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Mainzer Journal. Nr. 34. Mainz, 19. Juli 1848.

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Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 34. Mittwoch, den 19. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die Vorgänge in Wiesbaden.

Wiesbaden 18. Juli. Wir haben auf einmal mehr als
tausend Curgäste, nachdem gestern und vorgestern fast alle bisher
hier gewesenen Gäste spornstreichs die Stadt verlassen hatten;
die neuen Gäste haben freilich manche Eigenheiten, wodurch sie
sich von sonstigen Curgästen unterscheiden, so z. B. haben sie
keine einzige Dame bei sich, vielmehr Kanonen, Gewehre, Säbel
u. dgl., auch sind sie nicht sogleich in den Hotels abgestiegen,
sondern zogen es vor, einstweilen in den Straßen truppweise
berumzuspazieren; das haben sie aber mit den andern Fremden
gemein, daß man sie in Wiesbaden herzlich willkommen
hieß. Die Veranlassung zum Eintreffen dieser sonderbaren Gäste
war folgende.

Am vorigen Donnerstag fand in Gemäßheit der von den Re-
dacteuren der "Nassauischen Zeitung" und der "Freien Zeitung"
ergangenen Aufforderung eine Volksversammlung in einer
Kneipe statt, woselbst auch die Herrn Deputirten Lang
und Wenckenbach I. ihr Rednertalent glänzen ließen
Der Letztere hatte nämlich im Vereine mit den übrigen
Mitglieder der äußersten Linken den Antrag in der Kammer ge-
stellt, zu erklären, daß der Regierung gar kein Veto zustehe ( !!! ) .
Die Versammlung in jener Kneipe, welche aus blutdürstigen
Schneidergesellen und sonstigen Helden bestand, wurde von den
Rednern über die Bedeutung des Veto in ihrem Sinne sachgemäß
belehrt, und fand sich in der Freitagsitzung außerordentlich zahl-
reich ein. Jn der Sitzung selbst verdrehten die Antragsteller ihre
Motion dahin, daß sie der Regierung kein unbedingtes
Veto
zugestehen, sondern es derselben überlassen wollten, einen
Gesetzvorschlag über ein suspensives Veto demnächst der Kammer
vorzulegen.

Es fiel nun Niemanden ein zu behaupten, daß die Regierung
eines constitutionellen Staates ein unbedingtes Veto ausüben dürfe
und solle und so wurde der ganze Antrag sehr einfach dadurch er-
ledigt, daß man denselben an die Commission wegen Entwerfung
des Verfassungsgesetzes, welche übrigens erst nach Beendigung
des Frankfurter Verfassungswerkes ihre Thätigkeit beginnen
wird, verwies. Nichts desto weniger fand am Samstag wieder
eine höchst agitirte Volksversammlung statt, wozu das souve-
räne Volk, welches am Donnerstag eine Mißtrauensadresse
an die Kammer unterschrieben hatte, nunmehr auch dem
Parlamente ihr Mißsallen über dessen Majoritätsbeschlüsse aus-
drückte. Bei dieser Gelegenheit wurden die aufreizendsten Reden
geführt. Am Sonntag verfügte sich eine Deputation des souverai-
nen Volkes aus jener Kneipe zu dem Commandanten der Artillerie
und verlangte die sofortige Befreiung von 30 Artilleristen, welche in
Folge eines kriegsgerichtlichen Urtheils eine vierzehntägige Gefäng-
nißstrafe verbüßten. Der Commandant schlug natürlich dies Ge-
such ab und da drohten sie mit Gewalt. Dies veranlaßte den
Chef des Stadtamtes, der Obristen der Bürgerwehr zu requi-
riren, welcher Allarm schlagen ließ. Auf dem Sammelplatze
schritt der Obrist mit einigen Führern der Bürgerwehr auf den
Oswald Dietz, der bei dem Artillerie=Commandanten die
Drohungen ausgesprochen hatte, und welcher selbst Hauptmann
der ersten Compagnie ist, und kündigte demselben seine Verhaf-
tung an. Da widersetzten sich die Wehrmänner der ersten, zwei-
ten und dritten Compagnie dieser Verhaftung, stießen den Ob-
risten und die übrigen Führer mit Kolbenschlägen fort und Einer
legte sogar auf den Obristen an, zum Glück versagte das Gewehr.
Der Obrist befahl nun sofortige Entwaffnung der 1., 2. und 3.
Compagnie; allein dieser fiel es nicht ein zu gehorchen und den
übrigen 12 Compagnien, welche auch auf dem Platze standen fiel
es aus verschiedenen Gründen auch nicht ein, den Befehl des
Obristen zu vollziehen. So wurde am Montag dieser Befehl
noch immer nicht vollzogen. Dagegen stürmte eine Rotte Gesindel
das Criminalgericht, woselbst inzwischen doch Oswald Dietz ein-
gesetzt worden war; der anwesende Beamte hatte, trotz der mili-
tärischen Besetzung des Gefängnisses, nicht den Muth seine Pflicht
zu thun, sondern entließ jenen Wühler, welcher sofort im Trium-
phe vor das Ministerium gebracht und unter Verwünschungen
und Drohungen gegen den Minister=Präsidenten Hergenhahn von
der rasenden Menge gefeiert wurde. Das in geringer Anzahl
hier anwesende Linienmilitär rückte zwar aus, blieb aber unthätig,
weil man eben wegen seiner geringen Zahl einen blutigen Conflict
befürchtete.

