pflichtung gab der reactionäten Partei den Anlaß, der Unabhängigkeit Ungarns den Krieg zu er- klären. Auch jetzt gibt es in den leitenden Kreisen Stimmen, welche die Demüthigung des über- müthigen Ungarn predigen. Das Scheitern des Ausgleiches würde, sagt die "Grazer Tagespost," die Seelen dieser Politiker schweigen machen und die Ueberzeugung wachrufen, es sei mit Banffy und seinen Anhängern nicht zu regieren. Sehr vielseitig und verwickelt sind die hier einschlägigen Fragen, aber gerade Ungarn muß wünschen, daß eine Vereinbarung zustandekomme, da der Streit der Völker nur zu seinem Unheil ausschlagen kann.
Politische Nachrichten.
(Ueber die Ausgleichs-Verhandlungen)
berichtet das "Neue Wiener Tagblatt", der Aus- gleich sei zwischen den beiden Regierungen fertig; es sei auch bezüglich des Mahlverkehres eine Ver- einbarung erzielt worden, doch bleibe dieselbe der Oeffentlichkeit vorläufig vorbehalten. Die Ent- scheidung soll nämlich auf gänzliche Aufhebung der Mahlbegünstigung lauten. Um aber die ungarische Groß-Mahlindustrie vor einer schweren Krise zu schützen, soll eine Entschädigung festge- setzt werden, über welche noch keine Einigung stattfinden konnte. Ebenso hinsichtlich der Kunst- weinfabrikation, um die Gleichartigkeit mit Un- garn zu erzielen; dort ist die Kunstweinfabrikation gesetzlich verboten. Auch bezüglich einer Reihe anderer wirthschaftlicher Gesetze, so bezüglich der Waarenbezeichnung, der Gesetze betreffs der Maße und Gewichte u. s. w., wird die Uebertragung auf Oesterreich angestrebt werden. Der Tiroler Getreidezollzuschlag bleibt aufrecht. Die Nieder- lassung von Zweiganstalten von Versicherungs- Gesellschaften werde künftig in Oesterreich nach denselben Grundsätzen wie in Ungarn erfolgen. In das Zoll- und Handelsbündniß wer- den solche veterinärpolizeiliche Bestimmungen auf- genommen werden, welche eine Veterinärconven- tion vollständig ersetzen. Die Gesetze über die Verzehrungssteuer seien, bis auf jenes über das Zuckersteuergesetz, fertig. Die Verhandlungen über die Durchführungsgesetze zu den Ausgleichsgesetzen werden im Herbst stattfinden. Es werde insbe- sondere darauf gesehen werden, daß bei Anwen- dung der Ausgleichsgesetze in beiden Reichshälf- ten nicht eine verschiedene Praxis platzgreife. Da im österreichischen Parlament zunächst das Bud- get erledigt werden soll, stehe der Ausgleich noch in der Ferne. Den Verhandlungen über die Ausgleichsgesetze dürften jene über die Bank- und Balutafragen vorangehen.
(Ein Wahlbündniß zwischen den Clericalen und den Antisemiten.)
Die katholische Volks- partei, welcher die Herren Dipauli und Ebenhoch angehören, hat mit der Grazer Gewerbspartei ein Wahlbündniß geschlossen. In Graz werden also wieder clericale Candidaten im Wahlkampfe [Spaltenumbruch]
austreten; die Stadt, welche einst die Hochburg des Liberalismus gewesen, droht den Clericalen in die Hände zu fallen. Die "Wr. Allg. Ztg." bemerkt hiezu: "Das kann keinen Menschen, der die Vorgänge der letzten Jahre mit Aufmerksam keit verfolgte, wundernehmen; war ja die Mutstadt "national" im Sinne des Professors Steinwender geworden und ist doch diese Art von "nationaler" Politik immer der erste Schritt zum -- Clericalis- mus. Professor Steinwender und seine Anhänger sind nichts Anderes, als die Pacemacher der Clericalen; sie betreiben, vielleicht ohne Absicht, aber mit wahrem Feuereifer, die Geschäfte der "internationalen Römlinge", und jetzt haben sie es durch ihre Pflege des deutschen Sinnes in Graz glücklich so weit gebracht, daß die Männer, welche Cilli angeblich der deutschen Cultur entrissen, in der Murstadt als Bewerber für Reichsrathsmandate auftreten können. Aus dem Sumpf des Feichtinger-Scandales steigen die clericalen Miasmen empor. Der Boden, den Feichtinger präparirt hatte, paßt für die Ent- wicklung der katholischen Volkspartei. Und die Führer dieser Fraction haben nur auf den Augen- blick gelauert, da die von gewissenlosen, betrüge- rischen Agitatoren verhetzte Menge herrenlos herumirren würde. Feichtinger's Laufbahn endete im Criminal und an diesem Tage trat unver- hohlen und offen der Clericalismus als dessen seliger Erbe auf. Thor und Thür hat die "nationale Kleinarbeit" der Herren Steinwender und Genossen der Reaction geöffnet; das nationale Gewand hat die antiliberale Bewegung gar bald überall abgeworfen und rasch erblickte man sie in ihrem wahren Kleid -- in der Kutte."
(Schönerer's Candidatur.)
