Frieden einen glorreichen Namen sich erwor-
ben hat," sind unserer Ansicht nach ungefährlich: denn da be-
kanntlich die Wahl des Reichsverwesers von der Nationalver-
sammlung ausgegangen ist, so kann darin nichts Anderes gefun-
den werden, als daß der König dieser Wahl nicht blos beipflichte,
sondern auch persönlich sie gewünscht und dafür sich ausgesprochen
habe. Besser allerdings hätte es uns gefallen, wenn einfach und
offen gesagt wäre: "der von der Nationalversammlung getrof-
fenen Wahl pflichte ich, so viel an mir liegt, vollkommen bei,"
und es wäre dadurch dem Parlament volles Recht widerfahren,
ohne den etwaigen Rechten des Königs etwas zu vergeben. Die
anstößige Stelle aber ist der Schluß des Armeebefehls: " Sol-
daten! Ueberall, wo preußische Truppen für die deutsche Sache
einzutreten und nach meinem Befehl Sr. Kais. Königl.
Hoheit dem Reichsverweser sich unterzuordnen haben, wer-
det Jhr den Ruhm preußischer Tapferkeit und Disciplin
treu bewahren, siegreich bewähren!" Was heißt das? Bis-
her war ohne Zweifel der König von Preußen der höchste Be-
fehlshaber seiner Armee, und über ihm gab es keinen höheren.
Es gab ja kein deutsches Reich, kein Oberhaupt Deutschlands,
der Bundestag stand nicht als höhere Einheit über den Bundes-
staaten, sondern er war den Fürsten untergeben. Jetzt hat sich
das Verhältniß gerade umgekehrt -- und nun kommt der Reichs-
verweser, stellt sich den deutschen Truppen aller Einzelstaaten als
ihren höchsten Befehlshaber und "Kriegsherrn" vor und verlangt
von ihnen die Huldigung. Dagegen gibt sich in einem Theile
des preußischen Heeres Widerstreben kund. Wenn nun der Kö-
nig also zu seinen Soldaten gesprochen hätte: "Soldaten, ich,
euer bisheriges höchstes Oberhaupt, ich befehle euch, un-
serem Reichsverweser die Huldigung zu leisten, ich will seyn und
bin auch fortan euer Anführer, euer Kriegsherzog -- aber über
mir und euch steht das Reich und das Reichsober-
haupt,
ihm müssen wir die höchste Treue versprechen und ich
werde es mit euch thun, an eurer Spitze," -- so wäre eine solche
Sprache wahrhaft deutsch und groß gewesen und hätte dem Kö-
nig gewiß die Herzen Vieler in ganz Deutschland gewonnen und
ihm mehr Kraft verliehen, als sein ganzes Heer. Aber so lauten
die Worte nicht. Es heißt: "überall, wo preußische Truppen
für die deutsche Sache.... einzutreten haben, werdet ihr u. s. w."
Da fragt es sich vorerst: wann und unter welchen Bedingungen
haben denn die preußischen Truppen für die deutsche Sache ein-
zutreten? -- Etwa nur wenn Preußen, oder sein König will?
Oder wenn das Reich es fordert, es gebietet? -- Kurz vorher
heißt es zwar: "für alle gemeinsame Zwecke wird es ( Preußen )
daher aufrichtig seine Ehre daran setzen, den Frieden, die Frei-
heit und die Unabhängigkeit der deutschen Nation durch seine
Armee mit allen deutschen Brüdern nachdrücklich zu schützen."
Aber das genügt nicht: es ist recht, daß Preußen seine Ehre
darin finde, ein Vorkämpfer für Deutschland zu seyn; allein
es hat darin nicht blos eine Ehrensache, sondern eine strenge
Pflicht
zu erblicken; und ob eine gemeinsame deutsche Sache
[Ende Spaltensatz]

Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 52. Sonntag, den 6. August. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Der preußische Armeebefehl vom 29. Juli
1848.

== Es kann nicht oft genug darauf aufmerksam gemacht wer-
den, daß wir nicht in einer Zeit geordneter, legitimer Verhält-
nisse, sondern in einer Uebergangsperiode leben, in welcher zuerst
eine neue legitime Ordnung sich gestalten soll. Der Grund aller
positiven Ordnung aber ist die That. Entspricht die That eines-
theils dem ewigen Recht und anderntheils den gegebenen Verhält-
nissen und den Bedürfnissen der Nation, verwirklicht sich in ihr
eine große Jdee, welche auf die Dauer die Gemüther zu vereini-
gen und zu beherrschen geeignet ist, so ist kein Zweifel, daß sie
fortan den Grund einer neuen positiven Rechtsordnung bilden
wird. Jn dieser Weise gestaltet sich jetzt das neue deutsche Reich.

