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Mährisches Tagblatt. Nr. 124, Olmütz, 01.06.1894.

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[Spaltenumbruch] passionirter -- Schwammerlsucher. Das ist doch
wenigstens eine praktische Leidenschaft, da der
Czar Pilzlinge und Champignons sehr gern ißt
und sich die gesammelten Schwämme von dem
ihn stets begleitenden Koch zubereiten läßt. Man
erzählt sich, daß der Czar oft ganze Nachmittage
nach Schwämmen sucht und nie so heiter ist,
als wenn er einen großen Korb mit Schwäm-
men seinem Koch übergeben hat. Das ist wenig-
stens wieder ein Motiv für eine neue Oper
"Cza[r] und Schwammerlsucher."

(Das Testament eines Sonderlings.)

In
Wien starb jüngst ein 74jähriger Mann, Namens
Ludwig Sabel, der sein Leben lang ängstlich ge-
spart hatte und ein Vermögen von 40.000 fl.
hinterließ, wovon er 37.000 fl. der Wiener
Findelanstalt vermachte; das übrige Geld bestimmte
Sabel zu kleineren Legaten. Sabel ging immer
in den ärmlichsten Kleidern umher, auf den
Straßen jedes Papier und jeden alten Fetzen
zusammenlesend; zwei Sessel, ein Bett, ein
Kasten und eine halbe Holzkiste, an der drei
Schlösser angebracht waren, deren Schlüssel
er an einer Schnur immer um den Hals
mit sich trug, bildeten die Einrichtung
seiner Wohnung. Seiner Hausfrau, die ihm seit
zehn Jahren Wohnung in ihrem Hause gab,
pflegte er, statt zu zahlen, zu versprechen, er
werde sie in seinem Testamente bedenken; mehr
als hundert Personen hatte er aber das Gleiche
versprochen. Als nach seinem Tode der Notar die
Habseligkeit Sabel's ordnete, wurde in der er-
wähnten Kiste ein zu einem Knäuel zusammen-
gewundenes altes Tuch gefunden, in welchem
Depotscheine, Sparcassabücher, Gold-, Silber-
und Kronenrente im Werthe von 40.000 fl. ent-
halten waren. Der alte Geizhals hatte zwei --
Geliebte, denen er, höchst nobel, 100 fl. ver-
machte.

(Verhaftete Banditen.)

Wie dem "Berl.
Tagebl." aus Rom gemeldet wird, ist in Italien
das große Ereigniß des Tages, die vollzogene
Gefangennahme der berüchtigten sardinischen Ban-
diten Derosas und Nagius. Beide waren seit
Jahren der Schrecken der Provinz Sassari. Sie
hatten zahllose Morde und andere Schandthaten
auf dem Gewissen, ohne je von dem Arm des
Gesetzes erreicht zu werden. Vor vierzehn Tagen
wurden nun beide in einem Gefecht mit Gen-
darmen verwundet und flüchteten sich in eine eine
halbe Stunde von der Stadt Sassari entfernte
kleine Villa, wo sie von der Mutter Derosas
gepflegt und von anderen bewaffneten Briganten
überwacht wurden. Durch Zufall erfuhr die
Gendarmerie ihr Versteck und überrumpelte die
Villa. Bei einem hierbei entstehenden Gefechte
wurde ein Corporal erschossen, Derosas und Na-
gius selbst gefangen genommen, die übrigen
Banditen entkamen. Die beiden Briganten wur-
den im Triumph nach Sassuri geführt, wo eine
ungeheure Menschenmenge sie mit Schmähungen
und Drohungen empfing.

(Fräulein Redacteur.)

Ein italienisches
Blatt weiß Folgendes zu berichten: "Fräulein
Enrichetta Imovilli, die Tochter eines Lehrers
der italienischen Sprache in Boston, ist, obwohl
sie noch nicht zwölf Jahre alt ist, zusammen mit
einer Schulfreundin, Miß Ethel Siloby, Leiterin
und Herausgeberin einer kleinen Zeitung "The
Youth's Bell." Das zierliche Blatt ist mit blauer
Tinte gedruckt und die ersten Nummern waren
mit verschiedenfarbigen Seidenbändern gebunden.
Fräulein Imovilli ist sicherlich die jüngste Jour-
nalistin des Erdkreises, sie spricht vortreff-
lich deutsch, englisch, französisch und italienisch.
Sie schreibt, wie ihre amerikanischen Bio-
graphen melden, mit Verstand und Witz, und
vernachlässigt dabei ihre Schularbeiten nicht --
Beweis dafür: sie zählt zu den besten Schülerin-
nen der Center School zu Boston." -- Also ein
Wunderkind!

(Ein Auflehen erregender Giftmord-
proceß)