Die Reichs- raths-Candidatur Schönerer's soll, wie antise- mitische Blätter berichteten, im Landgemeinden- Bezirke Eger "mit Begeisterung" aufgestellt worden sein. In der letzten Nummer des Organs Schönerer's, der "Unverfälschten deutschen Worte," findet sich nun die nachstehende Redactionsbemer- kung: "Auf mehrere Zuschriften. Herr Schönerer hat Niemanden ermächtigt, für ihn als Wahl- bewerber aufzutreten, und hat derselbe wiederbolt erklärt, keineswegs wieder in das Abgeordneten- haus eintreten zu wollen." Hiezu bemerkt die "Ostd. Rundschau": "Diese Mittheilung muß angesichts der Vorgänge im Egerer Bezirke Staunen erregen und bedarf jedenfalls der Auf- klärung. Wir sind in der Lage, mitzutheilen, daß Schönerer's Bewerbung nicht blos bei der Ver- trauenmänner-Versammlung auf Antonienhöhe, welche unter dem Vorsitze des Landtags-Abge- ordneten Iro tagte, beschlossen wurde, sondern bereits vorher auf dem Aufsiger Parteitage der Deutschen Volkspartei bekanntgegeben wurde. Dort machte Herr Wirthschaftsbesitzer Kittel, Obmann-Stellvertreter des Bundes deutscher Landwirthe, dessen Ehrenobmann Schönerer ist, Mittheilung von der Aufstellung Schönerer's als [Spaltenumbruch]
Wahlbewerber im Egerer Bezirke, was von den Theilnehmern am Parteitage einstimmig und freudigst begrüßt wurde."
(Die Eröffnung der serbischen Grenze.)
Wie man der "Pol. Corr." aus Belgrad mel- det, ist Freitag in Budapest das Protocoll, be- treffend die Wiedereröffnung der ungarischen Grenze für den Schweine Export, von den bei- derseitigen Unterhändlern unterzeichnet worden. Das vereinbarte Arrangement wird sofort nach dessen Ratification seitens der beiden Regierun- gen, die in den nächsten Tagen erfolgen dürfte, in Kraft treten. Der Wiener Correspondent der Münchener "Neuesten Nachrichten" verweist auf die verbesserten handelspolitischen Beziehungen zwi- schen unserer Monarchie einerseits, Serbien und Bulgarien andererseits, und bemerkt dazu: "Diese plötzliche Wandlung hat auf dem politischen Ter- rain noch keine Ergänzung erfahren und sie be- weist daher nur, daß man in Belgrad und Sofia spät, aber doch erkennt, wie sehr eine solche Wand- lung den eigenen Interessen der beiden Länder entspricht. Im übrigen sind aber manche Symptome vorhanden, welche den Schluß gestatten, daß man in Serbien und Bulgarien auch eine Abschwä- chung der politischen Verstimmungen wünscht, welche das Verhältniß der beiden Länder zu Oester- reich-Ungarn jetzt trüben."
(Das neue italienische Cabinet.)
Die Completirung des vernewerten Cabinets Rudini schreitet langsamer fort, als man gedacht hatte. Römischen Meldungen zufolge hat Visconti- Venosta eine bindende Zusage, das Portefeuille des Aeußern zu übernehmen, noch nicht gegeben und seinen Eintritt in das Ministerium von der Erfüllung gewisser Bedingungen abhängig gemacht. Der Version, daß Visconta-Venosta die Entfernung der Berliner und Wiener Botschafter Lanza und Nigra als conditio sine qua non ansehe, merkt man die Tendentiosität so deutlich an, daß eine ernstliche Widerlegung überflüssig erscheint. Vis- conti Venosta mag ein Freund und Bewunderer der französischen Nation sein, aber er wird darum in seiner amtlichen Stellung von der Dreibund- Politik nicht um eine Haacesbreite abweichen; eine anderweitige Besetzung der Botschafterposten in den beiden alliirten Staaten kann deßhalb für ihn kein Programmpunct sein. Möglicherweise will Visconti-Venosta vom Könige in einer Unter- redung die Zustimmung zu seiner afrikanischen Tactik erwirken.
(Die Lage auf Kreta.)
Die Bemühungen der Consuln bei den christlichen Deputirten auf Kreta, damit diese in die Berathungen des Landtages eintreten, um die von der Pforte ge- währten Zugeständnisse nicht zu gefährden, und eine Verständigung herbeizuführen, sind von Erfolg gewesen, indem die Deputirten, obwohl ihre gegenwärtige Zahl dem Vertrage von Haleppa nicht entspricht und die Neuwahlen wegen der Situation momentan unmöglich erscheinen, sich
[Spaltenumbruch]
dest du in Sturm und Kält' Auf offnem Feld, auf offnem Feld," dies und manch andres Lied, die auch in unsern Volksliederschatz übergangen sind und gesungen werden, ohne daß man des Dichters Namen weiß, klingen eigentlich von selbst, und sie werden weiter klingen, so lange Lieb' und Leid und Lust und Freud' auf Erden herrschen.
Lieb' und Leid und Lust und Freud', auch Burns hat sie reichlich in seinem nur kurzen Erdendasein gelernt. Geboren am 25. Jänner 1759 bei Ayr als das siebente Kind eines armen Pächters, wurde er schon früh zur Landarbeit herangezogen, eignete sich aber, meist durch eignen Trieb, eine bessere Bildung als seine Geschwister und Kameraden an. Auch bei ihm kann man sagen, daß er "vom Mütterchen die Frohnatur" hatte, seine Mutter führte ihn in die schottische Sagenwelt ein, und früh schon fügte sich bei ihm Reim zu Reim, während er am Tage hinter dem Pfluge dahinschritt und am Abend "dürstend hing an jedem Buch wie an des Wissens Born":
"Schon damals regte sich in mir Die hohe heilige Begier, Die stets mich hat durchglüht, Daß ich zu meines Landes Ehr', Erfände, wenn nicht Werk noch Lehr', O wenigstens ein Lied."