[Spaltenumbruch]

Die Regierung machte nun sofort der Reichsgewalt in Frank-
furt die Anzeige von dem Stande der Dinge in hiesiger Stadt
und daraufhin rückten heute von den in Mainz garnisonirenden
Reichstruppen zwei Bataillons Jnfanterie, eine Abtheilung Ca-
vallerie und sechs Kanonen hier ein. Sofort wurden die Rädels-
führer verhaftet und die Entwaffnung der ganzen Bürgerwehr,
welche sich die Tage zuvor mit ihrem Obristen an der Spitze un-
fähig gezeigt hatte, die Ordnung zu handhaben, erfolgte mit der
größten Bereitwilligkeit und Ruhe 1) ; die Schreier sind ver-
stummt und auch die Linke in der Kammer war heute äußerst
wortkarg. Der Präsident Hergenhahn rechtfertigte das Ver-
fahren der Regierung unter jubelndem Beifall fast aller Kammer-
mitglieder und der anwesenden Zuhörer. Der Abgeordnete Lang,
welcher sich Mühe gab die Maßregeln zu tadeln, verlor auch bald
seine Beredsamkeit, als sehr schwere Jndicien seiner Betheiligung
an dem Tumulte an's Tageslicht kamen; jedermann sprach seine
tiefste Jndignation darüber aus und es steht zu erwarten, welche
Resultate die gerichtliche Untersuchung der Betheiligung mehrerer
Abgeordneten an den Wühlereien liefert.

Auf der Tagesordnung stand unter Andern die Berichterstat-
tung über den Antrag der Herrn Gödecke, Lang, Müller , daß
der Obristlieutenant von Reichenau sofort vom Dienste ent-
fernt und in Untersuchung gezogen werde, weil er das Petitions-
recht angeblich verletzt habe. Der Mann hatte nämlich mehrere
Offiziere, welche eine Eingabe an das Generalcommando in einer
unziemlichen Weise gemacht hatten, auf die über Petitionen der
Offiziere bestehenden speciellen Vorschriften verwiesen, mithin
lediglich seine Schuldigkeit gethan. Herr Jung von Eltville
meinte freilich, daß alle diese Vorschriften auch für das Militär
jetzt nichts mehr gelten, allein er wurde von den Abgeordneten
Leisler, v. Schütz und Keim mit dem Erfolg bekämpft, daß
jener Antrag glänzend -- durchfiel. Ueberhaupt hat heute die
Linke unserer Kammer eine so schwere Niederlage erlitten, daß
man an ihrem Aufkommen zweifeln muß!



Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 17. Juli. Die heutige Sitzung war außeror-
dentlichen Fragen gewidmet. Zunächst kamen etliche Manifesta-
ti [unleserliches Material - 4 Zeichen fehlen]onen des Jnterpellationsfiebers, welche die Versammlung ruhig
an sich vorübergehen ließ. Hieran reihten sich etliche dringliche
Anträge, welche nach Gebühr den Weg alles Fleisches wandelten,
d. h. nicht einmal zur Begründung ihrer Dringlichkeit zugelassen
wurden. Ein Antrag des Abg. Schmitt aus Kaiserslautern,
welcher selbst für seinen radicalen Schreiber die Unverletzlichkeit in
Anspruch nehmen zu wollen schien, welche noch nicht einmal den
Abgeordneten zudecretirt ist, ward erst an den Prioritätsausschuß
verwiesen, nachdem ihm die eigentliche Spitze abgebrochen war.
Etliche obligate Beschwerden wegen der Reaction fanden kein Ge-
hör, und ein als dringlich bezeichneter Antrag des Pfarrers Blu-
menstetter
aus Hohenzollern wurde weder verstanden noch
unterstützt. Nachdem noch etliche Commissionsberichte mitgetheilt,
schritt man zur Berathung einiger Verbesserungsanträge hinsicht-
lich der Geschäftsordnung, wobei die Vorschläge der Commission
Gutheißung fanden. Was selten einem conservativen Redner
widerfahren, hat heute von Lassaulx erlebt, daß ihm die Linke
für seine Vertheidigung der namentlichen Abstimmungen
Beifall zollte. Endlich kam noch eine große Anzahl von Com-
missionsanträgen über minder bedeutende Punkte, meistens auf
Tagesordnung lautend, zur glücklichen Erledigung, und so hät-
ten wir denn abermals eine Masse aufhaltender und doch un-
vermeidlicher Geschäfte hinter uns. Morgen soll die Lim-
burger Frage
erledigt und die Berathung über die
Grundrechte
fortgesetzt werden.

Berlin 15. Juli. Die Berliner Zeitung gibt Aufschluß über
die Mission des Generals Below nach Wien und nach
Frankfurt a/M. Hiernach bestand der Auftrag desselben im We-
sentlichen darin, über die Grundlinien der künftigen Verhält-
nisse Preußens zu dem Erzherzog=Reichsverweser in Vorunter-
handlungen zu treten. [ Wer hat den General denn eigentlich ab-

[Ende Spaltensatz]

1) Wie wir hören hat ein großer Theil der Wiesbadener Bürger-
schaft seine Freude darüber ausgesprochen, "daß es so gekommen ist."
Wahrscheinlich gründen sie nun hintennach einen "constitutionellen Verein!"
1 ) Wie wir hören hat ein großer Theil der Wiesbadener Bürger-
schaft seine Freude darüber ausgesprochen, "daß es so gekommen ist."
Wahrscheinlich gründen sie nun hintennach einen "constitutionellen Verein!"
Beilage zum Mainzer Journal.


Nro 34. Mittwoch, den 19. Juli. 1848.


[Beginn Spaltensatz]
Die Vorgänge in Wiesbaden.

Wiesbaden 18. Juli. Wir haben auf einmal mehr als
tausend Curgäste, nachdem gestern und vorgestern fast alle bisher
hier gewesenen Gäste spornstreichs die Stadt verlassen hatten;
die neuen Gäste haben freilich manche Eigenheiten, wodurch sie
sich von sonstigen Curgästen unterscheiden, so z. B. haben sie
keine einzige Dame bei sich, vielmehr Kanonen, Gewehre, Säbel
u. dgl., auch sind sie nicht sogleich in den Hotels abgestiegen,
sondern zogen es vor, einstweilen in den Straßen truppweise
berumzuspazieren; das haben sie aber mit den andern Fremden
gemein, daß man sie in Wiesbaden herzlich willkommen
hieß. Die Veranlassung zum Eintreffen dieser sonderbaren Gäste
war folgende.