Mit Willen und Einwilligung der ganzen deutschen Nation,
ihre Fürsten mit einbegriffen, ist die Nationalversammlung zu-
sammengetreten und hat zur Handhabung der Reichsgewalt in
der Person Johann's von Oesterreich einen Reichsverweser er-
nannt. Das war die erste entscheidende That, welche, so sie Be-
stand hält, über die ganze künftige Gestaltung der deutschen Ver-
fassung entscheidet. Es ist damit ausgesprochen 1 ) daß fortan
Deutschland nicht mehr einen Bund souveräner Staaten, sondern
ein Einiges Reich bildet; 2 ) daß zwar die bisherigen Einzel-
staaten mit ihren Fürsten im Allgemeinen bestehen bleiben, aber
dem Reich und der Reichsgewalt untergeordnet seyn sollen; 3 )
die Reichsgewalt aber liegt in der Hand des Reichsoberhauptes
und des Reichstages, — in jenem ist das monarchische, in diesem
das demokratische Element repräsentirt; jenem steht die executive,
diesem die gesetzgebende Gewalt zu; unabhängig von beiden aber
und nur dem Gesetz unterworfen wird das höchste Reichsgericht
fortan die richterliche Gewalt üben. Die erste entscheidende That
zur Constituirung des Reiches ist mithin von der Nationalver-
sammlung ausgegangen; die zweite That geht aus und muß aus-
gehen von dem Reichsverweser, indem derselbe factisch von seiner
Gewalt Besitz ergreift, und diese That hat er vollbracht durch
den von seinem Kriegsministerium ausgegangenen Befehl an die
Truppen aller Einzelstaaten, heute als am 6. August ihm als
ihrem höchsten Oberhaupte und Befehlshaber zu huldigen. Wo-
her hatte der Reichsverweser das Recht eine solche Forderung zu
stellen? Welches Gesetz gewährt ihm diese Befugniß? Antwort:
Kein geschriebener Buchstabe gibt ihm dies Recht, —
allein dasselbe Recht hat er dazu, welches die Nationalversamm-
lung hatte ihn zu rnennen. Von der Nation zu ihrem Ober-
haupt erhoben, ergreift er Kraft der ihm dadurch verliehenen
Gewalt, ohne den geschriebenen Buchstaben der Reichsverfas-
sung abzuwarten, thatsächlich das Schwert des Reiches, er wen-
det sich an alle deutschen Truppen und erwartet von ihnen densel-
ben Patriotismus, dieselbe deutsche Gesinnung, welche der Ge-
neral Wrangel an den Tag gelegt, da er erklärte, daß er fortan
nicht mehr das Ministerium in Berlin, sondern den Reichsver-
weser als seine oberste Behörde anerkenne. Es ergeht demnach
an die gesammten deutschen Truppen am 6. August eine große
Forderung: sie, ein so wesentlicher Theil der Nation, sollen durch
ihre freiwillige Huldigung die Constituirung des einigen deutschen
Reiches vollenden.

Leider hat ein Theil des preußischen Heeres und seiner Be-
fehlshaber nicht den Geist Wrangels an den Tag gelegt; viel-
mehr hat sich nur zu deutlich der Wille kund gegeben, dem Reichs-
oberhaupte nicht zu huldigen, sondern auch fortan, wie zur Zeit
des Bundestages und der absoluten preußischen Souveränetät,
den König von Preußen allein, wie die Wehrzeitung sich aus-
drückt, als „den höchsten Kriegsfürsten“ anzuerkennen und ihm
[Spaltenumbruch] allein Folge zu leisten. Der hieraus am 6. August leichtlich sich
ergebenden unheilvollen Spaltung wollte ohne Zweifel der König
Friedrich Wilhelm IV. durch seinen Armeebefehl vom 29.