wird gegenwärtig in Newyork gegen Dr.
Henry C. F. Meyer und dessen Genossen Arnold
Kirfel-Müller geführt. Um von Lebensversicherungs-
anstalten größere Summen zu erschwindeln, hatte
Meyer mehrere Personen, die sich entweder zu
seinen Gunsten oder zu Gunsten der betheiligten
Frau Meyer versichern ließen, durch Gift besei-
tigt. In den Verhandlungen vom 27. April und
und 2. Mai kam durch die Aussagen des Ange-
klagten Müller zu Tage, in welch' teuflischer
Weise der Giftmischer seine Opfer zu umgarnen
[Spaltenumbruch] wußte, so daß sie sich ihm willig zur Verfügung
stellten. Durch Ueberredungskünste und Verspre-
chungen bewog er in Chicago den Josef Brandt-
Baum, mit ihm nach Newyork zu reisen, wo er
ihm durch Eingabe von unschädlichen Mitteln das
Aussehen eines anscheinend Schwerkranken ver-
leihen werde; man werde den gut Versicherten
anscheinend sterben lassen und im entscheidenden
Moment eine Leiche unterschieben, um den Todten-
schein und darauf von den Versicherungsgesellschaf-
ten die Versicherungssummen zu erlangen. Baum
entschloß sich in der Aussicht, von dem er-
schwindelten Gelde einen Antheil zu erhalten,
die gefährliche Rolle zu spielen und nahm, nach-
dem Meyer ihm feierlich versprochen, daß er ihn
nicht tödten werde, die von diesem gereichten
Arzneien, durch deren Genuß der Unglückliche
gar bald bettlägerig wurde. Der zur Behandlung
des Kranken herbeigerufene Dr. Minden erklärte
die Krankheit als Ruhr und verordnete ver-
schiedene Arzneien, die aber von Meyer dem
Kranken nicht gegeben wurden. Anstatt dessen
erhielt der Kranke Crotonöl und Brechweinstein,
wodurch sein Zustand von Tag zu Tag sich
kr[i]tischer gestaltete, so daß er am 25. März den
Meyer ersuchte, die unterzuschiebende Leiche her-
beizuschaffen. Statt dessen brachte Meyer den
Bethörten mit Antimon und Arsenik vollends
um, und ließ auf Grund des als Todesursache
chronische Ruhr angebenden Todtenscheins von
Frau Meyer, die als Witwe Baums vorgeschoben
war, die Versicherungssumme erheben, die unter
die drei Angeklagten vertheilt wurde. Während
der Verhandlungen erklärte der Zeuge John
Gardner, daß Meyer bereits in Chicago die
Absicht hatte, den gut versicherten Baum durch
Nitroglycerin aus dem Wege zu schaffen. Das
Mittel sei tödtlich und rufe ähnliche Erscheinungen
hervor, als wenn ein Mensch vom Sonnenstich
befallen wäre.

(Winke für Frühlingsdichter.)

Ein
Bostoner Blatt veröffentlicht Winke für Poeten,
die den Frühling besingen wollen. Wir theilen
diese nachstehend mit, da ihre Befolgung nicht
nur in Boston practisch erscheint: Man schreibe
so deutlich wie möglich, aber nur auf eine Seite
des Papiers; man lese das Gedicht schließlich
noch einmal aufmerksam durch und bewundere
es; dann schreibe man selbst unten daneben die
Worte: "Dankend abgelehnt" und -- werfe das
Ganze in's Feuer!




Telegramme
des "Mährischen Tagblattes".

(Vom Correspondenz-Bureau.)

Der internationale,
sehr reichhaltig beschickte Maschinenmarkt,
wurde heute Vormittags eröffnet.

Das Landgericht ver-
urtheilte den Freiherrn v. Thuengen wegen
Beleidigung des Reichskanzlers Grafen von
Caprivi zu 600 Mark, die Redacteure Volk
und Oberwinder zu 150 Mark Geldstrafe. Der
Redacteur der "Neuen Baierischen Landeszeitung",
Memminger, wurde freigesprochen.

Anknüpfend an die Be-
merkungen des Pariser "Matin" über das colo-
nialpolitische Vorgehen Englands gegenüber Deutsch-
land und Frankreich sagt die "Nationalzeitung",
die Engländer beuten augenscheinlich den von
ihnen in Afrika vorausgesetzten Antagonismus
zwischen Deutschland und Frankreich lediglich für
ihre Zwecke aus. In Frankreich scheine aber die
Ueberzeugung aufzudämmern, daß es lediglich
für die englischen Interessen arbeiten heißt,
wenn die Revancheidee auf das coloniale Ver-
hältniß übertragen wird. "Travailler pour la
reine d'Angleterre"
hieße es für die französische
Colonialpolitik, wenn die leitenden Staatsmänner
hypnotisch nach den Vogesen blicken würden,
anstatt die unmittelbaren eigenen Interessen zu
erwägen. Daß Deutschland, wie in Europa, so
auch in den Colonien keinerlei Verstimmung
Frankreich gegenüber zur Schau trägt, dafür
dürfte es gerade in jüngster Zeit am Quai
d'Orsay nicht an untrüglichen Beweisen gefehlt
haben.

Paul Bourget und
Sorel wurden zu Mitgliedern der Academie
gewählt.


[Spaltenumbruch]

In der hiesigen
großen Spinnfabrik der Firma Brüder Perutz
ist heute Mittags um 1/212 Uhr infolge Heiß-
laufens eines Lagers ein Brand zum Ausbruche
gekommen, der bis zur Stunde noch fortdauert.
Die Baumwollvorräthe, sowie das Magazins-
gebäude sind den Flammen zum Opfer gefallen,
dagegen ist Hoffnung vorhanden, das Kessel- und
das Maschinenhaus zu retten.

Die Vorgänge in Sofia.

Die Krise dauert fort.
Grekow wird noch immer als der Chef des
künftigen Cabinets angesehen; indessen ist eine
positive Entscheidung bisher nicht getroffen wor-
den. Die gestrigen Demonstrationen waren
ernsterer Natur, als es nach dem ersten Eindrucke
den Anschein hatte. Der Polizei wird mehrseitig
Parteilichkeit zum Vorwurfe gemacht; man be-
hauptet, daß die Truppen eingreifen mußten, um
willkürliches Vorgehen der Polizei zu hindern.
Seit heute Morgens sind die Häuser der her-
vorragendsten politischen Persönlichkeiten zu deren
persönlichem Schutze militärisch besetzt. Heute
Früh wiederholten sich die Menschenansamm-
lungen, jedoch minder belangreich. Es verlautet,
daß der Polizeipräfect bedroht worden wäre;
indessen ist es unmöglich, dieses, sowie überhaupt
die zahlreichen im Umlaufe befindlichen Gerüchte
auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Die aus dem
Innern des Landes einlaufenden Meldungen be-
zeugen den tiefen Eindruck, welchen dort der Re-
gierungswechsel hervorgerufen hat.

