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Mährisches Tagblatt. Nr. 167, Olmütz, 24.07.1889.

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[Spaltenumbruch]

all sein Vermögen in verfehlten Spekulationen
verloren. Kaum drei Monate später waren die
Beziehungen die alten.

Der Ausgangspunct der Beziehungen war
folgender: Der alte Telkesy machte als Wirth-
schaftsbeamter auf dem Gute des Grafen Guido
Karatsonyi die unliebsame Entdeckung, daß ein
untergeordneter Beamter sein Vertrauen mißbrauchte
und aus der Wirthschafts[c]assa, für welche Telkesy
verantwortlich war, 2000 fl. entwendet hatte.
Telkesy wandte sich an seine Verwandten um Hilfe,
doch diese verweigerten seiner Bitte die Gewäh-
rung. In seiner Noth wandte er sich an Farcas,
der damals Geldgeschäfte machte und Farcas war
nun der Helfer in der Noth. Daher die Dank-
barkeit der Familie Farcas gegenüber. Damals
geschah es, daß Frau Telkesy zum ersten Male
einen Selbstmordversuch machte; als sie vernahm,
daß ihre Verwandten ihrem Gatten die erbetene
Hilfe abgeschlagen, trank sie eine Morphiumlösung
und wurde mit schwerer Mühe gerettet. Seitdem
leidet sie auch an hochgradiger Nervosität. -- Ein
weiteres interessantes Detail über die Beziehungen
zwischen Melchior Farkas und der Familie Telkesy
bringt "Szegedi Naplo" zutage. Vor einigen Jah-
ren, als Telkesy noch lebte und als Diurnist bei der
Szegediner Finanzdirection angestellt war, klagte
Farkas, damals Kanzleileiter des Verseczer Advo-
caten Dr. Georg Miloßavlyevien, im Namen eines
Gläubigers Konstantin Stefanovics einen Wechsel
über 150 fl. gegen Telkesy; die Substitution vor
dem Szegediner Wechselgerichte führte der dortige
Advocat Dr. Moriz Engel. Dieser erwirkte Zah-
lungsauflage und Execution und erledigte schließ-
lich die Angelegenheit dahin, daß die Schuld in
Monatsraten a 5 fl. getilgt werden solle. Farkas
genehmigte diesen Ausgleich in einem Schreiben
an Dr. Engel, welches ziemlich selbstredend ge-
steht, daß er -- Farkas -- selber der Gläubiger
und der vorgeschobene Kläger nur eine fingirte
Person sei. Einige Termine lang wurde der Aus-
gleich eingehalten, dann erkrankte Telkesy und
starb bald darauf. Nach einiger Zeit erschien dann
ein Fremder in der Kanzlei Dr. Engel's und
zog die ganze Angelegenheit mit dem Bemerken
zurück, er werde sich mit der Witwe Telkesy in
gütlichem Wege selber verständigen.

Ueber den Aufenthnlt der Telkesy in Kis-
Körös werd geschrieben:

Frau Telkesy geb. Neßti Kißeli kam mit
ihrem Töchterchen am 14. d., also beiläufig zur
Zeit der Verhaftung des Farkas mit dem Nacht-
zuge hier an, nahm im Gasthause ein Zimmer
und bestellte den Wagen des Wirthes, damit er
sie und ihre Tochter auf die Pußta Kaskantyu
bringe. Auf dieser von hier eine Stunde Weges
entfernten Pußta befindet sich eine kleine Bauern-
ansiedlung, Zfizsnyik genannt; dort wohnt Josef
Benkoczfy, ein in äußerst kümmerlichen Verhält-
nissen lebender Bauer, dessen Frau eine geborene
Kißeli, die jüngere Schwester der Frau Telkesy
ist. Letztere war hier nicht schwarz gekleidet, sie
[Spaltenumbruch] bezahlte Alles sehr gut und zeigte sich in jeder
Beziehung sehr splendid. Sie erzählte hier, daß
sie ihre gegenwärtige Szegediner Wohnung mit
einer viel schöneren in der inneren Stadt ver-
wechsle und daß ihre zurückgelassene 19jährige
Tochter die Uebersiedlung besorge, sie selbst gehe
auf sechs Wochen nach Kaskantyu, um ihre schwer-
krank darniederliegende Schwester zu pflegen.
Als der Wagen vor dem Häuschen ihrer Schwe-
ster auf der Pußta vorfuhr, kam ihr die Schwe-
ster entgegen; eine Viertelstunde später hat der
sich verabschiedende Kutscher die früher gesunde
Schwester krank im Bette gefunden. -- Als am
19. Nachmittags die hiefige Gendarmerie auf An-
suchen der Budapester Polizei bei der Frau Tel-
kesy erschien, war diese bereits reisefertig, um mit
ihrem Töchterchen auf einem bereitstehenden Wagen
abzureisen, da sie aus einer Zeitung erfuhr, daß man
ihr auf der Spur sei. Beim Anblick der Gendarmerie
erklärte die Frau ohne Befragen, daß sie ihrer-
seits Alles bekennen wird, namentlich zeigte sie
auf ihre Tochter und sagte, diese sei es gewesen,
die, als Knabe verkleidet, am 4. Juli in Te-
wesvar die Lotterienummern zog. Ueber das
Vorleben der Frau Telkesy kann ich noch Folgen-
des mittheilen: Frau Telkesy stand vor etwa
35--30 Jahren bei dem Grundbesitzer Adam
Szily, einem sehr alten Manne, dem Vater des
bekannten Professors Koloman Szily, auf der
Pußta Pahi im Dienste als Wirthschafterin; es
heißt, daß Szily die Frau am Todtenbette ehe-
lichte. Später heirathete die Frau den Wirht-
schaftsbeamten Telkesy; sie zogen nach Krasso,
wo sie lange Zeit wohnten. Nach dem Tode
ihres Gatten ging die Frau nach Szabadka,
später nach Szegedin. Auf welche Art geschah die
gefälschte Ziehung? Als Antwort auf diese im
Vordergrunde des Interesses stehende Frage
tauchen immer neue Versionen auf. In den mit
der Untersuchung betrauten Kreisen neigt man
nunmehr zur Annahme, daß die Ziehung der
falschen Nummern nicht im Wege des Changirens,
sondern nach einer sehr einfachen und bei der
falschen Roulette schon oft bewährten Methode
geschehen sei. Wie die falschen Spieler auf der
Roulette nur mit einer präparirten und gedeckten
Roulette "arbeiten", so daß der Spieler das
Stillstehen der Kugel nicht bemerken kann, so
dürfte auch bei der jüngsten Temesvarer
Lottoziehung eine in voraus präparirte Trom-
mel verwendet worden sein. Unter dem Deckel
der Trommel wurden schon in vorhinein die fünf
Nummern in der Weise fixirt, daß sie von außen
gar nicht bemerkt werden konnten. Dem Knaben,
welcher nun zur Ziehung verwendet wurde, braucht
man nur in diesem Falle blos die Lage der fünf
Nummern in der präparirten Trommel zu zeigen,
ohne an ihn irgend welche höhere geistigen An-
forderungen zu stellen. Bei der Ziehung wurde
zwar die Trommel mit allen 90 -- diesmal 95
-- Nummern auch bei dieser Gelegenheit ganz
ordentlich gedreht, allein die fünf Nummern blie-
[Spaltenumbruch] ben doch an ihrer Stelle, so daß der Knabe die-
selben hintereinander ohne jede Schwierigkeit
gleich auf den ersten Griff erreichen und heraus-
ziehen konnte. Im Falle die Nummern nach der
Ziehung nachgezählt worden wären, hätte man
wohl statt 90 Nummern 95 gefunden und die
Manipulation wäre entdeckt worden, allein die
Betheiligten Püspöky und Szobovits scheinen
eben auf irgend eine Weise die Commission auch
an der üblichen Controle diesmal verhindert zu
haben und so ist das Nachzählen der Nummern
thatsächlich unterblieben. Zeugen der kritischen
Ziehung vom 6. Juli wollen sich übrigens nun
erinnern, daß der Lottobeamte Szobovits den
Knaben während der Ziehung mit seinem Körper
derart bedeckte, daß das Publicum gar nicht sehen
konnte, wie und ob er die Nummer aus dem
Glücksrade ziehe. Das Rad wurde bekanntlich von
Szobovits gedreht, der den Diener, welcher dies
zu thun pflegt, weggeschickt hatte.

