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Mährisches Tagblatt. Nr. 122, Olmütz, 28.05.1895.

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[Spaltenumbruch]

netenhause in dritter Lesung angenommen sein
werde. In der vorletzten Sitzung des Herren-
hauses wurde die Steuercommission ausdrücklich
zu dem Zwecke gewählt, um bereits gegenwärtig
im Wege des Subcomites den Gegenstand vorzu-
berathen. Der Vorgang sei daher ganz correct
und gebe keinen Anlaß zu einem Vorwurf gegen
das Herrenhaus. (Beifall.)

Abg. Dr. Kronawetter: Es ist eine
gesetzwidrige Behandlung der Vorlagen, die wir
im Auge zu behalten haben.

Abg. Dr. Menger bekämpft zunächst die
Behauptung, daß die Steuerentlastung der hö-
heren Beamten eine stärkere sei als die der
unteren. Er erinnert daran, daß nach der ur-
sprünglichen, von dem früheren Finanzminister
eingebrachten Regierungs-Vorlage die Beamten
an Besoldungs- und Personal-Einkommensteuer
so viel zu zahlen gehabt hätten, als die frühere
Einkommensteuer ausmachte, welche eine ver-
gleichsweise starke Belastung, insbesondere der
unteren Beamten darstellte. Es sei ein Verdienst
des gegenwärtigen Herrn Finanzministers, daß
der Ausschuß davon abging und zu dem Be-
schlusse gelangte, daß die unteren und mittleren
Beamten nur die Personal-Einkommensteuer
und bloß die höheren Beamten mit mehr als
3000 fl. Bezügen noch eine Besoldungssteuer zu
zahlen haben, welche aber im Vereine mit der
Personal-Einkommenstener geringer ist als die
gegenwärtige Besteuerung. Wenn der Abg. Dr.
Ritter v. Kraus die Behauptung aufstellte, daß
die Entlastung der unteren Beamten keine so
bedeutende sei wie die der höheren, so liegen
dieser Ansicht mehrfache Irrthümer zu Grunde.
Zunächst sei die diesbezügliche Berechnung mehr
auf Grund der für Wien bestimmten -- das
heißt der allerhöchsten Activitäts-Zulagen
-- aufgestellt worden, während sich bei Be-
rücksichtigung auch der drei Categorien der
Activitäts-Zulagen der 11. bis 5. Rangs-
classe ein sehr erheblicher percentueller Nachlaß
gegenüber der gegenwärtigen Besteuerung ergebe.
Es sei weiter die Erklärung nicht berücksichtigt
worden, welche die Regierung sowohl im Steuer-
Ausschusse als auch im Abgeordnetenhause ab-
gegeben hat, daß die Functions-Zulagen der vier
obersten Rangsclassen -- mit Ausnahme eines
mäßigen Betrages, welcher von diesen Beamten
im Interesse des Dienstes ausgegeben wird --
gleichfalls der Besteuerung durch die Personal-
Einkommensteuer unterzogen werden, wonach für
die vier obersten Rangsclassen die Steuer unge-
fähr in derselben Höhe verbleibt wie bisher. Es
sei schließlich nicht berücksichtigt worden, daß die
Besoldungssteuer eine Ertragssteuer sei, von der
Abzüge nicht wie bei der Personal-Einkommensteuer
zulässig seien, bei welcher der Beamte Schuld-
[Spaltenumbruch] zinsen, Versicherungs-Prämien u. s. f. in Abzug
bringen könne. Dazu komme die Ermäßigung
des Steuersatzes bis zur dritten Stufe, wenn die
Steuerpflicht nicht mehr als 3000 fl. ausmacht
und der Steuerträger durch Erziehung der Kinder,
den Unterhalt mittelloser Verwandter u. dgl. eine
außerordentliche Belastung erfahre. Durch diese
Umstände werde die Reduction der Steuer, die
schon durch das Gesetz in vielen Fällen um 30 bis
40 pCt. erfolge, noch bedeutend vergrößert werden.
