Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Märkische Blätter. Nr. 45. Hattingen, 5. Juni 1850.

Bild:
<< vorherige Seite
[Beginn Spaltensatz]

Ludwig war vor Ueberraschung und Verwirrung kei-
nes Wortes mächtig; denn nun reichte ihm das tieferrö-
thende Malchen die Hand und hieß ihn willkommen, und
der Alte sagte zu dem Knaben: "Sieh' Carl, der Herr
ist der brave Sohn des Mannes, der einst Deinen Vater
aus großer Noth, vielleicht vom Tode, errettete." Und
auch der hübsche Knabe kam und bot ihm zutraulich die Hand.

"Herr Wendel," sagte endlich der Buchdrucker, der
ganz verlegen am Fenster gestanden als dieß Alles sich
hier zutrug, "ich sehe, Sie wissen eigentlich gar nicht
was des Herrn Candidaten Zweck ist?"

"Was Zweck!" rief Herr Wendel, "er will uns mit
seinem Besuche erfreuen und ist uns recht willkommen!"

"Entschuldigen Sie;" entgegnete der Geschäftsmann.
"Sie wissen, daß Sie mir eine Aufforderung zuschickten
wegen eines Hauslehrers für Jhren Sohn. Da ist nun
kürzlich der alte Brillenhändler Schmuel von Crefeld bei
mir gewesen und sagte mir, er wisse den rechten Mann;
nahm das Blatt mit und heute kommt Herr Candidat
Schlösser, um sich auf des Juden Veranlassung bei Jh-
nen zu der Stelle zu melden.

    ( Fortsetzung folgt. )



Tagesbegebenheiten.

Berlin, 2. Juni. Seine Majestät der König haben
in der vergangenen Nacht ruhig geschlafen, obgleich wäh-
rend derselben ein leichter Gichtanfall am Ballen des rech-
ten Fußes zur Entwickelung gekommen ist. -- Der Zu-
stand der Wunde ist in jeder Beziehung zufriedenstellend.

J. A.: gez. v. Puttkammer.

-- 1. Juni. Die Rüstungen, was man auch sagen
möge, gelten nur der Erhaltung des Friedens und sollen
nur ein öffentliches Zeugniß sein, daß Preußen jetzt end-
lich an der Gränze seiner Nachgiebigkeit gelangt sei. Man
mußte den rücksichtslosen Forderungen Oesterreichs und
der Königreiche gegenüber jetzt diese Haltung annehmen,
wenn man nicht fürchten wollte, daß auch in Warschau
wieder diese Restaurations=Politik den blinden Conserva-
tismus des Czaaren für sich zur Einsprache bewege. Die
Entschlossenheit Preußens wird auch den Czaaren zur
Politik der Mäßigung überleiten. Die Reaction in Deutsch-
land hat wahrlich den Bogen so straff gespannt, daß
schon ein wenig Spannung mehr die Sehne zerreißen
würde. Die Ansicht hatte der Prinz von Preußen zur
Geltung zu bringen, und es mußte ihm gelingen, wenn
anders er wirklich, wie es heißt, den Auftrag hatte, zu
erklären, Preußen seinerseits werde in jedem Falle nach
dieser seiner gewissenhaften Ueberzeugung handeln, und es
sei in der Abwehr noch weiterer Zumuthungen fest zum
Aeußersten entschlossen.

Breslau, 31. Mai. Die Cabinets=Ordre, welche
die [ öfter erwähnte ] Mobilmachung befiehlt, ist vom 22.
d. M. Danach sollen, zur Abwehr eines etwaigen An-
griffes von Westen oder Süden, 1 ) die eintretenden Fal-
les in Betracht kommenden Festungen gegen einen ge-
waltsamen Angriff armirt werden -- in Schlesien; Neisse,
Glatz, Silberberg, Schweidnitz und Cosel; 2 ) die Reserve-
Mannschaften einberufen werden des 1., 7., 8. Armee-
Corps, der 12. Division und des Garde=Corps, so daß
jedes Bataillon dieser Truppen 1002 Mann stark wird;
3 ) von jedem Artillerie=Regiment 4 Batterien mobil ge-
macht werden, so wie ein Ponton=Train eines Armee-
Corps. Alle diese Anordnungen werden in der hiesigen
Provinz bereits mit großer Thätigkeit zur Ausführung
[Spaltenumbruch] gebracht; auch erwartet man stündlich den Befehl zur
vollständigen Mobilmachung des 6. Armee=Corps.