(Harte Strafen.)

Man schreibt den "Kla-
genfurter Freien Stimmen" aus dem Möllthale:
Sie haben vor Kurzem eine Mahnung zu beson-
derer Vorsicht an die Inhaber kleiner bäuerlicher
Brennereien gerichtet. Wie begründet diese Mah-
nung ist, zeigen einige Fälle in der Gemeinde
Obervillach. Wegen des Umstandes, daß der steuer-
freie Brand innerhalb eines zweimonatlichen Zeit-
raumes während einer bestimmten Anzahl von
Tagen gestattet ist, ergeben sich leicht Irrungen,
indem der Bauer glaubt, er dürfe seine 8 bis 14
Tage nach Belieben und Gelegenheit innerhalb
jenes Zeitraumes ausnützen. Ebenso ergeben sich
Irrungen bezüglich des gestatteten Materiales und
das umso leichter, als nicht jeder die Weisungen
lesen oder gar verstehen kann und das Geschäft
des Brautweinbrennens gewöhnlich von der
Bäuerin oder einem anderen Weibe beforgt wird.
Früher wurden nur solche Irrungen mit einer
Ordnungsstrafe von meist 1 fl. bestraft, ein Be-
trag, der auch der äußerst geringfügigen Erzeu-
gungsmenge vollständig entspricht. Heuer aber
wurden wegen solcher Versehen, durch welche der
Staat nicht um eine Steuer für einen einzigen
Liter verkürzt wurde, in der Ortschaft Grafen-
berg allein fünf arme Bauern mit Strafen von
40, 50, 80, 100 und 250 fl. belegt. Derjenige,
der 250 fl. zahlen soll, hat 9, sage ganze neun
Liter Branntwein unwissender Weise aus einer
ihm nicht gestatteten Maische erzeugt! Die rich-
tige Bezeichnung eines solchen Verfahrens kann
nur seinerzeit im Reichsrathe erfolgen. Wenn dies
geschehen soll, ist es aber vielleicht schon zu spät.
Die armen Bauern, die ihre armseligen Felder
auf hohem Berghang mit übermenschlicher Mühe
bebauen und sie alle paar Jahre vom Hagel ver-
nichtet sehen, werden es vorziehen, den andern
Möllthalern, die nach Amerika gewandert sind,
nachzugehen, als sich zu Hause in solch' unerhörter
Weise behandeln zu lassen. Da wir wünschen,
daß diese Zeilen nicht zur ausschließlichen Kennt-
niß des Staatsanwaltes, sondern weiterer Kreise




[Spaltenumbruch]
Ein Justiz-Mord.

(Nachdruck verboten.)

9

Sodann erzählte er des Näheren, wie er
mit Majosch' Sohn, an welchem die Blutrache
auszuführen er geschworen, im Walde in ein
Ringen auf Leben und Tod gerathen, und ihn
mit dessen eigenem Gewehr niedergeschossen habe.
Alles das wurde zu Protokoll genommen -- auch
das, daß der wahre Mörder es war, welcher --
leider zu spät in demselben Moment, da Eduard
Woinovich auf die Fallklappe getreten, den ver-
zweifelten Ruf ausgestoßen hatte: "Haltet ein!
Haltet ein!" Als er aber gesehen habe, daß das
Entsetzliche im selben Augenblicke auch schon voll-
bracht, -- da sei es ihm schwarz geworden vor
den Augen und blindlings habe er sich einen
Weg gebahnt durch die Menge; -- er sei dem
Fluß zugeeilt, sich zu ertränken. Er wurde ge-
rettet! Er habe sich erhängen wollen, -- sei aber
rechtzeitig abgeschnitten worden! Er habe sein
eigenes Haus in Brand gesetzt, um in demselben
umzukommen, -- aber wehe! -- er wurde zwar
ohnmächtig, aber unversehrt hinausgetragen, indeß
sein armes Weib und seine zwei Kinder gräulich
in den Flammen umgekommen waren. Vergebens
habe er den Tod gesucht -- und nur den Einen
egfürchtet -- von der wüthenden, höhnenden
[Spaltenumbruch] Menge, -- gerichtet zu werden. Da endlich sei
es ihm gelungen, sich mit seinem Jagdgewehr
einen Schuß beizubringen, der ihn nach dem Aus-
spruch der Aerzte wohl noch heute seiner entsetz-
lichen Gewissenspein befreien werde.