Mit seinem Vater gerieth der Jüngling bald in ernstere Zwistigkeiten, der alte Burns, [Spaltenumbruch]
ein strenger Calvinist, sah das sorglose, lebens- freudige Wesen seines Sohnes mit finsteren Augen an, und als jener im siebzehnten Lebens- jahre gegen das Verbot des Vaters eine Tanz- stunde besuchte, da war der erste Bruch da, der nie recht zugeheilt wurde und der, wie Burns in seiner Lebensbeschreibung selbst klagt, viel zu der "Wildheit der folgenden Jahre" beitrug. "Das große Glück meines Lebens," gesteht er offen ein, "war der Mangel an einem Ziele. Ich hatte früh schon die Regungen des Ehr- geizes verspürt, aber sie glichen dem blinden Umhertasten des Homerischen Cyclopen an den Wänden seiner Höhle. Ich sah, meines Vaters Lage machte unablässige Anstrengungen meiner- seits nöthig. Die zwei Zugänge, auf denen ich in den Tempel Fortunas eingehen konnte, waren das Thor knauseriger Sparsamkeit oder der Pfad kleinlichen Schachers. Jenes Thor hat eine so schmale Oeffnung, daß ich mich nie hindurch quetschen konnte. Den andern Zugang habe ich immer gehaßt. Es haftet ein Makel schon am Eintritt." Sehr begreiflich, daß es den feurigen Jüngling nicht lange in den engen Verhältnissen des väterlichen Hauses duldete, er ging in die Ferne, versnchte dies und jenes, hatte nirgends rechte Ausdauer und liebte im Wirthshause frohen Sang und Becherklang, umsomehr, als man ihm, dem Sangeskundigen und Witzigen, von dem so frendige Lebenslust ausströmte und der auch als Dichter sich Geltung zu verschaffen wußte, gern [Spaltenumbruch]
huldigte und überall den Vorrang einräumte. Von seiner Lust zum Dichten in jenen Jahren erzählte er später: "Ich ergötzte mich am Poeti- siren, jedoch ganz nach Laune. Ich hatte gewöhn- lich sechs Dichtungen oder mehr zugleich vor; je nach Stimmung beschäftigte ich mich mit der einen oder mit der andern und ließ sie fallen, wenn sie mich ermüdete. Meine Leidenschaften, wenn einmal entflammt, wütheten in mir wie die Teufel, bis sie sich in Reimen Luft machten, und dann pflegte das Brüten über meinen Versen wie ein Zauber mich zu besänftigen."
Jene Leidenschaften suchte er einzudämmen und gleich seinem Vater ein kleiner, ruhiger Land- pächter zu werden, aber es gelang ihm nicht, er war denn doch aus anderm Holz geschnitzt. Er übernahm mit seinem Bruder eine kleine Acker- wirthschaft, zwei Mißernten ruinirten ihn jedoch und ließen ihn seinen alten Lebenswandel von neuem beginnen; um sich aus demselben zu be- freien, verdingte er sich als Pflanzenaufseher nach Jamaika und veröffentlichte, um Reisegeld dorthin zu erlangen, die erste Sammlung seiner Gedichte 1786 in Kilmarnock auf Subscription. Zum erstenmal durfte er einen Erfolg in seinem Leben verzeichnen, seine Gedichte fanden Beifall und füllten seine Tasche mit einigen hundert Mark, und das nicht allein, gerade als er sich nach dem fernen Erdtheil einschiffen wollte, wurde er nach Edinburg eingeladen, woselbst ihm seine Dich- tungen warme Freunde erworben, die ihm die
[Spaltenumbruch]
pflichtung gab der reactionäten Partei den Anlaß, der Unabhängigkeit Ungarns den Krieg zu er- klären. Auch jetzt gibt es in den leitenden Kreiſen Stimmen, welche die Demüthigung des über- müthigen Ungarn predigen. Das Scheitern des Ausgleiches würde, ſagt die „Grazer Tagespoſt,“ die Seelen dieſer Politiker ſchweigen machen und die Ueberzeugung wachrufen, es ſei mit Banffy und ſeinen Anhängern nicht zu regieren. Sehr vielſeitig und verwickelt ſind die hier einſchlägigen Fragen, aber gerade Ungarn muß wünſchen, daß eine Vereinbarung zuſtandekomme, da der Streit der Völker nur zu ſeinem Unheil ausſchlagen kann.
Politiſche Nachrichten.
(Ueber die Ausgleichs-Verhandlungen)
berichtet das „Neue Wiener Tagblatt“, der Aus- gleich ſei zwiſchen den beiden Regierungen fertig; es ſei auch bezüglich des Mahlverkehres eine Ver- einbarung erzielt worden, doch bleibe dieſelbe der Oeffentlichkeit vorläufig vorbehalten. Die Ent- ſcheidung ſoll nämlich auf gänzliche Aufhebung der Mahlbegünſtigung lauten. Um aber die ungariſche Groß-Mahlinduſtrie vor einer ſchweren Kriſe zu ſchützen, ſoll eine Entſchädigung feſtge- ſetzt werden, über welche noch keine Einigung ſtattfinden konnte. Ebenſo hinſichtlich der Kunſt- weinfabrikation, um die Gleichartigkeit mit Un- garn zu erzielen; dort iſt die Kunſtweinfabrikation geſetzlich verboten. Auch bezüglich einer Reihe anderer wirthſchaftlicher Geſetze, ſo bezüglich der Waarenbezeichnung, der Geſetze betreffs der Maße und Gewichte u. ſ. w., wird die Uebertragung auf Oeſterreich angeſtrebt werden. Der Tiroler Getreidezollzuſchlag bleibt aufrecht. Die Nieder- laſſung von Zweiganſtalten von Verſicherungs- Geſellſchaften werde künftig in Oeſterreich nach denſelben Grundſätzen wie in Ungarn erfolgen. In das Zoll- und Handelsbündniß wer- den ſolche veterinärpolizeiliche Beſtimmungen auf- genommen werden, welche eine Veterinärconven- tion vollſtändig erſetzen. Die Geſetze über die Verzehrungsſteuer ſeien, bis auf jenes über das Zuckerſteuergeſetz, fertig. Die Verhandlungen über die Durchführungsgeſetze zu den Ausgleichsgeſetzen werden im Herbſt ſtattfinden. Es werde insbe- ſondere darauf geſehen werden, daß bei Anwen- dung der Ausgleichsgeſetze in beiden Reichshälf- ten nicht eine verſchiedene Praxis platzgreife. Da im öſterreichiſchen Parlament zunächſt das Bud- get erledigt werden ſoll, ſtehe der Ausgleich noch in der Ferne. Den Verhandlungen über die Ausgleichsgeſetze dürften jene über die Bank- und Balutafragen vorangehen.