Stoilow und Geschow
gaben Mittags die bestimmte Erklärung ab, dem
Rufe in ein von Grekow zu bildendes Cabi-
net nicht folgen zu können. Man nimmt
daher an, daß Grekow, welcher sich Vormittag
in das Palais begab, die Mission der Cabinets-
bildung zurücklegen werde. Infolge dessen tritt
der Gedanke eines ausschließlich aus den Reihen
der bisherigen Opposition zu bildenden Cabinets
in den Vordergrund.

Die Stadt ist fortdau-
ernd sehr belebt. Der Volksgarten ist militärisch
besetzt, der Verkehr jedoch nicht behindert. Ein
Gerücht will wissen, daß einige Geheimpolizisten
darunter einer, welcher bei den gestrigen Demon-
strationen einen Revolverschuß abgab, verhaftet
worden wären.

Die hiesigen Zei-
tungen verhalten sich gegenüber der Demission
des bulgarischen Ministerpräsidenten Stambulow
reservirt. "Grashdanin" meint, der Umschwung
in Sofia sei eine ausschließlich innere Angelegen-
heit Bulgariens.

Die Erklärung des neuen französischen
Ministeriums.

Die im Parlamente ver-
lesene ministerielle Erklärung appellirt
an die Mitwirkung des Parlaments zur Lösung
der bestehenden Schwierigkeiten und sagt: Die
Regierung werde die öffentliche Ordnung in ent-
schlossener Weise gegen alle Agitationen zu schützen
wissen; sie werde stets die genaue Beobachtung
der republicanischen Gesetze sichern und den demo-
cratischen Arbeiten, welche die gegenwärtige
Legislatur beschäftigen sollen, ihre eifrige Mit-
wirkung angedeihen lassen. Jetzt sei nicht die
Zeit für lange Programme. Die Regierung werde
bestrebt sein die zahlreichen dem Parlamente
vorliegende Gesetzentwürfe, namentlich diejenigen
zu Gunsten der arbeitenden Classe, der Erledi-
gung zuzuführen; den Hauptgegenstand der ge-
setzgeberischen Thätigkeit bilde jedoch das finan-
zielle Problem; die fiscalischen Reformen müssen
votirt werden. Wenn die vorgeschrittene Zeit
Aenderungen der Budget. Anschläge in gewissen
Puncten nöthig machen sollten, so werde die
Regierung hiezu in loyaler Weise die Hand
bieten. Was die auswärtige Politik anbelangt,
fährt die Declaration fort, so werden wir
es uns angelegen sein lassen, jene Continuität
der Anschauungen und Beziehungen zu erhal-
ten, welche es Frankreich gestattet hat, un-
geachtet der Rivalität der politischen Meinun-
gen den seines Namens und seiner Geschichte
würdigen Platz unter den Nationen einzunehmen.
Stark durch Ihre Unterstützung, gleich Ihnen
durchdrungen vom Nationalgefühl, werden wir
bei jedem Anlasse aufmerksame Hüter der In-

[Spaltenumbruch] paſſionirter — Schwammerlſucher. Das iſt doch
wenigſtens eine praktiſche Leidenſchaft, da der
Czar Pilzlinge und Champignons ſehr gern ißt
und ſich die geſammelten Schwämme von dem
ihn ſtets begleitenden Koch zubereiten läßt. Man
erzählt ſich, daß der Czar oft ganze Nachmittage
nach Schwämmen ſucht und nie ſo heiter iſt,
als wenn er einen großen Korb mit Schwäm-
men ſeinem Koch übergeben hat. Das iſt wenig-
ſtens wieder ein Motiv für eine neue Oper
„Cza[r] und Schwammerlſucher.“

(Das Teſtament eines Sonderlings.)

In
Wien ſtarb jüngſt ein 74jähriger Mann, Namens
Ludwig Sabel, der ſein Leben lang ängſtlich ge-
ſpart hatte und ein Vermögen von 40.000 fl.
hinterließ, wovon er 37.000 fl. der Wiener
Findelanſtalt vermachte; das übrige Geld beſtimmte
Sabel zu kleineren Legaten. Sabel ging immer
in den ärmlichſten Kleidern umher, auf den
Straßen jedes Papier und jeden alten Fetzen
zuſammenleſend; zwei Seſſel, ein Bett, ein
Kaſten und eine halbe Holzkiſte, an der drei
Schlöſſer angebracht waren, deren Schlüſſel
er an einer Schnur immer um den Hals
mit ſich trug, bildeten die Einrichtung
ſeiner Wohnung. Seiner Hausfrau, die ihm ſeit
zehn Jahren Wohnung in ihrem Hauſe gab,
pflegte er, ſtatt zu zahlen, zu verſprechen, er
werde ſie in ſeinem Teſtamente bedenken; mehr
als hundert Perſonen hatte er aber das Gleiche
verſprochen. Als nach ſeinem Tode der Notar die
Habſeligkeit Sabel’s ordnete, wurde in der er-
wähnten Kiſte ein zu einem Knäuel zuſammen-
gewundenes altes Tuch gefunden, in welchem
Depotſcheine, Sparcaſſabücher, Gold-, Silber-
und Kronenrente im Werthe von 40.000 fl. ent-
halten waren. Der alte Geizhals hatte zwei —
Geliebte, denen er, höchſt nobel, 100 fl. ver-
machte.

(Verhaftete Banditen.)