"Rechne nicht so schnell, Vilos Milowut"
-- ertönte plötzlich eine sonore Stimme, --
"wenn es Gottes Wille ist, -- so bist Du der
irdischen Strafe noch nicht entronnen, -- Gott
kann es anders fügen!"

Es war der greise Caplan Gutherz, der
unbemerkt in das Krankenzimmer eingetreten war,
"Bete zu Gott," setzte der würdige geistliche Herr
fort, -- "daß er Dir das Leben zu dem Zweck
so lange erhalte, bis Du bereits hienieden einen
Theil Deiner Schuld abgetragen. Eduard Woi-
novich, der arme unschuldige Märtyrer, dem ich
den letzten T[r]ost gegeben auf seinem Kreuzweg
zum Schaffot, verklärt sieht er herab und preiset
Gottes Allmacht, der Niemandem das Haar krüm-
men läßt, ohne es im Himmelsbuch zu ver-
zeichnen?"

"Von Gottes Allmacht? Von Gottes All-
macht?! Wer spricht hier davon?

Mit diesen Worten kam ein altes, hageres,
kümmerliches in blaue Fetzen gehülltes Weib, das
graue, wirr zerzauste Haar mit beiden Händen
raufend, herangestürzt und sah dem Pfarrer höh-
nend ins Antlitz. "Hat Gottes Allmacht nicht so
weit gereicht, den Strick, der meinen einzigen
[Spaltenumbruch] Sohn Eduard Woinovich, erdrosselte, in Atome
zu lösen, bevor der Mord vollbracht? Konnte er
die Hand, welche das Todesurtheil gefertigt, nicht
erlahmen lassen, über der dreifach verfluchten
Feder? Ja, ja, -- seht mich nur an! Ja ich
bins -- die arme unglückgepeitschte Mutter des
Justizgemordeten! Ja, seht es nur an, mein blaues
Gewand, es ist die Tracht der Irrenhäusler!
Bis in unsre Mauern ist's gedrungen, das Him-
melschreiende! "Der wahre Mörder ist entdeckt!"
Und da bin ich geflohen in der letzten Nacht mit
Todesverachtung und mit jener Schlauheit, welche
Ihr Aerzte und Ihr Gelehrte uns Irren zu-
sprecht. Aber, -- ich bin nicht irre, -- nicht
wahnsinnig, -- ich bin blos -- toll! Und Ihr
Mütter alle, -- ich wollt' ich könnt' von Land
zu Land mit Hyänengebrüll über den ganzen
Erdball fliegen, und Euch die Frage zurufen:
"Mütter! Welche von Euch würde blos irre und
nicht toll, ja tobsüchtig werden, wenn man ihr
einzig Kind unschuldig an den Galgen heftet!"
Und Ihr würdet antworten: "Wir Alle! Alle!"
Denn so schmerz- und schicksalergeben vermag
einzig eines Gottes Mutter zu sein, demüthig zu
bleiben, wenn man ihren einzigen Sohn an's
Kreuz nagelt: Wir armen Mütter auf Erden
hier, -- wir vermögen es nicht! Uns gebricht,
gebricht solch' göttliche Kraft!"

(Fortsetzung folgt.)


[Spaltenumbruch]

all ſein Vermögen in verfehlten Spekulationen
verloren. Kaum drei Monate ſpäter waren die
Beziehungen die alten.

Der Ausgangspunct der Beziehungen war
folgender: Der alte Telkeſy machte als Wirth-
ſchaftsbeamter auf dem Gute des Grafen Guido
Karatsonyi die unliebſame Entdeckung, daß ein
untergeordneter Beamter ſein Vertrauen mißbrauchte
und aus der Wirthſchafts[c]aſſa, für welche Telkeſy
verantwortlich war, 2000 fl. entwendet hatte.
Telkeſy wandte ſich an ſeine Verwandten um Hilfe,
doch dieſe verweigerten ſeiner Bitte die Gewäh-
rung. In ſeiner Noth wandte er ſich an Farcas,
der damals Geldgeſchäfte machte und Farcas war
nun der Helfer in der Noth. Daher die Dank-
barkeit der Familie Farcas gegenüber. Damals
geſchah es, daß Frau Telkeſy zum erſten Male
einen Selbſtmordverſuch machte; als ſie vernahm,
daß ihre Verwandten ihrem Gatten die erbetene
Hilfe abgeſchlagen, trank ſie eine Morphiumlöſung
und wurde mit ſchwerer Mühe gerettet. Seitdem
leidet ſie auch an hochgradiger Nervoſität. — Ein
weiteres intereſſantes Detail über die Beziehungen
zwiſchen Melchior Farkas und der Familie Telkeſy
bringt „Szegedi Naplo“ zutage. Vor einigen Jah-
ren, als Telkeſy noch lebte und als Diurniſt bei der
Szegediner Finanzdirection angeſtellt war, klagte
Farkas, damals Kanzleileiter des Verſeczer Advo-
caten Dr. Georg Miloßavlyevien, im Namen eines
Gläubigers Konſtantin Stefanovics einen Wechſel
über 150 fl. gegen Telkeſy; die Subſtitution vor
dem Szegediner Wechſelgerichte führte der dortige
Advocat Dr. Moriz Engel. Dieſer erwirkte Zah-
lungsauflage und Execution und erledigte ſchließ-
lich die Angelegenheit dahin, daß die Schuld in
Monatsraten á 5 fl. getilgt werden ſolle. Farkas
genehmigte dieſen Ausgleich in einem Schreiben
an Dr. Engel, welches ziemlich ſelbſtredend ge-
ſteht, daß er — Farkas — ſelber der Gläubiger
und der vorgeſchobene Kläger nur eine fingirte
Perſon ſei. Einige Termine lang wurde der Aus-
gleich eingehalten, dann erkrankte Telkeſy und
ſtarb bald darauf. Nach einiger Zeit erſchien dann
ein Fremder in der Kanzlei Dr. Engel’s und
zog die ganze Angelegenheit mit dem Bemerken
zurück, er werde ſich mit der Witwe Telkeſy in
gütlichem Wege ſelber verſtändigen.