Dresden, 1. Juni. Abermals eine Kammer=Auflö-
sung, und abermals im Zusammenhange mit der deutschen
Frage! Man sagt, die Erklärung der Regierung hinsicht-
lich der deutschen Frage, habe eine solche Aufregung in
der Kammer hervorgebracht, daß die in mehreren gehei-
men Sitzungen bereits berathene und fast zum Abschlusse
gebrachte Anleihe=Frage plötzlich vertagt worden sei, weil
viele Abgeordnete nicht mit gutem Gewissen für eine solche
Geldbewilligung stimmen zu können glaubten, ehe sie über
die Befürchtung wegen Wiederherstellung des Bundesta-
ges beruhigt wären.

Warschau, 29. Mai. Der gestrigen Parade im
Lager wohnten der Kaiser, der Großfürst=Thronfolger,
der Prinz von Preußen und der Prinz Karl Friedrich bei.
Abends wohnten die Fürsten einer theatralischen Vorstel-
lung im Park Lazienki bei. Die zauberhafte Beleuchtung
des Parkes erhielt die zahlreiche Menge an diesem herli-
chen Platze bis in die späte Nacht hinein versammelt.

Rom, 22. Mai. Noch immer vollständigste politische
Windstille, dergestalt, daß selbst Gerüchte nicht mehr auf-
kommen können. Gegenstand des Stadtgesprächs sind nur
die eifrigen Nachforschungen, welche von der Polizei an-
gestellt werden, um einem Vorrathe von 25,000 Bibeln
auf die Spur zu kommen, die ein hiesiger Buchbinder
gebunden haben soll. -- Der Sage von einer beabsichtig-
ten Flucht des Papstes, die durch die Androhung der
Einsetzung einer provisorischen Regierung von dem fran-
zösischen General verhindert sei, würde ich nicht erwäh-
nen, tauchte sie nicht seit acht Tagen immer wieder aufs
Neue auf. Man will an Sr. Heiligkeit eine große Un-
ruhe wahrnehmen, und selbst wenn nichts an der Sache
ist, zeigt der Glaube an die Wahrheit derselben zur Ge-
nüge die Volksstimmung.



Bekanntmachungen.
Bekanntmachung.

Leider habe ich an dem ersten Tage nach mei-
nem Amts=Antritte hier die unangenehme Wahr-
nehmung machen müssen, daß die gesetzlichen Be-
stimmungen, wegen Heilighaltung der Sonn= und
Festtage nicht immer beachtet werden. Jch sehe
mich demnach gedrungen und verpflichtet, im Jn-
teresse der Ordnung und der Sittlichkeit darauf
aufmerksam zu machen, daß öffentlicher Lärm auf
den Straßen namentlich vor den Kirchthüren, so
wie alle geräuschvollen bemerkbaren Arbeiten in-
und außerhalb der Häuser und Kegelspielen, wäh-
rend des Gottesdienstes, verboten und die Gens-
darmerie und Polizeidiener angewiesen sind, künf-
tig jede vorkommende Uebertretung zur Anzeige zu
bringen, worauf unnachsichtlich die Bestrafung nach
Amtsblatt=Verfügung vom 21. Februar 1817
( Amtsblatt von 1817 Seite 118 ) von 1 bis 5
Thlr. erfolgen wird.

Sprockhövel, den 3. Juni 1850.

    Der Amts=Verwalter
    Brand I.

[Ende Spaltensatz]
[Beginn Spaltensatz]

Ludwig war vor Ueberraschung und Verwirrung kei-
nes Wortes mächtig; denn nun reichte ihm das tieferrö-
thende Malchen die Hand und hieß ihn willkommen, und
der Alte sagte zu dem Knaben: „Sieh' Carl, der Herr
ist der brave Sohn des Mannes, der einst Deinen Vater
aus großer Noth, vielleicht vom Tode, errettete.“ Und
auch der hübsche Knabe kam und bot ihm zutraulich die Hand.

