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Mainzer Journal. Nr. 49. Mainz, 3. August 1848.

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[Beginn Spaltensatz] Directe Steuern gehören zu dem Mißliebigster, was der Schwei-
zer kennt, und die durch deren Einführung offen zugestandene
Finanznoth steht im grellen Widerspruch mit den Vorspiegelungen,
womit man das Volk bei der Klosteraufhebung bethört hat. Das
Volk wird sich erinnern, welche Erleichterung man ihm durch die
sieben Millionen confiscirtes Kirchengut versprochen hat,
und wird sich nun billiger Weise fragen, wohin dieser bedeutende
Zuwachs des Staatsvermögens in sieben Jahren gekommen ist.
Jn der 1841 veröffentlichten Aargauer Staatsschrift, die Klöster
betreffend, war -- freilich in unerhörter Entstellung -- gesagt:
die Klöster verbrauchten den Ertrag von sechs Millionen für sich,
während der Staat aus der Rente eines Capitals von zehn
Millionen den öffentlichen Haushalt bestreite und dazu noch für
Kirchen, Schulen und Armen nahe an 300,000 Franken ausgebe.
Jene zehn Millionen sind seit der Zeit um sieben vermehrt worden
-- und heute stehen wir daran, daß directe Steuern decretirt wer-
den, "weil die Einnahmen zur Bestreitung der Ausgaben nicht
ausreichen." Man möchte fragen: wessen Ausgaben? Doch --
wie gwonnen, so zerronnen! Das Volk hat dabei nichts als das
Nachsehen und den Schaden!

Jtalien.

Mailand 29. Juli. Die am 28. d. erwartete republikanische
Demonstration hat nicht stattgefunden; dagegen, heißt es, es [unleserliches Material - 7 Zeichen fehlen]ru-
more unter dem Volke und es könne Auftritte geben. Gestern
ging die Deputation ab, die Frankreichs Hülfe an-
sprechen soll.
Man ist hier in ängstlicher Spannung.

Genua 25. Juli. ( Karlsr. Z. ) Seit einiger Zeit ist hier das
zahlreiche Proletariat in lebhafter Bewegung. Nachdem man
zuerst das Gerücht ausgestreut hatte, daß in den Straßen der
Stadt Fremde herumgingen und den Kindern armer Leute ver-
giftetes Wasser zu trinken gäben, heißt es jetzt, daß die Reichen
den Plan hegten, alle Armen aus der Welt zu schaffen. Die
albernsten Mährchen werden darüber in Umlauf gesetzt und vom
Volke geglaubt. Allem Anschein nach liegt der Sache der Plan
zu Grunde, die Besitzlosen gegen die Besitzenden zu hetzen und
einen Zusammenstoß zwischen beiden herbeizuführen, welcher die
Aussicht auf Plünderung gestattet. Früher schon ist man ähn-
lichen Umtrieben auf die Spur gekommen, und wenn der Pariser
Arbeiteraufstand geglückt wäre, hätten wir wahrscheinlich bereits
ähnliche Auftritte erlebt. Ueberhaupt sind hier die unteren Klas-
sen durch und durch von communistischen Jdeen angesteckt, was
zum Theil der Nähe Frankreichs, zum Theil aber auch dem
Umstande beizumessen ist, daß unser Platz seit einiger Zeit den
Abentheurern aus allen Himmelsgegenden zum Versammlungs-
orte dient.

Frankreich.

* * * Paris 31. Juli. Was glauben Sie wohl hält eben
ganz Frankreich, ich sage nicht: Paris, sondern ganz Frankreich
in Spannung? Nicht der Belagerungszustand, der übrigens
Niemanden als den Barrikadenhelden lästig ist, nicht die gekne-
belte Pariser Presse, nicht das neue Gesetz über die Clubs, son-
dern die nun überall stattfindenden Municipalwahlen, die Wah-
len in die Stadt= und Gemeinderäthe, welche, wie Sie wissen,
durch das neue Gesetz freigegeben worden sind. Die Leute fangen
endlich zu begreifen an, daß all das leere Gefasel über Freiheit
und Republik und Republik und Freiheit ihre eigenen Zu-
stände um kein Haar bessert und daß es gerathener sey, sich
um Gemeinde= und Provinzialangelegenheiten zu bekümmern,
als mit der Stange in einem idealen politischen Nebel her-
umzufahren, der am Ende Niemanden Nutzen bringt als den
Führern, welche so vortrefflich im Trüben zu fischen verstehen.
Die Theilnahme ist aber auch überall sowohl bei Wählern als
bei Wahlcandidaten außerordentlich groß, viel größer als bei
den Wahlen zur Nationalversammlung und in einzelnen Städten,
die nur 27 Gemeinderäthe zu wählen haben, haben sich über 200
notable Bürger als Candidaten gemeldet. Was die Stellung der
Parteien betrifft, so hat man sich an den meisten Orten dahin
verständigt, von den politischen Liebhabereien ganz abzusehen und
nur redliche, wackere Männer zu wählen, ohne Rücksicht dar-
auf, welcher politischen Partei sie angehören.