Ueber den Aufenthnlt der Telkeſy in Kis-
Körös werd geſchrieben:

Frau Telkeſy geb. Neßti Kißeli kam mit
ihrem Töchterchen am 14. d., alſo beiläufig zur
Zeit der Verhaftung des Farkas mit dem Nacht-
zuge hier an, nahm im Gaſthauſe ein Zimmer
und beſtellte den Wagen des Wirthes, damit er
ſie und ihre Tochter auf die Pußta Kaskantyu
bringe. Auf dieſer von hier eine Stunde Weges
entfernten Pußta befindet ſich eine kleine Bauern-
anſiedlung, Zfizsnyik genannt; dort wohnt Joſef
Benkoczfy, ein in äußerſt kümmerlichen Verhält-
niſſen lebender Bauer, deſſen Frau eine geborene
Kißeli, die jüngere Schweſter der Frau Telkeſy
iſt. Letztere war hier nicht ſchwarz gekleidet, ſie
[Spaltenumbruch] bezahlte Alles ſehr gut und zeigte ſich in jeder
Beziehung ſehr ſplendid. Sie erzählte hier, daß
ſie ihre gegenwärtige Szegediner Wohnung mit
einer viel ſchöneren in der inneren Stadt ver-
wechsle und daß ihre zurückgelaſſene 19jährige
Tochter die Ueberſiedlung beſorge, ſie ſelbſt gehe
auf ſechs Wochen nach Kaskantyu, um ihre ſchwer-
krank darniederliegende Schweſter zu pflegen.
Als der Wagen vor dem Häuschen ihrer Schwe-
ſter auf der Pußta vorfuhr, kam ihr die Schwe-
ſter entgegen; eine Viertelſtunde ſpäter hat der
ſich verabſchiedende Kutſcher die früher geſunde
Schweſter krank im Bette gefunden. — Als am
19. Nachmittags die hiefige Gendarmerie auf An-
ſuchen der Budapeſter Polizei bei der Frau Tel-
keſy erſchien, war dieſe bereits reiſefertig, um mit
ihrem Töchterchen auf einem bereitſtehenden Wagen
abzureiſen, da ſie aus einer Zeitung erfuhr, daß man
ihr auf der Spur ſei. Beim Anblick der Gendarmerie
erklärte die Frau ohne Befragen, daß ſie ihrer-
ſeits Alles bekennen wird, namentlich zeigte ſie
auf ihre Tochter und ſagte, dieſe ſei es geweſen,
die, als Knabe verkleidet, am 4. Juli in Te-
wesvar die Lotterienummern zog. Ueber das
Vorleben der Frau Telkeſy kann ich noch Folgen-
des mittheilen: Frau Telkeſy ſtand vor etwa
35—30 Jahren bei dem Grundbeſitzer Adam
Szily, einem ſehr alten Manne, dem Vater des
bekannten Profeſſors Koloman Szily, auf der
Pußta Páhi im Dienſte als Wirthſchafterin; es
heißt, daß Szily die Frau am Todtenbette ehe-
lichte. Später heirathete die Frau den Wirht-
ſchaftsbeamten Telkeſy; ſie zogen nach Kraſſo,
wo ſie lange Zeit wohnten. Nach dem Tode
ihres Gatten ging die Frau nach Szabadka,
ſpäter nach Szegedin. Auf welche Art geſchah die
gefälſchte Ziehung? Als Antwort auf dieſe im
Vordergrunde des Intereſſes ſtehende Frage
tauchen immer neue Verſionen auf. In den mit
der Unterſuchung betrauten Kreiſen neigt man
nunmehr zur Annahme, daß die Ziehung der
falſchen Nummern nicht im Wege des Changirens,
ſondern nach einer ſehr einfachen und bei der
falſchen Roulette ſchon oft bewährten Methode
geſchehen ſei. Wie die falſchen Spieler auf der
Roulette nur mit einer präparirten und gedeckten
Roulette „arbeiten“, ſo daß der Spieler das
Stillſtehen der Kugel nicht bemerken kann, ſo
dürfte auch bei der jüngſten Temesvarer
Lottoziehung eine in voraus präparirte Trom-
mel verwendet worden ſein. Unter dem Deckel
der Trommel wurden ſchon in vorhinein die fünf
Nummern in der Weiſe fixirt, daß ſie von außen
gar nicht bemerkt werden konnten. Dem Knaben,
welcher nun zur Ziehung verwendet wurde, braucht
man nur in dieſem Falle blos die Lage der fünf
Nummern in der präparirten Trommel zu zeigen,
ohne an ihn irgend welche höhere geiſtigen An-
forderungen zu ſtellen. Bei der Ziehung wurde
zwar die Trommel mit allen 90 — diesmal 95
— Nummern auch bei dieſer Gelegenheit ganz
ordentlich gedreht, allein die fünf Nummern blie-
[Spaltenumbruch] ben doch an ihrer Stelle, ſo daß der Knabe die-
ſelben hintereinander ohne jede Schwierigkeit
gleich auf den erſten Griff erreichen und heraus-
ziehen konnte. Im Falle die Nummern nach der
Ziehung nachgezählt worden wären, hätte man
wohl ſtatt 90 Nummern 95 gefunden und die
Manipulation wäre entdeckt worden, allein die
Betheiligten Püspöky und Szobovits ſcheinen
eben auf irgend eine Weiſe die Commiſſion auch
an der üblichen Controle diesmal verhindert zu
haben und ſo iſt das Nachzählen der Nummern
thatſächlich unterblieben. Zeugen der kritiſchen
Ziehung vom 6. Juli wollen ſich übrigens nun
erinnern, daß der Lottobeamte Szobovits den
Knaben während der Ziehung mit ſeinem Körper
derart bedeckte, daß das Publicum gar nicht ſehen
konnte, wie und ob er die Nummer aus dem
Glücksrade ziehe. Das Rad wurde bekanntlich von
Szobovits gedreht, der den Diener, welcher dies
zu thun pflegt, weggeſchickt hatte.

