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Mährisches Tagblatt. Nr. 89, Olmütz, 19.04.1886.

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[Spaltenumbruch]

läuterungen zu dieser Gesetzesvorlage, welche wir
der "Wiener Vorstadt-Zeitung" entnehmen. Das
gedachte Blatt wirft zunächst die Frage auf:

Was soll der Landsturm?

Eine schwierige Frage. Fast könnte man
rascher auf die Frage antworten? Was soll der
Landsturm nicht? Der Landsturm wird im Kriegs-
falle das stehende Heer und die Landwehr er-
gänzen, also regelmäßige Kriegsdienste leisten.
In Städten, wo es an militärischer Besatzung
fehlt, wer wird zur Garnison verwendet werden?
Der Landsturm. Wird man Sanitätsorgane,
technische und andministrative Hilfskräfte (Kanzlei-
personale) brauchen -- ein Wink und der Sturm-
mann wird zu Gebote stehen.

Der Landsturm wird vom Kaiser einberufen
und aufgelöst und zwar nur im Falle eines
Krieges. Wenn derselbe außerhalb der Reichs-
grenzen verwendet werden soll, so muß, wie es
im Gesetze heißt, der Reichsrath befragt werden,
oder, wie weiter zu lesen, im Nothfalle später
davon in Kenntniß gesetzt werden.

Das Gesetz theilt den Landsturm in zwei
Aufgebote ein. Das erste Aufgebot umfaßt alle
Landsturmpflichtigen, welche im Alter von 19 bis
37 Jahren stehen. Im Bedarfsfalle wird auch
das zweite Contingent aufgeboten, in das die
Landsturmpflichtigen, sobald sie das 37. Lebens-
jahr überschritten haben, eingereiht werden.

Wer gehört zum Landsturm?

Zum Landsturm sind alle wehrfähigen Staats-
bürger verpflichtet, die nicht dem Heere, der
Marine, der Landwehr oder der Ersatzreserve
activ angehören und zwar vom 19. Lebensjahre
angefangen bis zum vollendeten 42. Jahre. Es
gehören demnach dazu Diejenigen, welche vom
Dienste befreit sind, ferner die als derzeit kriegs-
dienstuntauglich erklärt, aber als eventuell wehr-
fähig in Evidenz gehalten werden; dann Alle,
welche ihre Militärdienstzeit absolvirt haben, gleich-
falls bis zu ihrem 42. Lebensjahre.

Die Landsturmpflicht der Officiere und Mili-
tärbeamten im Ruhestande oder im Verhältnisse außer
Dienst erstreckt sich jedoch bis zum sechzigsten Le-
bensjahre; demnach bezieht sich diese längere Pflicht-
zeit nicht auch auf die Reserve-Ossiciere. Dieje-
nigen jedoch, welche vor ihrem neunzehnten Le-
bensjahre in den Präsenzdienst freiwillig getreten
sind, sind blos die folgenden zehn Jahre nach
Erfüllung ihrer zwölfjährigen Dienstpflicht land-
sturmpflichtig.

Befreiungen von der Landsturmpflicht fixirt
das Gesetz nicht. Es gibt hier also keine Aus-
nahmen aus Familienrücksichten.

Die Anträge, welche der Abg. Graf Attems
[Spaltenumbruch] in dieser Richtung stellte: daß jene Personen,
welche gelegentlich ihrer Assentirung aus Fami-
lienrücksichten befreit wurden (einziger Sohn etc.),
auch des Landsturmdienstes entbunden sein sollen,
sowie die Ausgedienten, welche Väter un-
mündiger Kinder sind, wenn die Erhaltung
der Familie von ihnen abhängt, wurden,
trotzdem Abg. Graf Coronini sie wärmstens unter-
stützte, abgelehnt und es blieb daher bei der ur-
sprünglichen Fassung des Gesetzes, welches eine
Enthebung vom Landsturm nur bei Jenen platz-
greifen läßt, die im Interesse des öffentlichen
Dienstes unentbehrlich sind.

Die letzte Kategorie von Landstürmern sind
die Landsturm-Freiwilligen. Das Gesetz läßt ihre
Aufnahme nach Maßgabe ihrer Eignung zu.

Der Landsturm im Frieden.

Da der Landsturm blos im Kriege activirt
wird, so gibt es in der Zeit des Friedens keinen
eigentlichen organisirten Landsturm, umsoweniger,
als die Landsturmpflichtigen weder zu Controlls-
versammlungen einberufen, noch zur Waffenübung
herangezogen werden dürsen. Die Evidenzhaltung
der "Sturmrollen", welche die Gemeinden zu be-
sorgen haben, ist die einzige Thätigkeit, auf welche
sich im Frieden die Vorarbeiten bezüglich des
Landsturmes erstecken werden.




Der Landsturm in Activität.

Wie der Landsturm im Kriege aussehen
wird, darüber läßt sich vorläufig nichts sagen,
da die Vorschriften über die Organisation des
Landsturmes erst im Verordnungswege erlassen
werden und die bezüglichen Durchführungs-Be-
stimmungen selbstverstandlich erst im Falle eines
Krieges greifbare Formen werden annehmen
können. Der Minister hat im Laufe der Debatte
und auch im Ausschusse hierüber keine Auskünfte
ertheilt und sich darauf berufen, daß die weitere
Ausbildung und Ausgestaltung des Instituts des
Landsturmes Sache des obersten Kriegsherrn sei.

Die Andeutungen, welche betreffs der Aus-
rüstung vom Minister gemacht wurden, gingen
dahin, daß genügende Waffenvorräthe vorhanden
seien, um im Bedarfsfalle die Landstürmer mit
den nöthigen Waffen versehen zu können.