Wie dem „Berl.
Tagebl.“ aus Rom gemeldet wird, iſt in Italien
das große Ereigniß des Tages, die vollzogene
Gefangennahme der berüchtigten ſardiniſchen Ban-
diten Deroſas und Nagius. Beide waren ſeit
Jahren der Schrecken der Provinz Saſſari. Sie
hatten zahlloſe Morde und andere Schandthaten
auf dem Gewiſſen, ohne je von dem Arm des
Geſetzes erreicht zu werden. Vor vierzehn Tagen
wurden nun beide in einem Gefecht mit Gen-
darmen verwundet und flüchteten ſich in eine eine
halbe Stunde von der Stadt Saſſari entfernte
kleine Villa, wo ſie von der Mutter Deroſas
gepflegt und von anderen bewaffneten Briganten
überwacht wurden. Durch Zufall erfuhr die
Gendarmerie ihr Verſteck und überrumpelte die
Villa. Bei einem hierbei entſtehenden Gefechte
wurde ein Corporal erſchoſſen, Deroſas und Na-
gius ſelbſt gefangen genommen, die übrigen
Banditen entkamen. Die beiden Briganten wur-
den im Triumph nach Saſſuri geführt, wo eine
ungeheure Menſchenmenge ſie mit Schmähungen
und Drohungen empfing.

(Fräulein Redacteur.)

Ein italieniſches
Blatt weiß Folgendes zu berichten: „Fräulein
Enrichetta Imovilli, die Tochter eines Lehrers
der italieniſchen Sprache in Boſton, iſt, obwohl
ſie noch nicht zwölf Jahre alt iſt, zuſammen mit
einer Schulfreundin, Miß Ethel Siloby, Leiterin
und Herausgeberin einer kleinen Zeitung „The
Youth’s Bell.“ Das zierliche Blatt iſt mit blauer
Tinte gedruckt und die erſten Nummern waren
mit verſchiedenfarbigen Seidenbändern gebunden.
Fräulein Imovilli iſt ſicherlich die jüngſte Jour-
naliſtin des Erdkreiſes, ſie ſpricht vortreff-
lich deutſch, engliſch, franzöſiſch und italieniſch.
Sie ſchreibt, wie ihre amerikaniſchen Bio-
graphen melden, mit Verſtand und Witz, und
vernachläſſigt dabei ihre Schularbeiten nicht —
Beweis dafür: ſie zählt zu den beſten Schülerin-
nen der Center School zu Boſton.“ — Alſo ein
Wunderkind!

(Ein Auflehen erregender Giftmord-
proceß)

wird gegenwärtig in Newyork gegen Dr.
Henry C. F. Meyer und deſſen Genoſſen Arnold
Kirfel-Müller geführt. Um von Lebensverſicherungs-
anſtalten größere Summen zu erſchwindeln, hatte
Meyer mehrere Perſonen, die ſich entweder zu
ſeinen Gunſten oder zu Gunſten der betheiligten
Frau Meyer verſichern ließen, durch Gift beſei-
tigt. In den Verhandlungen vom 27. April und
und 2. Mai kam durch die Ausſagen des Ange-
klagten Müller zu Tage, in welch’ teufliſcher
Weiſe der Giftmiſcher ſeine Opfer zu umgarnen
[Spaltenumbruch] wußte, ſo daß ſie ſich ihm willig zur Verfügung
ſtellten. Durch Ueberredungskünſte und Verſpre-
chungen bewog er in Chicago den Joſef Brandt-
Baum, mit ihm nach Newyork zu reiſen, wo er
ihm durch Eingabe von unſchädlichen Mitteln das
Ausſehen eines anſcheinend Schwerkranken ver-
leihen werde; man werde den gut Verſicherten
anſcheinend ſterben laſſen und im entſcheidenden
Moment eine Leiche unterſchieben, um den Todten-
ſchein und darauf von den Verſicherungsgeſellſchaf-
ten die Verſicherungsſummen zu erlangen. Baum
entſchloß ſich in der Ausſicht, von dem er-
ſchwindelten Gelde einen Antheil zu erhalten,
die gefährliche Rolle zu ſpielen und nahm, nach-
dem Meyer ihm feierlich verſprochen, daß er ihn
nicht tödten werde, die von dieſem gereichten
Arzneien, durch deren Genuß der Unglückliche
gar bald bettlägerig wurde. Der zur Behandlung
des Kranken herbeigerufene Dr. Minden erklärte
die Krankheit als Ruhr und verordnete ver-
ſchiedene Arzneien, die aber von Meyer dem
Kranken nicht gegeben wurden. Anſtatt deſſen
erhielt der Kranke Crotonöl und Brechweinſtein,
wodurch ſein Zuſtand von Tag zu Tag ſich
kr[i]tiſcher geſtaltete, ſo daß er am 25. März den
Meyer erſuchte, die unterzuſchiebende Leiche her-
beizuſchaffen. Statt deſſen brachte Meyer den
Bethörten mit Antimon und Arſenik vollends
um, und ließ auf Grund des als Todesurſache
chroniſche Ruhr angebenden Todtenſcheins von
Frau Meyer, die als Witwe Baums vorgeſchoben
war, die Verſicherungsſumme erheben, die unter
die drei Angeklagten vertheilt wurde. Während
der Verhandlungen erklärte der Zeuge John
Gardner, daß Meyer bereits in Chicago die
Abſicht hatte, den gut verſicherten Baum durch
Nitroglycerin aus dem Wege zu ſchaffen. Das
Mittel ſei tödtlich und rufe ähnliche Erſcheinungen
hervor, als wenn ein Menſch vom Sonnenſtich
befallen wäre.

(Winke für Frühlingsdichter.)