(Harte Strafen.)

Man ſchreibt den „Kla-
genfurter Freien Stimmen“ aus dem Möllthale:
Sie haben vor Kurzem eine Mahnung zu beſon-
derer Vorſicht an die Inhaber kleiner bäuerlicher
Brennereien gerichtet. Wie begründet dieſe Mah-
nung iſt, zeigen einige Fälle in der Gemeinde
Obervillach. Wegen des Umſtandes, daß der ſteuer-
freie Brand innerhalb eines zweimonatlichen Zeit-
raumes während einer beſtimmten Anzahl von
Tagen geſtattet iſt, ergeben ſich leicht Irrungen,
indem der Bauer glaubt, er dürfe ſeine 8 bis 14
Tage nach Belieben und Gelegenheit innerhalb
jenes Zeitraumes ausnützen. Ebenſo ergeben ſich
Irrungen bezüglich des geſtatteten Materiales und
das umſo leichter, als nicht jeder die Weiſungen
leſen oder gar verſtehen kann und das Geſchäft
des Brautweinbrennens gewöhnlich von der
Bäuerin oder einem anderen Weibe beforgt wird.
Früher wurden nur ſolche Irrungen mit einer
Ordnungsſtrafe von meiſt 1 fl. beſtraft, ein Be-
trag, der auch der äußerſt geringfügigen Erzeu-
gungsmenge vollſtändig entſpricht. Heuer aber
wurden wegen ſolcher Verſehen, durch welche der
Staat nicht um eine Steuer für einen einzigen
Liter verkürzt wurde, in der Ortſchaft Grafen-
berg allein fünf arme Bauern mit Strafen von
40, 50, 80, 100 und 250 fl. belegt. Derjenige,
der 250 fl. zahlen ſoll, hat 9, ſage ganze neun
Liter Branntwein unwiſſender Weiſe aus einer
ihm nicht geſtatteten Maiſche erzeugt! Die rich-
tige Bezeichnung eines ſolchen Verfahrens kann
nur ſeinerzeit im Reichsrathe erfolgen. Wenn dies
geſchehen ſoll, iſt es aber vielleicht ſchon zu ſpät.
Die armen Bauern, die ihre armſeligen Felder
auf hohem Berghang mit übermenſchlicher Mühe
bebauen und ſie alle paar Jahre vom Hagel ver-
nichtet ſehen, werden es vorziehen, den andern
Möllthalern, die nach Amerika gewandert ſind,
nachzugehen, als ſich zu Hauſe in ſolch’ unerhörter
Weiſe behandeln zu laſſen. Da wir wünſchen,
daß dieſe Zeilen nicht zur ausſchließlichen Kennt-
niß des Staatsanwaltes, ſondern weiterer Kreiſe




[Spaltenumbruch]
Ein Juſtiz-Mord.

(Nachdruck verboten.)

9

Sodann erzählte er des Näheren, wie er
mit Majoſch’ Sohn, an welchem die Blutrache
auszuführen er geſchworen, im Walde in ein
Ringen auf Leben und Tod gerathen, und ihn
mit deſſen eigenem Gewehr niedergeſchoſſen habe.
Alles das wurde zu Protokoll genommen — auch
das, daß der wahre Mörder es war, welcher —
leider zu ſpät in demſelben Moment, da Eduard
Woinovich auf die Fallklappe getreten, den ver-
zweifelten Ruf ausgeſtoßen hatte: „Haltet ein!
Haltet ein!“ Als er aber geſehen habe, daß das
Entſetzliche im ſelben Augenblicke auch ſchon voll-
bracht, — da ſei es ihm ſchwarz geworden vor
den Augen und blindlings habe er ſich einen
Weg gebahnt durch die Menge; — er ſei dem
Fluß zugeeilt, ſich zu ertränken. Er wurde ge-
rettet! Er habe ſich erhängen wollen, — ſei aber
rechtzeitig abgeſchnitten worden! Er habe ſein
eigenes Haus in Brand geſetzt, um in demſelben
umzukommen, — aber wehe! — er wurde zwar
ohnmächtig, aber unverſehrt hinausgetragen, indeß
ſein armes Weib und ſeine zwei Kinder gräulich
in den Flammen umgekommen waren. Vergebens
habe er den Tod geſucht — und nur den Einen
egfürchtet — von der wüthenden, höhnenden
[Spaltenumbruch] Menge, — gerichtet zu werden. Da endlich ſei
es ihm gelungen, ſich mit ſeinem Jagdgewehr
einen Schuß beizubringen, der ihn nach dem Aus-
ſpruch der Aerzte wohl noch heute ſeiner entſetz-
lichen Gewiſſenspein befreien werde.

„Rechne nicht ſo ſchnell, Vilos Milowut“
— ertönte plötzlich eine ſonore Stimme, —
„wenn es Gottes Wille iſt, — ſo biſt Du der
irdiſchen Strafe noch nicht entronnen, — Gott
kann es anders fügen!“

Es war der greiſe Caplan Gutherz, der
unbemerkt in das Krankenzimmer eingetreten war,
„Bete zu Gott,“ ſetzte der würdige geiſtliche Herr
fort, — „daß er Dir das Leben zu dem Zweck
ſo lange erhalte, bis Du bereits hienieden einen
Theil Deiner Schuld abgetragen. Eduard Woi-
novich, der arme unſchuldige Märtyrer, dem ich
den letzten T[r]oſt gegeben auf ſeinem Kreuzweg
zum Schaffot, verklärt ſieht er herab und preiſet
Gottes Allmacht, der Niemandem das Haar krüm-
men läßt, ohne es im Himmelsbuch zu ver-
zeichnen?“

„Von Gottes Allmacht? Von Gottes All-
macht?! Wer ſpricht hier davon?