Am vorigen Donnerstag fand in Gemäßheit der von den Re-
dacteuren der „Nassauischen Zeitung“ und der „Freien Zeitung“
ergangenen Aufforderung eine Volksversammlung in einer
Kneipe statt, woselbst auch die Herrn Deputirten Lang
und Wenckenbach I. ihr Rednertalent glänzen ließen
Der Letztere hatte nämlich im Vereine mit den übrigen
Mitglieder der äußersten Linken den Antrag in der Kammer ge-
stellt, zu erklären, daß der Regierung gar kein Veto zustehe ( !!! ) .
Die Versammlung in jener Kneipe, welche aus blutdürstigen
Schneidergesellen und sonstigen Helden bestand, wurde von den
Rednern über die Bedeutung des Veto in ihrem Sinne sachgemäß
belehrt, und fand sich in der Freitagsitzung außerordentlich zahl-
reich ein. Jn der Sitzung selbst verdrehten die Antragsteller ihre
Motion dahin, daß sie der Regierung kein unbedingtes
Veto
zugestehen, sondern es derselben überlassen wollten, einen
Gesetzvorschlag über ein suspensives Veto demnächst der Kammer
vorzulegen.

Es fiel nun Niemanden ein zu behaupten, daß die Regierung
eines constitutionellen Staates ein unbedingtes Veto ausüben dürfe
und solle und so wurde der ganze Antrag sehr einfach dadurch er-
ledigt, daß man denselben an die Commission wegen Entwerfung
des Verfassungsgesetzes, welche übrigens erst nach Beendigung
des Frankfurter Verfassungswerkes ihre Thätigkeit beginnen
wird, verwies. Nichts desto weniger fand am Samstag wieder
eine höchst agitirte Volksversammlung statt, wozu das souve-
räne Volk, welches am Donnerstag eine Mißtrauensadresse
an die Kammer unterschrieben hatte, nunmehr auch dem
Parlamente ihr Mißsallen über dessen Majoritätsbeschlüsse aus-
drückte. Bei dieser Gelegenheit wurden die aufreizendsten Reden
geführt. Am Sonntag verfügte sich eine Deputation des souverai-
nen Volkes aus jener Kneipe zu dem Commandanten der Artillerie
und verlangte die sofortige Befreiung von 30 Artilleristen, welche in
Folge eines kriegsgerichtlichen Urtheils eine vierzehntägige Gefäng-
nißstrafe verbüßten. Der Commandant schlug natürlich dies Ge-
such ab und da drohten sie mit Gewalt. Dies veranlaßte den
Chef des Stadtamtes, der Obristen der Bürgerwehr zu requi-
riren, welcher Allarm schlagen ließ. Auf dem Sammelplatze
schritt der Obrist mit einigen Führern der Bürgerwehr auf den
Oswald Dietz, der bei dem Artillerie=Commandanten die
Drohungen ausgesprochen hatte, und welcher selbst Hauptmann
der ersten Compagnie ist, und kündigte demselben seine Verhaf-
tung an. Da widersetzten sich die Wehrmänner der ersten, zwei-
ten und dritten Compagnie dieser Verhaftung, stießen den Ob-
risten und die übrigen Führer mit Kolbenschlägen fort und Einer
legte sogar auf den Obristen an, zum Glück versagte das Gewehr.
Der Obrist befahl nun sofortige Entwaffnung der 1., 2. und 3.
Compagnie; allein dieser fiel es nicht ein zu gehorchen und den
übrigen 12 Compagnien, welche auch auf dem Platze standen fiel
es aus verschiedenen Gründen auch nicht ein, den Befehl des
Obristen zu vollziehen. So wurde am Montag dieser Befehl
noch immer nicht vollzogen. Dagegen stürmte eine Rotte Gesindel
das Criminalgericht, woselbst inzwischen doch Oswald Dietz ein-
gesetzt worden war; der anwesende Beamte hatte, trotz der mili-
tärischen Besetzung des Gefängnisses, nicht den Muth seine Pflicht
zu thun, sondern entließ jenen Wühler, welcher sofort im Trium-
phe vor das Ministerium gebracht und unter Verwünschungen
und Drohungen gegen den Minister=Präsidenten Hergenhahn von
der rasenden Menge gefeiert wurde. Das in geringer Anzahl
hier anwesende Linienmilitär rückte zwar aus, blieb aber unthätig,
weil man eben wegen seiner geringen Zahl einen blutigen Conflict
befürchtete.