„Herr Wendel,“ sagte endlich der Buchdrucker, der
ganz verlegen am Fenster gestanden als dieß Alles sich
hier zutrug, „ich sehe, Sie wissen eigentlich gar nicht
was des Herrn Candidaten Zweck ist?“

„Was Zweck!“ rief Herr Wendel, „er will uns mit
seinem Besuche erfreuen und ist uns recht willkommen!“

„Entschuldigen Sie;“ entgegnete der Geschäftsmann.
„Sie wissen, daß Sie mir eine Aufforderung zuschickten
wegen eines Hauslehrers für Jhren Sohn. Da ist nun
kürzlich der alte Brillenhändler Schmuel von Crefeld bei
mir gewesen und sagte mir, er wisse den rechten Mann;
nahm das Blatt mit und heute kommt Herr Candidat
Schlösser, um sich auf des Juden Veranlassung bei Jh-
nen zu der Stelle zu melden.

    ( Fortsetzung folgt. )



Tagesbegebenheiten.

Berlin, 2. Juni. Seine Majestät der König haben
in der vergangenen Nacht ruhig geschlafen, obgleich wäh-
rend derselben ein leichter Gichtanfall am Ballen des rech-
ten Fußes zur Entwickelung gekommen ist. — Der Zu-
stand der Wunde ist in jeder Beziehung zufriedenstellend.

J. A.: gez. v. Puttkammer.

— 1. Juni. Die Rüstungen, was man auch sagen
möge, gelten nur der Erhaltung des Friedens und sollen
nur ein öffentliches Zeugniß sein, daß Preußen jetzt end-
lich an der Gränze seiner Nachgiebigkeit gelangt sei. Man
mußte den rücksichtslosen Forderungen Oesterreichs und
der Königreiche gegenüber jetzt diese Haltung annehmen,
wenn man nicht fürchten wollte, daß auch in Warschau
wieder diese Restaurations=Politik den blinden Conserva-
tismus des Czaaren für sich zur Einsprache bewege. Die
Entschlossenheit Preußens wird auch den Czaaren zur
Politik der Mäßigung überleiten. Die Reaction in Deutsch-
land hat wahrlich den Bogen so straff gespannt, daß
schon ein wenig Spannung mehr die Sehne zerreißen
würde. Die Ansicht hatte der Prinz von Preußen zur
Geltung zu bringen, und es mußte ihm gelingen, wenn
anders er wirklich, wie es heißt, den Auftrag hatte, zu
erklären, Preußen seinerseits werde in jedem Falle nach
dieser seiner gewissenhaften Ueberzeugung handeln, und es
sei in der Abwehr noch weiterer Zumuthungen fest zum
Aeußersten entschlossen.

Breslau, 31. Mai. Die Cabinets=Ordre, welche
die [ öfter erwähnte ] Mobilmachung befiehlt, ist vom 22.
d. M. Danach sollen, zur Abwehr eines etwaigen An-
griffes von Westen oder Süden, 1 ) die eintretenden Fal-
les in Betracht kommenden Festungen gegen einen ge-
waltsamen Angriff armirt werden — in Schlesien; Neisse,
Glatz, Silberberg, Schweidnitz und Cosel; 2 ) die Reserve-
Mannschaften einberufen werden des 1., 7., 8. Armee-
Corps, der 12. Division und des Garde=Corps, so daß
jedes Bataillon dieser Truppen 1002 Mann stark wird;
3 ) von jedem Artillerie=Regiment 4 Batterien mobil ge-
macht werden, so wie ein Ponton=Train eines Armee-
Corps. Alle diese Anordnungen werden in der hiesigen
Provinz bereits mit großer Thätigkeit zur Ausführung
[Spaltenumbruch] gebracht; auch erwartet man stündlich den Befehl zur
vollständigen Mobilmachung des 6. Armee=Corps.