Daß für einzelne Posten in einzelnen Orten diese
Reduction eine kleinere sein werde, sei bei einem
Gesetze nicht zu vermeiden. Im Allgemeinen aber
seien für die unteren und mittleren Beamten in
dem Gesetze weitergehende Nachlässe festgesetzt als
in Bezug auf irgend welche andere Steuerträger.
Bei der Höhe der directen Steuern für den
Landwirth und den Gewerbetreibenden würde es
als eine Unbilligkeit erscheinen, die Besoldungs-
steuer gänzlich zu streichen, das heißt auch bei
Bezügen über 3200 fl. von der Steuer abzusehen.
Gegen den Abg. Auspitz bemerkt Redner, daß es
keine Unehre für den Staat sei, wenn die höchsten
Functionäre keine überaus hohen, aber immerhin
genügende Gehalte haben. Ein Minister solle
einen Gehalt beziehen, welcher den Verhältnissen
entspricht. Den Gedanken, daß neben der Ein-
kommensteuer nur eine Vermögenssteuer existiren
sollte, findet Redner gerecht. Er habe selbst dies-
bezüglich einen ganzen Plan ausgearbeitet, habe
aber mit demselben im Ausschusse eine Majorität
nicht erhalten können. Die Bedenken gegen die Ein-
hebung der Besoldungssteuer durch den Dienst-
geber theilt Redner vollständig. Er bemerkt
schließlich, daß es als ganz selbstverständlich er-
scheinen müsse, daß bei einer Debatte über eine
große Steuerreform sich größere Schwierigkeiten
ergeben, als bei der Verhandlung über noch so
umfangreiche anderweitige Gesetzes-Vorlagen, wo
der Kampf in der Regel nur um einige wenige
Hauptgrundsätze geführt werde, während bei einer
Steuerreform die Interessen-Gegensätze außerordent-
lich zahlreich seien. Wenn man aber mit einem An-
trage in der Minorität bleibe und darum gegen
das Gesetz stimmen wolle, so müsse sich die Ma-
jorität von Paragraph zu Paragraph vermin-
dern, und dann sei eine Steuerreform gar nicht
durchzubringen. Wenn die Mitglieder des Hauses
nicht so viel Selbstverläugnung haben, um eine
Verbesserung unserer Steuergesetzgebung überhaupt
zu ermöglichen, auf einige Wünsche zu verzichten,
so werde eine Steuerreform niemals möglich sein.
Mit dem Scheitern dieses Gesetzes bleiben unsere
directen Steuern mit allen ihren unsäglichen
Mängeln fortbestehen und eine Verbesserung dieser
unhaltbaren Zustände werde auf Decennien aus-
sichtslos sein. In ein Gesetz, welches vor hundert
Jahren geschaffen wurde, werden unsere heutigen
[Spaltenumbruch] socialen Verhältnisse hineingezwängt, und ein
großer Theil der Unzufriedenheit sei darauf zu-
rückzuführen. Ein Volksvertreter dürfe sich durch
einzelne Beschlüsse, welche ihm nicht zu entspre-
chen scheinen, nicht abschrecken lassen und die
ganze Reform werfen wollen. Man müsse sich
bemühen, jetzt eine Reform, und wäre es auch
nur eine mäßige durchzuführen und den großen
Fortschritt, welcher in der progressiven Personal-
Einkommensteuer liege, zu ermöglichen, um eine
Grundlage für weitere Reformen zu gewinnen.
Jede Partei, welche dies ermögliche, werde den
Steuerträgern, dem Staate und dem Volke einen
werthvollen Dienst leisten (Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Kaizl erklärt den Vorgang, daß
schon gegenwärtig sich eine Commission des
Herrenhauses mit der Steuerreform beschäftige,
als einen illegalen. (Beifall bei den Jungtschechen.)
Von gleicher Oualität seien die übrigen Mittel,
durch welche man die Steuerreforn fördern wolle.