[Spaltenumbruch]

Die Regierung machte nun sofort der Reichsgewalt in Frank-
furt die Anzeige von dem Stande der Dinge in hiesiger Stadt
und daraufhin rückten heute von den in Mainz garnisonirenden
Reichstruppen zwei Bataillons Jnfanterie, eine Abtheilung Ca-
vallerie und sechs Kanonen hier ein. Sofort wurden die Rädels-
führer verhaftet und die Entwaffnung der ganzen Bürgerwehr,
welche sich die Tage zuvor mit ihrem Obristen an der Spitze un-
fähig gezeigt hatte, die Ordnung zu handhaben, erfolgte mit der
größten Bereitwilligkeit und Ruhe 1) ; die Schreier sind ver-
stummt und auch die Linke in der Kammer war heute äußerst
wortkarg. Der Präsident Hergenhahn rechtfertigte das Ver-
fahren der Regierung unter jubelndem Beifall fast aller Kammer-
mitglieder und der anwesenden Zuhörer. Der Abgeordnete Lang,
welcher sich Mühe gab die Maßregeln zu tadeln, verlor auch bald
seine Beredsamkeit, als sehr schwere Jndicien seiner Betheiligung
an dem Tumulte an's Tageslicht kamen; jedermann sprach seine
tiefste Jndignation darüber aus und es steht zu erwarten, welche
Resultate die gerichtliche Untersuchung der Betheiligung mehrerer
Abgeordneten an den Wühlereien liefert.

Auf der Tagesordnung stand unter Andern die Berichterstat-
tung über den Antrag der Herrn Gödecke, Lang, Müller , daß
der Obristlieutenant von Reichenau sofort vom Dienste ent-
fernt und in Untersuchung gezogen werde, weil er das Petitions-
recht angeblich verletzt habe. Der Mann hatte nämlich mehrere
Offiziere, welche eine Eingabe an das Generalcommando in einer
unziemlichen Weise gemacht hatten, auf die über Petitionen der
Offiziere bestehenden speciellen Vorschriften verwiesen, mithin
lediglich seine Schuldigkeit gethan. Herr Jung von Eltville
meinte freilich, daß alle diese Vorschriften auch für das Militär
jetzt nichts mehr gelten, allein er wurde von den Abgeordneten
Leisler, v. Schütz und Keim mit dem Erfolg bekämpft, daß
jener Antrag glänzend — durchfiel. Ueberhaupt hat heute die
Linke unserer Kammer eine so schwere Niederlage erlitten, daß
man an ihrem Aufkommen zweifeln muß!



Deutschland.
Reichstag.

# Frankfurt 17. Juli. Die heutige Sitzung war außeror-
dentlichen Fragen gewidmet. Zunächst kamen etliche Manifesta-
ti [unleserliches Material – 4 Zeichen fehlen]onen des Jnterpellationsfiebers, welche die Versammlung ruhig
an sich vorübergehen ließ. Hieran reihten sich etliche dringliche
Anträge, welche nach Gebühr den Weg alles Fleisches wandelten,
d. h. nicht einmal zur Begründung ihrer Dringlichkeit zugelassen
wurden. Ein Antrag des Abg. Schmitt aus Kaiserslautern,
welcher selbst für seinen radicalen Schreiber die Unverletzlichkeit in
Anspruch nehmen zu wollen schien, welche noch nicht einmal den
Abgeordneten zudecretirt ist, ward erst an den Prioritätsausschuß
verwiesen, nachdem ihm die eigentliche Spitze abgebrochen war.
Etliche obligate Beschwerden wegen der Reaction fanden kein Ge-
hör, und ein als dringlich bezeichneter Antrag des Pfarrers Blu-
menstetter
aus Hohenzollern wurde weder verstanden noch
unterstützt. Nachdem noch etliche Commissionsberichte mitgetheilt,
schritt man zur Berathung einiger Verbesserungsanträge hinsicht-
lich der Geschäftsordnung, wobei die Vorschläge der Commission
Gutheißung fanden. Was selten einem conservativen Redner
widerfahren, hat heute von Lassaulx erlebt, daß ihm die Linke
für seine Vertheidigung der namentlichen Abstimmungen
Beifall zollte. Endlich kam noch eine große Anzahl von Com-
missionsanträgen über minder bedeutende Punkte, meistens auf
Tagesordnung lautend, zur glücklichen Erledigung, und so hät-
ten wir denn abermals eine Masse aufhaltender und doch un-
vermeidlicher Geschäfte hinter uns. Morgen soll die Lim-
burger Frage
erledigt und die Berathung über die
Grundrechte
fortgesetzt werden.