Mit dieſen Worten kam ein altes, hageres,
kümmerliches in blaue Fetzen gehülltes Weib, das
graue, wirr zerzauſte Haar mit beiden Händen
raufend, herangeſtürzt und ſah dem Pfarrer höh-
nend ins Antlitz. „Hat Gottes Allmacht nicht ſo
weit gereicht, den Strick, der meinen einzigen
[Spaltenumbruch] Sohn Eduard Woinovich, erdroſſelte, in Atome
zu löſen, bevor der Mord vollbracht? Konnte er
die Hand, welche das Todesurtheil gefertigt, nicht
erlahmen laſſen, über der dreifach verfluchten
Feder? Ja, ja, — ſeht mich nur an! Ja ich
bins — die arme unglückgepeitſchte Mutter des
Juſtizgemordeten! Ja, ſeht es nur an, mein blaues
Gewand, es iſt die Tracht der Irrenhäusler!
Bis in unſre Mauern iſt’s gedrungen, das Him-
melſchreiende! „Der wahre Mörder iſt entdeckt!“
Und da bin ich geflohen in der letzten Nacht mit
Todesverachtung und mit jener Schlauheit, welche
Ihr Aerzte und Ihr Gelehrte uns Irren zu-
ſprecht. Aber, — ich bin nicht irre, — nicht
wahnſinnig, — ich bin blos — toll! Und Ihr
Mütter alle, — ich wollt’ ich könnt’ von Land
zu Land mit Hyänengebrüll über den ganzen
Erdball fliegen, und Euch die Frage zurufen:
„Mütter! Welche von Euch würde blos irre und
nicht toll, ja tobſüchtig werden, wenn man ihr
einzig Kind unſchuldig an den Galgen heftet!“
Und Ihr würdet antworten: „Wir Alle! Alle!“
Denn ſo ſchmerz- und ſchickſalergeben vermag
einzig eines Gottes Mutter zu ſein, demüthig zu
bleiben, wenn man ihren einzigen Sohn an’s
Kreuz nagelt: Wir armen Mütter auf Erden
hier, — wir vermögen es nicht! Uns gebricht,
gebricht ſolch’ göttliche Kraft!“

(Fortſetzung folgt.)