Der Volksrepräsentant Lucian Murat, Sohn des ehema-
ligen Königs von Neapel, ist mit diplomatischen Aufträgen nach
Jtalien abgereist. Wie der Moniteur de l' Armee berichtet, soll
die Alpenarmee um eine Jnfanteriedivision verstärkt werden, um
die nach Paris gezogenen Truppen zu ersetzen.

Die angekündigten Jnterpellationen Mauguins über die aus-
wärtigen Angelegenheiten scheinen dem Ministerium ungelegen
zu kommen: der National gibt sich wenigstens alle Mühe sie schon
zum voraus als eine baare Zeitverschwendung und -- bei der
gegenwärtigen Lage der Dinge -- als einen politischen Fehlgriff
[Spaltenumbruch] zu bezeichnen. Die Minister der Republick scheinen demnach nicht
besonders dazu aufgelegt zu seyn, Herrn Mauguin auf seine An-
fragen Rede zu stehen.

Nach Lyoner Blättern wird der König von Neapel, wenn
der Herzog von Genua die sicilianische Krone annimmt, ein
Bündniß mit Oesterreich abschließen und Karl Albert den Krieg
erklären. Der neapolitanische Gesandte soll von Turin abberufen
werden, wenn Karl Albert binnen acht Tagen keine bestimmte
Erklärung abgegeben hat.

Von den Pariser Jnsurgenten aus den Junitagen sollen sich
dermalen viele in Rom befinden, ohne daß man eigentlich weiß,
wie sie dahin gekommen sind. Wahrscheinlich hat man die Ab-
sicht dieses "Volk" für einen dort zu führenden großen Schlag
aufzubewahren.

Das "Journal," ein neues Blatt, dessen Haupt=Redacteur
Alphonse Karr ist, enthielt gestern folgenden Artikel: Wenn wir
auf die Vorgänge in Jtalien hinblicken, so fragen wir uns,
ob Frankreich Krieg beginnen wird. Bis jetzt noch macht,
Dank dem Himmel, nichts denselben nothwendig. Krieg ist
stets ein Unglück, denn er führt in seinem Gefolge Elend,
Brandstiftung und Blutbad für beide Parteien. Dem glück-
licheren, dem Sieger nämlich, fällt der kleinere Theil dieser
Heimsuchungen zu; aber auch er hat immer seinen Antheil zu
tragen. Die Franzosen haben nicht nöthig, ihren Muth und
kriegerischen Charakter zu beweisen, und die Opfer der Kano-
nen würden nimmer in zehn Jahren ausrichten, was das Bei-
spiel unserer Freiheit in vier Monaten bewirkt hat. Frankreich kann
keinen Phantasiekrieg führen. Deßhalb wird es taub bleiben
gegen die Stimme von Leuten, welche unaufhörlich von unseren
Siegen, unserem Ruhme, unseren Waffen reden, die aber,
nachdem sie sich selbst im Militärdienste für Geld durch Ver-
treter ersetzen ließen, nun den Wunsch hegen, ohne eigene Gefahr
Lorbeeren in Europa und Paläste in Afrika zu erringen. Die
Lage unserer Finanzen gestattet uns nicht, um solcher Men-
schen willen Krieg zu führen. Wir sagen dies laut und be-
fürchten nicht im geringsten, daß diese Außerung unsere Feinde,
falls wir deren haben, ermuthigen werde. Sie wissen recht gut,
daß, wenn ein ungerechter Uebergriff, eine Beleidigung der Ehre
unseres Landes den Krieg nothwendig machen sollte, die Führer,
welche Frankreich selbst sich gab, nur einen Aufruf an das Land
zu erlassen brauchen, und daß dann alle Städte, alle Landbezirke
zahlreiche Heere zu Kampf und Sieg entsenden werden. Jede
Mutter würde dann ihre Söhne der Republik hingeben und ihre
Armbänder, ihre Ringe in die Münze tragen.

