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Mainzer Journal. Nr. 39. Mainz, 24. Juli 1848.

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Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den "Rheinischen Unterhaltungs-
blättern " schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 39. Montag, den 24. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Wie kann dem gegenwärtigen Nothstande abge-
holfen werden 1) ?

== Wohl Alle sind darüber einverstanden, daß weniger der
Mangel an baarem Gelde, obgleich durch den Ankauf auslän-
discher Früchte beträchtliche Summen ausgeführt werden mußten,
die gegenwärtige Noth herbeigeführt hat, als vielmehr der gänz-
liche Mangel an Vertrauen. Wir müssen uns indessen
darüber klarer und unzweideutiger aussprechen. Nicht das Ver-
trauen in die Redlichkeit der Menschen -- denn wodurch wäre
dieser allgemeine moralische Bankerott so plötzlich herbeigeführt
worden? -- sondern das Vertrauen in und auf die Zeitverhält-
nisse ist geschwunden. Aengstliche Gemüther, und ihr Name ist
Legion, hegen kaum die Hoffnung, daß nach einer so gewaltigen
und tief gehenden Erschütterung die Ruhe und gesetzliche Ord-
nung in Bälde und auf die Dauer wiederhergestellt, daß ein all-
gemeiner Friede mit seinen segenreichen Folgen erlangt und fest-
gegründet werden könne. Sind diese Besorgnisse der großen
Mehrzahl ganz und gar grundlos? Dies zu behaupten, wird
keinem Besonnenen einfallen; dagegen ist es auch gewiß, daß es
wirksame Mittel gibt, jene Furcht zu zerstreuen und eine bessere
Zukunft in nicht allzuweiter Ferne herbeizuführen; nur müssen
Alle mit vereinten Kräften dazu mitwirken.

Es ist eine grundfalsche Ansicht, daß es in den Händen, in
der Gewalt Einzelner, dieses oder jenen Standes liege, der all-
gemeinen Noth kräftig und bleibend zu steuern. Oder werden
wir etwa sagen, wie denn dies von den Wühlern, von Com-
munisten und Freunden der socialistischen Republik den Prole-
tariern fort und fort eingeredet wird, die Reichen, die Besitzen-
den könnten bei einigem guten Willen helfen? Der tiefste und
letzte Grund der gegenwärtigen Noth liegt ja nicht in dem Man-
gel an Geld, sondern in der Creditlosigkeit. Aber auch das
Erstere angenommen, ist denn nicht der Reichthum eine Quelle,
die unrettbar versiegen muß, wenn sie nur Wasser ausströmt,
ohne wenigstens in gleichem Verhältniß neues in sich aufzuneh-
men? Auch nicht auf einzelne Maßregeln zur Hebung des Han-
dels und der Gewerbe, welcher Art sie seyn und von wem immer
sie ausgehen mögen, von Vereinen, von den Regierungen der
einzelnen Länder und selbst von der deutschen Nationalversamm-
lung, dürfen wir alle Hoffnung bauen; seyen sie auch die zweck-
und zeitgemäßesten, sie werden nur dann ihre Wirkung nicht ver-
fehlen, wenn die Verhältnisse im Großen und Ganzen geordnet,
wenn der bis jetzt unter unseren Füßen wankende Boden befestiget,
wenn den Gesetzen der schuldige Gehorsam gezollt, den recht-
mäßigen Behörden die Achtung nicht entzogen wird. Fassen wir
jedoch im Einzelnen die Hauptmittel näher ins Auge, durch
welche sicher, aber durch welche auch nur geholfen werden kann.

