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Mainzer Journal. Nr. 26. Mainz, 11. Juli 1848.

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[Beginn Spaltensatz] ortsfremden, ihr zur Last fallenden Lumpen könne überschwemmt
werden, wird man vielleicht -- wie auch bereits ein Antrag ge-
stellt wurde -- durch den Zusatz zu beseitigen suchen, daß der
Einziehende seine "Erwerbsfähigkeit" nachweisen müsse. Es ist
nur Schade, daß diese Clausel, wörtlich aus der bisherigen
preußischen Gesetzgebung entnommen und schon seit Jahren ein
Hauptklagepunct der dortigen Gemeinden, es nicht verhindert
hat, daß viele preußische Gemeinden mit äußerst lästigen Ein-
zügern belastet wurden, sintemal es bei den preußischen Regierungs-
behörden bisher Praxis war, fast eben nur die Krüppel für er-
werbsunfähig zu erachten. Diese "liberale," eine so unbeschränkte
Ansiedelungsfreiheit gestattende preußische Gesetzgebung hat na-
mentlich den rheinischen Städten keine sonderliche Freude gemacht,
indem das schöne Rheinland schaarenweise Einwanderer aus den
Nebeln des Nordens und dem Sande der Mark anlockte, die sich
bald in den rheinischen Städten so breit zu machen anfingen, daß
es den eingeborenen Bürgern ganz schwül und zu eng wurde.

Der Grundsatz des unbedingt freien Ansiedelungsrechtes in
jeder Gemeinde ist unseres Erachtens eine von jenen falschen und
grundverderblichen Theorien, die in ihrer angeblichen Volks-
freundlichkeit ein wahrer Ruin für die wahre Freiheit und das
Wohl des Volkes sind. Eine Gemeinde, Stadt= oder Dorfge-
meinde, ist nicht eine zusammengelaufene Horde, eine offene Her-
berge für Jeden, sondern sie ist eine geschlossene Corpo-
ration,
eine große Familie mit einem geordneten Haushalt.
Wie es das erste und natürlichste Recht des Hausherrn ist, zu
bestimmen, wen er in sein Haus und seine Familie aufnehmen
will, und es die allgemeine Nächstenliebe nicht im mindesten be-
einträchtigt, wenn er einem Solchen, der ihm nicht zusagt, die
Thüre verschließt; so ist es auch ein natürliches und we-
sentliches Gemeinderecht über die Aufnahme von
neuen Mitgliedern in die Gemeinde zu entscheiden;

und wenn sie Solchen, deren Aufnahme ihr nicht zusagt, dieselbe
verweigert, so verletzt sie damit nicht im Mindesten die staats-
bürgerliche Freiheit und Gleichheit des Abgewiesenen. Jhre
Bürgerschaft würdig, kräftig, einträchtig und rein von fremdarti-
gen Einmischungen zu halten, ist einer freien und biederen Ge-
meinde Recht, Ehre und Stolz. Dadurch erhielten sich die
freien Städte Deutschlands Jahrhunderte lang in solcher [unleserliches Material - 6 Zeichen fehlen]Blathe
und solchem Ansehen. Ohne dieses ist ein tüchtiger, wohlhaben-
der, kräftiger Bürgerstand gar nicht möglich. Jn wohlgelegenen,
verdienstreichen Städten wird bei unbedingter Ansiedelungsfreiheit
sich in wenigen Jahrzehnten zahlloses ortsfremdes Volk ansiedeln,
industrielle Abenteurer aller Art sich niederlassen, Proletarier sich
anhäufen, und so kann eine edele blühende Stadt in kurzer Zeit
demoralisirt und in ihrem Wohlstand herabgebracht werden. Die
abschreckenden Beispiele liegen nahe. Forsche man z. B. in
Mainz
einmal nach, woher die Leute sind, welche den Armen-
anstalten zur Last fallen, die Quartiere der Proletarier füllen,
oder die Sicherheit der Bürgerschaft beeinträchtigen und ihren
guten Namen zum Theil vor den Augen Auswärtiger compro-
mittiren: eine große Zahl derselben werden Ortsfremde seyn,
die man seit lange schon mit der freventlichsten Leichtfertigkeit auf-
genommen hat.