Die Frage der Uniformirung war gleich-
falls Gegenstand der Discussion. Der Minister
kündigte an, daß möglicherweise aus diesem Titel
Budgetforderungen gestellt würden. Es wurde
unter Anderem hervorgehoben, daß die Unifor-
mirung schon deshalb nothwendig sei, damit die
Landstürmer als solche erkannt werden, da ein
weithin sichtbares Zeichen, wie dieß das Gesetz
vorschreibe, wohl nicht genügen dürfte.


[Spaltenumbruch]

men, daß eine in einem Gehirne entstandene
Erregung und Bewegung der kleinsten Theilchen
einer bestimmten Parthie, eine ganz gleiche Erregung
und Bewegung in dem gleichgestimmten Gehirne
eines Anderen hervorzurufen im Stande ist, wie
der Inductionsstrom entsteht durch Erregung des
Stromes in der primären Drahtspule, wie der
gleiche Ton der Harfe erklingt durch Anschlagen
des nebenstehenden gleichgestimmten Claviers. Und
da jede bestimmte Molecularbewegung einer
Gehirnparthie einem bestimmten Gedanken ent-
spricht, so wird mit der inductiven Ueber-
tragung der Bewegung nothwendig auch der
der mit der Bewegung identische Gedanke ent-
stehen, dessen Umsatz und die wahrnembare Hand-
lung dem inducirten so leicht wird, wie dem
primären Gedankenträger.

Es ist dieser seinerzeit auch in der Londoner
Gesellschaft für psychologische Untersuchungen zu
wiederholten Malen constatirte Vorgang entschie-
den weniger wunderbar als z. B. das Magneti-
schwerden der gewiß niedrig organisirten Strick-
nadel durch sanftes Streichen mit einem Magnete,
oder die oft mit Eclat vor sich gehende Verei-
nigung der sogenannten positiven und negativen
Electricität und doch hat wohl noch Niemand
diese Vorgänge als Schwindel bezeichnet.

Diese Erklärung der Erscheinung des Ge-
dankenlesens macht es wahrscheinlich, daß diese
Fähigkeit, einen bestimmten Gedanken durch Sug-
gestion in sich hervorrufen zu lassen, keine unge-
wöhnliche sein mag, und viel häufiger, als
wir sonst annehmen, angetroffen werden
dürfte. Thatsächlich ist dies auch der Fall.
Mir selbst ist ein 14jähriger Knabe be-
[Spaltenumbruch] kannt, der diese Fähigkeit in eminentem Maße
besitzt und ein Herr aus dem Kreise meiner
Bekannten theilte mir mit, daß er zwei Mädchen
kenne, Schwestern, die diese Induction der Ge-
danken der Einen auf die Andere wechselseitig
mit einer gewissen Geläufigkeit executiren.

Ich bin der Ansicht, daß die Anforderungen
zu dieser Fähigkeit keine ungewöhnlichen zu sein
brauchen. Von Seite des Gedankenlesers eine
ruhige ausgeglichene Gehirnthätigkeit, nicht gestört
durch Befangenheit, Sorge oder gar durch Krank-
heit; von Seite des Mediums einen bestimmt be-
grenzten Gedanken (den primären) fassen und den-
selben eine gewisse Zeit hindurch fixiren zu können.
Darum haben die Gedankenleser ruhige, gelassene
Personen, auf deren Gedankenfixirung sie sich
verlassen können, als Medien am liebsten, wäh-
rend ihnen die unstäten, haftigen und nervösen(?)
Naturelle hiezu weniger geeignet erscheinen. Die
von Manchem gegebene Erklärung, daß der Füh-
rer (das Medium) durch unwillkürliche, kaum
wahrnehmbare Muskelzuckungen den Ort, wo die
bestimmte Handlung auszuführen sei, andeutet
und den Gedankenleser gewissermaßen hinführt,
halte ich für ebenso unrichtig als ungenügend.
Unrichtig, weil ich selbst und andere durch-
aus beglaubigte Personen als Medien sich vom
Gegentheile überzeugten und eher die Intention
hatten, den Gedankenleser von dem richtigen Ort
ab-, als zu demselben hinzuleiten und ungenügend,
weil mit dem Errathen des Ortes oder der Per-
son, die in der Aufgabe vorkommen, noch die Aus-
führung der oft complicirten Handlung nicht ge-
gegeben ist.


[Spaltenumbruch]
Wie wird der Landsturm organistrt sein?

Hierüber wird man erst durch die Durch-
führungsbestimmungen vollständige Auskunft er-
halten. Der Minister ließ jedoch in seinen Reden
mehrere Bemerkungen fallen, aus denen einige
Anhaltspuncte in dieser Beziehung zu entnehmen
sind. Zunächst sagte der Minister zu, daß die
Officiere und Unterofficiere im Landsturm ihren
Character beibehalten werden; bezüglich der
Reserve-Officiere machte der Minister keine bin-
dende Zusicherung. Die Chargen werden auch im
Landsturme ihre militärischen Unterscheidungs-
zeichen (Sterne, Kragen etc.) tragen. Die militärisch
unausgebildeten Landstürmer werden in ihre Er-
gänzungsbezirke einberufen werden, wo sie zunächst
von den Ausgedienten -- so weit dieselben zur
Verfügung stehen -- abgerichtet werden.

Eine sehr viel ventilirte Frage war die der
Commandosprache. Das ist Sache des Kaisers,
antwortete Graf Welsersheimb; allein es kann keinem
Zweifel unterliegen, daß die Commandosprache
beim Landsturm nur die Sprache der Armee sein
kann und daß die Landsturm-Rekruten in der
Regimentssprache einexercirt werden dürften.

Die Frage der Versorgung.