Einmal hat von Seiten der Regierungen in Bälde, in mög-
lichst kürzester Zeitfrist Alles zu geschehen, wodurch die gerechten
Wünsche und Forderungen des Volkes befriediget und erfüllt
werden. Eine Zögerung darin, wenn sie nicht durch die unbe-
dingte Nothwendigkeit der reiflichsten und allseitigsten Erwägung
in den Augen aller Einsichtsvollen und billig Urtheilenden gerecht-
fertiget erscheint, trägt wesentlich dazu bei, das vorhandene, von
alter Zeit her sehr wohl begründete und jetzt vielfach genährte
Mißtrauen des Volkes in die Absichten der Regierungen zu un-
terhalten und die Hoffnung auf eine demnächste und solide Be-
festigung der Verhältnisse immer weiter zurückzudrängen. So
lange aber die Regierungen ihrer Seits durch Beachtung der ge-

[Spaltenumbruch] rechten Wünsche und Forderungen dem Volke diese sichere Aus-
sicht nicht bieten, so lange wird das geschwundene Vertrauen und
mit ihm die Wiederbelebung des Handels und der Gewerbe nicht
rückkehren.

Was von den einzelnen Regierungen, gilt in einem noch
höheren Grade von der constituirenden Nationalversammlung in
Frankfurt. Wir gehören nicht zu Denen, welche von Anfang an
den Wahn gehegt, daß in wenigen Wochen das große Verfas-
sungswerk zu Stande gebracht werden könne; wir haben einen
gewissen Ueberblick über den Umfang der Vorarbeiten, wir ver-
hehlen uns nicht, daß es höchst schwierig sey, auf einem ganz
neuen Wege voranzuschreiten, und dabei doch den bestehenden
Verhältnissen, den Nationalitäten u. s. w. gebührende Rechnung
zu tragen; dessenungeachtet sind wir der Meinung, daß in man-
chen Dingen größere Eile statt finden könne; daß bei Unwich-
tigem oder gar Ungehörigem allzulange Verhandlung gepflogen
werde; daß Abweichungen von dem Hauptzwecke der Versamm-
lung bisweilen den größeren Theil der kostbaren Zeit hinweg-
nehmen, und daß manche Redner den Verdacht erwecken, als
wollten sie die zu berathenden Gegenstände nicht fördern und auf-
hellen, sondern geradezu verhindern und verwirren. Mögen
die Männer, welche das Vertrauen des Volkes gewählt hat,
wohl bedenken, welch' ernste Verpflichtungen sie gegen dieses
übernommen! Mögen sie nicht vergessen, daß jeder verlorene
Augenblick ein unersetzlicher Verlust sey, daß von Stunde zu
Stunde die Noth im Jnnern und die Gefahr von Außen drohen-
der werde, und daß, um beide abzuwenden, Männer auch
männlich tagen und nicht nur Persönlichkeiten, die sich zur Her-
stellung der deutschen Einheit gar schlecht reimen, sondern auch
allzulange Reden und hohle Phrasen, die nur auf den Beifall eines
gewissen Publikums berechnet sind, vermeiden müssen.

Es leuchtet von selbst ein, wie wesentlich die erwähnten zwei
Hauptfactoren sind; aber es wäre eine arge Täuschung, wollten
wir von ihnen allein und ausschließlich ein günstiges Facit er-
warten; dieses kann vielmehr nur durch das harmonische Zu-
sammenwirken aller Kräfte erzielt werden. Bei einer jeden
größern Bewegung auf dem politischen Gebiete, wenn sie auch
nicht, wie dies in unsern Tagen der Fall ist, alle Länder Europa's
erschüttert, tritt unabwendbar eine augenblickliche Stockung des
Handels und der Gewerbe ein; ist aber die Bewegung der Art,
daß sie nicht einen gewaltsamen Umsturz der bestehenden Verhält-
nisse vorahnen läßt, dann ist auch die Stockung schnell vorüber-
gehend, und nach kurzer Zeit treten wieder alle Geschäfte in ihren
gewohnten Gang zurück. Jm März dieses Jahres war gegrün-
dete Hoffnung vorhanden, daß die gewaltige Gährung einen
friedlichen, segensvollen Verlauf nehmen werde; aber leider!
haben seitdem Ereignisse sich begeben, wodurch jene Hoffnung
getrübt, allen Gemüthern Furcht, Unruhe, Besorgniß eingeflößt,
das Vertrauen auf das Tiefste erschüttert und der Wiederbeginn
des Verkehrs gewaltsam gehemmt wurde. Die undeutsche Schild-
erhebung im badischen Lande, der Bürgerkrieg, welcher dorten
entzündet wurde, hat für Deutschland namenlose Verluste herbei-
geführt. Das verderbliche Unternehmen wird erst in der späteren
Geschichte sein gerechtes Gericht finden und jenen allgemeinen
Abscheu erwecken, den es verdient; aber noch mehr zu beklagen ist
das Bestreben, die Häupter der Verräther und Vaterlandsfeinde
mit Heldenglanz zu krönen, ist die Fortsetzung der Wühlereien,
die theils offen, theils versteckt, ohne Auswahl durch alle erdenk-
lichen, auch durch die allerverwerflichsten Mittel mit rastloser Thä-
tigkeit betrieben werden und einen immer größeren Boden ge-
winnen.