Berlin 15. Juli. Die Berliner Zeitung gibt Aufschluß über
die Mission des Generals Below nach Wien und nach
Frankfurt a/M. Hiernach bestand der Auftrag desselben im We-
sentlichen darin, über die Grundlinien der künftigen Verhält-
nisse Preußens zu dem Erzherzog=Reichsverweser in Vorunter-
handlungen zu treten. [ Wer hat den General denn eigentlich ab-

[Ende Spaltensatz]

1) Wie wir hören hat ein großer Theil der Wiesbadener Bürger-
schaft seine Freude darüber ausgesprochen, „daß es so gekommen ist.“
Wahrscheinlich gründen sie nun hintennach einen „constitutionellen Verein!“
1 ) Wie wir hören hat ein großer Theil der Wiesbadener Bürger-
schaft seine Freude darüber ausgesprochen, „daß es so gekommen ist.“
Wahrscheinlich gründen sie nun hintennach einen „constitutionellen Verein!“
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[0005] Beilage zum Mainzer Journal. Nro 34. Mittwoch, den 19. Juli. 1848. Die Vorgänge in Wiesbaden. Wiesbaden 18. Juli. Wir haben auf einmal mehr als tausend Curgäste, nachdem gestern und vorgestern fast alle bisher hier gewesenen Gäste spornstreichs die Stadt verlassen hatten; die neuen Gäste haben freilich manche Eigenheiten, wodurch sie sich von sonstigen Curgästen unterscheiden, so z. B. haben sie keine einzige Dame bei sich, vielmehr Kanonen, Gewehre, Säbel u. dgl., auch sind sie nicht sogleich in den Hotels abgestiegen, sondern zogen es vor, einstweilen in den Straßen truppweise berumzuspazieren; das haben sie aber mit den andern Fremden gemein, daß man sie in Wiesbaden herzlich willkommen hieß. Die Veranlassung zum Eintreffen dieser sonderbaren Gäste war folgende. Am vorigen Donnerstag fand in Gemäßheit der von den Re- dacteuren der „Nassauischen Zeitung“ und der „Freien Zeitung“ ergangenen Aufforderung eine Volksversammlung in einer Kneipe statt, woselbst auch die Herrn Deputirten Lang und Wenckenbach I. ihr Rednertalent glänzen ließen Der Letztere hatte nämlich im Vereine mit den übrigen Mitglieder der äußersten Linken den Antrag in der Kammer ge- stellt, zu erklären, daß der Regierung gar kein Veto zustehe ( !!! ) . Die Versammlung in jener Kneipe, welche aus blutdürstigen Schneidergesellen und sonstigen Helden bestand, wurde von den Rednern über die Bedeutung des Veto in ihrem Sinne sachgemäß belehrt, und fand sich in der Freitagsitzung außerordentlich zahl- reich ein. Jn der Sitzung selbst verdrehten die Antragsteller ihre Motion dahin, daß sie der Regierung kein unbedingtes Veto zugestehen, sondern es derselben überlassen wollten, einen Gesetzvorschlag über ein suspensives Veto demnächst der Kammer vorzulegen. Es fiel nun Niemanden ein zu behaupten, daß die Regierung eines constitutionellen Staates ein unbedingtes Veto ausüben dürfe und solle und so wurde der ganze Antrag sehr einfach dadurch er- ledigt, daß man denselben an die Commission wegen Entwerfung des Verfassungsgesetzes, welche übrigens erst nach Beendigung des Frankfurter Verfassungswerkes ihre Thätigkeit beginnen wird, verwies. Nichts desto weniger fand am Samstag wieder eine höchst agitirte Volksversammlung statt, wozu das souve- räne Volk, welches am Donnerstag eine Mißtrauensadresse an die Kammer unterschrieben hatte, nunmehr auch dem Parlamente ihr Mißsallen über dessen Majoritätsbeschlüsse aus- drückte. Bei dieser Gelegenheit wurden die