Dresden, 1. Juni. Abermals eine Kammer=Auflö-
sung, und abermals im Zusammenhange mit der deutschen
Frage! Man sagt, die Erklärung der Regierung hinsicht-
lich der deutschen Frage, habe eine solche Aufregung in
der Kammer hervorgebracht, daß die in mehreren gehei-
men Sitzungen bereits berathene und fast zum Abschlusse
gebrachte Anleihe=Frage plötzlich vertagt worden sei, weil
viele Abgeordnete nicht mit gutem Gewissen für eine solche
Geldbewilligung stimmen zu können glaubten, ehe sie über
die Befürchtung wegen Wiederherstellung des Bundesta-
ges beruhigt wären.

Warschau, 29. Mai. Der gestrigen Parade im
Lager wohnten der Kaiser, der Großfürst=Thronfolger,
der Prinz von Preußen und der Prinz Karl Friedrich bei.
Abends wohnten die Fürsten einer theatralischen Vorstel-
lung im Park Lazienki bei. Die zauberhafte Beleuchtung
des Parkes erhielt die zahlreiche Menge an diesem herli-
chen Platze bis in die späte Nacht hinein versammelt.

Rom, 22. Mai. Noch immer vollständigste politische
Windstille, dergestalt, daß selbst Gerüchte nicht mehr auf-
kommen können. Gegenstand des Stadtgesprächs sind nur
die eifrigen Nachforschungen, welche von der Polizei an-
gestellt werden, um einem Vorrathe von 25,000 Bibeln
auf die Spur zu kommen, die ein hiesiger Buchbinder
gebunden haben soll. — Der Sage von einer beabsichtig-
ten Flucht des Papstes, die durch die Androhung der
Einsetzung einer provisorischen Regierung von dem fran-
zösischen General verhindert sei, würde ich nicht erwäh-
nen, tauchte sie nicht seit acht Tagen immer wieder aufs
Neue auf. Man will an Sr. Heiligkeit eine große Un-
ruhe wahrnehmen, und selbst wenn nichts an der Sache
ist, zeigt der Glaube an die Wahrheit derselben zur Ge-
nüge die Volksstimmung.



Bekanntmachungen.
Bekanntmachung.

Leider habe ich an dem ersten Tage nach mei-
nem Amts=Antritte hier die unangenehme Wahr-
nehmung machen müssen, daß die gesetzlichen Be-
stimmungen, wegen Heilighaltung der Sonn= und
Festtage nicht immer beachtet werden. Jch sehe
mich demnach gedrungen und verpflichtet, im Jn-
teresse der Ordnung und der Sittlichkeit darauf
aufmerksam zu machen, daß öffentlicher Lärm auf
den Straßen namentlich vor den Kirchthüren, so
wie alle geräuschvollen bemerkbaren Arbeiten in-
und außerhalb der Häuser und Kegelspielen, wäh-
rend des Gottesdienstes, verboten und die Gens-
darmerie und Polizeidiener angewiesen sind, künf-
tig jede vorkommende Uebertretung zur Anzeige zu
bringen, worauf unnachsichtlich die Bestrafung nach
Amtsblatt=Verfügung vom 21. Februar 1817
( Amtsblatt von 1817 Seite 118 ) von 1 bis 5
Thlr. erfolgen wird.

Sprockhövel, den 3. Juni 1850.

    Der Amts=Verwalter
    Brand I.