Niederlande.

Vom Niederrhein 27. Juli. Die Sachen verwirren sich im-
mer mehr, denn zu den politischen Verlegenheiten kommen jetzt
auch noch die finanziellen. Die Ankündigung einer Steuer auf
Besitzungen und Einkünfte war begleitet mit einer Bemerkung,
daß dies Jahr einen Ausfall von 11 Millionen ergeben werde.
Das ist nicht bloß die Folge der kriegerischen Rüstungen, sondern
namentlich der gestörten Handelsverhältnisse. Der Absatz an ost-
indischen Waaren nach Deutschland hat dies Jahr sehr abgenom-
men, unter andern wurden in den ersten sechs Monaten nur
70,000 Ballen Kaffee nach Deutschland versandt, gegen 300,000
im vorigen Jahr. Jn anderen Zweigen ist der Ausfall nicht so
groß, doch gleichfalls nicht unbedeutend. Es zeigt sich nun die
Unsicherheit des holländischen Finanzwesens, das auf die Zuschüsse
aus den ostindischen Besitzungen gebaut ist, die man auf etwa 14
Mill. anschlägt, die aber nothwendig durch den Gang des Han-
dels bedingt sind. Jn den politischen Fragen ist in den letzten Tagen
kein Schritt geschehen. Doch finden wieder Ministerberathungen
bis tief in die Nacht hinein statt, und lange kann die Entscheidung
nicht ausbleiben. Der Minister der reformirten Confession, Hr.
Lightenveld, ist als königlicher Commissär nach Limburg geschickt,
da die Bewegungen in dieser Provinz, welche den Druck der Ab-
gaben schwer fühlt und sich demselben gern entziehen möchte, auf
einen engen Anschluß an Deutschland hingehen. Man äußert sich
in Holland über die Einmischung der Frankfurter Nationalver-
sammlung in die limburgische Angelegenheit sehr unwillig. Jndeß
weiß die Regierung und die Verständigem im Lande recht gut, daß
man keinen zu harten Ton gegen Deutschland anschlagen darf,
aber verdrießlich ist es den praktischen Holländern, daß eine Ver-
sammlung ohne materielle Macht eine solche Sprache führt. Hätte
sie die nothwendige materielle Macht, man würde schnell zu einem
Einverständniß kommen, nicht aus Furcht, sondern weil man
dann auch wieder einen Rückhalt an Deutschland hätte, so aber
-- um nichts ist der Tod -- wenn man nur Opfer bringen soll
ohne entsprechende Vortheile, so darf sich Niemand verwundern,
wenn nur Mißstimmung erzeugt wird.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. -- Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. -- Druck von Florian Kupferberg.

[Beginn Spaltensatz] Directe Steuern gehören zu dem Mißliebigster, was der Schwei-
zer kennt, und die durch deren Einführung offen zugestandene
Finanznoth steht im grellen Widerspruch mit den Vorspiegelungen,
womit man das Volk bei der Klosteraufhebung bethört hat. Das
Volk wird sich erinnern, welche Erleichterung man ihm durch die
sieben Millionen confiscirtes Kirchengut versprochen hat,
und wird sich nun billiger Weise fragen, wohin dieser bedeutende
Zuwachs des Staatsvermögens in sieben Jahren gekommen ist.
Jn der 1841 veröffentlichten Aargauer Staatsschrift, die Klöster
betreffend, war — freilich in unerhörter Entstellung — gesagt:
die Klöster verbrauchten den Ertrag von sechs Millionen für sich,
während der Staat aus der Rente eines Capitals von zehn
Millionen den öffentlichen Haushalt bestreite und dazu noch für
Kirchen, Schulen und Armen nahe an 300,000 Franken ausgebe.
Jene zehn Millionen sind seit der Zeit um sieben vermehrt worden
— und heute stehen wir daran, daß directe Steuern decretirt wer-
den, „weil die Einnahmen zur Bestreitung der Ausgaben nicht
ausreichen.“ Man möchte fragen: wessen Ausgaben? Doch —
wie gwonnen, so zerronnen! Das Volk hat dabei nichts als das
Nachsehen und den Schaden!