(Ein Wahlbündniß zwiſchen den Clericalen und den Antiſemiten.)
Die katholiſche Volks- partei, welcher die Herren Dipauli und Ebenhoch angehören, hat mit der Grazer Gewerbspartei ein Wahlbündniß geſchloſſen. In Graz werden alſo wieder clericale Candidaten im Wahlkampfe [Spaltenumbruch]
auſtreten; die Stadt, welche einſt die Hochburg des Liberalismus geweſen, droht den Clericalen in die Hände zu fallen. Die „Wr. Allg. Ztg.“ bemerkt hiezu: „Das kann keinen Menſchen, der die Vorgänge der letzten Jahre mit Aufmerkſam keit verfolgte, wundernehmen; war ja die Mutſtadt „national“ im Sinne des Profeſſors Steinwender geworden und iſt doch dieſe Art von „nationaler“ Politik immer der erſte Schritt zum — Clericalis- mus. Profeſſor Steinwender und ſeine Anhänger ſind nichts Anderes, als die Pacemacher der Clericalen; ſie betreiben, vielleicht ohne Abſicht, aber mit wahrem Feuereifer, die Geſchäfte der „internationalen Römlinge“, und jetzt haben ſie es durch ihre Pflege des deutſchen Sinnes in Graz glücklich ſo weit gebracht, daß die Männer, welche Cilli angeblich der deutſchen Cultur entriſſen, in der Murſtadt als Bewerber für Reichsrathsmandate auftreten können. Aus dem Sumpf des Feichtinger-Scandales ſteigen die clericalen Miasmen empor. Der Boden, den Feichtinger präparirt hatte, paßt für die Ent- wicklung der katholiſchen Volkspartei. Und die Führer dieſer Fraction haben nur auf den Augen- blick gelauert, da die von gewiſſenloſen, betrüge- riſchen Agitatoren verhetzte Menge herrenlos herumirren würde. Feichtinger’s Laufbahn endete im Criminal und an dieſem Tage trat unver- hohlen und offen der Clericalismus als deſſen ſeliger Erbe auf. Thor und Thür hat die „nationale Kleinarbeit“ der Herren Steinwender und Genoſſen der Reaction geöffnet; das nationale Gewand hat die antiliberale Bewegung gar bald überall abgeworfen und raſch erblickte man ſie in ihrem wahren Kleid — in der Kutte.“
(Schönerer’s Candidatur.)
Die Reichs- raths-Candidatur Schönerer’s ſoll, wie antiſe- mitiſche Blätter berichteten, im Landgemeinden- Bezirke Eger „mit Begeiſterung“ aufgeſtellt worden ſein. In der letzten Nummer des Organs Schönerer’s, der „Unverfälſchten deutſchen Worte,“ findet ſich nun die nachſtehende Redactionsbemer- kung: „Auf mehrere Zuſchriften. Herr Schönerer hat Niemanden ermächtigt, für ihn als Wahl- bewerber aufzutreten, und hat derſelbe wiederbolt erklärt, keineswegs wieder in das Abgeordneten- haus eintreten zu wollen.“ Hiezu bemerkt die „Oſtd. Rundſchau“: „Dieſe Mittheilung muß angeſichts der Vorgänge im Egerer Bezirke Staunen erregen und bedarf jedenfalls der Auf- klärung. Wir ſind in der Lage, mitzutheilen, daß Schönerer’s Bewerbung nicht blos bei der Ver- trauenmänner-Verſammlung auf Antonienhöhe, welche unter dem Vorſitze des Landtags-Abge- ordneten Iro tagte, beſchloſſen wurde, ſondern bereits vorher auf dem Aufſiger Parteitage der Deutſchen Volkspartei bekanntgegeben wurde. Dort machte Herr Wirthſchaftsbeſitzer Kittel, Obmann-Stellvertreter des Bundes deutſcher Landwirthe, deſſen Ehrenobmann Schönerer iſt, Mittheilung von der Aufſtellung Schönerer’s als [Spaltenumbruch]
Wahlbewerber im Egerer Bezirke, was von den Theilnehmern am Parteitage einſtimmig und freudigſt begrüßt wurde.“
(Die Eröffnung der ſerbiſchen Grenze.)
Wie man der „Pol. Corr.“ aus Belgrad mel- det, iſt Freitag in Budapeſt das Protocoll, be- treffend die Wiedereröffnung der ungariſchen Grenze für den Schweine Export, von den bei- derſeitigen Unterhändlern unterzeichnet worden. Das vereinbarte Arrangement wird ſofort nach deſſen Ratification ſeitens der beiden Regierun- gen, die in den nächſten Tagen erfolgen dürfte, in Kraft treten. Der Wiener Correſpondent der Münchener „Neueſten Nachrichten“ verweiſt auf die verbeſſerten handelspolitiſchen Beziehungen zwi- ſchen unſerer Monarchie einerſeits, Serbien und Bulgarien andererſeits, und bemerkt dazu: „Dieſe plötzliche Wandlung hat auf dem politiſchen Ter- rain noch keine Ergänzung erfahren und ſie be- weiſt daher nur, daß man in Belgrad und Sofia ſpät, aber doch erkennt, wie ſehr eine ſolche Wand- lung den eigenen Intereſſen der beiden Länder entſpricht. Im übrigen ſind aber manche Symptome vorhanden, welche den Schluß geſtatten, daß man in Serbien und Bulgarien auch eine Abſchwä- chung der politiſchen Verſtimmungen wünſcht, welche das Verhältniß der beiden Länder zu Oeſter- reich-Ungarn jetzt trüben.“
(Das neue italieniſche Cabinet.)