Redner polemisirt gegen die Ausführungen
des Abg. Auspitz in Betreff der Ministergehalte
und tadelt die Art, wie der Berichterstatter und
die Majorität die Anträge der Opposition be-
handeln; es dränge dies die Opposition zur
Obstruction. Redner bekämpft die Bestimmungen
des § 234 und der folgenden Paragraphe, wo-
nach die Besoldungs- und die Rentensteuer der
Angestellten vom Dienstgeber abzuziehen sind, und
beantragt, die §§ 234 bis 237 zu streichen.

Abg. Pastor beantragt Schluß der Debatte.
(Ironischer Beifall bei den Jungtschechen.)

Der Antrag wird angenommen.

Abg. Dr. Vasaty beginnt seine Ausfüh-
rungen in böhmischer Sprache. In deutscher
Sprache fortfahrend, stellt Redner nach ausführ-
licher Begründung eine Reihe von Abänderungs-
Anträgen zu den in Verhandlung stehenden Para-
graphen. Zunächst beantragt er eine vom Ausschuß-
Antrage abweichende Scala für die Besoldungssteuer,
und zwar von 3200 fl. bis 4000 fl. 0·8 Perc.,
von 4000 bis 4500 fl. 1·2 Perc., von 4500 bis
5000 fl. 1·6 Perc., von 5000 bis 6000 fl. 2 Perc.,
von 6000 bis 7000 fl. 3 Perc., von 7000 bis
8000 fl. 4 Perc., von 8000 bis 10.000 fl. 5 Perc.
Er vermißt eine Bestimmung rücksichtlich der Be-
soldungssteuer für sogenannte Honorare der Ver-
waltungsräthe. (Referent Abg. Dr. Beer: Das
sind doch keine Beamten und keine Gehalte.) Sie
beziehen oft bis 60.000 fl. im Jahre und sind
keiner Besoldungssteuer und vielleicht nicht ein-
mal einer Personal-Einkommensteuer unterworfen.

Berichterstatter Dr. Beer spricht sich in
seinem Schlußworte für die Annahme des vom
Abg. Auspitz gestellten Zusatzantrages und gegen
die Annahme aller übrigen Anträge aus.

Bei der Abstimmung werden die §§ 233
bis 237 mit dem Amendement des Abg. Auspitz




[Spaltenumbruch]

Geheimen mit Bismarck in Verbindung ge-
treten sei und ihm zugesichert habe, daß das
italienische Volk für ein Bündniß mit Frankreich
zum Nachtheile Preußens nicht zu haben sei. Man
weiß, daß im Gegensatz dazu, die leitenden
Kreise
Italiens damals einem solchen
Bündnisse keineswegs abgeneigt waren. Italiens
Einigung war es, die Crispi in erster Linie
am Herzen lag, und so waren er und
seine Freunde es, die während des deutsch-
französischen Krieges das Ministerium Lanza
zwangen, die Hand auf Rom zu legen. Andern-
falls drohten Barrikaden aus der Erde zu
wachsen.

Die späteren Schicksale aus dem Lebensgange
Francesco Crispis sind bekannter. Im December
1877 wurde er -- nachdem er 1866 ein gleiches
Angebot La Marmora's abgelehnt, Minister des
Innern; im April 1878 bereits gab das ge-
sammte Ministerium seine Entlassung. Erst 1887
kehrte er, diesmal als Ministerpräsident, zur
Regierung zurück und behauptete sich bis zum
Februar 1891: das "große Ministerium", wie
seine Freunde in ehrlicher Bewunderung, seine
Feinde spöttisch zu sagen pflegten. Nachdem dann
Rudini und Giolitti abgewirthschaftet hatten und
das Cabinet Zanardelli eine Todtgeburt geworden,
wurde -- im December 1893 -- dem 74 jährigen
Crispi abermals das Steuer des Staats in die
Hand gedrückt. In der schweren Zeit fand man
keinen anderen Retter, und es scheint, als ob er
der rechte Mann gewesen sei. Noch ist kein Jahr
verflossen, und schon haben er und seine Mit-
arbeiter in die heillos zerrütteten Finanzen einiger-
[Spaltenumbruch] maßen Ordnung gebracht. In Sicilien läuteten
die Sturmglocken des Aufruhrs, -- er hat Ruhe
geschaffen, freilich nur durch Anwendung der
Gewalt, und nun ist es an ihm, seinem Heimat-
lande durch heilsame Reformen auch innerlich den
Frieden wiederzugeben. Der Banken-Scandal
vergiftete die Gemüther, -- er ließ der Gerechtig-
keit freien Lauf. Auch ihn hatte man mit dem
"Panamino" in Verbindung gebracht, um ihm
einen Makel anzuhängen. In dem verhängniß-
vollen Bericht des Siebener-Ausschusses fand sich
die Mittheilung, daß sich bei der "Banca nazio-
nale" ein Wechsel Crispi's auf 244.000 Lire
lautend gefunden habe. Crispi wies die Entstehung
dieser Schuld aus Verlusten, die ihm seine
"Riforma" gebracht, nach. In dem Rechtfertigungs-
schreiben heißt es stolz und wehmüthig zugleich:
"Es gereicht mir zur Ehre, wenn ich in den
vier Jahren, während derer die Regierung in
meinen Händen lag, meine Privatinteressen ver-
nachlässigte, sodaß ich in einem Alter von 72 Jahren,
um mein Leben zu fristen, zur Ausübung meines
Berufes (als Rechtsanwalt) zurückkehren mußte."
Zu dieser ungünstigen Vermögenslage hat nicht
wenig ein ungerathener Sohn beigetragen.