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[[6]/0006] all ſein Vermögen in verfehlten Spekulationen verloren. Kaum drei Monate ſpäter waren die Beziehungen die alten. Der Ausgangspunct der Beziehungen war folgender: Der alte Telkeſy machte als Wirth- ſchaftsbeamter auf dem Gute des Grafen Guido Karatsonyi die unliebſame Entdeckung, daß ein untergeordneter Beamter ſein Vertrauen mißbrauchte und aus der Wirthſchaftscaſſa, für welche Telkeſy verantwortlich war, 2000 fl. entwendet hatte. Telkeſy wandte ſich an ſeine Verwandten um Hilfe, doch dieſe verweigerten ſeiner Bitte die Gewäh- rung. In ſeiner Noth wandte er ſich an Farcas, der damals Geldgeſchäfte machte und Farcas war nun der Helfer in der Noth. Daher die Dank- barkeit der Familie Farcas gegenüber. Damals geſchah es, daß Frau Telkeſy zum erſten Male einen Selbſtmordverſuch machte; als ſie vernahm, daß ihre Verwandten ihrem Gatten die erbetene Hilfe abgeſchlagen, trank ſie eine Morphiumlöſung und wurde mit ſchwerer Mühe gerettet. Seitdem leidet ſie auch an hochgradiger Nervoſität. — Ein weiteres intereſſantes Detail über die Beziehungen zwiſchen Melchior Farkas und der Familie Telkeſy bringt „Szegedi Naplo“ zutage. Vor einigen Jah- ren, als Telkeſy noch lebte und als Diurniſt bei der Szegediner Finanzdirection angeſtellt war, klagte Farkas, damals Kanzleileiter des Verſeczer Advo- caten Dr. Georg Miloßavlyevien, im Namen eines Gläubigers Konſtantin Stefanovics einen Wechſel über 150 fl. gegen Telkeſy; die Subſtitution vor dem Szegediner Wechſelgerichte führte der dortige Advocat Dr. Moriz Engel. Dieſer erwirkte Zah- lungsauflage und Execution und erledigte ſchließ- lich die Angelegenheit dahin, daß die Schuld in Monatsraten á 5 fl. getilgt werden ſolle. Farkas genehmigte dieſen Ausgleich in einem Schreiben an Dr. Engel, welches ziemlich ſelbſtredend ge- ſteht, daß er — Farkas — ſelber der Gläubiger und der vorgeſchobene Kläger nur eine fingirte Perſon ſei. Einige Termine lang wurde der Aus- gleich eingehalten, dann erkrankte Telkeſy und ſtarb bald darauf. Nach einiger Zeit erſchien dann ein Fremder in der Kanzlei Dr. Engel’s und zog die ganze Angelegenheit mit dem Bemerken zurück, er werde ſich mit der Witwe Telkeſy in gütlichem Wege ſelber verſtändigen. Ueber den Aufenthnlt der Telkeſy in Kis- Körös werd geſchrieben: Frau Telkeſy geb. Neßti Kißeli kam mit ihrem Töchterchen am 14. d., alſo beiläufig zur Zeit der Verhaftung des Farkas mit dem Nacht- zuge hier an, nahm im Gaſthauſe ein Zimmer und beſtellte den Wagen des Wirthes, damit er ſie und ihre Tochter auf die Pußta Kaskantyu bringe. Auf dieſer von hier eine Stunde Weges entfernten Pußta befindet ſich eine kleine Bauern- anſiedlung, Zfizsnyik genannt; dort wohnt Joſef Benkoczfy, ein in äußerſt kümmerlichen Verhält- niſſen lebender Bauer, deſſen Frau eine geborene Kißeli, die jüngere Schweſter der Frau Telkeſy iſt. Letztere war hier nicht ſchwarz gekleidet, ſie bezahlte Alles ſehr gut und zeigte ſich in jeder Beziehung ſehr ſplendid. Sie erzählte hier, daß ſie ihre gegenwärtige Szegediner Wohnung mit einer viel ſchöneren in der inneren Stadt ver- wechsle und daß ihre zurückgelaſſene 19jährige Tochter die Ueberſiedlung beſorge, ſie ſelbſt gehe auf ſechs Wochen nach Kaskantyu, um ihre ſchwer- krank darniederliegende Schweſter zu pflegen. Als der Wagen vor dem Häuschen ihrer Schwe- ſter auf der Pußta vorfuhr, kam ihr die Schwe- ſter entgegen; eine Viertelſtunde ſpäter hat der ſich verabſchiedende Kutſcher die früher geſunde Schweſter krank im Bette gefunden. — Als am 19. Nachmittags die hiefige Gendarmerie auf An- ſuchen der Budapeſter Polizei bei der Frau Tel- keſy erſchien, war dieſe bereits reiſefertig, um mit ihrem Töchterchen auf einem bereitſtehenden Wagen abzureiſen, da ſie aus einer Zeitung erfuhr, daß man ihr auf der Spur ſei. Beim Anblick der Gendarmerie erklärte die Frau ohne Befragen, daß ſie ihrer- ſeits Alles bekennen wird, namentlich zeigte ſie auf ihre Tochter und ſagte, dieſe ſei es geweſen, die, als Knabe verkleidet, am 4. Juli in Te- wesvar die Lotterienummern zog. Ueber das Vorleben der Frau Telkeſy kann ich noch Folgen- des mittheilen: Frau Telkeſy ſtand vor etwa 35—30 Jahren bei dem Grundbeſitzer Adam Szily, einem ſehr alten Manne, dem Vater des bekannten Profeſſors Koloman Szily, auf der Pußta Páhi im Dienſte als Wirthſchafterin; es heißt, daß Szily die Frau am Todtenbette ehe- lichte. Später heirathete die Frau den Wirht- ſchaftsbeamten Telkeſy; ſie zogen nach Kraſſo, wo ſie lange Zeit wohnten. Nach dem Tode ihres Gatten ging die Frau nach Szabadka, ſpäter nach Szegedin. Auf welche Art geſchah die gefälſchte Ziehung? Als Antwort auf dieſe im Vordergrunde des Intereſſes ſtehende Frage tauchen immer neue Verſionen auf. In den mit der Unterſuchung betrauten Kreiſen neigt man nunmehr zur Annahme, daß die Ziehung der falſchen Nummern nicht im Wege des Changirens, ſondern nach einer ſehr einfachen und bei der falſchen Roulette ſchon oft bewährten Methode geſchehen ſei. Wie die falſchen Spieler auf der Roulette nur mit einer präparirten und gedeckten Roulette „arbeiten“, ſo daß der Spieler das Stillſtehen der Kugel nicht bemerken kann, ſo dürfte auch bei der jüngſten Temesvarer Lottoziehung eine in voraus präparirte Trom- mel verwendet worden ſein. Unter dem Deckel der Trommel wurden ſchon in vorhinein die fünf Nummern in der Weiſe fixirt, daß ſie von außen gar nicht bemerkt werden konnten. Dem Knaben, welcher nun zur Ziehung verwendet wurde, braucht man nur in dieſem Falle blos die Lage der fünf Nummern in der präparirten Trommel zu zeigen, ohne an ihn irgend welche höhere geiſtigen An- forderungen zu ſtellen. Bei der Ziehung wurde zwar die Trommel mit allen 90 — diesmal 95 — Nummern auch bei dieſer Gelegenheit ganz ordentlich gedreht, allein die fünf Nummern blie- ben doch an ihrer Stelle, ſo daß der Knabe die- ſelben hintereinander ohne jede Schwierigkeit gleich auf den erſten Griff erreichen und heraus- ziehen konnte. Im Falle die Nummern nach der Ziehung nachgezählt worden wären, hätte man wohl ſtatt 90 Nummern 95 gefunden und die Manipulation wäre entdeckt worden, allein die Betheiligten Püspöky und Szobovits ſcheinen eben auf irgend eine Weiſe die Commiſſion auch an der üblichen Controle diesmal verhindert zu haben und ſo iſt das Nachzählen der Nummern thatſächlich