Also jener angeblich liberale Grundsatz, daß jeder Deutsche
in jeder Gemeinde Ortsbürgerrecht ohne Weiteres erwerben könne,
wo immer es ihm beliebe, ist grundfalsch -- ein Eingriff in ein
Urrecht jeder Gemeinde, und ein Attentat gegen die Wohlfahrt
und den Wohlstand der Bürgerschaft. Namentlich aber in unserer
Zeit sollte man sich hüten, durch solche Maßregeln der Ver-
armung, dem unglücklichen Proletariat und damit dem Commu-
nismus noch mehr in die Hände zu arbeiten. Das Wohl des
Reichs ruht auf dem Flor der Gemeinden, dieser aber ist in
jedem Augenblick in seinem Bestand bedroht, wenn die Gemeinden
nicht das Aufnahmsrecht haben; die Kraft des Gesammtvolks
ruht auf der Ehrenhaftigkeit der einzelnen Bürgerschaften, ohne
kräftige Gemeindecorporation und das davon unzertrennliche
Aufnahmsrecht ist aber an charaktervolle Bürgerschaften nicht zu
denken. Würde unbedingt freies Ansiedelungsrecht eingeführt, so
würden unsere größeren deutschen Städte nimmer wieder werden
was sie einstens waren, starke, edle und reiche Gemeinwesen,
sondern Sammelplätze charakterlosen, nichtswürdigen Gesindels.
Will man aber gegen Alles dieses vorbringen, daß dadurch die
Freiheit des Einzelnen beeinträchtigt werde, dem es freistehen
müsse sich niederzulassen, wo er wolle, so ist dies geradezu in
Abrede zu stellen: denn daß ein solches Recht bestehe ist
eine reine Erdichtung.
Jeder gehört von Geburt einer be-
stimmten Gemeinde an, hier Ortsbürger zu seyn, ist sein Recht;
daß er aber ohne Weiteres in einer anderen Gemeinde Ortsbür-
ger werde, dazu hat er so wenig ein Recht, als er ohne Weiteres
aus seinem in seines Nachbars Haus ziehen darf. Ferner was
[Spaltenumbruch] dem einen recht ist dem andern billig: darf der Frankfurter nicht
ohne Einwilligung der Gemeinde sich in Mainz ansiedeln, so
darf es auch umgekehrt der Mainzer in Frankfurt nicht; was ist
hieran ungerecht oder unbillig? Es ist aber auch heilsam für
Alle: denn leichtsinnige Uebersiedelungen haben viele in Unglück
gebracht. Wir wollen nur auf Ein Beispiel hinweisen. Hand-
werker auf dem Land, die dort ihr bescheiden Auskommen haben,
sticht gar oft der Hochmuth oder die Gewinnsucht, in die Stadt
zu ziehen. Sie verderben dort erst den ansässigen Bürgern das
Gewerb, gehen dann selbst zu Grund und fallen der Stadt zur
Last: eine ganz ordinäre Geschichte! Darum weg mit liberalen
Phrasen und Empfindeleien; laßt uns vielmehr zurückkehren zu
naturgemäßen, gesunden, wohlerprobten Verhältnissen. Nicht
den Gemeindeverband noch mehr zu lockern, sondern ihn recht
kräftig und eng zu binden, ist Aufgabe der Gegenwart. Und ge-
wiß wird der Reichstag diese Aufgabe lösen und auch hier unbe-
kümmert um Advokatenkünste und die Gunst oder Ungunst der
Gallerie, Waizen und Spreu sondern, und in ächt deutscher
Weise jeder Gemeinde ihr gutes Hausrecht unverkümmert
und ungemindert zusprechen und sicher stellen.



Deutschland.

Mainz 10. Juli. Jn der heutigen Assisensitzung ( die um
9 Uhr begann, und kurz vor drei Uhr endete ) wurde Samuel
Correl,
23 Jahre alt, Taglöhner in Pfaffenschwabenheim,
des ausgezeichneten Diebstahls durch äußeren Einbruch und Ein-
steigen angeklagt, von den Geschworenen für nicht schuldig
erklärt und sofort durch den Assisenpräsidenten ( Herrn Oberge-
richtsrath Dr. Levita ) freigesprochen.

Mainz 10. Juli. Aus glaubwürdiger Quelle er-
fahren wir so eben, daß der Reichsverweser Erzherzog
Johann schon morgen Abend in Frankfurt eintreffen wird.
Der Courierwechsel durch unsere Stadt ist heute außerordentlich
lebhaft.