Ein
Boſtoner Blatt veröffentlicht Winke für Poeten,
die den Frühling beſingen wollen. Wir theilen
dieſe nachſtehend mit, da ihre Befolgung nicht
nur in Boſton practiſch erſcheint: Man ſchreibe
ſo deutlich wie möglich, aber nur auf eine Seite
des Papiers; man leſe das Gedicht ſchließlich
noch einmal aufmerkſam durch und bewundere
es; dann ſchreibe man ſelbſt unten daneben die
Worte: „Dankend abgelehnt“ und — werfe das
Ganze in’s Feuer!




Telegramme
des „Mähriſchen Tagblattes“.

(Vom Correſpondenz-Bureau.)

Der internationale,
ſehr reichhaltig beſchickte Maſchinenmarkt,
wurde heute Vormittags eröffnet.

Das Landgericht ver-
urtheilte den Freiherrn v. Thuengen wegen
Beleidigung des Reichskanzlers Grafen von
Caprivi zu 600 Mark, die Redacteure Volk
und Oberwinder zu 150 Mark Geldſtrafe. Der
Redacteur der „Neuen Baieriſchen Landeszeitung“,
Memminger, wurde freigeſprochen.

Anknüpfend an die Be-
merkungen des Pariſer „Matin“ über das colo-
nialpolitiſche Vorgehen Englands gegenüber Deutſch-
land und Frankreich ſagt die „Nationalzeitung“,
die Engländer beuten augenſcheinlich den von
ihnen in Afrika vorausgeſetzten Antagonismus
zwiſchen Deutſchland und Frankreich lediglich für
ihre Zwecke aus. In Frankreich ſcheine aber die
Ueberzeugung aufzudämmern, daß es lediglich
für die engliſchen Intereſſen arbeiten heißt,
wenn die Revancheidee auf das coloniale Ver-
hältniß übertragen wird. „Travailler pour la
reine d’Angleterre“
hieße es für die franzöſiſche
Colonialpolitik, wenn die leitenden Staatsmänner
hypnotiſch nach den Vogeſen blicken würden,
anſtatt die unmittelbaren eigenen Intereſſen zu
erwägen. Daß Deutſchland, wie in Europa, ſo
auch in den Colonien keinerlei Verſtimmung
Frankreich gegenüber zur Schau trägt, dafür
dürfte es gerade in jüngſter Zeit am Quai
d’Orſay nicht an untrüglichen Beweiſen gefehlt
haben.

Paul Bourget und
Sorel wurden zu Mitgliedern der Academie
gewählt.


[Spaltenumbruch]

In der hieſigen
großen Spinnfabrik der Firma Brüder Perutz
iſt heute Mittags um ½12 Uhr infolge Heiß-
laufens eines Lagers ein Brand zum Ausbruche
gekommen, der bis zur Stunde noch fortdauert.
Die Baumwollvorräthe, ſowie das Magazins-
gebäude ſind den Flammen zum Opfer gefallen,
dagegen iſt Hoffnung vorhanden, das Keſſel- und
das Maſchinenhaus zu retten.

Die Vorgänge in Sofia.

Die Kriſe dauert fort.
Grekow wird noch immer als der Chef des
künftigen Cabinets angeſehen; indeſſen iſt eine
poſitive Entſcheidung bisher nicht getroffen wor-
den. Die geſtrigen Demonſtrationen waren
ernſterer Natur, als es nach dem erſten Eindrucke
den Anſchein hatte. Der Polizei wird mehrſeitig
Parteilichkeit zum Vorwurfe gemacht; man be-
hauptet, daß die Truppen eingreifen mußten, um
willkürliches Vorgehen der Polizei zu hindern.
Seit heute Morgens ſind die Häuſer der her-
vorragendſten politiſchen Perſönlichkeiten zu deren
perſönlichem Schutze militäriſch beſetzt. Heute
Früh wiederholten ſich die Menſchenanſamm-
lungen, jedoch minder belangreich. Es verlautet,
daß der Polizeipräfect bedroht worden wäre;
indeſſen iſt es unmöglich, dieſes, ſowie überhaupt
die zahlreichen im Umlaufe befindlichen Gerüchte
auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Die aus dem
Innern des Landes einlaufenden Meldungen be-
zeugen den tiefen Eindruck, welchen dort der Re-
gierungswechſel hervorgerufen hat.

Stoilow und Geſchow
gaben Mittags die beſtimmte Erklärung ab, dem
Rufe in ein von Grekow zu bildendes Cabi-
net nicht folgen zu können. Man nimmt
daher an, daß Grekow, welcher ſich Vormittag
in das Palais begab, die Miſſion der Cabinets-
bildung zurücklegen werde. Infolge deſſen tritt
der Gedanke eines ausſchließlich aus den Reihen
der bisherigen Oppoſition zu bildenden Cabinets
in den Vordergrund.

Die Stadt iſt fortdau-
ernd ſehr belebt. Der Volksgarten iſt militäriſch
beſetzt, der Verkehr jedoch nicht behindert. Ein
Gerücht will wiſſen, daß einige Geheimpoliziſten
darunter einer, welcher bei den geſtrigen Demon-
ſtrationen einen Revolverſchuß abgab, verhaftet
worden wären.

Die hieſigen Zei-
tungen verhalten ſich gegenüber der Demiſſion
des bulgariſchen Miniſterpräſidenten Stambulow
reſervirt. „Grashdanin“ meint, der Umſchwung
in Sofia ſei eine ausſchließlich innere Angelegen-
heit Bulgariens.

Die Erklärung des neuen franzöſiſchen
Miniſteriums.