Juli 1848 ( siehe unser Blatt vom 3. August ) begegnen, und in-
sofern
ist dieser Armeebefehl ohne Zweifel lobenswerth. Da-
gegen leidet er wiederum an einer so eigenthümlichen [unleserliches Material – 10 Zeichen fehlen]Dunkelheit
und Zweideutigkeit, daß es uns leid thut, nicht blos um der
deutschen Sache, sondern auch um des Wohles Preußens und sei-
nes Regenten willen. Die Worte: „Jch habe mich für die Wahl
Sr. K. K. Hoheit des Erzherzogs Johann ausgesprochen, nicht
nur weil dieser Fürst mein persönlicher Freund ist, sondern auch
weil er in Krieg und Frieden einen glorreichen Namen sich erwor-
ben hat,“ sind unserer Ansicht nach ungefährlich: denn da be-
kanntlich die Wahl des Reichsverwesers von der Nationalver-
sammlung ausgegangen ist, so kann darin nichts Anderes gefun-
den werden, als daß der König dieser Wahl nicht blos beipflichte,
sondern auch persönlich sie gewünscht und dafür sich ausgesprochen
habe. Besser allerdings hätte es uns gefallen, wenn einfach und
offen gesagt wäre: „der von der Nationalversammlung getrof-
fenen Wahl pflichte ich, so viel an mir liegt, vollkommen bei,“
und es wäre dadurch dem Parlament volles Recht widerfahren,
ohne den etwaigen Rechten des Königs etwas zu vergeben. Die
anstößige Stelle aber ist der Schluß des Armeebefehls: „ Sol-
daten! Ueberall, wo preußische Truppen für die deutsche Sache
einzutreten und nach meinem Befehl Sr. Kais. Königl.
Hoheit dem Reichsverweser sich unterzuordnen haben, wer-
det Jhr den Ruhm preußischer Tapferkeit und Disciplin
treu bewahren, siegreich bewähren!“ Was heißt das? Bis-
her war ohne Zweifel der König von Preußen der höchste Be-
fehlshaber seiner Armee, und über ihm gab es keinen höheren.
Es gab ja kein deutsches Reich, kein Oberhaupt Deutschlands,
der Bundestag stand nicht als höhere Einheit über den Bundes-
staaten, sondern er war den Fürsten untergeben. Jetzt hat sich
das Verhältniß gerade umgekehrt — und nun kommt der Reichs-
verweser, stellt sich den deutschen Truppen aller Einzelstaaten als
ihren höchsten Befehlshaber und „Kriegsherrn“ vor und verlangt
von ihnen die Huldigung. Dagegen gibt sich in einem Theile
des preußischen Heeres Widerstreben kund. Wenn nun der Kö-
nig also zu seinen Soldaten gesprochen hätte: „Soldaten, ich,
euer bisheriges höchstes Oberhaupt, ich befehle euch, un-
serem Reichsverweser die Huldigung zu leisten, ich will seyn und
bin auch fortan euer Anführer, euer Kriegsherzog — aber über
mir und euch steht das Reich und das Reichsober-
haupt,
ihm müssen wir die höchste Treue versprechen und ich
werde es mit euch thun, an eurer Spitze,“ — so wäre eine solche
Sprache wahrhaft deutsch und groß gewesen und hätte dem Kö-
nig gewiß die Herzen Vieler in ganz Deutschland gewonnen und
ihm mehr Kraft verliehen, als sein ganzes Heer. Aber so lauten
die Worte nicht. Es heißt: „überall, wo preußische Truppen
für die deutsche Sache.... einzutreten haben, werdet ihr u. s. w.“
Da fragt es sich vorerst: wann und unter welchen Bedingungen
haben denn die preußischen Truppen für die deutsche Sache ein-
zutreten? — Etwa nur wenn Preußen, oder sein König will?