Wien 5. Juli. ( A. Z. ) Gestern sind die Abgeordneten des
dentschen Parlaments hier eingetroffen. Die allgemeinste Theil-
nahme der Bevölkerung hat sie empfangen. Heute um10 1 / 2 Uhr
Vormittags begaben sie sich in die kaiserliche Burg, um dem Erz-
herzog ihren Auftrag zu überbringen. Seit der Burggraf von
Nürnberg Rudolph dem Ersten die Wahl der Kurfürsten verkün-
dete, hat kein solcher Tag für das kaiserliche Haus geleuchtet.
Wir konnten alle Vorgänge in der Nähe betrachten und wir be-
eilen uns, sie Jhnen in Kürze mitzutheilen. Der Gemeindeaus-
schuß und der Sicherheitsausschuß begaben sich in corpore in die
Wohnung des Abgeordneten, wo Nationalgarde zu Pferde und
Militärmusik aufgestellt waren. Der Zug setzte sich in Bewegung
Die Musikbegleitung spielte abwechselnd das deutsche und das
österreichische Volkslied. Um 11 Uhr gelangte man in die Hof-
burg. Das ganze diplomatische Corps und der Generalstab wa-
ren bereits bei dem Prinzen versammelt. Die Vorsäle waren
mit Offizieren, Nationalgarden, deutschen, ungarischen und italie-
nischen Wachen gefüllt. Die Deputirten wurden durch Frhrn.
v. Andrian eingeführt und Herr Heckscher nahm das Wort, der
Erzherzog antwortete. Allen, selbst den ältesten Generalen, traten
Thränen in die Augen. Ungefähr vier Minuten lant war Alles
in den Vorsälen in Erwartung des großen Ergebnisses. Die Thür
öffnete sich und man gab das Zeichen " daß der Erzherzog
Johann von Oesterreich die Stelle eines deutschen
Reichsver wesers übernommen habe.
" Sogleich wurde
diese Nachricht der Bevölkerung durch Kanonenschüsse mitgetheilt,
ein einstimmiger Ruf der Freude erfüllte die Luft. Jn den Sälen
herrschte die lauteste Begeisterung, man weinte, man umarmte sich,
man war überzeugt, daß die große Frage der deutschen Einheit
und des österreichischen Ausschusses vollständig gelöst sey. Jetzt
verfügte sich der deutsche Reichsverweser in Begleitung des diplo-
matischen Corps und der Deputation auf den Balcon. Eine un-
geheure Volksmasse bedeckte den Burgplatz. Der Reichsverweser
wandte sich an den Deputirten Raveaux mit den Worten: "Jch
bringe Jhnen meine deutsche Treue und deutsche Redlichkeit mit,
und hoffe, daß, wenn Sie mich unterstützen, doch alles gut gehen
wird." "Kaiserliche Hoheit! erwiederte Raveaux: ich kann Sie
im Namen der ganzen Nationalversammlung und sonach des gan-
zen deutschen Volkes unseres Vertrauens und unserer Bereitwil-
ligkeit versichern." "Darauf baue ich auch", antwortete der Erz-
herzog. Jetzt bedeutete man der unten versammelten Menge durch
Zeichen, daß der Erzherzog das Wort zu nehmen die Absicht habe.
Der Tumult legte sich und er sprach: "Unsern lieben redlichen
Wienern unsern herzlichsten Dank. Sie sehen hier, meine Herren!
die Abgeordneten der deutschen Nationalversammlung; ich hoffe
[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] ortsfremden, ihr zur Last fallenden Lumpen könne überschwemmt
werden, wird man vielleicht — wie auch bereits ein Antrag ge-
stellt wurde — durch den Zusatz zu beseitigen suchen, daß der
Einziehende seine „Erwerbsfähigkeit“ nachweisen müsse. Es ist
nur Schade, daß diese Clausel, wörtlich aus der bisherigen
preußischen Gesetzgebung entnommen und schon seit Jahren ein
Hauptklagepunct der dortigen Gemeinden, es nicht verhindert
hat, daß viele preußische Gemeinden mit äußerst lästigen Ein-
zügern belastet wurden, sintemal es bei den preußischen Regierungs-
behörden bisher Praxis war, fast eben nur die Krüppel für er-
werbsunfähig zu erachten. Diese „liberale,“ eine so unbeschränkte
Ansiedelungsfreiheit gestattende preußische Gesetzgebung hat na-
mentlich den rheinischen Städten keine sonderliche Freude gemacht,
indem das schöne Rheinland schaarenweise Einwanderer aus den
Nebeln des Nordens und dem Sande der Mark anlockte, die sich
bald in den rheinischen Städten so breit zu machen anfingen, daß
es den eingeborenen Bürgern ganz schwül und zu eng wurde.