Die Completirung des vernewerten Cabinets Rudini ſchreitet langſamer fort, als man gedacht hatte. Römiſchen Meldungen zufolge hat Visconti- Venoſta eine bindende Zuſage, das Portefeuille des Aeußern zu übernehmen, noch nicht gegeben und ſeinen Eintritt in das Miniſterium von der Erfüllung gewiſſer Bedingungen abhängig gemacht. Der Verſion, daß Visconta-Venoſta die Entfernung der Berliner und Wiener Botſchafter Lanza und Nigra als conditio sine qua non anſehe, merkt man die Tendentioſität ſo deutlich an, daß eine ernſtliche Widerlegung überflüſſig erſcheint. Vis- conti Venoſta mag ein Freund und Bewunderer der franzöſiſchen Nation ſein, aber er wird darum in ſeiner amtlichen Stellung von der Dreibund- Politik nicht um eine Haacesbreite abweichen; eine anderweitige Beſetzung der Botſchafterpoſten in den beiden alliirten Staaten kann deßhalb für ihn kein Programmpunct ſein. Möglicherweiſe will Visconti-Venoſta vom Könige in einer Unter- redung die Zuſtimmung zu ſeiner afrikaniſchen Tactik erwirken.
(Die Lage auf Kreta.)
Die Bemühungen der Conſuln bei den chriſtlichen Deputirten auf Kreta, damit dieſe in die Berathungen des Landtages eintreten, um die von der Pforte ge- währten Zugeſtändniſſe nicht zu gefährden, und eine Verſtändigung herbeizuführen, ſind von Erfolg geweſen, indem die Deputirten, obwohl ihre gegenwärtige Zahl dem Vertrage von Haleppa nicht entſpricht und die Neuwahlen wegen der Situation momentan unmöglich erſcheinen, ſich
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deſt du in Sturm und Kält’ Auf offnem Feld, auf offnem Feld,“ dies und manch andres Lied, die auch in unſern Volksliederſchatz übergangen ſind und geſungen werden, ohne daß man des Dichters Namen weiß, klingen eigentlich von ſelbſt, und ſie werden weiter klingen, ſo lange Lieb’ und Leid und Luſt und Freud’ auf Erden herrſchen.
Lieb’ und Leid und Luſt und Freud’, auch Burns hat ſie reichlich in ſeinem nur kurzen Erdendaſein gelernt. Geboren am 25. Jänner 1759 bei Ayr als das ſiebente Kind eines armen Pächters, wurde er ſchon früh zur Landarbeit herangezogen, eignete ſich aber, meiſt durch eignen Trieb, eine beſſere Bildung als ſeine Geſchwiſter und Kameraden an. Auch bei ihm kann man ſagen, daß er „vom Mütterchen die Frohnatur“ hatte, ſeine Mutter führte ihn in die ſchottiſche Sagenwelt ein, und früh ſchon fügte ſich bei ihm Reim zu Reim, während er am Tage hinter dem Pfluge dahinſchritt und am Abend „dürſtend hing an jedem Buch wie an des Wiſſens Born“:
„Schon damals regte ſich in mir Die hohe heilige Begier, Die ſtets mich hat durchglüht, Daß ich zu meines Landes Ehr’, Erfände, wenn nicht Werk noch Lehr’, O wenigſtens ein Lied.“
Mit ſeinem Vater gerieth der Jüngling bald in ernſtere Zwiſtigkeiten, der alte Burns, [Spaltenumbruch]
ein ſtrenger Calviniſt, ſah das ſorgloſe, lebens- freudige Weſen ſeines Sohnes mit finſteren Augen an, und als jener im ſiebzehnten Lebens- jahre gegen das Verbot des Vaters eine Tanz- ſtunde beſuchte, da war der erſte Bruch da, der nie recht zugeheilt wurde und der, wie Burns in ſeiner Lebensbeſchreibung ſelbſt klagt, viel zu der „Wildheit der folgenden Jahre“ beitrug. „Das große Glück meines Lebens,“ geſteht er offen ein, „war der Mangel an einem Ziele. Ich hatte früh ſchon die Regungen des Ehr- geizes verſpürt, aber ſie glichen dem blinden Umhertaſten des Homeriſchen Cyclopen an den Wänden ſeiner Höhle. Ich ſah, meines Vaters Lage machte unabläſſige Anſtrengungen meiner- ſeits nöthig. Die zwei Zugänge, auf denen ich in den Tempel Fortunas eingehen konnte, waren das Thor knauſeriger Sparſamkeit oder der Pfad kleinlichen Schachers. Jenes Thor hat eine ſo ſchmale Oeffnung, daß ich mich nie hindurch quetſchen konnte. Den andern Zugang habe ich immer gehaßt. Es haftet ein Makel ſchon am Eintritt.“ Sehr begreiflich, daß es den feurigen Jüngling nicht lange in den engen Verhältniſſen des väterlichen Hauſes duldete, er ging in die Ferne, verſnchte dies und jenes, hatte nirgends rechte Ausdauer und liebte im Wirthshauſe frohen Sang und Becherklang, umſomehr, als man ihm, dem Sangeskundigen und Witzigen, von dem ſo frendige Lebensluſt ausſtrömte und der auch als Dichter ſich Geltung zu verſchaffen wußte, gern [Spaltenumbruch]