Kann das Vertrauen wiederkehren, wenn durch eine gewisse
[Ende Spaltensatz]

1) Siehe Nro. 23 des Mainzer Journals.
1 ) Siehe Nro. 23 des Mainzer Journals.
Mainzer Journal.


Das Mainzer Journal erscheint täglich ( mit Ausnahme der höchsten Festtage ) und zwar so, daß das Hauptblatt mit den „Rheinischen Unterhaltungs-
blättern “ schon am Vorabende, die ständige Beilage am Vormittage des betreffenden Tages selbst ausgegeben wird. Bestellungen nehmen alle Postämter an;
für Mainz und die nächste Umgebung die Buchhandlung von Kirchheim, Schott und Thielmann am Leichhofe. Der Preiß des Blattes ist hier in Mainz
jährlich 8 fl. in vierteljährigen Vorausbezahlungen von 2 fl.; in dem gesammten Gebiete des Fürstlich Thurn= und Taxisschen Postbezirkes jährlich eben-
falls 8 fl. Jnserate aller Art werden aufgenommen und die dreispaltige Petitzeile oder deren Raum mit 3 kr. berechnet.



Nro 39. Montag, den 24. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Wie kann dem gegenwärtigen Nothstande abge-
holfen werden 1) ?

== Wohl Alle sind darüber einverstanden, daß weniger der
Mangel an baarem Gelde, obgleich durch den Ankauf auslän-
discher Früchte beträchtliche Summen ausgeführt werden mußten,
die gegenwärtige Noth herbeigeführt hat, als vielmehr der gänz-
liche Mangel an Vertrauen. Wir müssen uns indessen
darüber klarer und unzweideutiger aussprechen. Nicht das Ver-
trauen in die Redlichkeit der Menschen — denn wodurch wäre
dieser allgemeine moralische Bankerott so plötzlich herbeigeführt
worden? — sondern das Vertrauen in und auf die Zeitverhält-
nisse ist geschwunden. Aengstliche Gemüther, und ihr Name ist
Legion, hegen kaum die Hoffnung, daß nach einer so gewaltigen
und tief gehenden Erschütterung die Ruhe und gesetzliche Ord-
nung in Bälde und auf die Dauer wiederhergestellt, daß ein all-
gemeiner Friede mit seinen segenreichen Folgen erlangt und fest-
gegründet werden könne. Sind diese Besorgnisse der großen
Mehrzahl ganz und gar grundlos? Dies zu behaupten, wird
keinem Besonnenen einfallen; dagegen ist es auch gewiß, daß es
wirksame Mittel gibt, jene Furcht zu zerstreuen und eine bessere
Zukunft in nicht allzuweiter Ferne herbeizuführen; nur müssen
Alle mit vereinten Kräften dazu mitwirken.