Der Grundsatz des unbedingt freien Ansiedelungsrechtes in
jeder Gemeinde ist unseres Erachtens eine von jenen falschen und
grundverderblichen Theorien, die in ihrer angeblichen Volks-
freundlichkeit ein wahrer Ruin für die wahre Freiheit und das
Wohl des Volkes sind. Eine Gemeinde, Stadt= oder Dorfge-
meinde, ist nicht eine zusammengelaufene Horde, eine offene Her-
berge für Jeden, sondern sie ist eine geschlossene Corpo-
ration,
eine große Familie mit einem geordneten Haushalt.
Wie es das erste und natürlichste Recht des Hausherrn ist, zu
bestimmen, wen er in sein Haus und seine Familie aufnehmen
will, und es die allgemeine Nächstenliebe nicht im mindesten be-
einträchtigt, wenn er einem Solchen, der ihm nicht zusagt, die
Thüre verschließt; so ist es auch ein natürliches und we-
sentliches Gemeinderecht über die Aufnahme von
neuen Mitgliedern in die Gemeinde zu entscheiden;

und wenn sie Solchen, deren Aufnahme ihr nicht zusagt, dieselbe
verweigert, so verletzt sie damit nicht im Mindesten die staats-
bürgerliche Freiheit und Gleichheit des Abgewiesenen. Jhre
Bürgerschaft würdig, kräftig, einträchtig und rein von fremdarti-
gen Einmischungen zu halten, ist einer freien und biederen Ge-
meinde Recht, Ehre und Stolz. Dadurch erhielten sich die
freien Städte Deutschlands Jahrhunderte lang in solcher [unleserliches Material – 6 Zeichen fehlen]Blathe
und solchem Ansehen. Ohne dieses ist ein tüchtiger, wohlhaben-
der, kräftiger Bürgerstand gar nicht möglich. Jn wohlgelegenen,
verdienstreichen Städten wird bei unbedingter Ansiedelungsfreiheit
sich in wenigen Jahrzehnten zahlloses ortsfremdes Volk ansiedeln,
industrielle Abenteurer aller Art sich niederlassen, Proletarier sich
anhäufen, und so kann eine edele blühende Stadt in kurzer Zeit
demoralisirt und in ihrem Wohlstand herabgebracht werden. Die
abschreckenden Beispiele liegen nahe. Forsche man z. B. in
Mainz
einmal nach, woher die Leute sind, welche den Armen-
anstalten zur Last fallen, die Quartiere der Proletarier füllen,
oder die Sicherheit der Bürgerschaft beeinträchtigen und ihren
guten Namen zum Theil vor den Augen Auswärtiger compro-
mittiren: eine große Zahl derselben werden Ortsfremde seyn,
die man seit lange schon mit der freventlichsten Leichtfertigkeit auf-
genommen hat.