Die Landstürmer unterstehen vom Tage ihrer
Einberufung bis zur Entlassung den Militärge-
setzen, also auch der Jurisdiction der Militärge-
richte. Gewiß kein Vortheil und keine Annehm-
lichkeit bei den vielen und wiederholt constatirten
Mängeln unserer Militär-Strafjustiz. Fällt also
ein Landsturmmann, so würden seine Hinterblie-
benen so behandelt, als hätte er im stehenden
Heere gedient, und dasselbe gilt bezüglich der
Belohnungen und Auszeichnungen, welche einem
verdienten oder invaliden Landstürmer zufallen.
So steht es im Gesetze. Leider ist dabei überse-
hen, daß für die Witwen und Waisen -- und
das ist gerade für den Landsturm von großer
Wichtigkeit -- nur ganz ungenügende gesetzliche
Bestimmungen existiren; ein bescheidener Anfang
ist blos mit dem Militärtax-Gesetz gemacht
worden.

Für die Landstürmer tritt aber noch eine
Frage ganz besonders in den Vordergrund, die
bei den Rekruten weniger schwer ins Gewicht
fällt. Was geschieht nämlich mit den Verträgen,
welche er bezüglich seiner Anstellung mit Insti-
tuten oder den Behörden abgeschlossen hat? Werden
die Gehalte fortbezahlt? Wovon sollen Gattin
und Kinder während der Abwesenheit des Fami-
lien-Oberhauptes leben? Muß der Landsturmmann
die Steuern weiter fortbezahlen, vielleicht gar auch
in dem Falle, wenn die Gage-Auszahlung sistirt
oder das Geschäft gesperrt wird, oder wegen Ab-
ganges eines Chefs bedeutend zurückgeht? Wird
eine Execution, die gerade gegen den zum Land-
sturm Einberufenen im Zuge ist, doch durchge-
führt etc. etc. Auf all diese Fragen wäre eine
baldige Antwort gewiß sehr erwünscht. Der Krieg
ist zwar sehr hart und rücksichtslos, allein der
Staat hat ein dringendes Interesse, auch im
Kriege die Existenzen seiner Bürger zu erhalten
und die Familien zu schonen.




Politische Nachrichten.
(Die Schlußsitzung des Abgeordneten-
hauses.)

In der am Freitag abgehaltenen Abend-
sitzung des Abgeordnetenhauses kam es nach An-
nahme des Landsturmgesetzees in dritter Lesung
zu bewegten Zwischenfällen, hervorgerufen dadurch,
daß in aller Eile noch die Convention wegen
der Garantie für die egyptische Anleihe
angenommen und überdies eine Reihe von Petitio-
nen in Nothstands-Angelegenheiten rasch erledigt
werden mußten. Abgeordneter Dr. Kronawetter
gab dem Unmuthe der Opposition über eine
solche Art der Geschäftsbehandlung -- der
24 Seiten starke Bericht über die Convention
wegen Egypten war erst Vormittags vertheilt
worden -- in den schärfsten Worten Ausdruck.
Die Bemerkungen dieses Redners fanden auf der
linken Seite ein lebhaftes Echo. Die Rechte, an-
fangs verdutzt, hatte sich bald gefaßt. Die heftig-
sten Vorwürfe über ihr Vorgehen prallten an
dem Commando des Executiv-Comites wirkungs-
los ab, und so wurde denn Alles programmgemäß
erledigt. Die freundlichen Worte aber, mit denen
der Präsident, den Abgeordneten fröhliche Ostern
wünschend, die Sitzungen bis zum 5. Mai ver-
tagte, klangen wie eine bittere Satire auf die

[Spaltenumbruch]

läuterungen zu dieſer Geſetzesvorlage, welche wir
der „Wiener Vorſtadt-Zeitung“ entnehmen. Das
gedachte Blatt wirft zunächſt die Frage auf:

Was ſoll der Landſturm?

Eine ſchwierige Frage. Faſt könnte man
raſcher auf die Frage antworten? Was ſoll der
Landſturm nicht? Der Landſturm wird im Kriegs-
falle das ſtehende Heer und die Landwehr er-
gänzen, alſo regelmäßige Kriegsdienſte leiſten.
In Städten, wo es an militäriſcher Beſatzung
fehlt, wer wird zur Garniſon verwendet werden?
Der Landſturm. Wird man Sanitätsorgane,
techniſche und andminiſtrative Hilfskräfte (Kanzlei-
perſonale) brauchen — ein Wink und der Sturm-
mann wird zu Gebote ſtehen.

Der Landſturm wird vom Kaiſer einberufen
und aufgelöſt und zwar nur im Falle eines
Krieges. Wenn derſelbe außerhalb der Reichs-
grenzen verwendet werden ſoll, ſo muß, wie es
im Geſetze heißt, der Reichsrath befragt werden,
oder, wie weiter zu leſen, im Nothfalle ſpäter
davon in Kenntniß geſetzt werden.

Das Geſetz theilt den Landſturm in zwei
Aufgebote ein. Das erſte Aufgebot umfaßt alle
Landſturmpflichtigen, welche im Alter von 19 bis
37 Jahren ſtehen. Im Bedarfsfalle wird auch
das zweite Contingent aufgeboten, in das die
Landſturmpflichtigen, ſobald ſie das 37. Lebens-
jahr überſchritten haben, eingereiht werden.

Wer gehört zum Landſturm?

Zum Landſturm ſind alle wehrfähigen Staats-
bürger verpflichtet, die nicht dem Heere, der
Marine, der Landwehr oder der Erſatzreſerve
activ angehören und zwar vom 19. Lebensjahre
angefangen bis zum vollendeten 42. Jahre. Es
gehören demnach dazu Diejenigen, welche vom
Dienſte befreit ſind, ferner die als derzeit kriegs-
dienſtuntauglich erklärt, aber als eventuell wehr-
fähig in Evidenz gehalten werden; dann Alle,
welche ihre Militärdienſtzeit abſolvirt haben, gleich-
falls bis zu ihrem 42. Lebensjahre.