Es ist eine grundfalsche Ansicht, daß es in den Händen, in
der Gewalt Einzelner, dieses oder jenen Standes liege, der all-
gemeinen Noth kräftig und bleibend zu steuern. Oder werden
wir etwa sagen, wie denn dies von den Wühlern, von Com-
munisten und Freunden der socialistischen Republik den Prole-
tariern fort und fort eingeredet wird, die Reichen, die Besitzen-
den könnten bei einigem guten Willen helfen? Der tiefste und
letzte Grund der gegenwärtigen Noth liegt ja nicht in dem Man-
gel an Geld, sondern in der Creditlosigkeit. Aber auch das
Erstere angenommen, ist denn nicht der Reichthum eine Quelle,
die unrettbar versiegen muß, wenn sie nur Wasser ausströmt,
ohne wenigstens in gleichem Verhältniß neues in sich aufzuneh-
men? Auch nicht auf einzelne Maßregeln zur Hebung des Han-
dels und der Gewerbe, welcher Art sie seyn und von wem immer
sie ausgehen mögen, von Vereinen, von den Regierungen der
einzelnen Länder und selbst von der deutschen Nationalversamm-
lung, dürfen wir alle Hoffnung bauen; seyen sie auch die zweck-
und zeitgemäßesten, sie werden nur dann ihre Wirkung nicht ver-
fehlen, wenn die Verhältnisse im Großen und Ganzen geordnet,
wenn der bis jetzt unter unseren Füßen wankende Boden befestiget,
wenn den Gesetzen der schuldige Gehorsam gezollt, den recht-
mäßigen Behörden die Achtung nicht entzogen wird. Fassen wir
jedoch im Einzelnen die Hauptmittel näher ins Auge, durch
welche sicher, aber durch welche auch nur geholfen werden kann.

Einmal hat von Seiten der Regierungen in Bälde, in mög-
lichst kürzester Zeitfrist Alles zu geschehen, wodurch die gerechten
Wünsche und Forderungen des Volkes befriediget und erfüllt
werden. Eine Zögerung darin, wenn sie nicht durch die unbe-
dingte Nothwendigkeit der reiflichsten und allseitigsten Erwägung
in den Augen aller Einsichtsvollen und billig Urtheilenden gerecht-
fertiget erscheint, trägt wesentlich dazu bei, das vorhandene, von
alter Zeit her sehr wohl begründete und jetzt vielfach genährte
Mißtrauen des Volkes in die Absichten der Regierungen zu un-
terhalten und die Hoffnung auf eine demnächste und solide Be-
festigung der Verhältnisse immer weiter zurückzudrängen. So
lange aber die Regierungen ihrer Seits durch Beachtung der ge-

[Spaltenumbruch] rechten Wünsche und Forderungen dem Volke diese sichere Aus-
sicht nicht bieten, so lange wird das geschwundene Vertrauen und
mit ihm die Wiederbelebung des Handels und der Gewerbe nicht
rückkehren.

Was von den einzelnen Regierungen, gilt in einem noch
höheren Grade von der constituirenden Nationalversammlung in
Frankfurt. Wir gehören nicht zu Denen, welche von Anfang an
den Wahn gehegt, daß in wenigen Wochen das große Verfas-
sungswerk zu Stande gebracht werden könne; wir haben einen
gewissen Ueberblick über den Umfang der Vorarbeiten, wir ver-
hehlen uns nicht, daß es höchst schwierig sey, auf einem ganz
neuen Wege voranzuschreiten, und dabei doch den bestehenden
Verhältnissen, den Nationalitäten u. s. w. gebührende Rechnung
zu tragen; dessenungeachtet sind wir der Meinung, daß in man-
chen Dingen größere Eile statt finden könne; daß bei Unwich-
tigem oder gar Ungehörigem allzulange Verhandlung gepflogen
werde; daß Abweichungen von dem Hauptzwecke der Versamm-
lung bisweilen den größeren Theil der kostbaren Zeit hinweg-
nehmen, und daß manche Redner den Verdacht erwecken, als
wollten sie die zu berathenden Gegenstände nicht fördern und auf-
hellen, sondern geradezu verhindern und verwirren. Mögen
die Männer, welche das Vertrauen des Volkes gewählt hat,
wohl bedenken, welch' ernste Verpflichtungen sie gegen dieses
übernommen! Mögen sie nicht vergessen, daß jeder verlorene
Augenblick ein unersetzlicher Verlust sey, daß von Stunde zu
Stunde die Noth im Jnnern und die Gefahr von Außen drohen-
der werde, und daß, um beide abzuwenden, Männer auch
männlich tagen und nicht nur Persönlichkeiten, die sich zur Her-
stellung der deutschen Einheit gar schlecht reimen, sondern auch
allzulange Reden und hohle Phrasen, die nur auf den Beifall eines
gewissen Publikums berechnet sind, vermeiden müssen.