unterblieben. Zeugen der kritiſchen Ziehung vom 6. Juli wollen ſich übrigens nun erinnern, daß der Lottobeamte Szobovits den Knaben während der Ziehung mit ſeinem Körper derart bedeckte, daß das Publicum gar nicht ſehen konnte, wie und ob er die Nummer aus dem Glücksrade ziehe. Das Rad wurde bekanntlich von Szobovits gedreht, der den Diener, welcher dies zu thun pflegt, weggeſchickt hatte. (Harte Strafen.) Man ſchreibt den „Kla- genfurter Freien Stimmen“ aus dem Möllthale: Sie haben vor Kurzem eine Mahnung zu beſon- derer Vorſicht an die Inhaber kleiner bäuerlicher Brennereien gerichtet. Wie begründet dieſe Mah- nung iſt, zeigen einige Fälle in der Gemeinde Obervillach. Wegen des Umſtandes, daß der ſteuer- freie Brand innerhalb eines zweimonatlichen Zeit- raumes während einer beſtimmten Anzahl von Tagen geſtattet iſt, ergeben ſich leicht Irrungen, indem der Bauer glaubt, er dürfe ſeine 8 bis 14 Tage nach Belieben und Gelegenheit innerhalb jenes Zeitraumes ausnützen. Ebenſo ergeben ſich Irrungen bezüglich des geſtatteten Materiales und das umſo leichter, als nicht jeder die Weiſungen leſen oder gar verſtehen kann und das Geſchäft des Brautweinbrennens gewöhnlich von der Bäuerin oder einem anderen Weibe beforgt wird. Früher wurden nur ſolche Irrungen mit einer Ordnungsſtrafe von meiſt 1 fl. beſtraft, ein Be- trag, der auch der äußerſt geringfügigen Erzeu- gungsmenge vollſtändig entſpricht. Heuer aber wurden wegen ſolcher Verſehen, durch welche der Staat nicht um eine Steuer für einen einzigen Liter verkürzt wurde, in der Ortſchaft Grafen- berg allein fünf arme Bauern mit Strafen von 40, 50, 80, 100 und 250 fl. belegt. Derjenige, der 250 fl. zahlen ſoll, hat 9, ſage ganze neun Liter Branntwein unwiſſender Weiſe aus einer ihm nicht geſtatteten Maiſche erzeugt! Die rich- tige Bezeichnung eines ſolchen Verfahrens kann nur ſeinerzeit im Reichsrathe erfolgen. Wenn dies geſchehen ſoll, iſt es aber vielleicht ſchon zu ſpät. Die armen Bauern, die ihre armſeligen Felder auf hohem Berghang mit übermenſchlicher Mühe bebauen und ſie alle paar Jahre vom Hagel ver- nichtet ſehen, werden es vorziehen, den andern Möllthalern, die nach Amerika gewandert ſind, nachzugehen, als ſich zu Hauſe in ſolch’ unerhörter Weiſe behandeln zu laſſen. Da wir wünſchen, daß dieſe Zeilen nicht zur ausſchließlichen Kennt- niß des Staatsanwaltes, ſondern weiterer Kreiſe Ein Juſtiz-Mord. Kriminal-Novelle von Robert v. Hagen. (Nachdruck verboten.) 9 Sodann erzählte er des Näheren, wie er mit Majoſch’ Sohn, an welchem die Blutrache auszuführen er geſchworen, im Walde in ein Ringen auf Leben und Tod gerathen, und ihn mit deſſen eigenem Gewehr niedergeſchoſſen habe. Alles das wurde zu Protokoll genommen — auch das, daß der wahre Mörder es war, welcher — leider zu ſpät in demſelben Moment, da Eduard Woinovich auf die Fallklappe getreten, den ver- zweifelten Ruf ausgeſtoßen hatte: „Haltet ein! Haltet ein!“ Als er aber geſehen habe, daß das Entſetzliche im ſelben Augenblicke auch ſchon voll- bracht, — da ſei es ihm ſchwarz geworden vor den Augen und blindlings habe er ſich einen Weg gebahnt durch die Menge; — er ſei dem Fluß zugeeilt, ſich zu ertränken. Er wurde ge- rettet! Er habe ſich erhängen wollen, — ſei aber rechtzeitig abgeſchnitten worden! Er habe ſein eigenes Haus in Brand geſetzt, um in demſelben umzukommen, — aber wehe! — er wurde zwar ohnmächtig, aber unverſehrt hinausgetragen, indeß ſein armes Weib und ſeine zwei Kinder gräulich in den Flammen umgekommen waren. Vergebens habe er den Tod geſucht — und nur den Einen egfürchtet — von der wüthenden, höhnenden Menge, — gerichtet zu werden. Da endlich ſei es ihm gelungen, ſich mit ſeinem Jagdgewehr einen Schuß beizubringen, der ihn nach dem Aus- ſpruch der Aerzte wohl noch heute ſeiner entſetz- lichen Gewiſſenspein befreien werde. „Rechne nicht ſo ſchnell, Vilos Milowut“ — ertönte plötzlich eine ſonore Stimme, — „wenn es Gottes Wille iſt, — ſo biſt Du der irdiſchen Strafe noch nicht entronnen, — Gott kann es anders fügen!“ Es war der greiſe Caplan Gutherz, der unbemerkt in das Krankenzimmer eingetreten war, „Bete zu Gott,“ ſetzte der würdige geiſtliche Herr fort, — „daß er Dir das Leben zu dem Zweck ſo lange erhalte, bis Du bereits hienieden einen Theil Deiner Schuld abgetragen. Eduard Woi- novich, der arme unſchuldige Märtyrer, dem ich den letzten Troſt gegeben auf ſeinem Kreuzweg zum Schaffot, verklärt ſieht er herab und preiſet Gottes Allmacht, der Niemandem das Haar krüm- men läßt, ohne es im Himmelsbuch zu ver- zeichnen?“ „Von Gottes Allmacht? Von Gottes All- macht?! Wer ſpricht hier davon? Mit dieſen Worten kam ein altes, hageres, kümmerliches in blaue Fetzen gehülltes Weib, das graue, wirr zerzauſte Haar mit beiden Händen raufend, herangeſtürzt und ſah dem Pfarrer höh- nend ins Antlitz. „Hat Gottes Allmacht nicht ſo weit gereicht, den Strick, der meinen einzigen Sohn Eduard Woinovich, erdroſſelte, in Atome zu löſen, bevor der Mord vollbracht? Konnte er die Hand, welche das Todesurtheil gefertigt, nicht erlahmen laſſen, über der dreifach verfluchten Feder? Ja, ja, — ſeht mich nur an! Ja ich bins — die arme unglückgepeitſchte Mutter des Juſtizgemordeten! Ja, ſeht es nur an, mein blaues Gewand, es iſt die Tracht der Irrenhäusler! Bis in unſre Mauern iſt’s gedrungen, das Him- melſchreiende! „Der wahre Mörder iſt entdeckt!“ Und da bin ich geflohen in der letzten Nacht mit Todesverachtung und mit jener Schlauheit, welche Ihr Aerzte und Ihr Gelehrte uns Irren zu- ſprecht. Aber, — ich bin nicht irre, — nicht wahnſinnig, — ich bin blos — toll! Und Ihr Mütter alle, — ich wollt’ ich könnt’ von Land zu Land mit Hyänengebrüll über den ganzen Erdball fliegen, und Euch die Frage zurufen: „Mütter! Welche von Euch würde blos irre und nicht toll, ja tobſüchtig werden, wenn man ihr einzig Kind unſchuldig an den Galgen heftet!“ Und Ihr würdet antworten: „Wir Alle! Alle!“ Denn ſo ſchmerz- und ſchickſalergeben vermag einzig eines Gottes Mutter zu ſein, demüthig zu bleiben, wenn man ihren einzigen Sohn an’s Kreuz nagelt: Wir armen Mütter auf Erden hier, — wir vermögen es nicht! Uns gebricht, gebricht ſolch’ göttliche Kraft!“ (Fortſetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 167, Olmütz, 24.07.1889, S. [6]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches167_1889/6>, abgerufen am 22.11.2024.