Die im Parlamente ver-
leſene miniſterielle Erklärung appellirt
an die Mitwirkung des Parlaments zur Löſung
der beſtehenden Schwierigkeiten und ſagt: Die
Regierung werde die öffentliche Ordnung in ent-
ſchloſſener Weiſe gegen alle Agitationen zu ſchützen
wiſſen; ſie werde ſtets die genaue Beobachtung
der republicaniſchen Geſetze ſichern und den demo-
cratiſchen Arbeiten, welche die gegenwärtige
Legislatur beſchäftigen ſollen, ihre eifrige Mit-
wirkung angedeihen laſſen. Jetzt ſei nicht die
Zeit für lange Programme. Die Regierung werde
beſtrebt ſein die zahlreichen dem Parlamente
vorliegende Geſetzentwürfe, namentlich diejenigen
zu Gunſten der arbeitenden Claſſe, der Erledi-
gung zuzuführen; den Hauptgegenſtand der ge-
ſetzgeberiſchen Thätigkeit bilde jedoch das finan-
zielle Problem; die fiscaliſchen Reformen müſſen
votirt werden. Wenn die vorgeſchrittene Zeit
Aenderungen der Budget. Anſchläge in gewiſſen
Puncten nöthig machen ſollten, ſo werde die
Regierung hiezu in loyaler Weiſe die Hand
bieten. Was die auswärtige Politik anbelangt,
fährt die Declaration fort, ſo werden wir
es uns angelegen ſein laſſen, jene Continuität
der Anſchauungen und Beziehungen zu erhal-
ten, welche es Frankreich geſtattet hat, un-
geachtet der Rivalität der politiſchen Meinun-
gen den ſeines Namens und ſeiner Geſchichte
würdigen Platz unter den Nationen einzunehmen.
Stark durch Ihre Unterſtützung, gleich Ihnen
durchdrungen vom Nationalgefühl, werden wir
bei jedem Anlaſſe aufmerkſame Hüter der In-