Die Landſturmpflicht der Officiere und Mili-
tärbeamten im Ruheſtande oder im Verhältniſſe außer
Dienſt erſtreckt ſich jedoch bis zum ſechzigſten Le-
bensjahre; demnach bezieht ſich dieſe längere Pflicht-
zeit nicht auch auf die Reſerve-Oſſiciere. Dieje-
nigen jedoch, welche vor ihrem neunzehnten Le-
bensjahre in den Präſenzdienſt freiwillig getreten
ſind, ſind blos die folgenden zehn Jahre nach
Erfüllung ihrer zwölfjährigen Dienſtpflicht land-
ſturmpflichtig.

Befreiungen von der Landſturmpflicht fixirt
das Geſetz nicht. Es gibt hier alſo keine Aus-
nahmen aus Familienrückſichten.

Die Anträge, welche der Abg. Graf Attems
[Spaltenumbruch] in dieſer Richtung ſtellte: daß jene Perſonen,
welche gelegentlich ihrer Aſſentirung aus Fami-
lienrückſichten befreit wurden (einziger Sohn ꝛc.),
auch des Landſturmdienſtes entbunden ſein ſollen,
ſowie die Ausgedienten, welche Väter un-
mündiger Kinder ſind, wenn die Erhaltung
der Familie von ihnen abhängt, wurden,
trotzdem Abg. Graf Coronini ſie wärmſtens unter-
ſtützte, abgelehnt und es blieb daher bei der ur-
ſprünglichen Faſſung des Geſetzes, welches eine
Enthebung vom Landſturm nur bei Jenen platz-
greifen läßt, die im Intereſſe des öffentlichen
Dienſtes unentbehrlich ſind.

Die letzte Kategorie von Landſtürmern ſind
die Landſturm-Freiwilligen. Das Geſetz läßt ihre
Aufnahme nach Maßgabe ihrer Eignung zu.

Der Landſturm im Frieden.

Da der Landſturm blos im Kriege activirt
wird, ſo gibt es in der Zeit des Friedens keinen
eigentlichen organiſirten Landſturm, umſoweniger,
als die Landſturmpflichtigen weder zu Controlls-
verſammlungen einberufen, noch zur Waffenübung
herangezogen werden dürſen. Die Evidenzhaltung
der „Sturmrollen“, welche die Gemeinden zu be-
ſorgen haben, iſt die einzige Thätigkeit, auf welche
ſich im Frieden die Vorarbeiten bezüglich des
Landſturmes erſtecken werden.




Der Landſturm in Activität.

Wie der Landſturm im Kriege ausſehen
wird, darüber läßt ſich vorläufig nichts ſagen,
da die Vorſchriften über die Organiſation des
Landſturmes erſt im Verordnungswege erlaſſen
werden und die bezüglichen Durchführungs-Be-
ſtimmungen ſelbſtverſtandlich erſt im Falle eines
Krieges greifbare Formen werden annehmen
können. Der Miniſter hat im Laufe der Debatte
und auch im Ausſchuſſe hierüber keine Auskünfte
ertheilt und ſich darauf berufen, daß die weitere
Ausbildung und Ausgeſtaltung des Inſtituts des
Landſturmes Sache des oberſten Kriegsherrn ſei.

Die Andeutungen, welche betreffs der Aus-
rüſtung vom Miniſter gemacht wurden, gingen
dahin, daß genügende Waffenvorräthe vorhanden
ſeien, um im Bedarfsfalle die Landſtürmer mit
den nöthigen Waffen verſehen zu können.

Die Frage der Uniformirung war gleich-
falls Gegenſtand der Discuſſion. Der Miniſter
kündigte an, daß möglicherweiſe aus dieſem Titel
Budgetforderungen geſtellt würden. Es wurde
unter Anderem hervorgehoben, daß die Unifor-
mirung ſchon deshalb nothwendig ſei, damit die
Landſtürmer als ſolche erkannt werden, da ein
weithin ſichtbares Zeichen, wie dieß das Geſetz
vorſchreibe, wohl nicht genügen dürfte.


[Spaltenumbruch]

men, daß eine in einem Gehirne entſtandene
Erregung und Bewegung der kleinſten Theilchen
einer beſtimmten Parthie, eine ganz gleiche Erregung
und Bewegung in dem gleichgeſtimmten Gehirne
eines Anderen hervorzurufen im Stande iſt, wie
der Inductionsſtrom entſteht durch Erregung des
Stromes in der primären Drahtſpule, wie der
gleiche Ton der Harfe erklingt durch Anſchlagen
des nebenſtehenden gleichgeſtimmten Claviers. Und
da jede beſtimmte Molecularbewegung einer
Gehirnparthie einem beſtimmten Gedanken ent-
ſpricht, ſo wird mit der inductiven Ueber-
tragung der Bewegung nothwendig auch der
der mit der Bewegung identiſche Gedanke ent-
ſtehen, deſſen Umſatz und die wahrnembare Hand-
lung dem inducirten ſo leicht wird, wie dem
primären Gedankenträger.

Es iſt dieſer ſeinerzeit auch in der Londoner
Geſellſchaft für pſychologiſche Unterſuchungen zu
wiederholten Malen conſtatirte Vorgang entſchie-
den weniger wunderbar als z. B. das Magneti-
ſchwerden der gewiß niedrig organiſirten Strick-
nadel durch ſanftes Streichen mit einem Magnete,
oder die oft mit Eclat vor ſich gehende Verei-
nigung der ſogenannten poſitiven und negativen
Electricität und doch hat wohl noch Niemand
dieſe Vorgänge als Schwindel bezeichnet.