[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div xml:id="Wald2" type="jArticle" n="1">
        <pb facs="#f0003"/>
        <cb type="start"/>
        <p>Ludwig war vor Ueberraschung und Verwirrung kei-<lb/>
nes Wortes mächtig; denn nun reichte ihm das tieferrö-<lb/>
thende Malchen die Hand und hieß ihn willkommen, und<lb/>
der Alte sagte zu dem Knaben: &#x201E;Sieh' Carl, der Herr<lb/>
ist der brave Sohn des Mannes, der einst Deinen Vater<lb/>
aus großer Noth, vielleicht vom Tode, errettete.&#x201C; Und<lb/>
auch der hübsche Knabe kam und bot ihm zutraulich die Hand.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Herr Wendel,&#x201C; sagte endlich der Buchdrucker, der<lb/>
ganz verlegen am Fenster gestanden als dieß Alles sich<lb/>
hier zutrug, &#x201E;ich sehe, Sie wissen eigentlich gar nicht<lb/>
was des Herrn Candidaten Zweck ist?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Was Zweck!&#x201C; rief Herr Wendel, &#x201E;er will uns mit<lb/>
seinem Besuche erfreuen und ist uns recht willkommen!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Entschuldigen Sie;&#x201C; entgegnete der Geschäftsmann.<lb/>
&#x201E;Sie wissen, daß Sie mir eine Aufforderung zuschickten<lb/>
wegen eines Hauslehrers für Jhren Sohn. Da ist nun<lb/>
kürzlich der alte Brillenhändler Schmuel von Crefeld bei<lb/>
mir gewesen und sagte mir, er wisse den rechten Mann;<lb/>
nahm das Blatt mit und heute kommt Herr Candidat<lb/>
Schlösser, um sich auf des Juden Veranlassung bei Jh-<lb/>
nen zu der Stelle zu melden.</p><lb/>
        <p><space dim="horizontal"/>   ( Fortsetzung folgt. ) <note type="editorial">Ausgaben, die weiter Fortsetzungsteile des Artikels enthalten, fehlen.</note></p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jVarious" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Tagesbegebenheiten.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Berlin, 2. Juni. Seine Majestät der König haben<lb/>
in der vergangenen Nacht ruhig geschlafen, obgleich wäh-<lb/>
rend derselben ein leichter Gichtanfall am Ballen des rech-<lb/>
ten Fußes zur Entwickelung gekommen ist. &#x2014; Der Zu-<lb/>
stand der Wunde ist in jeder Beziehung zufriedenstellend.</p><lb/>
          <p rendition="#right">J. A.: gez. v. Puttkammer.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>&#x2014; 1. Juni. Die Rüstungen, was man auch sagen<lb/>
möge, gelten nur der Erhaltung des Friedens und sollen<lb/>
nur ein öffentliches Zeugniß sein, daß Preußen jetzt end-<lb/>
lich an der Gränze seiner Nachgiebigkeit gelangt sei. Man<lb/>
mußte den rücksichtslosen Forderungen Oesterreichs und<lb/>
der Königreiche gegenüber jetzt diese Haltung annehmen,<lb/>
wenn man nicht fürchten wollte, daß auch in Warschau<lb/>
wieder diese Restaurations=Politik den blinden Conserva-<lb/>
tismus des Czaaren für sich zur Einsprache bewege. Die<lb/>
Entschlossenheit Preußens wird auch den Czaaren zur<lb/>
Politik der Mäßigung überleiten. Die Reaction in Deutsch-<lb/>
land hat wahrlich den Bogen so straff gespannt, daß<lb/>
schon ein wenig Spannung mehr die Sehne zerreißen<lb/>
würde. Die Ansicht hatte der Prinz von Preußen zur<lb/>
Geltung zu bringen, und es mußte ihm gelingen, wenn<lb/>
anders er wirklich, wie es heißt, den Auftrag hatte, zu<lb/>
erklären, Preußen seinerseits werde in jedem Falle nach<lb/>
dieser seiner gewissenhaften Ueberzeugung handeln, und es<lb/>
sei in der Abwehr noch weiterer Zumuthungen fest zum<lb/>
Aeußersten entschlossen.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Breslau, 31. Mai. Die Cabinets=Ordre, welche<lb/>