Es leuchtet von selbst ein, wie wesentlich die erwähnten zwei
Hauptfactoren sind; aber es wäre eine arge Täuschung, wollten
wir von ihnen allein und ausschließlich ein günstiges Facit er-
warten; dieses kann vielmehr nur durch das harmonische Zu-
sammenwirken aller Kräfte erzielt werden. Bei einer jeden
größern Bewegung auf dem politischen Gebiete, wenn sie auch
nicht, wie dies in unsern Tagen der Fall ist, alle Länder Europa's
erschüttert, tritt unabwendbar eine augenblickliche Stockung des
Handels und der Gewerbe ein; ist aber die Bewegung der Art,
daß sie nicht einen gewaltsamen Umsturz der bestehenden Verhält-
nisse vorahnen läßt, dann ist auch die Stockung schnell vorüber-
gehend, und nach kurzer Zeit treten wieder alle Geschäfte in ihren
gewohnten Gang zurück. Jm März dieses Jahres war gegrün-
dete Hoffnung vorhanden, daß die gewaltige Gährung einen
friedlichen, segensvollen Verlauf nehmen werde; aber leider!
haben seitdem Ereignisse sich begeben, wodurch jene Hoffnung
getrübt, allen Gemüthern Furcht, Unruhe, Besorgniß eingeflößt,
das Vertrauen auf das Tiefste erschüttert und der Wiederbeginn
des Verkehrs gewaltsam gehemmt wurde. Die undeutsche Schild-
erhebung im badischen Lande, der Bürgerkrieg, welcher dorten
entzündet wurde, hat für Deutschland namenlose Verluste herbei-
geführt. Das verderbliche Unternehmen wird erst in der späteren
Geschichte sein gerechtes Gericht finden und jenen allgemeinen
Abscheu erwecken, den es verdient; aber noch mehr zu beklagen ist
das Bestreben, die Häupter der Verräther und Vaterlandsfeinde
mit Heldenglanz zu krönen, ist die Fortsetzung der Wühlereien,
die theils offen, theils versteckt, ohne Auswahl durch alle erdenk-
lichen, auch durch die allerverwerflichsten Mittel mit rastloser Thä-
tigkeit betrieben werden und einen immer größeren Boden ge-
winnen.

Kann das Vertrauen wiederkehren, wenn durch eine gewisse
[Ende Spaltensatz]