Dieſe Erklärung der Erſcheinung des Ge-
dankenleſens macht es wahrſcheinlich, daß dieſe
Fähigkeit, einen beſtimmten Gedanken durch Sug-
geſtion in ſich hervorrufen zu laſſen, keine unge-
wöhnliche ſein mag, und viel häufiger, als
wir ſonſt annehmen, angetroffen werden
dürfte. Thatſächlich iſt dies auch der Fall.
Mir ſelbſt iſt ein 14jähriger Knabe be-
[Spaltenumbruch] kannt, der dieſe Fähigkeit in eminentem Maße
beſitzt und ein Herr aus dem Kreiſe meiner
Bekannten theilte mir mit, daß er zwei Mädchen
kenne, Schweſtern, die dieſe Induction der Ge-
danken der Einen auf die Andere wechſelſeitig
mit einer gewiſſen Geläufigkeit executiren.

Ich bin der Anſicht, daß die Anforderungen
zu dieſer Fähigkeit keine ungewöhnlichen zu ſein
brauchen. Von Seite des Gedankenleſers eine
ruhige ausgeglichene Gehirnthätigkeit, nicht geſtört
durch Befangenheit, Sorge oder gar durch Krank-
heit; von Seite des Mediums einen beſtimmt be-
grenzten Gedanken (den primären) faſſen und den-
ſelben eine gewiſſe Zeit hindurch fixiren zu können.
Darum haben die Gedankenleſer ruhige, gelaſſene
Perſonen, auf deren Gedankenfixirung ſie ſich
verlaſſen können, als Medien am liebſten, wäh-
rend ihnen die unſtäten, haftigen und nervöſen(?)
Naturelle hiezu weniger geeignet erſcheinen. Die
von Manchem gegebene Erklärung, daß der Füh-
rer (das Medium) durch unwillkürliche, kaum
wahrnehmbare Muskelzuckungen den Ort, wo die
beſtimmte Handlung auszuführen ſei, andeutet
und den Gedankenleſer gewiſſermaßen hinführt,
halte ich für ebenſo unrichtig als ungenügend.
Unrichtig, weil ich ſelbſt und andere durch-
aus beglaubigte Perſonen als Medien ſich vom
Gegentheile überzeugten und eher die Intention
hatten, den Gedankenleſer von dem richtigen Ort
ab-, als zu demſelben hinzuleiten und ungenügend,
weil mit dem Errathen des Ortes oder der Per-
ſon, die in der Aufgabe vorkommen, noch die Aus-
führung der oft complicirten Handlung nicht ge-
gegeben iſt.


[Spaltenumbruch]
Wie wird der Landſturm organiſtrt ſein?

Hierüber wird man erſt durch die Durch-
führungsbeſtimmungen vollſtändige Auskunft er-
halten. Der Miniſter ließ jedoch in ſeinen Reden
mehrere Bemerkungen fallen, aus denen einige
Anhaltspuncte in dieſer Beziehung zu entnehmen
ſind. Zunächſt ſagte der Miniſter zu, daß die
Officiere und Unterofficiere im Landſturm ihren
Character beibehalten werden; bezüglich der
Reſerve-Officiere machte der Miniſter keine bin-
dende Zuſicherung. Die Chargen werden auch im
Landſturme ihre militäriſchen Unterſcheidungs-
zeichen (Sterne, Kragen ꝛc.) tragen. Die militäriſch
unausgebildeten Landſtürmer werden in ihre Er-
gänzungsbezirke einberufen werden, wo ſie zunächſt
von den Ausgedienten — ſo weit dieſelben zur
Verfügung ſtehen — abgerichtet werden.

Eine ſehr viel ventilirte Frage war die der
Commandoſprache. Das iſt Sache des Kaiſers,
antwortete Graf Welſersheimb; allein es kann keinem
Zweifel unterliegen, daß die Commandoſprache
beim Landſturm nur die Sprache der Armee ſein
kann und daß die Landſturm-Rekruten in der
Regimentsſprache einexercirt werden dürften.

Die Frage der Verſorgung.

Die Landſtürmer unterſtehen vom Tage ihrer
Einberufung bis zur Entlaſſung den Militärge-
ſetzen, alſo auch der Jurisdiction der Militärge-
richte. Gewiß kein Vortheil und keine Annehm-
lichkeit bei den vielen und wiederholt conſtatirten
Mängeln unſerer Militär-Strafjuſtiz. Fällt alſo
ein Landſturmmann, ſo würden ſeine Hinterblie-
benen ſo behandelt, als hätte er im ſtehenden
Heere gedient, und dasſelbe gilt bezüglich der
Belohnungen und Auszeichnungen, welche einem
verdienten oder invaliden Landſtürmer zufallen.
So ſteht es im Geſetze. Leider iſt dabei überſe-
hen, daß für die Witwen und Waiſen — und
das iſt gerade für den Landſturm von großer
Wichtigkeit — nur ganz ungenügende geſetzliche
Beſtimmungen exiſtiren; ein beſcheidener Anfang
iſt blos mit dem Militärtax-Geſetz gemacht
worden.

Für die Landſtürmer tritt aber noch eine
Frage ganz beſonders in den Vordergrund, die
bei den Rekruten weniger ſchwer ins Gewicht
fällt. Was geſchieht nämlich mit den Verträgen,
welche er bezüglich ſeiner Anſtellung mit Inſti-
tuten oder den Behörden abgeſchloſſen hat? Werden
die Gehalte fortbezahlt? Wovon ſollen Gattin
und Kinder während der Abweſenheit des Fami-
lien-Oberhauptes leben? Muß der Landſturmmann
die Steuern weiter fortbezahlen, vielleicht gar auch
in dem Falle, wenn die Gage-Auszahlung ſiſtirt
oder das Geſchäft geſperrt wird, oder wegen Ab-
ganges eines Chefs bedeutend zurückgeht? Wird
eine Execution, die gerade gegen den zum Land-
ſturm Einberufenen im Zuge iſt, doch durchge-
führt ꝛc. ꝛc. Auf all dieſe Fragen wäre eine
baldige Antwort gewiß ſehr erwünſcht. Der Krieg
iſt zwar ſehr hart und rückſichtslos, allein der
Staat hat ein dringendes Intereſſe, auch im
Kriege die Exiſtenzen ſeiner Bürger zu erhalten
und die Familien zu ſchonen.