Oder wenn das Reich es fordert, es gebietet? — Kurz vorher
heißt es zwar: „für alle gemeinsame Zwecke wird es ( Preußen )
daher aufrichtig seine Ehre daran setzen, den Frieden, die Frei-
heit und die Unabhängigkeit der deutschen Nation durch seine
Armee mit allen deutschen Brüdern nachdrücklich zu schützen.“
Aber das genügt nicht: es ist recht, daß Preußen seine Ehre
darin finde, ein Vorkämpfer für Deutschland zu seyn; allein
es hat darin nicht blos eine Ehrensache, sondern eine strenge
Pflicht
zu erblicken; und ob eine gemeinsame deutsche Sache
[Ende Spaltensatz]

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[0001] Mainzer Journal. Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs- blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an; für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben- falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet. Nro 52. Sonntag, den 6. August. 1848. Der preußische Armeebefehl vom 29. Juli 1848. == Es kann nicht oft genug darauf aufmerksam gemacht wer- den, daß wir nicht in einer Zeit geordneter, legitimer Verhält- nisse, sondern in einer Uebergangsperiode leben, in welcher zuerst eine neue legitime Ordnung sich gestalten soll. Der Grund aller positiven Ordnung aber ist die That. Entspricht die That eines- theils dem ewigen Recht und anderntheils den gegebenen Verhält- nissen und den Bedürfnissen der Nation, verwirklicht sich in ihr eine große Jdee, welche auf die Dauer die Gemüther zu vereini- gen und zu beherrschen geeignet ist, so ist kein Zweifel, daß sie fortan den Grund einer neuen positiven Rechtsordnung bilden wird. Jn dieser Weise gestaltet sich jetzt das neue deutsche Reich. Mit Willen und Einwilligung der ganzen deutschen Nation, ihre Fürsten mit einbegriffen, ist die Nationalversammlung zu- sammengetreten und hat zur Handhabung der Reichsgewalt in der Person Johann's von Oesterreich einen Reichsverweser er- nannt. Das war die erste entscheidende That, welche, so sie Be- stand hält, über die ganze künftige Gestaltung der deutschen Ver- fassung entscheidet. Es ist damit ausgesprochen 1 ) daß fortan Deutschland nicht mehr einen Bund souveräner Staaten, sondern ein Einiges Reich bildet; 2 ) daß zwar die bisherigen Einzel- staaten mit ihren Fürsten im Allgemeinen bestehen bleiben, aber dem Reich und der Reichsgewalt untergeordnet seyn sollen; 3 ) die Reichsgewalt aber liegt in der Hand des Reichsoberhauptes und des Reichstages, — in jenem ist das monarchische, in diesem das demokratische Element repräsentirt; jenem steht die executive, diesem die gesetzgebende Gewalt zu; unabhängig von beiden aber und nur dem Gesetz unterworfen wird das höchste Reichsgericht fortan die richterliche Gewalt üben. Die erste entscheidende That zur Constituirung des Reiches ist mithin von der Nationalver- sammlung ausgegangen; die zweite That geht aus und muß aus- gehen von dem Reichsverweser, indem derselbe factisch von seiner Gewalt Besitz ergreift, und diese That hat er vollbracht durch den von seinem Kriegsministerium ausgegangenen Befehl an die Truppen aller Einzelstaaten, heute als am 6. August ihm als ihrem höchsten Oberhaupte und Befehlshaber zu huldigen. Wo- her hatte der Reichsverweser das Recht eine solche Forderung zu stellen? Welches Gesetz gewährt ihm diese Befugniß? Antwort: Kein geschriebener Buchstabe gibt ihm dies Recht, — allein dasselbe Recht hat er dazu, welches die Nationalversamm- lung hatte ihn zu rnennen. Von der Nation zu ihrem Ober- haupt erhoben, ergreift er Kraft der ihm dadurch verliehenen Gewalt, ohne den geschriebenen Buchstaben der Reichsverfas- sung abzuwarten, thatsächlich das Schwert des Reiches, er wen- det sich an alle deutschen Truppen und erwartet von ihnen densel- ben Patriotismus, dieselbe deutsche Gesinnung, welche der Ge- neral Wrangel an den Tag gelegt, da er erklärte, daß er fortan nicht mehr das Ministerium in Berlin, sondern den Reichsver- weser als seine oberste Behörde anerkenne. Es ergeht demnach an die gesammten deutschen Truppen am 6. August eine große Forderung: sie, ein so wesentlicher Theil der Nation, sollen durch ihre freiwillige Huldigung die Constituirung des einigen deutschen Reiches vollenden. Leider hat ein Theil des preußischen Heeres und seiner Be- fehlshaber nicht den Geist Wrangels an den Tag