Jtalien.

Mailand 29. Juli. Die am 28. d. erwartete republikanische
Demonstration hat nicht stattgefunden; dagegen, heißt es, es [unleserliches Material – 7 Zeichen fehlen]ru-
more unter dem Volke und es könne Auftritte geben. Gestern
ging die Deputation ab, die Frankreichs Hülfe an-
sprechen soll.
Man ist hier in ängstlicher Spannung.

Genua 25. Juli. ( Karlsr. Z. ) Seit einiger Zeit ist hier das
zahlreiche Proletariat in lebhafter Bewegung. Nachdem man
zuerst das Gerücht ausgestreut hatte, daß in den Straßen der
Stadt Fremde herumgingen und den Kindern armer Leute ver-
giftetes Wasser zu trinken gäben, heißt es jetzt, daß die Reichen
den Plan hegten, alle Armen aus der Welt zu schaffen. Die
albernsten Mährchen werden darüber in Umlauf gesetzt und vom
Volke geglaubt. Allem Anschein nach liegt der Sache der Plan
zu Grunde, die Besitzlosen gegen die Besitzenden zu hetzen und
einen Zusammenstoß zwischen beiden herbeizuführen, welcher die
Aussicht auf Plünderung gestattet. Früher schon ist man ähn-
lichen Umtrieben auf die Spur gekommen, und wenn der Pariser
Arbeiteraufstand geglückt wäre, hätten wir wahrscheinlich bereits
ähnliche Auftritte erlebt. Ueberhaupt sind hier die unteren Klas-
sen durch und durch von communistischen Jdeen angesteckt, was
zum Theil der Nähe Frankreichs, zum Theil aber auch dem
Umstande beizumessen ist, daß unser Platz seit einiger Zeit den
Abentheurern aus allen Himmelsgegenden zum Versammlungs-
orte dient.

Frankreich.

* * * Paris 31. Juli. Was glauben Sie wohl hält eben
ganz Frankreich, ich sage nicht: Paris, sondern ganz Frankreich
in Spannung? Nicht der Belagerungszustand, der übrigens
Niemanden als den Barrikadenhelden lästig ist, nicht die gekne-
belte Pariser Presse, nicht das neue Gesetz über die Clubs, son-
dern die nun überall stattfindenden Municipalwahlen, die Wah-
len in die Stadt= und Gemeinderäthe, welche, wie Sie wissen,
durch das neue Gesetz freigegeben worden sind. Die Leute fangen
endlich zu begreifen an, daß all das leere Gefasel über Freiheit
und Republik und Republik und Freiheit ihre eigenen Zu-
stände um kein Haar bessert und daß es gerathener sey, sich
um Gemeinde= und Provinzialangelegenheiten zu bekümmern,
als mit der Stange in einem idealen politischen Nebel her-
umzufahren, der am Ende Niemanden Nutzen bringt als den
Führern, welche so vortrefflich im Trüben zu fischen verstehen.
Die Theilnahme ist aber auch überall sowohl bei Wählern als
bei Wahlcandidaten außerordentlich groß, viel größer als bei
den Wahlen zur Nationalversammlung und in einzelnen Städten,
die nur 27 Gemeinderäthe zu wählen haben, haben sich über 200
notable Bürger als Candidaten gemeldet. Was die Stellung der
Parteien betrifft, so hat man sich an den meisten Orten dahin
verständigt, von den politischen Liebhabereien ganz abzusehen und
nur redliche, wackere Männer zu wählen, ohne Rücksicht dar-
auf, welcher politischen Partei sie angehören.

Der Volksrepräsentant Lucian Murat, Sohn des ehema-
ligen Königs von Neapel, ist mit diplomatischen Aufträgen nach
Jtalien abgereist. Wie der Moniteur de l' Armée berichtet, soll
die Alpenarmee um eine Jnfanteriedivision verstärkt werden, um
die nach Paris gezogenen Truppen zu ersetzen.