Politiſche Nachrichten.
(Die Schlußſitzung des Abgeordneten-
hauſes.)

In der am Freitag abgehaltenen Abend-
ſitzung des Abgeordnetenhauſes kam es nach An-
nahme des Landſturmgeſetzees in dritter Leſung
zu bewegten Zwiſchenfällen, hervorgerufen dadurch,
daß in aller Eile noch die Convention wegen
der Garantie für die egyptiſche Anleihe
angenommen und überdies eine Reihe von Petitio-
nen in Nothſtands-Angelegenheiten raſch erledigt
werden mußten. Abgeordneter Dr. Kronawetter
gab dem Unmuthe der Oppoſition über eine
ſolche Art der Geſchäftsbehandlung — der
24 Seiten ſtarke Bericht über die Convention
wegen Egypten war erſt Vormittags vertheilt
worden — in den ſchärfſten Worten Ausdruck.
Die Bemerkungen dieſes Redners fanden auf der
linken Seite ein lebhaftes Echo. Die Rechte, an-
fangs verdutzt, hatte ſich bald gefaßt. Die heftig-
ſten Vorwürfe über ihr Vorgehen prallten an
dem Commando des Executiv-Comités wirkungs-
los ab, und ſo wurde denn Alles programmgemäß
erledigt. Die freundlichen Worte aber, mit denen
der Präſident, den Abgeordneten fröhliche Oſtern
wünſchend, die Sitzungen bis zum 5. Mai ver-
tagte, klangen wie eine bittere Satire auf die