aufreizendsten Reden geführt. Am Sonntag verfügte sich eine Deputation des souverai- nen Volkes aus jener Kneipe zu dem Commandanten der Artillerie und verlangte die sofortige Befreiung von 30 Artilleristen, welche in Folge eines kriegsgerichtlichen Urtheils eine vierzehntägige Gefäng- nißstrafe verbüßten. Der Commandant schlug natürlich dies Ge- such ab und da drohten sie mit Gewalt. Dies veranlaßte den Chef des Stadtamtes, der Obristen der Bürgerwehr zu requi- riren, welcher Allarm schlagen ließ. Auf dem Sammelplatze schritt der Obrist mit einigen Führern der Bürgerwehr auf den Oswald Dietz, der bei dem Artillerie=Commandanten die Drohungen ausgesprochen hatte, und welcher selbst Hauptmann der ersten Compagnie ist, und kündigte demselben seine Verhaf- tung an. Da widersetzten sich die Wehrmänner der ersten, zwei- ten und dritten Compagnie dieser Verhaftung, stießen den Ob- risten und die übrigen Führer mit Kolbenschlägen fort und Einer legte sogar auf den Obristen an, zum Glück versagte das Gewehr. Der Obrist befahl nun sofortige Entwaffnung der 1., 2. und 3. Compagnie; allein dieser fiel es nicht ein zu gehorchen und den übrigen 12 Compagnien, welche auch auf dem Platze standen fiel es aus verschiedenen Gründen auch nicht ein, den Befehl des Obristen zu vollziehen. So wurde am Montag dieser Befehl noch immer nicht vollzogen. Dagegen stürmte eine Rotte Gesindel das Criminalgericht, woselbst inzwischen doch Oswald Dietz ein- gesetzt worden war; der anwesende Beamte hatte, trotz der mili- tärischen Besetzung des Gefängnisses, nicht den Muth seine Pflicht zu thun, sondern entließ jenen Wühler, welcher sofort im Trium- phe vor das Ministerium gebracht und unter Verwünschungen und Drohungen gegen den Minister=Präsidenten Hergenhahn von der rasenden Menge gefeiert wurde. Das in geringer Anzahl hier anwesende Linienmilitär rückte zwar aus, blieb aber unthätig, weil man eben wegen seiner geringen Zahl einen blutigen Conflict befürchtete. Die Regierung machte nun sofort der Reichsgewalt in Frank- furt die Anzeige von dem Stande der Dinge in hiesiger Stadt und daraufhin rückten heute von den in Mainz garnisonirenden Reichstruppen zwei Bataillons Jnfanterie, eine Abtheilung Ca- vallerie und sechs Kanonen hier ein. Sofort wurden die Rädels- führer verhaftet und die Entwaffnung der ganzen Bürgerwehr, welche sich die Tage zuvor mit ihrem Obristen an der Spitze un- fähig gezeigt hatte, die Ordnung zu handhaben, erfolgte mit der größten Bereitwilligkeit und Ruhe 1) ; die Schreier sind ver- stummt und auch die Linke in der Kammer war heute äußerst wortkarg. Der Präsident Hergenhahn rechtfertigte das Ver- fahren der Regierung unter jubelndem Beifall fast aller Kammer- mitglieder und der anwesenden Zuhörer. Der Abgeordnete Lang, welcher sich Mühe gab die Maßregeln zu tadeln, verlor auch bald seine Beredsamkeit, als sehr schwere Jndicien seiner Betheiligung an dem Tumulte an's Tageslicht kamen; jedermann sprach seine tiefste Jndignation darüber aus und es steht zu erwarten, welche Resultate die gerichtliche Untersuchung der Betheiligung mehrerer Abgeordneten an den Wühlereien liefert. Auf der Tagesordnung stand unter Andern die Berichterstat- tung über den Antrag der Herrn Gödecke, Lang, Müller , daß der Obristlieutenant von Reichenau sofort vom Dienste ent- fernt