Also jener angeblich liberale Grundsatz, daß jeder Deutsche
in jeder Gemeinde Ortsbürgerrecht ohne Weiteres erwerben könne,
wo immer es ihm beliebe, ist grundfalsch — ein Eingriff in ein
Urrecht jeder Gemeinde, und ein Attentat gegen die Wohlfahrt
und den Wohlstand der Bürgerschaft. Namentlich aber in unserer
Zeit sollte man sich hüten, durch solche Maßregeln der Ver-
armung, dem unglücklichen Proletariat und damit dem Commu-
nismus noch mehr in die Hände zu arbeiten. Das Wohl des
Reichs ruht auf dem Flor der Gemeinden, dieser aber ist in
jedem Augenblick in seinem Bestand bedroht, wenn die Gemeinden
nicht das Aufnahmsrecht haben; die Kraft des Gesammtvolks
ruht auf der Ehrenhaftigkeit der einzelnen Bürgerschaften, ohne
kräftige Gemeindecorporation und das davon unzertrennliche
Aufnahmsrecht ist aber an charaktervolle Bürgerschaften nicht zu
denken. Würde unbedingt freies Ansiedelungsrecht eingeführt, so
würden unsere größeren deutschen Städte nimmer wieder werden
was sie einstens waren, starke, edle und reiche Gemeinwesen,
sondern Sammelplätze charakterlosen, nichtswürdigen Gesindels.
Will man aber gegen Alles dieses vorbringen, daß dadurch die
Freiheit des Einzelnen beeinträchtigt werde, dem es freistehen
müsse sich niederzulassen, wo er wolle, so ist dies geradezu in
Abrede zu stellen: denn daß ein solches Recht bestehe ist
eine reine Erdichtung.
Jeder gehört von Geburt einer be-
stimmten Gemeinde an, hier Ortsbürger zu seyn, ist sein Recht;
daß er aber ohne Weiteres in einer anderen Gemeinde Ortsbür-
ger werde, dazu hat er so wenig ein Recht, als er ohne Weiteres
aus seinem in seines Nachbars Haus ziehen darf. Ferner was
[Spaltenumbruch] dem einen recht ist dem andern billig: darf der Frankfurter nicht
ohne Einwilligung der Gemeinde sich in Mainz ansiedeln, so
darf es auch umgekehrt der Mainzer in Frankfurt nicht; was ist
hieran ungerecht oder unbillig? Es ist aber auch heilsam für
Alle: denn leichtsinnige Uebersiedelungen haben viele in Unglück
gebracht. Wir wollen nur auf Ein Beispiel hinweisen. Hand-
werker auf dem Land, die dort ihr bescheiden Auskommen haben,
sticht gar oft der Hochmuth oder die Gewinnsucht, in die Stadt
zu ziehen. Sie verderben dort erst den ansässigen Bürgern das
Gewerb, gehen dann selbst zu Grund und fallen der Stadt zur
Last: eine ganz ordinäre Geschichte! Darum weg mit liberalen
Phrasen und Empfindeleien; laßt uns vielmehr zurückkehren zu
naturgemäßen, gesunden, wohlerprobten Verhältnissen. Nicht
den Gemeindeverband noch mehr zu lockern, sondern ihn recht
kräftig und eng zu binden, ist Aufgabe der Gegenwart. Und ge-
wiß wird der Reichstag diese Aufgabe lösen und auch hier unbe-
kümmert um Advokatenkünste und die Gunst oder Ungunst der
Gallerie, Waizen und Spreu sondern, und in ächt deutscher
Weise jeder Gemeinde ihr gutes Hausrecht unverkümmert
und ungemindert zusprechen und sicher stellen.



Deutschland.

✂ Mainz 10. Juli. Jn der heutigen Assisensitzung ( die um
9 Uhr begann, und kurz vor drei Uhr endete ) wurde Samuel
Correl,
23 Jahre alt, Taglöhner in Pfaffenschwabenheim,
des ausgezeichneten Diebstahls durch äußeren Einbruch und Ein-
steigen angeklagt, von den Geschworenen für nicht schuldig