Die angekündigten Jnterpellationen Mauguins über die aus-
wärtigen Angelegenheiten scheinen dem Ministerium ungelegen
zu kommen: der National gibt sich wenigstens alle Mühe sie schon
zum voraus als eine baare Zeitverschwendung und — bei der
gegenwärtigen Lage der Dinge — als einen politischen Fehlgriff
[Spaltenumbruch] zu bezeichnen. Die Minister der Republick scheinen demnach nicht
besonders dazu aufgelegt zu seyn, Herrn Mauguin auf seine An-
fragen Rede zu stehen.

Nach Lyoner Blättern wird der König von Neapel, wenn
der Herzog von Genua die sicilianische Krone annimmt, ein
Bündniß mit Oesterreich abschließen und Karl Albert den Krieg
erklären. Der neapolitanische Gesandte soll von Turin abberufen
werden, wenn Karl Albert binnen acht Tagen keine bestimmte
Erklärung abgegeben hat.

Von den Pariser Jnsurgenten aus den Junitagen sollen sich
dermalen viele in Rom befinden, ohne daß man eigentlich weiß,
wie sie dahin gekommen sind. Wahrscheinlich hat man die Ab-
sicht dieses „Volk“ für einen dort zu führenden großen Schlag
aufzubewahren.

Das „Journal,“ ein neues Blatt, dessen Haupt=Redacteur
Alphonse Karr ist, enthielt gestern folgenden Artikel: Wenn wir
auf die Vorgänge in Jtalien hinblicken, so fragen wir uns,
ob Frankreich Krieg beginnen wird. Bis jetzt noch macht,
Dank dem Himmel, nichts denselben nothwendig. Krieg ist
stets ein Unglück, denn er führt in seinem Gefolge Elend,
Brandstiftung und Blutbad für beide Parteien. Dem glück-
licheren, dem Sieger nämlich, fällt der kleinere Theil dieser
Heimsuchungen zu; aber auch er hat immer seinen Antheil zu
tragen. Die Franzosen haben nicht nöthig, ihren Muth und
kriegerischen Charakter zu beweisen, und die Opfer der Kano-
nen würden nimmer in zehn Jahren ausrichten, was das Bei-
spiel unserer Freiheit in vier Monaten bewirkt hat. Frankreich kann
keinen Phantasiekrieg führen. Deßhalb wird es taub bleiben
gegen die Stimme von Leuten, welche unaufhörlich von unseren
Siegen, unserem Ruhme, unseren Waffen reden, die aber,
nachdem sie sich selbst im Militärdienste für Geld durch Ver-
treter ersetzen ließen, nun den Wunsch hegen, ohne eigene Gefahr
Lorbeeren in Europa und Paläste in Afrika zu erringen. Die
Lage unserer Finanzen gestattet uns nicht, um solcher Men-
schen willen Krieg zu führen. Wir sagen dies laut und be-
fürchten nicht im geringsten, daß diese Außerung unsere Feinde,
falls wir deren haben, ermuthigen werde. Sie wissen recht gut,
daß, wenn ein ungerechter Uebergriff, eine Beleidigung der Ehre
unseres Landes den Krieg nothwendig machen sollte, die Führer,
welche Frankreich selbst sich gab, nur einen Aufruf an das Land
zu erlassen brauchen, und daß dann alle Städte, alle Landbezirke
zahlreiche Heere zu Kampf und Sieg entsenden werden. Jede
Mutter würde dann ihre Söhne der Republik hingeben und ihre
Armbänder, ihre Ringe in die Münze tragen.

Niederlande.