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[[2]/0002] läuterungen zu dieſer Geſetzesvorlage, welche wir der „Wiener Vorſtadt-Zeitung“ entnehmen. Das gedachte Blatt wirft zunächſt die Frage auf: Was ſoll der Landſturm? Eine ſchwierige Frage. Faſt könnte man raſcher auf die Frage antworten? Was ſoll der Landſturm nicht? Der Landſturm wird im Kriegs- falle das ſtehende Heer und die Landwehr er- gänzen, alſo regelmäßige Kriegsdienſte leiſten. In Städten, wo es an militäriſcher Beſatzung fehlt, wer wird zur Garniſon verwendet werden? Der Landſturm. Wird man Sanitätsorgane, techniſche und andminiſtrative Hilfskräfte (Kanzlei- perſonale) brauchen — ein Wink und der Sturm- mann wird zu Gebote ſtehen. Der Landſturm wird vom Kaiſer einberufen und aufgelöſt und zwar nur im Falle eines Krieges. Wenn derſelbe außerhalb der Reichs- grenzen verwendet werden ſoll, ſo muß, wie es im Geſetze heißt, der Reichsrath befragt werden, oder, wie weiter zu leſen, im Nothfalle ſpäter davon in Kenntniß geſetzt werden. Das Geſetz theilt den Landſturm in zwei Aufgebote ein. Das erſte Aufgebot umfaßt alle Landſturmpflichtigen, welche im Alter von 19 bis 37 Jahren ſtehen. Im Bedarfsfalle wird auch das zweite Contingent aufgeboten, in das die Landſturmpflichtigen, ſobald ſie das 37. Lebens- jahr überſchritten haben, eingereiht werden. Wer gehört zum Landſturm? Zum Landſturm ſind alle wehrfähigen Staats- bürger verpflichtet, die nicht dem Heere, der Marine, der Landwehr oder der Erſatzreſerve activ angehören und zwar vom 19. Lebensjahre angefangen bis zum vollendeten 42. Jahre. Es gehören demnach dazu Diejenigen, welche vom Dienſte befreit ſind, ferner die als derzeit kriegs- dienſtuntauglich erklärt, aber als eventuell wehr- fähig in Evidenz gehalten werden; dann Alle, welche ihre Militärdienſtzeit abſolvirt haben, gleich- falls bis zu ihrem 42. Lebensjahre. Die Landſturmpflicht der Officiere und Mili- tärbeamten im Ruheſtande oder im Verhältniſſe außer Dienſt erſtreckt ſich jedoch bis zum ſechzigſten Le- bensjahre; demnach bezieht ſich dieſe längere Pflicht- zeit nicht auch auf die Reſerve-Oſſiciere. Dieje- nigen jedoch, welche vor ihrem neunzehnten Le- bensjahre in den Präſenzdienſt freiwillig getreten ſind, ſind blos die folgenden zehn Jahre nach Erfüllung ihrer zwölfjährigen Dienſtpflicht land- ſturmpflichtig. Befreiungen von der Landſturmpflicht fixirt das Geſetz nicht. Es gibt hier alſo keine Aus- nahmen aus Familienrückſichten. Die Anträge, welche der Abg. Graf Attems in dieſer Richtung ſtellte: daß jene Perſonen, welche gelegentlich ihrer Aſſentirung aus Fami- lienrückſichten befreit wurden (einziger Sohn ꝛc.), auch des Landſturmdienſtes entbunden ſein ſollen, ſowie die Ausgedienten, welche Väter un- mündiger Kinder ſind, wenn die Erhaltung der Familie von ihnen abhängt, wurden, trotzdem Abg. Graf Coronini ſie wärmſtens unter- ſtützte, abgelehnt und es blieb daher bei der ur- ſprünglichen Faſſung des Geſetzes, welches eine Enthebung vom Landſturm nur bei Jenen platz- greifen läßt, die im Intereſſe des öffentlichen Dienſtes unentbehrlich ſind. Die letzte Kategorie von Landſtürmern ſind die Landſturm-Freiwilligen. Das Geſetz läßt ihre Aufnahme nach Maßgabe ihrer Eignung zu. Der Landſturm im Frieden. Da der Landſturm blos im Kriege activirt wird, ſo gibt es in der Zeit des Friedens keinen eigentlichen organiſirten Landſturm, umſoweniger, als die Landſturmpflichtigen weder zu Controlls- verſammlungen einberufen, noch zur Waffenübung herangezogen werden dürſen. Die Evidenzhaltung der „Sturmrollen“, welche die Gemeinden zu be- ſorgen haben, iſt die einzige Thätigkeit, auf welche ſich im Frieden die Vorarbeiten bezüglich des Landſturmes erſtecken werden. Der Landſturm in Activität. Wie der Landſturm im Kriege ausſehen wird, darüber läßt ſich vorläufig nichts ſagen, da die Vorſchriften über die Organiſation des Landſturmes erſt im Verordnungswege erlaſſen werden und die bezüglichen Durchführungs-Be- ſtimmungen ſelbſtverſtandlich erſt im Falle eines Krieges greifbare Formen werden annehmen können. Der Miniſter hat im Laufe der Debatte und auch im Ausſchuſſe hierüber keine Auskünfte ertheilt und ſich darauf berufen, daß die weitere Ausbildung und Ausgeſtaltung des Inſtituts des Landſturmes Sache des oberſten Kriegsherrn ſei. Die Andeutungen, welche betreffs der Aus- rüſtung vom Miniſter gemacht wurden, gingen dahin, daß genügende Waffenvorräthe vorhanden ſeien, um im Bedarfsfalle die Landſtürmer mit den nöthigen Waffen verſehen zu können. Die Frage der Uniformirung war gleich- falls Gegenſtand der Discuſſion. Der Miniſter kündigte an, daß möglicherweiſe aus dieſem Titel Budgetforderungen geſtellt würden. Es wurde unter Anderem hervorgehoben, daß die Unifor- mirung ſchon deshalb nothwendig ſei, damit die Landſtürmer als ſolche erkannt werden, da ein weithin ſichtbares Zeichen, wie dieß das Geſetz vorſchreibe, wohl nicht genügen dürfte. men, daß eine in einem Gehirne entſtandene Erregung und Bewegung der kleinſten Theilchen einer beſtimmten Parthie, eine ganz gleiche Erregung und Bewegung in dem gleichgeſtimmten Gehirne eines Anderen hervorzurufen im Stande iſt, wie der Inductionsſtrom entſteht durch Erregung des Stromes in der primären Drahtſpule, wie der gleiche Ton der Harfe erklingt durch Anſchlagen des nebenſtehenden gleichgeſtimmten Claviers. Und da jede beſtimmte Molecularbewegung einer Gehirnparthie einem beſtimmten Gedanken ent- ſpricht, ſo wird mit der inductiven Ueber- tragung der Bewegung nothwendig auch der der mit der Bewegung identiſche Gedanke ent- ſtehen, deſſen Umſatz und die wahrnembare Hand- lung dem inducirten ſo leicht wird, wie dem primären Gedankenträger. Es iſt dieſer ſeinerzeit auch in der Londoner Geſellſchaft für pſychologiſche Unterſuchungen zu wiederholten Malen conſtatirte Vorgang entſchie- den weniger wunderbar als z. B. das Magneti- ſchwerden der gewiß niedrig organiſirten Strick- nadel durch ſanftes Streichen mit einem Magnete, oder die oft mit Eclat vor ſich gehende Verei- nigung der ſogenannten poſitiven und negativen Electricität und doch hat wohl noch Niemand dieſe Vorgänge als Schwindel bezeichnet. Dieſe Erklärung der