erklärt und sofort durch den Assisenpräsidenten ( Herrn Oberge-
richtsrath Dr. Levita ) freigesprochen.

☞ Mainz 10. Juli. Aus glaubwürdiger Quelle er-
fahren wir so eben, daß der Reichsverweser Erzherzog
Johann schon morgen Abend in Frankfurt eintreffen wird.
Der Courierwechsel durch unsere Stadt ist heute außerordentlich
lebhaft.

Wien 5. Juli. ( A. Z. ) Gestern sind die Abgeordneten des
dentschen Parlaments hier eingetroffen. Die allgemeinste Theil-
nahme der Bevölkerung hat sie empfangen. Heute um10 1 / 2 Uhr
Vormittags begaben sie sich in die kaiserliche Burg, um dem Erz-
herzog ihren Auftrag zu überbringen. Seit der Burggraf von
Nürnberg Rudolph dem Ersten die Wahl der Kurfürsten verkün-
dete, hat kein solcher Tag für das kaiserliche Haus geleuchtet.
Wir konnten alle Vorgänge in der Nähe betrachten und wir be-
eilen uns, sie Jhnen in Kürze mitzutheilen. Der Gemeindeaus-
schuß und der Sicherheitsausschuß begaben sich in corpore in die
Wohnung des Abgeordneten, wo Nationalgarde zu Pferde und
Militärmusik aufgestellt waren. Der Zug setzte sich in Bewegung
Die Musikbegleitung spielte abwechselnd das deutsche und das
österreichische Volkslied. Um 11 Uhr gelangte man in die Hof-
burg. Das ganze diplomatische Corps und der Generalstab wa-
ren bereits bei dem Prinzen versammelt. Die Vorsäle waren
mit Offizieren, Nationalgarden, deutschen, ungarischen und italie-
nischen Wachen gefüllt. Die Deputirten wurden durch Frhrn.
v. Andrian eingeführt und Herr Heckscher nahm das Wort, der
Erzherzog antwortete. Allen, selbst den ältesten Generalen, traten
Thränen in die Augen. Ungefähr vier Minuten lant war Alles
in den Vorsälen in Erwartung des großen Ergebnisses. Die Thür
öffnete sich und man gab das Zeichen „ daß der Erzherzog
Johann von Oesterreich die Stelle eines deutschen
Reichsver wesers übernommen habe.
“ Sogleich wurde
diese Nachricht der Bevölkerung durch Kanonenschüsse mitgetheilt,
ein einstimmiger Ruf der Freude erfüllte die Luft. Jn den Sälen
herrschte die lauteste Begeisterung, man weinte, man umarmte sich,
man war überzeugt, daß die große Frage der deutschen Einheit
und des österreichischen Ausschusses vollständig gelöst sey. Jetzt
verfügte sich der deutsche Reichsverweser in Begleitung des diplo-
matischen Corps und der Deputation auf den Balcon. Eine un-
geheure Volksmasse bedeckte den Burgplatz. Der Reichsverweser
wandte sich an den Deputirten Raveaux mit den Worten: „Jch
bringe Jhnen meine deutsche Treue und deutsche Redlichkeit mit,
und hoffe, daß, wenn Sie mich unterstützen, doch alles gut gehen
wird.“ „Kaiserliche Hoheit! erwiederte Raveaux: ich kann Sie
im Namen der ganzen Nationalversammlung und sonach des gan-
zen deutschen Volkes unseres Vertrauens und unserer Bereitwil-
ligkeit versichern.“ „Darauf baue ich auch“, antwortete der Erz-
herzog. Jetzt bedeutete man der unten versammelten Menge durch
Zeichen, daß der Erzherzog das Wort zu nehmen die Absicht habe.
Der Tumult legte sich und er sprach: „Unsern lieben redlichen
Wienern unsern herzlichsten Dank. Sie sehen hier, meine Herren!
die Abgeordneten der deutschen Nationalversammlung; ich hoffe
[Ende Spaltensatz]