1) Siehe Nro. 23 des Mainzer Journals.
1 ) Siehe Nro. 23 des Mainzer Journals.
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Wie kann dem gegenwärtigen Nothstande abge- holfen werden 1) ? == Wohl Alle sind darüber einverstanden, daß weniger der Mangel an baarem Gelde, obgleich durch den Ankauf auslän- discher Früchte beträchtliche Summen ausgeführt werden mußten, die gegenwärtige Noth herbeigeführt hat, als vielmehr der gänz- liche Mangel an Vertrauen. Wir müssen uns indessen darüber klarer und unzweideutiger aussprechen. Nicht das Ver- trauen in die Redlichkeit der Menschen — denn wodurch wäre dieser allgemeine moralische Bankerott so plötzlich herbeigeführt worden? — sondern das Vertrauen in und auf die Zeitverhält- nisse ist geschwunden. Aengstliche Gemüther, und ihr Name ist Legion, hegen kaum die Hoffnung, daß nach einer so gewaltigen und tief gehenden Erschütterung die Ruhe und gesetzliche Ord- nung in Bälde und auf die Dauer wiederhergestellt, daß ein all- gemeiner Friede mit seinen segenreichen Folgen erlangt und fest- gegründet werden könne. Sind diese Besorgnisse der großen Mehrzahl ganz und gar grundlos? Dies zu behaupten, wird keinem Besonnenen einfallen; dagegen ist es auch gewiß, daß es wirksame Mittel gibt, jene Furcht zu zerstreuen und eine bessere Zukunft in nicht allzuweiter Ferne herbeizuführen; nur müssen Alle mit vereinten Kräften dazu mitwirken. Es ist eine grundfalsche Ansicht, daß es in den Händen, in der Gewalt Einzelner, dieses oder jenen Standes liege, der all- gemeinen Noth kräftig und bleibend zu steuern. Oder werden wir etwa sagen, wie denn dies von den Wühlern, von Com- munisten und Freunden der socialistischen Republik den Prole- tariern fort und fort eingeredet wird, die Reichen, die Besitzen- den könnten bei einigem guten Willen helfen? Der tiefste und letzte Grund der gegenwärtigen Noth liegt ja nicht in dem Man- gel an Geld, sondern in der Creditlosigkeit. Aber auch das Erstere angenommen, ist denn nicht der Reichthum eine Quelle, die unrettbar versiegen muß, wenn sie nur Wasser ausströmt, ohne wenigstens in gleichem Verhältniß neues in sich aufzuneh- men? Auch nicht auf einzelne Maßregeln zur Hebung des Han- dels und der Gewerbe, welcher Art sie seyn und von wem immer sie ausgehen mögen, von Vereinen, von den Regierungen der einzelnen Länder und selbst von der deutschen Nationalversamm- lung, dürfen wir alle Hoffnung bauen; seyen sie auch die zweck- und zeitgemäßesten, sie werden nur dann ihre Wirkung nicht ver- fehlen, wenn die Verhältnisse im Großen und Ganzen geordnet, wenn der bis jetzt unter unseren Füßen wankende Boden befestiget, wenn den Gesetzen der schuldige Gehorsam gezollt, den recht- mäßigen Behörden die Achtung nicht entzogen wird. Fassen wir jedoch im Einzelnen die Hauptmittel näher ins Auge, durch welche sicher, aber durch welche auch nur geholfen werden kann. Einmal hat von Seiten der Regierungen in Bälde, in mög- lichst kürzester Zeitfrist Alles zu geschehen, wodurch die gerechten Wünsche und Forderungen des Volkes befriediget und erfüllt werden. Eine Zögerung darin, wenn sie nicht durch die unbe- dingte Nothwendigkeit der reiflichsten und allseitigsten Erwägung in den Augen aller Einsichtsvollen und billig Urtheilenden gerecht- fertiget erscheint, trägt wesentlich dazu bei, das vorhandene, von alter Zeit her sehr wohl begründete und jetzt vielfach genährte Mißtrauen des Volkes in die Absichten der Regierungen zu un- terhalten und die Hoffnung auf eine demnächste und solide Be- festigung der Verhältnisse immer weiter zurückzudrängen. So lange aber die Regierungen ihrer Seits durch Beachtung der ge- rechten Wünsche und Forderungen dem Volke diese sichere Aus- sicht nicht bieten, so lange wird das geschwundene Vertrauen und mit ihm die Wiederbelebung des