Erſcheinung des Ge- dankenleſens macht es wahrſcheinlich, daß dieſe Fähigkeit, einen beſtimmten Gedanken durch Sug- geſtion in ſich hervorrufen zu laſſen, keine unge- wöhnliche ſein mag, und viel häufiger, als wir ſonſt annehmen, angetroffen werden dürfte. Thatſächlich iſt dies auch der Fall. Mir ſelbſt iſt ein 14jähriger Knabe be- kannt, der dieſe Fähigkeit in eminentem Maße beſitzt und ein Herr aus dem Kreiſe meiner Bekannten theilte mir mit, daß er zwei Mädchen kenne, Schweſtern, die dieſe Induction der Ge- danken der Einen auf die Andere wechſelſeitig mit einer gewiſſen Geläufigkeit executiren. Ich bin der Anſicht, daß die Anforderungen zu dieſer Fähigkeit keine ungewöhnlichen zu ſein brauchen. Von Seite des Gedankenleſers eine ruhige ausgeglichene Gehirnthätigkeit, nicht geſtört durch Befangenheit, Sorge oder gar durch Krank- heit; von Seite des Mediums einen beſtimmt be- grenzten Gedanken (den primären) faſſen und den- ſelben eine gewiſſe Zeit hindurch fixiren zu können. Darum haben die Gedankenleſer ruhige, gelaſſene Perſonen, auf deren Gedankenfixirung ſie ſich verlaſſen können, als Medien am liebſten, wäh- rend ihnen die unſtäten, haftigen und nervöſen(?) Naturelle hiezu weniger geeignet erſcheinen. Die von Manchem gegebene Erklärung, daß der Füh- rer (das Medium) durch unwillkürliche, kaum wahrnehmbare Muskelzuckungen den Ort, wo die beſtimmte Handlung auszuführen ſei, andeutet und den Gedankenleſer gewiſſermaßen hinführt, halte ich für ebenſo unrichtig als ungenügend. Unrichtig, weil ich ſelbſt und andere durch- aus beglaubigte Perſonen als Medien ſich vom Gegentheile überzeugten und eher die Intention hatten, den Gedankenleſer von dem richtigen Ort ab-, als zu demſelben hinzuleiten und ungenügend, weil mit dem Errathen des Ortes oder der Per- ſon, die in der Aufgabe vorkommen, noch die Aus- führung der oft complicirten Handlung nicht ge- gegeben iſt. („Sileſia.“) Wie wird der Landſturm organiſtrt ſein? Hierüber wird man erſt durch die Durch- führungsbeſtimmungen vollſtändige Auskunft er- halten. Der Miniſter ließ jedoch in ſeinen Reden mehrere Bemerkungen fallen, aus denen einige Anhaltspuncte in dieſer Beziehung zu entnehmen ſind. Zunächſt ſagte der Miniſter zu, daß die Officiere und Unterofficiere im Landſturm ihren Character beibehalten werden; bezüglich der Reſerve-Officiere machte der Miniſter keine bin- dende Zuſicherung. Die Chargen werden auch im Landſturme ihre militäriſchen Unterſcheidungs- zeichen (Sterne, Kragen ꝛc.) tragen. Die militäriſch unausgebildeten Landſtürmer werden in ihre Er- gänzungsbezirke einberufen werden, wo ſie zunächſt von den Ausgedienten — ſo weit dieſelben zur Verfügung ſtehen — abgerichtet werden. Eine ſehr viel ventilirte Frage war die der Commandoſprache. Das iſt Sache des Kaiſers, antwortete Graf Welſersheimb; allein es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Commandoſprache beim Landſturm nur die Sprache der Armee ſein kann und daß die Landſturm-Rekruten in der Regimentsſprache einexercirt werden dürften. Die Frage der Verſorgung. Die Landſtürmer unterſtehen vom Tage ihrer Einberufung bis zur Entlaſſung den Militärge- ſetzen, alſo auch der Jurisdiction der Militärge- richte. Gewiß kein Vortheil und keine Annehm- lichkeit bei den vielen und wiederholt conſtatirten Mängeln unſerer Militär-Strafjuſtiz. Fällt alſo ein Landſturmmann, ſo würden ſeine Hinterblie- benen ſo behandelt, als hätte er im ſtehenden Heere gedient, und dasſelbe gilt bezüglich der Belohnungen und Auszeichnungen, welche einem verdienten oder invaliden Landſtürmer zufallen. So ſteht es im Geſetze. Leider iſt dabei überſe- hen, daß für die Witwen und Waiſen — und das iſt gerade für den Landſturm von großer Wichtigkeit — nur ganz ungenügende geſetzliche Beſtimmungen exiſtiren; ein beſcheidener Anfang iſt blos mit dem Militärtax-Geſetz gemacht worden. Für die Landſtürmer tritt aber noch eine Frage ganz beſonders in den Vordergrund, die bei den Rekruten weniger ſchwer ins Gewicht fällt. Was geſchieht nämlich mit den Verträgen, welche er bezüglich ſeiner Anſtellung mit Inſti- tuten oder den Behörden abgeſchloſſen hat? Werden die Gehalte fortbezahlt? Wovon ſollen Gattin und Kinder während der Abweſenheit des Fami- lien-Oberhauptes leben? Muß der Landſturmmann die Steuern weiter fortbezahlen, vielleicht gar auch in dem Falle, wenn die Gage-Auszahlung ſiſtirt oder das Geſchäft geſperrt wird, oder wegen Ab- ganges eines Chefs bedeutend zurückgeht? Wird eine Execution, die gerade gegen den zum Land- ſturm Einberufenen im Zuge iſt, doch durchge- führt ꝛc. ꝛc. Auf all dieſe Fragen wäre eine baldige Antwort gewiß ſehr erwünſcht. Der Krieg iſt zwar ſehr hart und rückſichtslos, allein der Staat hat ein dringendes Intereſſe, auch im Kriege die Exiſtenzen ſeiner Bürger zu erhalten und die Familien zu ſchonen. Politiſche Nachrichten. (Die Schlußſitzung des Abgeordneten- hauſes.) In der am Freitag abgehaltenen Abend- ſitzung des Abgeordnetenhauſes kam es nach An- nahme des Landſturmgeſetzees in dritter Leſung zu bewegten Zwiſchenfällen, hervorgerufen dadurch, daß in aller Eile noch die Convention wegen der Garantie für die egyptiſche Anleihe angenommen und überdies eine Reihe von Petitio- nen in Nothſtands-Angelegenheiten raſch erledigt werden mußten. Abgeordneter Dr. Kronawetter gab dem Unmuthe der Oppoſition über eine ſolche Art der Geſchäftsbehandlung — der 24 Seiten ſtarke Bericht über die Convention wegen Egypten war erſt Vormittags vertheilt worden — in den ſchärfſten Worten Ausdruck. Die Bemerkungen dieſes Redners fanden auf der linken Seite ein lebhaftes Echo. Die Rechte, an- fangs verdutzt, hatte ſich bald gefaßt. Die heftig- ſten Vorwürfe über ihr Vorgehen prallten an dem Commando des Executiv-Comités wirkungs- los ab, und ſo wurde denn Alles programmgemäß erledigt. Die freundlichen Worte aber, mit denen der Präſident, den Abgeordneten fröhliche Oſtern wünſchend, die Sitzungen bis zum 5. Mai ver- tagte, klangen wie eine bittere Satire auf die

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 89, Olmütz, 19.04.1886, S. [2]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches89_1886/2>, abgerufen am 21.11.2024.