gelegt; viel- mehr hat sich nur zu deutlich der Wille kund gegeben, dem Reichs- oberhaupte nicht zu huldigen, sondern auch fortan, wie zur Zeit des Bundestages und der absoluten preußischen Souveränetät, den König von Preußen allein, wie die Wehrzeitung sich aus- drückt, als „den höchsten Kriegsfürsten“ anzuerkennen und ihm allein Folge zu leisten. Der hieraus am 6. August leichtlich sich ergebenden unheilvollen Spaltung wollte ohne Zweifel der König Friedrich Wilhelm IV. durch seinen Armeebefehl vom 29. Juli 1848 ( siehe unser Blatt vom 3. August ) begegnen, und in- sofern ist dieser Armeebefehl ohne Zweifel lobenswerth. Da- gegen leidet er wiederum an einer so eigenthümlichen __________Dunkelheit und Zweideutigkeit, daß es uns leid thut, nicht blos um der deutschen Sache, sondern auch um des Wohles Preußens und sei- nes Regenten willen. Die Worte: „Jch habe mich für die Wahl Sr. K. K. Hoheit des Erzherzogs Johann ausgesprochen, nicht nur weil dieser Fürst mein persönlicher Freund ist, sondern auch weil er in Krieg und Frieden einen glorreichen Namen sich erwor- ben hat,“ sind unserer Ansicht nach ungefährlich: denn da be- kanntlich die Wahl des Reichsverwesers von der Nationalver- sammlung ausgegangen ist, so kann darin nichts Anderes gefun- den werden, als daß der König dieser Wahl nicht blos beipflichte, sondern auch persönlich sie gewünscht und dafür sich ausgesprochen habe. Besser allerdings hätte es uns gefallen, wenn einfach und offen gesagt wäre: „der von der Nationalversammlung getrof- fenen Wahl pflichte ich, so viel an mir liegt, vollkommen bei,“ und es wäre dadurch dem Parlament volles Recht widerfahren, ohne den etwaigen Rechten des Königs etwas zu vergeben. Die anstößige Stelle aber ist der Schluß des Armeebefehls: „ Sol- daten! Ueberall, wo preußische Truppen für die deutsche Sache einzutreten und nach meinem Befehl Sr. Kais. Königl. Hoheit dem Reichsverweser sich unterzuordnen haben, wer- det Jhr den Ruhm preußischer Tapferkeit und Disciplin treu bewahren, siegreich bewähren!“ Was heißt das? Bis- her war ohne Zweifel der König von Preußen der höchste Be- fehlshaber seiner Armee, und über ihm gab es keinen höheren. Es gab ja kein deutsches Reich, kein Oberhaupt Deutschlands, der Bundestag stand nicht als höhere Einheit über den Bundes- staaten, sondern er war den Fürsten untergeben. Jetzt hat sich das Verhältniß gerade umgekehrt — und nun kommt der Reichs- verweser, stellt sich den deutschen Truppen aller Einzelstaaten als ihren höchsten Befehlshaber und „Kriegsherrn“ vor und verlangt von ihnen die Huldigung. Dagegen gibt sich in einem Theile des preußischen Heeres Widerstreben kund. Wenn nun der Kö- nig also zu seinen Soldaten gesprochen hätte: „Soldaten, ich, euer bisheriges höchstes Oberhaupt, ich befehle euch, un- serem Reichsverweser die Huldigung zu leisten, ich will seyn und bin auch fortan euer Anführer, euer Kriegsherzog — aber über mir und euch steht das Reich und das Reichsober- haupt, ihm müssen wir die höchste Treue versprechen und ich werde es mit euch thun, an eurer Spitze,“ — so wäre eine solche Sprache wahrhaft deutsch und groß gewesen und hätte dem Kö- nig gewiß die Herzen Vieler in ganz Deutschland gewonnen und ihm mehr Kraft verliehen, als sein ganzes Heer. Aber so lauten die Worte nicht. Es heißt: „überall, wo preußische Truppen für die deutsche Sache.... einzutreten haben, werdet ihr u. s. w.“ Da fragt es sich vorerst: wann und unter welchen Bedingungen haben denn die preußischen Truppen für die deutsche Sache ein- zutreten? — Etwa nur wenn Preußen, oder sein König will? Oder wenn das Reich es fordert, es gebietet? — Kurz vorher heißt es zwar: „für alle gemeinsame Zwecke wird es ( Preußen ) daher aufrichtig seine Ehre daran setzen, den Frieden, die Frei- heit und die Unabhängigkeit der deutschen Nation durch seine Armee mit allen deutschen Brüdern nachdrücklich zu schützen.“ Aber das genügt nicht: es ist recht, daß Preußen seine Ehre darin finde, ein Vorkämpfer für Deutschland zu seyn; allein es hat darin nicht blos eine Ehrensache, sondern eine strenge Pflicht zu erblicken; und ob eine gemeinsame deutsche Sache

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 52. Mainz, 6. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal052_1848/1>, abgerufen am 23.11.2024.