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[[6]/0006] paſſionirter — Schwammerlſucher. Das iſt doch wenigſtens eine praktiſche Leidenſchaft, da der Czar Pilzlinge und Champignons ſehr gern ißt und ſich die geſammelten Schwämme von dem ihn ſtets begleitenden Koch zubereiten läßt. Man erzählt ſich, daß der Czar oft ganze Nachmittage nach Schwämmen ſucht und nie ſo heiter iſt, als wenn er einen großen Korb mit Schwäm- men ſeinem Koch übergeben hat. Das iſt wenig- ſtens wieder ein Motiv für eine neue Oper „Czar und Schwammerlſucher.“ (Das Teſtament eines Sonderlings.) In Wien ſtarb jüngſt ein 74jähriger Mann, Namens Ludwig Sabel, der ſein Leben lang ängſtlich ge- ſpart hatte und ein Vermögen von 40.000 fl. hinterließ, wovon er 37.000 fl. der Wiener Findelanſtalt vermachte; das übrige Geld beſtimmte Sabel zu kleineren Legaten. Sabel ging immer in den ärmlichſten Kleidern umher, auf den Straßen jedes Papier und jeden alten Fetzen zuſammenleſend; zwei Seſſel, ein Bett, ein Kaſten und eine halbe Holzkiſte, an der drei Schlöſſer angebracht waren, deren Schlüſſel er an einer Schnur immer um den Hals mit ſich trug, bildeten die Einrichtung ſeiner Wohnung. Seiner Hausfrau, die ihm ſeit zehn Jahren Wohnung in ihrem Hauſe gab, pflegte er, ſtatt zu zahlen, zu verſprechen, er werde ſie in ſeinem Teſtamente bedenken; mehr als hundert Perſonen hatte er aber das Gleiche verſprochen. Als nach ſeinem Tode der Notar die Habſeligkeit Sabel’s ordnete, wurde in der er- wähnten Kiſte ein zu einem Knäuel zuſammen- gewundenes altes Tuch gefunden, in welchem Depotſcheine, Sparcaſſabücher, Gold-, Silber- und Kronenrente im Werthe von 40.000 fl. ent- halten waren. Der alte Geizhals hatte zwei — Geliebte, denen er, höchſt nobel, 100 fl. ver- machte. (Verhaftete Banditen.) Wie dem „Berl. Tagebl.“ aus Rom gemeldet wird, iſt in Italien das große Ereigniß des Tages, die vollzogene Gefangennahme der berüchtigten ſardiniſchen Ban- diten Deroſas und Nagius. Beide waren ſeit Jahren der Schrecken der Provinz Saſſari. Sie hatten zahlloſe Morde und andere Schandthaten auf dem Gewiſſen, ohne je von dem Arm des Geſetzes erreicht zu werden. Vor vierzehn Tagen wurden nun beide in einem Gefecht mit Gen- darmen verwundet und flüchteten ſich in eine eine halbe Stunde von der Stadt Saſſari entfernte kleine Villa, wo ſie von der Mutter Deroſas gepflegt und von anderen bewaffneten Briganten überwacht wurden. Durch Zufall erfuhr die Gendarmerie ihr Verſteck und überrumpelte die Villa. Bei einem hierbei entſtehenden Gefechte wurde ein Corporal erſchoſſen, Deroſas und Na- gius ſelbſt gefangen genommen, die übrigen Banditen entkamen. Die beiden Briganten wur- den im Triumph nach Saſſuri geführt, wo eine ungeheure Menſchenmenge ſie mit Schmähungen und Drohungen empfing. (Fräulein Redacteur.) Ein italieniſches Blatt weiß Folgendes zu berichten: „Fräulein Enrichetta Imovilli, die Tochter eines Lehrers der italieniſchen Sprache in Boſton, iſt, obwohl ſie noch nicht zwölf Jahre alt iſt, zuſammen mit einer Schulfreundin, Miß Ethel Siloby, Leiterin und Herausgeberin einer kleinen Zeitung „The Youth’s Bell.“ Das zierliche Blatt iſt mit blauer Tinte gedruckt und die erſten Nummern waren mit verſchiedenfarbigen Seidenbändern gebunden. Fräulein Imovilli iſt ſicherlich die jüngſte Jour- naliſtin des Erdkreiſes, ſie ſpricht vortreff- lich deutſch, engliſch, franzöſiſch und italieniſch. Sie ſchreibt, wie ihre amerikaniſchen Bio- graphen melden, mit Verſtand und Witz, und vernachläſſigt dabei ihre Schularbeiten nicht — Beweis dafür: ſie zählt zu den beſten Schülerin- nen der Center School zu Boſton.“ — Alſo ein Wunderkind! (Ein Auflehen erregender Giftmord- proceß) wird gegenwärtig in Newyork gegen Dr. Henry C. F. Meyer und deſſen Genoſſen Arnold Kirfel-Müller geführt. Um von Lebensverſicherungs- anſtalten größere Summen zu erſchwindeln, hatte Meyer mehrere Perſonen, die ſich entweder zu ſeinen Gunſten oder zu Gunſten der betheiligten Frau Meyer verſichern ließen, durch Gift beſei- tigt. In den Verhandlungen vom 27. April und und 2. Mai kam durch die Ausſagen des Ange- klagten Müller zu Tage, in welch’ teufliſcher Weiſe der Giftmiſcher ſeine Opfer zu umgarnen wußte, ſo daß ſie ſich ihm willig zur Verfügung ſtellten. Durch Ueberredungskünſte und Verſpre- chungen bewog er in Chicago den Joſef Brandt- Baum, mit ihm nach Newyork zu reiſen, wo er ihm durch Eingabe von unſchädlichen Mitteln das Ausſehen eines anſcheinend Schwerkranken ver- leihen werde; man werde den gut Verſicherten anſcheinend ſterben laſſen und im entſcheidenden Moment eine Leiche unterſchieben, um den Todten- ſchein und darauf von den Verſicherungsgeſellſchaf- ten die Verſicherungsſummen zu erlangen. Baum entſchloß ſich in der Ausſicht, von dem er- ſchwindelten Gelde einen Antheil zu erhalten, die gefährliche Rolle zu ſpielen und nahm, nach- dem Meyer ihm feierlich verſprochen, daß er ihn nicht tödten werde, die von dieſem gereichten Arzneien, durch deren Genuß der Unglückliche gar bald bettlägerig wurde. Der zur Behandlung des Kranken herbeigerufene Dr. Minden erklärte die Krankheit als Ruhr und verordnete ver- ſchiedene Arzneien, die aber von Meyer dem Kranken nicht gegeben wurden. Anſtatt deſſen erhielt der Kranke Crotonöl und Brechweinſtein, wodurch ſein Zuſtand von Tag zu Tag ſich kritiſcher geſtaltete, ſo daß er am 25. März den Meyer erſuchte, die unterzuſchiebende Leiche her- beizuſchaffen. Statt deſſen brachte Meyer den Bethörten mit Antimon und Arſenik vollends um, und ließ auf Grund des als Todesurſache chroniſche Ruhr angebenden Todtenſcheins von Frau Meyer, die als Witwe Baums vorgeſchoben war, die Verſicherungsſumme erheben, die unter die drei Angeklagten vertheilt wurde. Während der Verhandlungen erklärte der Zeuge John Gardner, daß Meyer bereits in Chicago die Abſicht hatte, den gut verſicherten Baum durch Nitroglycerin aus dem Wege zu ſchaffen. Das Mittel ſei tödtlich und rufe ähnliche Erſcheinungen hervor, als wenn ein Menſch vom Sonnenſtich befallen wäre. (Winke für Frühlingsdichter.) Ein Boſtoner Blatt veröffentlicht Winke