Vom Niederrhein 27. Juli. Die Sachen verwirren sich im-
mer mehr, denn zu den politischen Verlegenheiten kommen jetzt
auch noch die finanziellen. Die Ankündigung einer Steuer auf
Besitzungen und Einkünfte war begleitet mit einer Bemerkung,
daß dies Jahr einen Ausfall von 11 Millionen ergeben werde.
Das ist nicht bloß die Folge der kriegerischen Rüstungen, sondern
namentlich der gestörten Handelsverhältnisse. Der Absatz an ost-
indischen Waaren nach Deutschland hat dies Jahr sehr abgenom-
men, unter andern wurden in den ersten sechs Monaten nur
70,000 Ballen Kaffee nach Deutschland versandt, gegen 300,000
im vorigen Jahr. Jn anderen Zweigen ist der Ausfall nicht so
groß, doch gleichfalls nicht unbedeutend. Es zeigt sich nun die
Unsicherheit des holländischen Finanzwesens, das auf die Zuschüsse
aus den ostindischen Besitzungen gebaut ist, die man auf etwa 14
Mill. anschlägt, die aber nothwendig durch den Gang des Han-
dels bedingt sind. Jn den politischen Fragen ist in den letzten Tagen
kein Schritt geschehen. Doch finden wieder Ministerberathungen
bis tief in die Nacht hinein statt, und lange kann die Entscheidung
nicht ausbleiben. Der Minister der reformirten Confession, Hr.
Lightenveld, ist als königlicher Commissär nach Limburg geschickt,
da die Bewegungen in dieser Provinz, welche den Druck der Ab-
gaben schwer fühlt und sich demselben gern entziehen möchte, auf
einen engen Anschluß an Deutschland hingehen. Man äußert sich
in Holland über die Einmischung der Frankfurter Nationalver-
sammlung in die limburgische Angelegenheit sehr unwillig. Jndeß
weiß die Regierung und die Verständigem im Lande recht gut, daß
man keinen zu harten Ton gegen Deutschland anschlagen darf,
aber verdrießlich ist es den praktischen Holländern, daß eine Ver-
sammlung ohne materielle Macht eine solche Sprache führt. Hätte
sie die nothwendige materielle Macht, man würde schnell zu einem
Einverständniß kommen, nicht aus Furcht, sondern weil man
dann auch wieder einen Rückhalt an Deutschland hätte, so aber
— um nichts ist der Tod — wenn man nur Opfer bringen soll
ohne entsprechende Vortheile, so darf sich Niemand verwundern,
wenn nur Mißstimmung erzeugt wird.

[Ende Spaltensatz]

Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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[0004] Directe Steuern gehören zu dem Mißliebigster, was der Schwei- zer kennt, und die durch deren Einführung offen zugestandene Finanznoth steht im grellen Widerspruch mit den Vorspiegelungen, womit man das Volk bei der Klosteraufhebung bethört hat. Das Volk wird sich erinnern, welche Erleichterung man ihm durch die sieben Millionen confiscirtes Kirchengut versprochen hat, und wird sich nun billiger Weise fragen, wohin dieser bedeutende Zuwachs des Staatsvermögens in sieben Jahren gekommen ist. Jn der 1841 veröffentlichten Aargauer Staatsschrift, die Klöster betreffend, war — freilich in unerhörter Entstellung — gesagt: die Klöster verbrauchten den Ertrag von sechs Millionen für sich, während der Staat aus der Rente eines Capitals von zehn Millionen den öffentlichen Haushalt bestreite und dazu noch für Kirchen, Schulen und Armen nahe an 300,000 Franken ausgebe. Jene zehn Millionen sind seit der Zeit um sieben vermehrt worden — und heute stehen wir daran, daß directe Steuern decretirt wer- den, „weil die Einnahmen zur Bestreitung der Ausgaben nicht ausreichen.“ Man möchte fragen: wessen Ausgaben? Doch — wie gwonnen, so zerronnen! Das Volk hat dabei nichts als das Nachsehen und den Schaden! Jtalien. Mailand 29. Juli. Die am 28. d. erwartete republikanische Demonstration hat nicht stattgefunden; dagegen, heißt es, es _______ru- more unter dem Volke und es könne Auftritte geben. Gestern ging die Deputation ab, die Frankreichs Hülfe an- sprechen soll. Man ist hier in ängstlicher Spannung. Genua 25. Juli. ( Karlsr. Z. ) Seit einiger Zeit ist hier das zahlreiche Proletariat in lebhafter Bewegung. Nachdem man zuerst das Gerücht ausgestreut hatte, daß in den Straßen der Stadt Fremde herumgingen und den Kindern armer Leute ver- giftetes Wasser zu trinken gäben, heißt es jetzt, daß die Reichen den Plan hegten, alle Armen aus der Welt zu schaffen. Die albernsten Mährchen werden darüber in Umlauf gesetzt und vom Volke geglaubt. Allem Anschein nach liegt der Sache der Plan zu Grunde, die Besitzlosen gegen die Besitzenden zu hetzen und einen Zusammenstoß zwischen beiden herbeizuführen, welcher die Aussicht auf Plünderung gestattet. Früher schon ist man ähn- lichen Umtrieben auf die Spur gekommen, und wenn der Pariser Arbeiteraufstand geglückt wäre, hätten wir wahrscheinlich bereits ähnliche Auftritte erlebt. Ueberhaupt sind hier die unteren Klas- sen durch und durch von communistischen Jdeen angesteckt, was zum Theil der Nähe Frankreichs, zum Theil aber auch dem Umstande beizumessen ist, daß unser Platz seit einiger Zeit den Abentheurern aus allen Himmelsgegenden zum Versammlungs- orte dient. Frankreich. * * * Paris 31. Juli. Was glauben Sie wohl hält eben ganz Frankreich, ich sage nicht: Paris, sondern ganz Frankreich in Spannung? Nicht der Belagerungszustand, der übrigens Niemanden als den Barrikadenhelden lästig ist, nicht die gekne- belte Pariser Presse, nicht das neue Gesetz über die Clubs, son- dern die nun überall stattfindenden Municipalwahlen, die Wah- len in die Stadt= und Gemeinderäthe, welche, wie Sie wissen, durch das neue Gesetz freigegeben worden sind. Die Leute fangen endlich zu begreifen an, daß all das leere Gefasel über Freiheit und Republik und Republik und Freiheit ihre eigenen Zu- stände um kein Haar bessert und daß es gerathener sey, sich um Gemeinde= und Provinzialangelegenheiten zu bekümmern, als mit der Stange in einem idealen politischen Nebel her- umzufahren, der am Ende Niemanden Nutzen bringt als den Führern, welche so vortrefflich im Trüben zu fischen verstehen. Die Theilnahme ist aber auch überall sowohl bei Wählern als bei Wahlcandidaten außerordentlich groß, viel größer als bei den Wahlen zur Nationalversammlung und in einzelnen Städten, die nur 27 Gemeinderäthe zu wählen haben, haben sich über 200 notable Bürger als Candidaten gemeldet. Was die Stellung der Parteien betrifft, so hat man sich an den meisten Orten dahin verständigt, von den politischen Liebhabereien ganz abzusehen und nur redliche, wackere Männer zu wählen, ohne Rücksicht dar- auf, welcher politischen Partei sie angehören. Der Volksrepräsentant Lucian Murat, Sohn des ehema- ligen Königs von Neapel, ist mit diplomatischen Aufträgen nach Jtalien abgereist. Wie der Moniteur de l' Armée berichtet, soll die Alpenarmee um eine Jnfanteriedivision verstärkt werden, um die nach Paris gezogenen Truppen zu ersetzen. Die angekündigten Jnterpellationen Mauguins über die aus- wärtigen Angelegenheiten scheinen dem Ministerium ungelegen zu kommen: der National gibt sich wenigstens alle Mühe sie schon zum voraus als eine baare Zeitverschwendung und — bei der gegenwärtigen Lage der Dinge — als einen politischen Fehlgriff zu bezeichnen. Die Minister der Republick scheinen demnach nicht besonders dazu aufgelegt zu seyn, Herrn Mauguin auf seine