huldigte und überall den Vorrang einräumte. Von ſeiner Luſt zum Dichten in jenen Jahren erzählte er ſpäter: „Ich ergötzte mich am Poeti- ſiren, jedoch ganz nach Laune. Ich hatte gewöhn- lich ſechs Dichtungen oder mehr zugleich vor; je nach Stimmung beſchäftigte ich mich mit der einen oder mit der andern und ließ ſie fallen, wenn ſie mich ermüdete. Meine Leidenſchaften, wenn einmal entflammt, wütheten in mir wie die Teufel, bis ſie ſich in Reimen Luft machten, und dann pflegte das Brüten über meinen Verſen wie ein Zauber mich zu beſänftigen.“
Jene Leidenſchaften ſuchte er einzudämmen und gleich ſeinem Vater ein kleiner, ruhiger Land- pächter zu werden, aber es gelang ihm nicht, er war denn doch aus anderm Holz geſchnitzt. Er übernahm mit ſeinem Bruder eine kleine Acker- wirthſchaft, zwei Mißernten ruinirten ihn jedoch und ließen ihn ſeinen alten Lebenswandel von neuem beginnen; um ſich aus demſelben zu be- freien, verdingte er ſich als Pflanzenaufſeher nach Jamaika und veröffentlichte, um Reiſegeld dorthin zu erlangen, die erſte Sammlung ſeiner Gedichte 1786 in Kilmarnock auf Subſcription. Zum erſtenmal durfte er einen Erfolg in ſeinem Leben verzeichnen, ſeine Gedichte fanden Beifall und füllten ſeine Taſche mit einigen hundert Mark, und das nicht allein, gerade als er ſich nach dem fernen Erdtheil einſchiffen wollte, wurde er nach Edinburg eingeladen, woſelbſt ihm ſeine Dich- tungen warme Freunde erworben, die ihm die
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[[2]/0002]
pflichtung gab der reactionäten Partei den Anlaß,
der Unabhängigkeit Ungarns den Krieg zu er-
klären. Auch jetzt gibt es in den leitenden Kreiſen
Stimmen, welche die Demüthigung des über-
müthigen Ungarn predigen. Das Scheitern des
Ausgleiches würde, ſagt die „Grazer Tagespoſt,“
die Seelen dieſer Politiker ſchweigen machen und
die Ueberzeugung wachrufen, es ſei mit Banffy
und ſeinen Anhängern nicht zu regieren. Sehr
vielſeitig und verwickelt ſind die hier einſchlägigen
Fragen, aber gerade Ungarn muß wünſchen, daß
eine Vereinbarung zuſtandekomme, da der Streit
der Völker nur zu ſeinem Unheil ausſchlagen kann.
Politiſche Nachrichten.
(Ueber die Ausgleichs-Verhandlungen)
berichtet das „Neue Wiener Tagblatt“, der Aus-
gleich ſei zwiſchen den beiden Regierungen fertig;
es ſei auch bezüglich des Mahlverkehres eine Ver-
einbarung erzielt worden, doch bleibe dieſelbe der
Oeffentlichkeit vorläufig vorbehalten. Die Ent-
ſcheidung ſoll nämlich auf gänzliche Aufhebung
der Mahlbegünſtigung lauten. Um aber die
ungariſche Groß-Mahlinduſtrie vor einer ſchweren
Kriſe zu ſchützen, ſoll eine Entſchädigung feſtge-
ſetzt werden, über welche noch keine Einigung
ſtattfinden konnte. Ebenſo hinſichtlich der Kunſt-
weinfabrikation, um die Gleichartigkeit mit Un-
garn zu erzielen; dort iſt die Kunſtweinfabrikation
geſetzlich verboten. Auch bezüglich einer Reihe
anderer wirthſchaftlicher Geſetze, ſo bezüglich der
Waarenbezeichnung, der Geſetze betreffs der Maße
und Gewichte u. ſ. w., wird die Uebertragung auf
Oeſterreich angeſtrebt werden. Der Tiroler
Getreidezollzuſchlag bleibt aufrecht. Die Nieder-
laſſung von Zweiganſtalten von Verſicherungs-
Geſellſchaften werde künftig in Oeſterreich
nach denſelben Grundſätzen wie in Ungarn
erfolgen. In das Zoll- und Handelsbündniß wer-
den ſolche veterinärpolizeiliche Beſtimmungen auf-
genommen werden, welche eine Veterinärconven-
tion vollſtändig erſetzen. Die Geſetze über die
Verzehrungsſteuer ſeien, bis auf jenes über das
Zuckerſteuergeſetz, fertig. Die Verhandlungen über
die Durchführungsgeſetze zu den Ausgleichsgeſetzen
werden im Herbſt ſtattfinden. Es werde insbe-
ſondere darauf geſehen werden, daß bei Anwen-
dung der Ausgleichsgeſetze in beiden Reichshälf-
ten nicht eine verſchiedene Praxis platzgreife. Da
im öſterreichiſchen Parlament zunächſt das Bud-
get erledigt werden ſoll, ſtehe der Ausgleich noch
in der Ferne. Den Verhandlungen über die
Ausgleichsgeſetze dürften jene über die Bank- und
Balutafragen vorangehen.