In seiner Jugend soll der kaum mittelgroße
Crispi ein "schöner Mann" gewesen sein, dem
bei allem brennenden Ehrgeiz, der ihm durch
sein ganzes Leben treu geblieben ist, eine weiche
Melancholie etwas besonders Anziehendes gab;
heute kennt ihn alle Welt als den "rüstigen Alten"
mit dem starken, herabhängenden Schnurrbart in
dem regelmäßigen Gesicht. Als Journalist hat er
Beachtenswerthes geleistet; als Politiker hat er
[Spaltenumbruch] seinen Weg gemacht. Dabei besitzt er keine her-
vorragende Rednergabe, seine Stimme hat nur
wenig Klang. "Seine Beredtsamkeit gleicht dem
Märzregen: einmal ist es ein mächtiges Her-
niederrauschen, dann folgt eine Pause, dann ein
sanftes Geriesel, wieder eine Pause, dazwischen
ab und zu ein fernes Donnern und gelegentlich
einmal ein Blitz." Für sein Gebahren im Pa*lament
haben die Spötter unter seinen Feinden ein besonderes
Wort erfunden: "bismarckeggiare". Kein Zweifel,
daß der eiserne Kanzler, bei dem er sehr zum
Aerger der Französlinge unter seinen Lands-
leuten 1887 und 1888 in Friedrichsruh zu Gaste
gewesen ist, ihm in manchen Dingen als Vorbild
gedient hat. Wie jener, wird er gelegentlich ein-
mal grob und drohend gegen seine Widersacher, nur
etwas zu oft; und wie jenem, lauschen Freunde
und Feinde seinen Worten in tiefer Stille,
wenn nicht etwa der Krakehler Imbriani ein
polterndes Wort dazwischen wirft. Bei solchen
Zwischenrufen wird Crispi wohl nervös heftig
und dann kann es geschehen, daß er, vom Thema
abspringend, und den Unterbrecher plötzlich dutzend,
erwidert: "Wo hast Du denn 1860 gesteckt, als
ich für das Vaterland die Brust den Kugeln
bot, wo 1866?!" Aber es fehlt dem italienischen
Staatsmanne die schlagende präcise Ausdrucks-
weise Bismarcks; es fehlen ihm in der Rede
sein Geist und Humor, an dessen Stelle höch-
stens einmal die Ironie tritt. Ein besonders ge-
wandter, parlamentarischer Tactiker ist er nicht;
in der Regel versucht er die Volksvertreter durch
die elementare Gewalt seines festen Willens zu
zwingen, wie denn sein Benehmen manchmal


[Spaltenumbruch]

netenhauſe in dritter Leſung angenommen ſein
werde. In der vorletzten Sitzung des Herren-
hauſes wurde die Steuercommiſſion ausdrücklich
zu dem Zwecke gewählt, um bereits gegenwärtig
im Wege des Subcomités den Gegenſtand vorzu-
berathen. Der Vorgang ſei daher ganz correct
und gebe keinen Anlaß zu einem Vorwurf gegen
das Herrenhaus. (Beifall.)

Abg. Dr. Kronawetter: Es iſt eine
geſetzwidrige Behandlung der Vorlagen, die wir
im Auge zu behalten haben.