An- fragen Rede zu stehen. Nach Lyoner Blättern wird der König von Neapel, wenn der Herzog von Genua die sicilianische Krone annimmt, ein Bündniß mit Oesterreich abschließen und Karl Albert den Krieg erklären. Der neapolitanische Gesandte soll von Turin abberufen werden, wenn Karl Albert binnen acht Tagen keine bestimmte Erklärung abgegeben hat. Von den Pariser Jnsurgenten aus den Junitagen sollen sich dermalen viele in Rom befinden, ohne daß man eigentlich weiß, wie sie dahin gekommen sind. Wahrscheinlich hat man die Ab- sicht dieses „Volk“ für einen dort zu führenden großen Schlag aufzubewahren. Das „Journal,“ ein neues Blatt, dessen Haupt=Redacteur Alphonse Karr ist, enthielt gestern folgenden Artikel: Wenn wir auf die Vorgänge in Jtalien hinblicken, so fragen wir uns, ob Frankreich Krieg beginnen wird. Bis jetzt noch macht, Dank dem Himmel, nichts denselben nothwendig. Krieg ist stets ein Unglück, denn er führt in seinem Gefolge Elend, Brandstiftung und Blutbad für beide Parteien. Dem glück- licheren, dem Sieger nämlich, fällt der kleinere Theil dieser Heimsuchungen zu; aber auch er hat immer seinen Antheil zu tragen. Die Franzosen haben nicht nöthig, ihren Muth und kriegerischen Charakter zu beweisen, und die Opfer der Kano- nen würden nimmer in zehn Jahren ausrichten, was das Bei- spiel unserer Freiheit in vier Monaten bewirkt hat. Frankreich kann keinen Phantasiekrieg führen. Deßhalb wird es taub bleiben gegen die Stimme von Leuten, welche unaufhörlich von unseren Siegen, unserem Ruhme, unseren Waffen reden, die aber, nachdem sie sich selbst im Militärdienste für Geld durch Ver- treter ersetzen ließen, nun den Wunsch hegen, ohne eigene Gefahr Lorbeeren in Europa und Paläste in Afrika zu erringen. Die Lage unserer Finanzen gestattet uns nicht, um solcher Men- schen willen Krieg zu führen. Wir sagen dies laut und be- fürchten nicht im geringsten, daß diese Außerung unsere Feinde, falls wir deren haben, ermuthigen werde. Sie wissen recht gut, daß, wenn ein ungerechter Uebergriff, eine Beleidigung der Ehre unseres Landes den Krieg nothwendig machen sollte, die Führer, welche Frankreich selbst sich gab, nur einen Aufruf an das Land zu erlassen brauchen, und daß dann alle Städte, alle Landbezirke zahlreiche Heere zu Kampf und Sieg entsenden werden. Jede Mutter würde dann ihre Söhne der Republik hingeben und ihre Armbänder, ihre Ringe in die Münze tragen. Niederlande. Vom Niederrhein 27. Juli. Die Sachen verwirren sich im- mer mehr, denn zu den politischen Verlegenheiten kommen jetzt auch noch die finanziellen. Die Ankündigung einer Steuer auf Besitzungen und Einkünfte war begleitet mit einer Bemerkung, daß dies Jahr einen Ausfall von 11 Millionen ergeben werde. Das ist nicht bloß die Folge der kriegerischen Rüstungen, sondern namentlich der gestörten Handelsverhältnisse. Der Absatz an ost- indischen Waaren nach Deutschland hat dies Jahr sehr abgenom- men, unter andern wurden in den ersten sechs Monaten nur 70,000 Ballen Kaffee nach Deutschland versandt, gegen 300,000 im vorigen Jahr. Jn anderen Zweigen ist der Ausfall nicht so groß, doch gleichfalls nicht unbedeutend. Es zeigt sich nun die Unsicherheit des holländischen Finanzwesens, das auf die Zuschüsse aus den ostindischen Besitzungen gebaut ist, die man auf etwa 14 Mill. anschlägt, die aber nothwendig durch den Gang des Han- dels bedingt sind. Jn den politischen Fragen ist in den letzten Tagen kein Schritt geschehen. Doch finden wieder Ministerberathungen bis tief in die Nacht hinein statt, und lange kann die Entscheidung nicht ausbleiben. Der Minister der reformirten Confession, Hr. Lightenveld, ist als königlicher Commissär nach Limburg geschickt, da die Bewegungen in dieser Provinz, welche den Druck der Ab- gaben schwer fühlt und sich demselben gern entziehen möchte, auf einen engen Anschluß an Deutschland hingehen. Man äußert sich in Holland über die Einmischung der Frankfurter Nationalver- sammlung in die limburgische Angelegenheit sehr unwillig. Jndeß weiß die Regierung und die Verständigem im Lande recht gut, daß man keinen zu harten Ton gegen Deutschland anschlagen darf, aber verdrießlich ist es den praktischen Holländern, daß eine Ver- sammlung ohne materielle Macht eine solche Sprache führt. Hätte sie die nothwendige materielle Macht, man würde schnell zu einem Einverständniß kommen, nicht aus Furcht, sondern weil man dann auch wieder einen Rückhalt an Deutschland hätte, so aber — um nichts ist der Tod — wenn man nur Opfer bringen soll ohne entsprechende Vortheile, so darf sich Niemand verwundern, wenn nur Mißstimmung erzeugt wird. Redacteur: Franz Sausen. — Verlag von Kirchheim und Schott in Mainz. — Druck von Florian Kupferberg.

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Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 49. Mainz, 3. August 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal049_1848/4>, abgerufen am 23.11.2024.