(Ein Wahlbündniß zwiſchen den Clericalen
und den Antiſemiten.) Die katholiſche Volks-
partei, welcher die Herren Dipauli und Ebenhoch
angehören, hat mit der Grazer Gewerbspartei
ein Wahlbündniß geſchloſſen. In Graz werden
alſo wieder clericale Candidaten im Wahlkampfe
auſtreten; die Stadt, welche einſt die Hochburg
des Liberalismus geweſen, droht den Clericalen
in die Hände zu fallen. Die „Wr. Allg. Ztg.“
bemerkt hiezu: „Das kann keinen Menſchen, der
die Vorgänge der letzten Jahre mit Aufmerkſam
keit verfolgte, wundernehmen; war ja die Mutſtadt
„national“ im Sinne des Profeſſors Steinwender
geworden und iſt doch dieſe Art von „nationaler“
Politik immer der erſte Schritt zum — Clericalis-
mus. Profeſſor Steinwender und ſeine Anhänger
ſind nichts Anderes, als die Pacemacher der
Clericalen; ſie betreiben, vielleicht ohne Abſicht,
aber mit wahrem Feuereifer, die Geſchäfte
der „internationalen Römlinge“, und jetzt
haben ſie es durch ihre Pflege des deutſchen
Sinnes in Graz glücklich ſo weit gebracht, daß
die Männer, welche Cilli angeblich der deutſchen
Cultur entriſſen, in der Murſtadt als Bewerber
für Reichsrathsmandate auftreten können. Aus
dem Sumpf des Feichtinger-Scandales ſteigen
die clericalen Miasmen empor. Der Boden, den
Feichtinger präparirt hatte, paßt für die Ent-
wicklung der katholiſchen Volkspartei. Und die
Führer dieſer Fraction haben nur auf den Augen-
blick gelauert, da die von gewiſſenloſen, betrüge-
riſchen Agitatoren verhetzte Menge herrenlos
herumirren würde. Feichtinger’s Laufbahn endete
im Criminal und an dieſem Tage trat unver-
hohlen und offen der Clericalismus als deſſen
ſeliger Erbe auf. Thor und Thür hat die „nationale
Kleinarbeit“ der Herren Steinwender und Genoſſen
der Reaction geöffnet; das nationale Gewand
hat die antiliberale Bewegung gar bald überall
abgeworfen und raſch erblickte man ſie in ihrem
wahren Kleid — in der Kutte.“
(Schönerer’s Candidatur.) Die Reichs-
raths-Candidatur Schönerer’s ſoll, wie antiſe-
mitiſche Blätter berichteten, im Landgemeinden-
Bezirke Eger „mit Begeiſterung“ aufgeſtellt
worden ſein. In der letzten Nummer des Organs
Schönerer’s, der „Unverfälſchten deutſchen Worte,“
findet ſich nun die nachſtehende Redactionsbemer-
kung: „Auf mehrere Zuſchriften. Herr Schönerer
hat Niemanden ermächtigt, für ihn als Wahl-
bewerber aufzutreten, und hat derſelbe wiederbolt
erklärt, keineswegs wieder in das Abgeordneten-
haus eintreten zu wollen.“ Hiezu bemerkt die
„Oſtd. Rundſchau“: „Dieſe Mittheilung muß
angeſichts der Vorgänge im Egerer Bezirke
Staunen erregen und bedarf jedenfalls der Auf-
klärung. Wir ſind in der Lage, mitzutheilen, daß
Schönerer’s Bewerbung nicht blos bei der Ver-
trauenmänner-Verſammlung auf Antonienhöhe,
welche unter dem Vorſitze des Landtags-Abge-
ordneten Iro tagte, beſchloſſen wurde, ſondern
bereits vorher auf dem Aufſiger Parteitage der
Deutſchen Volkspartei bekanntgegeben wurde.
Dort machte Herr Wirthſchaftsbeſitzer Kittel,
Obmann-Stellvertreter des Bundes deutſcher
Landwirthe, deſſen Ehrenobmann Schönerer iſt,
Mittheilung von der Aufſtellung Schönerer’s als
Wahlbewerber im Egerer Bezirke, was von
den Theilnehmern am Parteitage einſtimmig und
freudigſt begrüßt wurde.“
(Die Eröffnung der ſerbiſchen Grenze.)
Wie man der „Pol. Corr.“ aus Belgrad mel-
det, iſt Freitag in Budapeſt das Protocoll, be-
treffend die Wiedereröffnung der ungariſchen
Grenze für den Schweine Export, von den bei-
derſeitigen Unterhändlern unterzeichnet worden.
Das vereinbarte Arrangement wird ſofort nach
deſſen Ratification ſeitens der beiden Regierun-
gen, die in den nächſten Tagen erfolgen dürfte,
in Kraft treten. Der Wiener Correſpondent der
Münchener „Neueſten Nachrichten“ verweiſt auf
die verbeſſerten handelspolitiſchen Beziehungen zwi-
ſchen unſerer Monarchie einerſeits, Serbien und
Bulgarien andererſeits, und bemerkt dazu: „Dieſe
plötzliche Wandlung hat auf dem politiſchen Ter-
rain noch keine Ergänzung erfahren und ſie be-
weiſt daher nur, daß man in Belgrad und Sofia
ſpät, aber doch erkennt, wie ſehr eine ſolche Wand-
lung den eigenen Intereſſen der beiden Länder
entſpricht. Im übrigen ſind aber manche Symptome
vorhanden, welche den Schluß geſtatten, daß man
in Serbien und Bulgarien auch eine Abſchwä-
chung der politiſchen Verſtimmungen wünſcht,
welche das Verhältniß der beiden Länder zu Oeſter-
reich-Ungarn jetzt trüben.“
(Das neue italieniſche Cabinet.) Die
Completirung des vernewerten Cabinets Rudini
ſchreitet langſamer fort, als man gedacht hatte.
Römiſchen Meldungen zufolge hat Visconti-
Venoſta eine bindende Zuſage, das Portefeuille
des Aeußern zu übernehmen, noch nicht gegeben
und ſeinen Eintritt in das Miniſterium von der
Erfüllung gewiſſer Bedingungen abhängig gemacht.
Der Verſion, daß Visconta-Venoſta die Entfernung
der Berliner und Wiener Botſchafter Lanza und
Nigra als conditio sine qua non anſehe, merkt
man die Tendentioſität ſo deutlich an, daß eine
ernſtliche Widerlegung überflüſſig erſcheint. Vis-
conti Venoſta mag ein Freund und Bewunderer
der franzöſiſchen Nation ſein, aber er wird darum
in ſeiner amtlichen Stellung von der Dreibund-
Politik nicht um eine Haacesbreite abweichen;
eine anderweitige Beſetzung der Botſchafterpoſten
in den beiden alliirten Staaten kann deßhalb
für ihn kein Programmpunct ſein. Möglicherweiſe
will Visconti-Venoſta vom Könige in einer Unter-
redung die Zuſtimmung zu ſeiner afrikaniſchen
Tactik erwirken.