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[0002] ortsfremden, ihr zur Last fallenden Lumpen könne überschwemmt werden, wird man vielleicht — wie auch bereits ein Antrag ge- stellt wurde — durch den Zusatz zu beseitigen suchen, daß der Einziehende seine „Erwerbsfähigkeit“ nachweisen müsse. Es ist nur Schade, daß diese Clausel, wörtlich aus der bisherigen preußischen Gesetzgebung entnommen und schon seit Jahren ein Hauptklagepunct der dortigen Gemeinden, es nicht verhindert hat, daß viele preußische Gemeinden mit äußerst lästigen Ein- zügern belastet wurden, sintemal es bei den preußischen Regierungs- behörden bisher Praxis war, fast eben nur die Krüppel für er- werbsunfähig zu erachten. Diese „liberale,“ eine so unbeschränkte Ansiedelungsfreiheit gestattende preußische Gesetzgebung hat na- mentlich den rheinischen Städten keine sonderliche Freude gemacht, indem das schöne Rheinland schaarenweise Einwanderer aus den Nebeln des Nordens und dem Sande der Mark anlockte, die sich bald in den rheinischen Städten so breit zu machen anfingen, daß es den eingeborenen Bürgern ganz schwül und zu eng wurde. Der Grundsatz des unbedingt freien Ansiedelungsrechtes in jeder Gemeinde ist unseres Erachtens eine von jenen falschen und grundverderblichen Theorien, die in ihrer angeblichen Volks- freundlichkeit ein wahrer Ruin für die wahre Freiheit und das Wohl des Volkes sind. Eine Gemeinde, Stadt= oder Dorfge- meinde, ist nicht eine zusammengelaufene Horde, eine offene Her- berge für Jeden, sondern sie ist eine geschlossene Corpo- ration, eine große Familie mit einem geordneten Haushalt. Wie es das erste und natürlichste Recht des Hausherrn ist, zu bestimmen, wen er in sein Haus und seine Familie aufnehmen will, und es die allgemeine Nächstenliebe nicht im mindesten be- einträchtigt, wenn er einem Solchen, der ihm nicht zusagt, die Thüre verschließt; so ist es auch ein natürliches und we- sentliches Gemeinderecht über die Aufnahme von neuen Mitgliedern in die Gemeinde zu entscheiden; und wenn sie Solchen, deren Aufnahme ihr nicht zusagt, dieselbe verweigert, so verletzt sie damit nicht im Mindesten die staats- bürgerliche Freiheit und Gleichheit des Abgewiesenen. Jhre Bürgerschaft würdig, kräftig, einträchtig und rein von fremdarti- gen Einmischungen zu halten, ist einer freien und biederen Ge- meinde Recht, Ehre und Stolz. Dadurch erhielten sich die freien Städte Deutschlands Jahrhunderte lang in solcher ______Blathe und solchem Ansehen. Ohne dieses ist ein tüchtiger, wohlhaben- der, kräftiger Bürgerstand gar nicht möglich. Jn wohlgelegenen, verdienstreichen Städten wird bei unbedingter Ansiedelungsfreiheit sich in wenigen Jahrzehnten zahlloses ortsfremdes Volk ansiedeln, industrielle Abenteurer aller Art sich niederlassen, Proletarier sich anhäufen, und so kann eine edele blühende Stadt in kurzer Zeit demoralisirt und in ihrem Wohlstand herabgebracht werden. Die abschreckenden Beispiele liegen nahe. Forsche man z. B. in Mainz einmal nach, woher die Leute sind, welche den Armen- anstalten zur Last fallen, die Quartiere der Proletarier füllen, oder die Sicherheit der Bürgerschaft beeinträchtigen und ihren guten Namen zum Theil vor den Augen Auswärtiger compro- mittiren: eine große Zahl derselben werden Ortsfremde seyn, die man seit lange schon mit der freventlichsten Leichtfertigkeit auf- genommen hat. Also jener angeblich liberale Grundsatz, daß jeder Deutsche in jeder Gemeinde Ortsbürgerrecht ohne Weiteres erwerben könne, wo immer es ihm beliebe, ist grundfalsch — ein Eingriff in ein Urrecht jeder Gemeinde, und ein Attentat gegen die Wohlfahrt und den Wohlstand der Bürgerschaft. Namentlich aber in unserer Zeit sollte man sich hüten, durch solche Maßregeln der Ver- armung, dem unglücklichen Proletariat und damit dem Commu- nismus noch mehr in die Hände zu arbeiten. Das Wohl des Reichs ruht auf dem Flor der Gemeinden, dieser aber ist in jedem Augenblick in seinem Bestand bedroht, wenn die Gemeinden nicht das Aufnahmsrecht haben; die Kraft des Gesammtvolks ruht auf der Ehrenhaftigkeit der einzelnen Bürgerschaften, ohne kräftige Gemeindecorporation und das davon unzertrennliche Aufnahmsrecht ist aber an charaktervolle Bürgerschaften nicht zu denken. Würde unbedingt freies Ansiedelungsrecht eingeführt, so würden unsere größeren deutschen Städte nimmer wieder werden was sie einstens waren, starke, edle und reiche Gemeinwesen, sondern Sammelplätze charakterlosen, nichtswürdigen Gesindels. Will man aber gegen Alles dieses vorbringen, daß dadurch die Freiheit des Einzelnen beeinträchtigt werde, dem es freistehen müsse sich niederzulassen, wo er wolle, so ist dies geradezu in Abrede zu stellen: denn daß ein solches Recht bestehe ist eine reine Erdichtung. Jeder gehört von Geburt einer be- stimmten Gemeinde an, hier Ortsbürger zu seyn, ist sein Recht; daß er aber ohne Weiteres in einer anderen Gemeinde Ortsbür- ger werde, dazu hat er so wenig ein Recht, als er ohne Weiteres aus seinem in seines Nachbars