Handels und der Gewerbe nicht rückkehren. Was von den einzelnen Regierungen, gilt in einem noch höheren Grade von der constituirenden Nationalversammlung in Frankfurt. Wir gehören nicht zu Denen, welche von Anfang an den Wahn gehegt, daß in wenigen Wochen das große Verfas- sungswerk zu Stande gebracht werden könne; wir haben einen gewissen Ueberblick über den Umfang der Vorarbeiten, wir ver- hehlen uns nicht, daß es höchst schwierig sey, auf einem ganz neuen Wege voranzuschreiten, und dabei doch den bestehenden Verhältnissen, den Nationalitäten u. s. w. gebührende Rechnung zu tragen; dessenungeachtet sind wir der Meinung, daß in man- chen Dingen größere Eile statt finden könne; daß bei Unwich- tigem oder gar Ungehörigem allzulange Verhandlung gepflogen werde; daß Abweichungen von dem Hauptzwecke der Versamm- lung bisweilen den größeren Theil der kostbaren Zeit hinweg- nehmen, und daß manche Redner den Verdacht erwecken, als wollten sie die zu berathenden Gegenstände nicht fördern und auf- hellen, sondern geradezu verhindern und verwirren. Mögen die Männer, welche das Vertrauen des Volkes gewählt hat, wohl bedenken, welch' ernste Verpflichtungen sie gegen dieses übernommen! Mögen sie nicht vergessen, daß jeder verlorene Augenblick ein unersetzlicher Verlust sey, daß von Stunde zu Stunde die Noth im Jnnern und die Gefahr von Außen drohen- der werde, und daß, um beide abzuwenden, Männer auch männlich tagen und nicht nur Persönlichkeiten, die sich zur Her- stellung der deutschen Einheit gar schlecht reimen, sondern auch allzulange Reden und hohle Phrasen, die nur auf den Beifall eines gewissen Publikums berechnet sind, vermeiden müssen. Es leuchtet von selbst ein, wie wesentlich die erwähnten zwei Hauptfactoren sind; aber es wäre eine arge Täuschung, wollten wir von ihnen allein und ausschließlich ein günstiges Facit er- warten; dieses kann vielmehr nur durch das harmonische Zu- sammenwirken aller Kräfte erzielt werden. Bei einer jeden größern Bewegung auf dem politischen Gebiete, wenn sie auch nicht, wie dies in unsern Tagen der Fall ist, alle Länder Europa's erschüttert, tritt unabwendbar eine augenblickliche Stockung des Handels und der Gewerbe ein; ist aber die Bewegung der Art, daß sie nicht einen gewaltsamen Umsturz der bestehenden Verhält- nisse vorahnen läßt, dann ist auch die Stockung schnell vorüber- gehend, und nach kurzer Zeit treten wieder alle Geschäfte in ihren gewohnten Gang zurück. Jm März dieses Jahres war gegrün- dete Hoffnung vorhanden, daß die gewaltige Gährung einen friedlichen, segensvollen Verlauf nehmen werde; aber leider! haben seitdem Ereignisse sich begeben, wodurch jene Hoffnung getrübt, allen Gemüthern Furcht, Unruhe, Besorgniß eingeflößt, das Vertrauen auf das Tiefste erschüttert und der Wiederbeginn des Verkehrs gewaltsam gehemmt wurde. Die undeutsche Schild- erhebung im badischen Lande, der Bürgerkrieg, welcher dorten entzündet wurde, hat für Deutschland namenlose Verluste herbei- geführt. Das verderbliche Unternehmen wird erst in der späteren Geschichte sein gerechtes Gericht finden und jenen allgemeinen Abscheu erwecken, den es verdient; aber noch mehr zu beklagen ist das Bestreben, die Häupter der Verräther und Vaterlandsfeinde mit Heldenglanz zu krönen, ist die Fortsetzung der Wühlereien, die theils offen, theils versteckt, ohne Auswahl durch alle erdenk- lichen, auch durch die allerverwerflichsten Mittel mit rastloser Thä- tigkeit betrieben werden und einen immer größeren Boden ge- winnen. Kann das Vertrauen wiederkehren, wenn durch eine gewisse 1) Siehe Nro. 23 des Mainzer Journals. 1 ) Siehe Nro. 23 des Mainzer Journals.

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 39. Mainz, 24. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal039_1848/1>, abgerufen am 23.11.2024.