(Die Lage auf Kreta.) Die Bemühungen
der Conſuln bei den chriſtlichen Deputirten auf
Kreta, damit dieſe in die Berathungen des
Landtages eintreten, um die von der Pforte ge-
währten Zugeſtändniſſe nicht zu gefährden, und
eine Verſtändigung herbeizuführen, ſind von Erfolg
geweſen, indem die Deputirten, obwohl ihre
gegenwärtige Zahl dem Vertrage von Haleppa
nicht entſpricht und die Neuwahlen wegen der
Situation momentan unmöglich erſcheinen, ſich
deſt du in Sturm und Kält’ Auf offnem Feld,
auf offnem Feld,“ dies und manch andres Lied,
die auch in unſern Volksliederſchatz übergangen
ſind und geſungen werden, ohne daß man des
Dichters Namen weiß, klingen eigentlich von
ſelbſt, und ſie werden weiter klingen, ſo lange
Lieb’ und Leid und Luſt und Freud’ auf Erden
herrſchen.
Lieb’ und Leid und Luſt und Freud’, auch
Burns hat ſie reichlich in ſeinem nur kurzen
Erdendaſein gelernt. Geboren am 25. Jänner
1759 bei Ayr als das ſiebente Kind eines armen
Pächters, wurde er ſchon früh zur Landarbeit
herangezogen, eignete ſich aber, meiſt durch eignen
Trieb, eine beſſere Bildung als ſeine Geſchwiſter
und Kameraden an. Auch bei ihm kann man
ſagen, daß er „vom Mütterchen die Frohnatur“
hatte, ſeine Mutter führte ihn in die ſchottiſche
Sagenwelt ein, und früh ſchon fügte ſich bei
ihm Reim zu Reim, während er am Tage hinter
dem Pfluge dahinſchritt und am Abend „dürſtend
hing an jedem Buch wie an des Wiſſens Born“:
„Schon damals regte ſich in mir
Die hohe heilige Begier,
Die ſtets mich hat durchglüht,
Daß ich zu meines Landes Ehr’,
Erfände, wenn nicht Werk noch Lehr’,
O wenigſtens ein Lied.“
Mit ſeinem Vater gerieth der Jüngling
bald in ernſtere Zwiſtigkeiten, der alte Burns,
ein ſtrenger Calviniſt, ſah das ſorgloſe, lebens-
freudige Weſen ſeines Sohnes mit finſteren
Augen an, und als jener im ſiebzehnten Lebens-
jahre gegen das Verbot des Vaters eine Tanz-
ſtunde beſuchte, da war der erſte Bruch da, der
nie recht zugeheilt wurde und der, wie Burns
in ſeiner Lebensbeſchreibung ſelbſt klagt, viel zu
der „Wildheit der folgenden Jahre“ beitrug.
„Das große Glück meines Lebens,“ geſteht er
offen ein, „war der Mangel an einem Ziele.
Ich hatte früh ſchon die Regungen des Ehr-
geizes verſpürt, aber ſie glichen dem blinden
Umhertaſten des Homeriſchen Cyclopen an den
Wänden ſeiner Höhle. Ich ſah, meines Vaters
Lage machte unabläſſige Anſtrengungen meiner-
ſeits nöthig. Die zwei Zugänge, auf denen ich in
den Tempel Fortunas eingehen konnte, waren
das Thor knauſeriger Sparſamkeit oder der Pfad
kleinlichen Schachers. Jenes Thor hat eine ſo
ſchmale Oeffnung, daß ich mich nie hindurch
quetſchen konnte. Den andern Zugang habe ich
immer gehaßt. Es haftet ein Makel ſchon am
Eintritt.“ Sehr begreiflich, daß es den feurigen
Jüngling nicht lange in den engen Verhältniſſen
des väterlichen Hauſes duldete, er ging in die
Ferne, verſnchte dies und jenes, hatte nirgends
rechte Ausdauer und liebte im Wirthshauſe frohen
Sang und Becherklang, umſomehr, als man ihm,
dem Sangeskundigen und Witzigen, von dem ſo
frendige Lebensluſt ausſtrömte und der auch als
Dichter ſich Geltung zu verſchaffen wußte, gern
huldigte und überall den Vorrang einräumte.
Von ſeiner Luſt zum Dichten in jenen Jahren
erzählte er ſpäter: „Ich ergötzte mich am Poeti-
ſiren, jedoch ganz nach Laune. Ich hatte gewöhn-
lich ſechs Dichtungen oder mehr zugleich vor; je
nach Stimmung beſchäftigte ich mich mit der
einen oder mit der andern und ließ ſie fallen,
wenn ſie mich ermüdete. Meine Leidenſchaften,
wenn einmal entflammt, wütheten in mir wie
die Teufel, bis ſie ſich in Reimen Luft machten,
und dann pflegte das Brüten über meinen
Verſen wie ein Zauber mich zu beſänftigen.“
Jene Leidenſchaften ſuchte er einzudämmen
und gleich ſeinem Vater ein kleiner, ruhiger Land-
pächter zu werden, aber es gelang ihm nicht, er
war denn doch aus anderm Holz geſchnitzt. Er
übernahm mit ſeinem Bruder eine kleine Acker-
wirthſchaft, zwei Mißernten ruinirten ihn jedoch
und ließen ihn ſeinen alten Lebenswandel von
neuem beginnen; um ſich aus demſelben zu be-
freien, verdingte er ſich als Pflanzenaufſeher nach
Jamaika und veröffentlichte, um Reiſegeld dorthin
zu erlangen, die erſte Sammlung ſeiner Gedichte
1786 in Kilmarnock auf Subſcription. Zum
erſtenmal durfte er einen Erfolg in ſeinem Leben
verzeichnen, ſeine Gedichte fanden Beifall und
füllten ſeine Taſche mit einigen hundert Mark,
und das nicht allein, gerade als er ſich nach dem
fernen Erdtheil einſchiffen wollte, wurde er nach
Edinburg eingeladen, woſelbſt ihm ſeine Dich-
tungen warme Freunde erworben, die ihm die
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Mährisches Tagblatt. Nr. 165, Olmütz, 20.07.1896, S. [2]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches165_1896/2>, abgerufen am 03.02.2025.
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