die [ öfter erwähnte ] Mobilmachung befiehlt, ist vom 22.<lb/>
d. M. Danach sollen, zur Abwehr eines etwaigen An-<lb/>
griffes von Westen oder Süden, 1 ) die eintretenden Fal-<lb/>
les in Betracht kommenden Festungen gegen einen ge-<lb/>
waltsamen Angriff armirt werden &#x2014; in Schlesien; Neisse,<lb/>
Glatz, Silberberg, Schweidnitz und Cosel; 2 ) die Reserve-<lb/>
Mannschaften einberufen werden des 1., 7., 8. Armee-<lb/>
Corps, der 12. Division und des Garde=Corps, so daß<lb/>
jedes Bataillon dieser Truppen 1002 Mann stark wird;<lb/>
3 ) von jedem Artillerie=Regiment 4 Batterien mobil ge-<lb/>
macht werden, so wie ein Ponton=Train eines Armee-<lb/>
Corps. Alle diese Anordnungen werden in der hiesigen<lb/>
Provinz bereits mit großer Thätigkeit zur Ausführung<lb/><cb n="2"/>
gebracht; auch erwartet man stündlich den Befehl zur<lb/>
vollständigen Mobilmachung des 6. Armee=Corps.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Dresden, 1. Juni. Abermals eine Kammer=Auflö-<lb/>
sung, und abermals im Zusammenhange mit der deutschen<lb/>
Frage! Man sagt, die Erklärung der Regierung hinsicht-<lb/>
lich der deutschen Frage, habe eine solche Aufregung in<lb/>
der Kammer hervorgebracht, daß die in mehreren gehei-<lb/>
men Sitzungen bereits berathene und fast zum Abschlusse<lb/>
gebrachte Anleihe=Frage plötzlich vertagt worden sei, weil<lb/>
viele Abgeordnete nicht mit gutem Gewissen für eine solche<lb/>
Geldbewilligung stimmen zu können glaubten, ehe sie über<lb/>
die Befürchtung wegen Wiederherstellung des Bundesta-<lb/>
ges beruhigt wären.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Warschau, 29. Mai. Der gestrigen Parade im<lb/>
Lager wohnten der Kaiser, der Großfürst=Thronfolger,<lb/>
der Prinz von Preußen und der Prinz Karl Friedrich bei.<lb/>
Abends wohnten die Fürsten einer theatralischen Vorstel-<lb/>
lung im Park Lazienki bei. Die zauberhafte Beleuchtung<lb/>
des Parkes erhielt die zahlreiche Menge an diesem herli-<lb/>
chen Platze bis in die späte Nacht hinein versammelt.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <p>Rom, 22. Mai. Noch immer vollständigste politische<lb/>
Windstille, dergestalt, daß selbst Gerüchte nicht mehr auf-<lb/>
kommen können. Gegenstand des Stadtgesprächs sind nur<lb/>
die eifrigen Nachforschungen, welche von der Polizei an-<lb/>
gestellt werden, um einem Vorrathe von 25,000 Bibeln<lb/>
auf die Spur zu kommen, die ein hiesiger Buchbinder<lb/>
gebunden haben soll. &#x2014; Der Sage von einer beabsichtig-<lb/>
ten Flucht des Papstes, die durch die Androhung der<lb/>
Einsetzung einer provisorischen Regierung von dem fran-<lb/>
zösischen General verhindert sei, würde ich nicht erwäh-<lb/>
nen, tauchte sie nicht seit acht Tagen immer wieder aufs<lb/>
Neue auf. Man will an Sr. Heiligkeit eine große Un-<lb/>
ruhe wahrnehmen, und selbst wenn nichts an der Sache<lb/>
ist, zeigt der Glaube an die Wahrheit derselben zur Ge-<lb/>
nüge die Volksstimmung.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jAnnouncements" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr">Bekanntmachungen.</hi> </head><lb/>
        <div type="jAn" n="2">
          <head> <hi rendition="#fr">Bekanntmachung.</hi> </head><lb/>
          <p>Leider habe ich an dem ersten Tage nach mei-<lb/>
nem Amts=Antritte hier die unangenehme Wahr-<lb/>
nehmung machen müssen, daß die gesetzlichen Be-<lb/>
stimmungen, wegen Heilighaltung der Sonn= und<lb/>
Festtage nicht immer beachtet werden. Jch sehe<lb/>
mich demnach gedrungen und verpflichtet, im Jn-<lb/>
teresse der Ordnung und der Sittlichkeit darauf<lb/>