Abg. Dr. Menger bekämpft zunächſt die
Behauptung, daß die Steuerentlaſtung der hö-
heren Beamten eine ſtärkere ſei als die der
unteren. Er erinnert daran, daß nach der ur-
ſprünglichen, von dem früheren Finanzminiſter
eingebrachten Regierungs-Vorlage die Beamten
an Beſoldungs- und Perſonal-Einkommenſteuer
ſo viel zu zahlen gehabt hätten, als die frühere
Einkommenſteuer ausmachte, welche eine ver-
gleichsweiſe ſtarke Belaſtung, insbeſondere der
unteren Beamten darſtellte. Es ſei ein Verdienſt
des gegenwärtigen Herrn Finanzminiſters, daß
der Ausſchuß davon abging und zu dem Be-
ſchluſſe gelangte, daß die unteren und mittleren
Beamten nur die Perſonal-Einkommenſteuer
und bloß die höheren Beamten mit mehr als
3000 fl. Bezügen noch eine Beſoldungsſteuer zu
zahlen haben, welche aber im Vereine mit der
Perſonal-Einkommenſtener geringer iſt als die
gegenwärtige Beſteuerung. Wenn der Abg. Dr.
Ritter v. Kraus die Behauptung aufſtellte, daß
die Entlaſtung der unteren Beamten keine ſo
bedeutende ſei wie die der höheren, ſo liegen
dieſer Anſicht mehrfache Irrthümer zu Grunde.
Zunächſt ſei die diesbezügliche Berechnung mehr
auf Grund der für Wien beſtimmten — das
heißt der allerhöchſten Activitäts-Zulagen
— aufgeſtellt worden, während ſich bei Be-
rückſichtigung auch der drei Categorien der
Activitäts-Zulagen der 11. bis 5. Rangs-
claſſe ein ſehr erheblicher percentueller Nachlaß
gegenüber der gegenwärtigen Beſteuerung ergebe.
Es ſei weiter die Erklärung nicht berückſichtigt
worden, welche die Regierung ſowohl im Steuer-
Ausſchuſſe als auch im Abgeordnetenhauſe ab-
gegeben hat, daß die Functions-Zulagen der vier
oberſten Rangsclaſſen — mit Ausnahme eines
mäßigen Betrages, welcher von dieſen Beamten
im Intereſſe des Dienſtes ausgegeben wird —
gleichfalls der Beſteuerung durch die Perſonal-
Einkommenſteuer unterzogen werden, wonach für
die vier oberſten Rangsclaſſen die Steuer unge-
fähr in derſelben Höhe verbleibt wie bisher. Es
ſei ſchließlich nicht berückſichtigt worden, daß die
Beſoldungsſteuer eine Ertragsſteuer ſei, von der
Abzüge nicht wie bei der Perſonal-Einkommenſteuer
zuläſſig ſeien, bei welcher der Beamte Schuld-
[Spaltenumbruch] zinſen, Verſicherungs-Prämien u. ſ. f. in Abzug
bringen könne. Dazu komme die Ermäßigung
des Steuerſatzes bis zur dritten Stufe, wenn die
Steuerpflicht nicht mehr als 3000 fl. ausmacht
und der Steuerträger durch Erziehung der Kinder,
den Unterhalt mittelloſer Verwandter u. dgl. eine
außerordentliche Belaſtung erfahre. Durch dieſe
Umſtände werde die Reduction der Steuer, die
ſchon durch das Geſetz in vielen Fällen um 30 bis
40 pCt. erfolge, noch bedeutend vergrößert werden.
Daß für einzelne Poſten in einzelnen Orten dieſe
Reduction eine kleinere ſein werde, ſei bei einem
Geſetze nicht zu vermeiden. Im Allgemeinen aber
ſeien für die unteren und mittleren Beamten in
dem Geſetze weitergehende Nachläſſe feſtgeſetzt als
in Bezug auf irgend welche andere Steuerträger.
Bei der Höhe der directen Steuern für den
Landwirth und den Gewerbetreibenden würde es
als eine Unbilligkeit erſcheinen, die Beſoldungs-
ſteuer gänzlich zu ſtreichen, das heißt auch bei
Bezügen über 3200 fl. von der Steuer abzuſehen.
Gegen den Abg. Auſpitz bemerkt Redner, daß es
keine Unehre für den Staat ſei, wenn die höchſten
Functionäre keine überaus hohen, aber immerhin
genügende Gehalte haben. Ein Miniſter ſolle
einen Gehalt beziehen, welcher den Verhältniſſen
entſpricht. Den Gedanken, daß neben der Ein-
kommenſteuer nur eine Vermögensſteuer exiſtiren
ſollte, findet Redner gerecht. Er habe ſelbſt dies-
bezüglich einen ganzen Plan ausgearbeitet, habe
aber mit demſelben im Ausſchuſſe eine Majorität
nicht erhalten können. Die Bedenken gegen die Ein-
hebung der Beſoldungsſteuer durch den Dienſt-
geber theilt Redner vollſtändig. Er bemerkt
ſchließlich, daß es als ganz ſelbſtverſtändlich er-
ſcheinen müſſe, daß bei einer Debatte über eine
große Steuerreform ſich größere Schwierigkeiten
ergeben, als bei der Verhandlung über noch ſo
umfangreiche anderweitige Geſetzes-Vorlagen, wo
der Kampf in der Regel nur um einige wenige
Hauptgrundſätze geführt werde, während bei einer
Steuerreform die Intereſſen-Gegenſätze außerordent-
lich zahlreich ſeien. Wenn man aber mit einem An-
trage in der Minorität bleibe und darum gegen
das Geſetz ſtimmen wolle, ſo müſſe ſich die Ma-
jorität von Paragraph zu Paragraph vermin-
dern, und dann ſei eine Steuerreform gar nicht
durchzubringen. Wenn die Mitglieder des Hauſes
nicht ſo viel Selbſtverläugnung haben, um eine
Verbeſſerung unſerer Steuergeſetzgebung überhaupt
zu ermöglichen, auf einige Wünſche zu verzichten,
ſo werde eine Steuerreform niemals möglich ſein.
Mit dem Scheitern dieſes Geſetzes bleiben unſere
directen Steuern mit allen ihren unſäglichen
Mängeln fortbeſtehen und eine Verbeſſerung dieſer
unhaltbaren Zuſtände werde auf Decennien aus-
ſichtslos ſein. In ein Geſetz, welches vor hundert
Jahren geſchaffen wurde, werden unſere heutigen
[Spaltenumbruch] ſocialen Verhältniſſe hineingezwängt, und ein
großer Theil der Unzufriedenheit ſei darauf zu-
rückzuführen. Ein Volksvertreter dürfe ſich durch
einzelne Beſchlüſſe, welche ihm nicht zu entſpre-
chen ſcheinen, nicht abſchrecken laſſen und die
ganze Reform werfen wollen. Man müſſe ſich
bemühen, jetzt eine Reform, und wäre es auch
nur eine mäßige durchzuführen und den großen
Fortſchritt, welcher in der progreſſiven Perſonal-
Einkommenſteuer liege, zu ermöglichen, um eine
Grundlage für weitere Reformen zu gewinnen.
Jede Partei, welche dies ermögliche, werde den
Steuerträgern, dem Staate und dem Volke einen
werthvollen Dienſt leiſten (Lebhafter Beifall.)