für Poeten, die den Frühling beſingen wollen. Wir theilen dieſe nachſtehend mit, da ihre Befolgung nicht nur in Boſton practiſch erſcheint: Man ſchreibe ſo deutlich wie möglich, aber nur auf eine Seite des Papiers; man leſe das Gedicht ſchließlich noch einmal aufmerkſam durch und bewundere es; dann ſchreibe man ſelbſt unten daneben die Worte: „Dankend abgelehnt“ und — werfe das Ganze in’s Feuer! Telegramme des „Mähriſchen Tagblattes“. (Vom Correſpondenz-Bureau.) Breslan, 31. Mai. Der internationale, ſehr reichhaltig beſchickte Maſchinenmarkt, wurde heute Vormittags eröffnet. Berlin, 31. Mai. Das Landgericht ver- urtheilte den Freiherrn v. Thuengen wegen Beleidigung des Reichskanzlers Grafen von Caprivi zu 600 Mark, die Redacteure Volk und Oberwinder zu 150 Mark Geldſtrafe. Der Redacteur der „Neuen Baieriſchen Landeszeitung“, Memminger, wurde freigeſprochen. Berlin, 31. Mai. Anknüpfend an die Be- merkungen des Pariſer „Matin“ über das colo- nialpolitiſche Vorgehen Englands gegenüber Deutſch- land und Frankreich ſagt die „Nationalzeitung“, die Engländer beuten augenſcheinlich den von ihnen in Afrika vorausgeſetzten Antagonismus zwiſchen Deutſchland und Frankreich lediglich für ihre Zwecke aus. In Frankreich ſcheine aber die Ueberzeugung aufzudämmern, daß es lediglich für die engliſchen Intereſſen arbeiten heißt, wenn die Revancheidee auf das coloniale Ver- hältniß übertragen wird. „Travailler pour la reine d’Angleterre“ hieße es für die franzöſiſche Colonialpolitik, wenn die leitenden Staatsmänner hypnotiſch nach den Vogeſen blicken würden, anſtatt die unmittelbaren eigenen Intereſſen zu erwägen. Daß Deutſchland, wie in Europa, ſo auch in den Colonien keinerlei Verſtimmung Frankreich gegenüber zur Schau trägt, dafür dürfte es gerade in jüngſter Zeit am Quai d’Orſay nicht an untrüglichen Beweiſen gefehlt haben. Paris, 31. Mai. Paul Bourget und Sorel wurden zu Mitgliedern der Academie gewählt. Warnsdorf, 31. Mai. In der hieſigen großen Spinnfabrik der Firma Brüder Perutz iſt heute Mittags um ½12 Uhr infolge Heiß- laufens eines Lagers ein Brand zum Ausbruche gekommen, der bis zur Stunde noch fortdauert. Die Baumwollvorräthe, ſowie das Magazins- gebäude ſind den Flammen zum Opfer gefallen, dagegen iſt Hoffnung vorhanden, das Keſſel- und das Maſchinenhaus zu retten. Die Vorgänge in Sofia. Sofia, 31. Mai. Die Kriſe dauert fort. Grekow wird noch immer als der Chef des künftigen Cabinets angeſehen; indeſſen iſt eine poſitive Entſcheidung bisher nicht getroffen wor- den. Die geſtrigen Demonſtrationen waren ernſterer Natur, als es nach dem erſten Eindrucke den Anſchein hatte. Der Polizei wird mehrſeitig Parteilichkeit zum Vorwurfe gemacht; man be- hauptet, daß die Truppen eingreifen mußten, um willkürliches Vorgehen der Polizei zu hindern. Seit heute Morgens ſind die Häuſer der her- vorragendſten politiſchen Perſönlichkeiten zu deren perſönlichem Schutze militäriſch beſetzt. Heute Früh wiederholten ſich die Menſchenanſamm- lungen, jedoch minder belangreich. Es verlautet, daß der Polizeipräfect bedroht worden wäre; indeſſen iſt es unmöglich, dieſes, ſowie überhaupt die zahlreichen im Umlaufe befindlichen Gerüchte auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Die aus dem Innern des Landes einlaufenden Meldungen be- zeugen den tiefen Eindruck, welchen dort der Re- gierungswechſel hervorgerufen hat. Sofia, 31. Mai. Stoilow und Geſchow gaben Mittags die beſtimmte Erklärung ab, dem Rufe in ein von Grekow zu bildendes Cabi- net nicht folgen zu können. Man nimmt daher an, daß Grekow, welcher ſich Vormittag in das Palais begab, die Miſſion der Cabinets- bildung zurücklegen werde. Infolge deſſen tritt der Gedanke eines ausſchließlich aus den Reihen der bisherigen Oppoſition zu bildenden Cabinets in den Vordergrund. Sofia, 31. Mai. Die Stadt iſt fortdau- ernd ſehr belebt. Der Volksgarten iſt militäriſch beſetzt, der Verkehr jedoch nicht behindert. Ein Gerücht will wiſſen, daß einige Geheimpoliziſten darunter einer, welcher bei den geſtrigen Demon- ſtrationen einen Revolverſchuß abgab, verhaftet worden wären. Petersburg, 31. Mai. Die hieſigen Zei- tungen verhalten ſich gegenüber der Demiſſion des bulgariſchen Miniſterpräſidenten Stambulow reſervirt. „Grashdanin“ meint, der Umſchwung in Sofia ſei eine ausſchließlich innere Angelegen- heit Bulgariens. Die Erklärung des neuen franzöſiſchen Miniſteriums. Paris, 31. Mai. Die im Parlamente ver- leſene miniſterielle Erklärung appellirt an die Mitwirkung des Parlaments zur Löſung der beſtehenden Schwierigkeiten und ſagt: Die Regierung werde die öffentliche Ordnung in ent- ſchloſſener Weiſe gegen alle Agitationen zu ſchützen wiſſen; ſie werde ſtets die genaue Beobachtung der republicaniſchen Geſetze ſichern und den demo- cratiſchen Arbeiten, welche die gegenwärtige Legislatur beſchäftigen ſollen, ihre eifrige Mit- wirkung angedeihen laſſen. Jetzt ſei nicht die Zeit für lange Programme. Die Regierung werde beſtrebt ſein die zahlreichen dem Parlamente vorliegende Geſetzentwürfe, namentlich diejenigen zu Gunſten der arbeitenden Claſſe, der Erledi- gung zuzuführen; den Hauptgegenſtand der ge- ſetzgeberiſchen Thätigkeit bilde jedoch das finan- zielle Problem; die fiscaliſchen Reformen müſſen votirt werden. Wenn die vorgeſchrittene Zeit Aenderungen der Budget. Anſchläge in gewiſſen Puncten nöthig machen ſollten, ſo werde die Regierung hiezu in loyaler Weiſe die Hand bieten. Was die auswärtige Politik anbelangt, fährt die Declaration fort, ſo werden wir es uns angelegen ſein laſſen, jene Continuität der Anſchauungen und Beziehungen zu erhal- ten, welche es Frankreich geſtattet hat, un- geachtet der Rivalität der politiſchen Meinun- gen den ſeines Namens und ſeiner Geſchichte würdigen Platz unter den Nationen einzunehmen. Stark durch Ihre Unterſtützung, gleich Ihnen durchdrungen vom Nationalgefühl, werden wir bei jedem Anlaſſe aufmerkſame Hüter der In-

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 124, Olmütz, 01.06.1894, S. [6]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches124_1894/6>, abgerufen am 21.11.2024.