aufmerksam zu machen, daß öffentlicher Lärm auf<lb/>
den Straßen namentlich vor den Kirchthüren, so<lb/>
wie alle geräuschvollen bemerkbaren Arbeiten in-<lb/>
und außerhalb der Häuser und Kegelspielen, wäh-<lb/>
rend des Gottesdienstes, verboten und die Gens-<lb/>
darmerie und Polizeidiener angewiesen sind, künf-<lb/>
tig jede vorkommende Uebertretung zur Anzeige zu<lb/>
bringen, worauf unnachsichtlich die Bestrafung nach<lb/>
Amtsblatt=Verfügung vom 21. Februar 1817<lb/>
( Amtsblatt von 1817 Seite 118 ) von 1 bis 5<lb/>
Thlr. erfolgen wird.</p><lb/>
          <p>Sprockhövel, den 3. Juni 1850.</p><lb/>
          <p><space dim="horizontal"/>  Der Amts=Verwalter<lb/><space dim="horizontal"/>  Brand <hi rendition="#aq">I.</hi></p>
        </div><lb/>
        <cb type="end"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0003] Ludwig war vor Ueberraschung und Verwirrung kei- nes Wortes mächtig; denn nun reichte ihm das tieferrö- thende Malchen die Hand und hieß ihn willkommen, und der Alte sagte zu dem Knaben: „Sieh' Carl, der Herr ist der brave Sohn des Mannes, der einst Deinen Vater aus großer Noth, vielleicht vom Tode, errettete.“ Und auch der hübsche Knabe kam und bot ihm zutraulich die Hand. „Herr Wendel,“ sagte endlich der Buchdrucker, der ganz verlegen am Fenster gestanden als dieß Alles sich hier zutrug, „ich sehe, Sie wissen eigentlich gar nicht was des Herrn Candidaten Zweck ist?“ „Was Zweck!“ rief Herr Wendel, „er will uns mit seinem Besuche erfreuen und ist uns recht willkommen!“ „Entschuldigen Sie;“ entgegnete der Geschäftsmann. „Sie wissen, daß Sie mir eine Aufforderung zuschickten wegen eines Hauslehrers für Jhren Sohn. Da ist nun kürzlich der alte Brillenhändler Schmuel von Crefeld bei mir gewesen und sagte mir, er wisse den rechten Mann; nahm das Blatt mit und heute kommt Herr Candidat Schlösser, um sich auf des Juden Veranlassung bei Jh- nen zu der Stelle zu melden. ( Fortsetzung folgt. ) Tagesbegebenheiten. Berlin, 2. Juni. Seine Majestät der König haben in der vergangenen Nacht ruhig geschlafen, obgleich wäh- rend derselben ein leichter Gichtanfall am Ballen des rech- ten Fußes zur Entwickelung gekommen ist. — Der Zu- stand der Wunde ist in jeder Beziehung zufriedenstellend. J. A.: gez. v. Puttkammer. — 1. Juni. Die Rüstungen, was man auch sagen möge, gelten nur der Erhaltung des Friedens und sollen nur ein öffentliches Zeugniß sein, daß Preußen jetzt end- lich an der Gränze seiner Nachgiebigkeit gelangt sei. Man mußte den rücksichtslosen Forderungen Oesterreichs und der Königreiche gegenüber jetzt diese Haltung annehmen, wenn man nicht fürchten wollte, daß auch in Warschau wieder diese Restaurations=Politik den blinden Conserva- tismus des Czaaren für sich zur Einsprache bewege. Die Entschlossenheit Preußens wird auch den Czaaren zur Politik der Mäßigung überleiten. Die Reaction in Deutsch- land hat wahrlich den Bogen so straff gespannt, daß schon ein wenig Spannung mehr die Sehne zerreißen würde. Die Ansicht hatte der Prinz von Preußen zur Geltung zu bringen, und es mußte ihm gelingen, wenn anders er wirklich, wie es heißt, den Auftrag hatte, zu erklären, Preußen seinerseits werde in jedem Falle nach dieser seiner gewissenhaften Ueberzeugung handeln, und es sei in der Abwehr noch weiterer Zumuthungen fest zum Aeußersten entschlossen. Breslau, 31. Mai. Die Cabinets=Ordre, welche die [ öfter erwähnte ] Mobilmachung befiehlt, ist vom 22. d. M. Danach sollen, zur Abwehr eines etwaigen An- griffes von Westen oder Süden, 1 ) die eintretenden Fal- les in Betracht kommenden Festungen gegen einen ge- waltsamen Angriff armirt werden — in Schlesien; Neisse, Glatz, Silberberg, Schweidnitz und Cosel; 2 ) die Reserve- Mannschaften einberufen werden des 1., 7., 8. Armee- Corps, der 12. Division und des Garde=Corps, so daß jedes Bataillon dieser Truppen 1002 Mann stark wird; 3 ) von jedem Artillerie=Regiment 4 Batterien mobil ge- macht werden, so wie ein Ponton=Train eines Armee- Corps. Alle diese Anordnungen werden in der hiesigen Provinz bereits mit großer Thätigkeit zur Ausführung gebracht; auch erwartet man stündlich den Befehl zur vollständigen Mobilmachung des 6. Armee=Corps. Dresden, 1. Juni. Abermals eine Kammer=Auflö- sung, und abermals im Zusammenhange mit der deutschen Frage! Man sagt, die Erklärung der Regierung hinsicht- lich der deutschen Frage, habe eine solche Aufregung in der Kammer hervorgebracht, daß die in mehreren gehei- men Sitzungen bereits berathene und fast zum Abschlusse gebrachte Anleihe=Frage plötzlich vertagt worden sei, weil viele Abgeordnete nicht mit gutem Gewissen für eine solche Geldbewilligung stimmen zu können glaubten, ehe sie über die Befürchtung wegen Wiederherstellung des Bundesta- ges beruhigt wären. Warschau, 29. Mai. Der gestrigen Parade im Lager wohnten der Kaiser, der Großfürst=Thronfolger, der Prinz von Preußen und der Prinz Karl Friedrich bei. Abends wohnten die Fürsten einer theatralischen Vorstel- lung im Park Lazienki bei. Die zauberhafte Beleuchtung des Parkes erhielt die zahlreiche Menge an diesem herli- chen Platze bis in die späte Nacht hinein versammelt. Rom, 22. Mai. Noch immer vollständigste politische Windstille, dergestalt, daß selbst Gerüchte nicht mehr auf- kommen können. Gegenstand des Stadtgesprächs sind nur die eifrigen Nachforschungen, welche von der Polizei an- gestellt werden, um einem Vorrathe von 25,000 Bibeln auf die Spur zu kommen, die ein hiesiger Buchbinder gebunden haben soll. — Der Sage von einer beabsichtig- ten Flucht des Papstes, die durch die Androhung der Einsetzung einer provisorischen Regierung von dem fran- zösischen General verhindert sei, würde ich nicht erwäh- nen, tauchte sie nicht seit acht Tagen immer wieder aufs Neue auf. Man will an Sr. Heiligkeit eine große Un- ruhe wahrnehmen, und selbst wenn nichts an der Sache ist, zeigt der Glaube an die Wahrheit derselben zur Ge- nüge die Volksstimmung. Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Leider habe ich an dem ersten Tage nach mei- nem Amts=Antritte hier die unangenehme Wahr- nehmung machen müssen, daß die gesetzlichen Be- stimmungen, wegen Heilighaltung der Sonn= und Festtage nicht immer beachtet werden. Jch sehe mich demnach gedrungen und verpflichtet, im Jn- teresse der Ordnung und der Sittlichkeit darauf aufmerksam zu machen, daß öffentlicher Lärm auf den Straßen namentlich vor den Kirchthüren, so wie alle geräuschvollen bemerkbaren Arbeiten in- und außerhalb der Häuser und Kegelspielen, wäh- rend des Gottesdienstes, verboten und die Gens- darmerie und Polizeidiener angewiesen sind, künf- tig jede vorkommende Uebertretung zur Anzeige zu bringen, worauf unnachsichtlich die Bestrafung nach Amtsblatt=Verfügung vom 21. Februar 1817 ( Amtsblatt von 1817 Seite 118 ) von 1 bis 5 Thlr. erfolgen wird. Sprockhövel, den 3. Juni 1850. Der Amts=Verwalter Brand I.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz, Benjamin Fiechter: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische045_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische045_1850/3
Zitationshilfe: Märkische Blätter. Nr. 45. Hattingen, 5. Juni 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maerkische045_1850/3>, abgerufen am 21.11.2024.