Haus ziehen darf. Ferner was dem einen recht ist dem andern billig: darf der Frankfurter nicht ohne Einwilligung der Gemeinde sich in Mainz ansiedeln, so darf es auch umgekehrt der Mainzer in Frankfurt nicht; was ist hieran ungerecht oder unbillig? Es ist aber auch heilsam für Alle: denn leichtsinnige Uebersiedelungen haben viele in Unglück gebracht. Wir wollen nur auf Ein Beispiel hinweisen. Hand- werker auf dem Land, die dort ihr bescheiden Auskommen haben, sticht gar oft der Hochmuth oder die Gewinnsucht, in die Stadt zu ziehen. Sie verderben dort erst den ansässigen Bürgern das Gewerb, gehen dann selbst zu Grund und fallen der Stadt zur Last: eine ganz ordinäre Geschichte! Darum weg mit liberalen Phrasen und Empfindeleien; laßt uns vielmehr zurückkehren zu naturgemäßen, gesunden, wohlerprobten Verhältnissen. Nicht den Gemeindeverband noch mehr zu lockern, sondern ihn recht kräftig und eng zu binden, ist Aufgabe der Gegenwart. Und ge- wiß wird der Reichstag diese Aufgabe lösen und auch hier unbe- kümmert um Advokatenkünste und die Gunst oder Ungunst der Gallerie, Waizen und Spreu sondern, und in ächt deutscher Weise jeder Gemeinde ihr gutes Hausrecht unverkümmert und ungemindert zusprechen und sicher stellen. Deutschland. ✂ Mainz 10. Juli. Jn der heutigen Assisensitzung ( die um 9 Uhr begann, und kurz vor drei Uhr endete ) wurde Samuel Correl, 23 Jahre alt, Taglöhner in Pfaffenschwabenheim, des ausgezeichneten Diebstahls durch äußeren Einbruch und Ein- steigen angeklagt, von den Geschworenen für nicht schuldig erklärt und sofort durch den Assisenpräsidenten ( Herrn Oberge- richtsrath Dr. Levita ) freigesprochen. ☞ Mainz 10. Juli. Aus glaubwürdiger Quelle er- fahren wir so eben, daß der Reichsverweser Erzherzog Johann schon morgen Abend in Frankfurt eintreffen wird. Der Courierwechsel durch unsere Stadt ist heute außerordentlich lebhaft. Wien 5. Juli. ( A. Z. ) Gestern sind die Abgeordneten des dentschen Parlaments hier eingetroffen. Die allgemeinste Theil- nahme der Bevölkerung hat sie empfangen. Heute um10 1 / 2 Uhr Vormittags begaben sie sich in die kaiserliche Burg, um dem Erz- herzog ihren Auftrag zu überbringen. Seit der Burggraf von Nürnberg Rudolph dem Ersten die Wahl der Kurfürsten verkün- dete, hat kein solcher Tag für das kaiserliche Haus geleuchtet. Wir konnten alle Vorgänge in der Nähe betrachten und wir be- eilen uns, sie Jhnen in Kürze mitzutheilen. Der Gemeindeaus- schuß und der Sicherheitsausschuß begaben sich in corpore in die Wohnung des Abgeordneten, wo Nationalgarde zu Pferde und Militärmusik aufgestellt waren. Der Zug setzte sich in Bewegung Die Musikbegleitung spielte abwechselnd das deutsche und das österreichische Volkslied. Um 11 Uhr gelangte man in die Hof- burg. Das ganze diplomatische Corps und der Generalstab wa- ren bereits bei dem Prinzen versammelt. Die Vorsäle waren mit Offizieren, Nationalgarden, deutschen, ungarischen und italie- nischen Wachen gefüllt. Die Deputirten wurden durch Frhrn. v. Andrian eingeführt und Herr Heckscher nahm das Wort, der Erzherzog antwortete. Allen, selbst den ältesten Generalen, traten Thränen in die Augen. Ungefähr vier Minuten lant war Alles in den Vorsälen in Erwartung des großen Ergebnisses. Die Thür öffnete sich und man gab das Zeichen „ daß der Erzherzog Johann von Oesterreich die Stelle eines deutschen Reichsver wesers übernommen habe. “ Sogleich wurde diese Nachricht der Bevölkerung durch Kanonenschüsse mitgetheilt, ein einstimmiger Ruf der Freude erfüllte die Luft. Jn den Sälen herrschte die lauteste Begeisterung, man weinte, man umarmte sich, man war überzeugt, daß die große Frage der deutschen Einheit und des österreichischen Ausschusses vollständig gelöst sey. Jetzt verfügte sich der deutsche Reichsverweser in Begleitung des diplo- matischen Corps und der Deputation auf den Balcon. Eine un- geheure Volksmasse bedeckte den Burgplatz. Der Reichsverweser wandte sich an den Deputirten Raveaux mit den Worten: „Jch bringe Jhnen meine deutsche Treue und deutsche Redlichkeit mit, und hoffe, daß, wenn Sie mich unterstützen, doch alles gut gehen wird.“ „Kaiserliche Hoheit! erwiederte Raveaux: ich kann Sie im Namen der ganzen Nationalversammlung und sonach des gan- zen deutschen Volkes unseres Vertrauens und unserer Bereitwil- ligkeit versichern.“ „Darauf baue ich auch“, antwortete der Erz- herzog. Jetzt bedeutete man der unten versammelten Menge durch Zeichen, daß der Erzherzog das Wort zu nehmen die Absicht habe. Der Tumult legte sich und er sprach: „Unsern lieben redlichen Wienern unsern herzlichsten Dank. Sie sehen hier, meine Herren! die Abgeordneten der deutschen Nationalversammlung; ich hoffe

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Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

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Zitationshilfe: Mainzer Journal. Nr. 26. Mainz, 11. Juli 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_mainzerjournal026_1848/2>, abgerufen am 22.11.2024.