und in Untersuchung gezogen werde, weil er das Petitions- recht angeblich verletzt habe. Der Mann hatte nämlich mehrere Offiziere, welche eine Eingabe an das Generalcommando in einer unziemlichen Weise gemacht hatten, auf die über Petitionen der Offiziere bestehenden speciellen Vorschriften verwiesen, mithin lediglich seine Schuldigkeit gethan. Herr Jung von Eltville meinte freilich, daß alle diese Vorschriften auch für das Militär jetzt nichts mehr gelten, allein er wurde von den Abgeordneten Leisler, v. Schütz und Keim mit dem Erfolg bekämpft, daß jener Antrag glänzend — durchfiel. Ueberhaupt hat heute die Linke unserer Kammer eine so schwere Niederlage erlitten, daß man an ihrem Aufkommen zweifeln muß! Deutschland. Reichstag. # Frankfurt 17. Juli. Die heutige Sitzung war außeror- dentlichen Fragen gewidmet. Zunächst kamen etliche Manifesta- ti ____onen des Jnterpellationsfiebers, welche die Versammlung ruhig an sich vorübergehen ließ. Hieran reihten sich etliche dringliche Anträge, welche nach Gebühr den Weg alles Fleisches wandelten, d. h. nicht einmal zur Begründung ihrer Dringlichkeit zugelassen wurden. Ein Antrag des Abg. Schmitt aus Kaiserslautern, welcher selbst für seinen radicalen Schreiber die Unverletzlichkeit in Anspruch nehmen zu wollen schien, welche noch nicht einmal den Abgeordneten zudecretirt ist, ward erst an den Prioritätsausschuß verwiesen, nachdem ihm die eigentliche Spitze abgebrochen war. Etliche obligate Beschwerden wegen der Reaction fanden kein Ge- hör, und ein als dringlich bezeichneter Antrag des Pfarrers Blu- menstetter aus Hohenzollern wurde weder verstanden noch unterstützt. Nachdem noch etliche Commissionsberichte mitgetheilt, schritt man zur Berathung einiger Verbesserungsanträge hinsicht- lich der Geschäftsordnung, wobei die Vorschläge der Commission Gutheißung fanden. Was selten einem conservativen Redner widerfahren, hat heute von Lassaulx erlebt, daß ihm die Linke für seine Vertheidigung der namentlichen Abstimmungen Beifall zollte. Endlich kam noch eine große Anzahl von Com- missionsanträgen über minder bedeutende Punkte, meistens auf Tagesordnung lautend, zur glücklichen Erledigung, und so hät- ten wir denn abermals eine Masse aufhaltender und doch un- vermeidlicher Geschäfte hinter uns. Morgen soll die Lim- burger Frage erledigt und die Berathung über die Grundrechte fortgesetzt werden. Berlin 15. Juli. Die Berliner Zeitung gibt Aufschluß über die Mission des Generals Below nach Wien und nach Frankfurt a/M. Hiernach bestand der Auftrag desselben im We- sentlichen darin, über die Grundlinien der künftigen Verhält- nisse Preußens zu dem Erzherzog=Reichsverweser in Vorunter- handlungen zu treten. [ Wer hat den General denn eigentlich ab- 1) Wie wir hören hat ein großer Theil der Wiesbadener Bürger- schaft seine Freude darüber ausgesprochen, „daß es so gekommen ist.“ Wahrscheinlich gründen sie nun hintennach einen „constitutionellen Verein!“ 1 ) Wie wir hören hat ein großer Theil der Wiesbadener Bürger- schaft seine Freude darüber ausgesprochen, „daß es so gekommen ist.“ Wahrscheinlich gründen sie nun hintennach einen „constitutionellen Verein!“

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 34. Mainz, 19. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal034_1848/5>, abgerufen am 27.11.2024.