Abg. Dr. Kaizl erklärt den Vorgang, daß
ſchon gegenwärtig ſich eine Commiſſion des
Herrenhauſes mit der Steuerreform beſchäftige,
als einen illegalen. (Beifall bei den Jungtſchechen.)
Von gleicher Oualität ſeien die übrigen Mittel,
durch welche man die Steuerreforn fördern wolle.

Redner polemiſirt gegen die Ausführungen
des Abg. Auſpitz in Betreff der Miniſtergehalte
und tadelt die Art, wie der Berichterſtatter und
die Majorität die Anträge der Oppoſition be-
handeln; es dränge dies die Oppoſition zur
Obſtruction. Redner bekämpft die Beſtimmungen
des § 234 und der folgenden Paragraphe, wo-
nach die Beſoldungs- und die Rentenſteuer der
Angeſtellten vom Dienſtgeber abzuziehen ſind, und
beantragt, die §§ 234 bis 237 zu ſtreichen.

Abg. Paſtor beantragt Schluß der Debatte.
(Ironiſcher Beifall bei den Jungtſchechen.)

Der Antrag wird angenommen.

Abg. Dr. Vašatý beginnt ſeine Ausfüh-
rungen in böhmiſcher Sprache. In deutſcher
Sprache fortfahrend, ſtellt Redner nach ausführ-
licher Begründung eine Reihe von Abänderungs-
Anträgen zu den in Verhandlung ſtehenden Para-
graphen. Zunächſt beantragt er eine vom Ausſchuß-
Antrage abweichende Scala für die Beſoldungsſteuer,
und zwar von 3200 fl. bis 4000 fl. 0·8 Perc.,
von 4000 bis 4500 fl. 1·2 Perc., von 4500 bis
5000 fl. 1·6 Perc., von 5000 bis 6000 fl. 2 Perc.,
von 6000 bis 7000 fl. 3 Perc., von 7000 bis
8000 fl. 4 Perc., von 8000 bis 10.000 fl. 5 Perc.
Er vermißt eine Beſtimmung rückſichtlich der Be-
ſoldungsſteuer für ſogenannte Honorare der Ver-
waltungsräthe. (Referent Abg. Dr. Beer: Das
ſind doch keine Beamten und keine Gehalte.) Sie
beziehen oft bis 60.000 fl. im Jahre und ſind
keiner Beſoldungsſteuer und vielleicht nicht ein-
mal einer Perſonal-Einkommenſteuer unterworfen.

Berichterſtatter Dr. Beer ſpricht ſich in
ſeinem Schlußworte für die Annahme des vom
Abg. Auſpitz geſtellten Zuſatzantrages und gegen
die Annahme aller übrigen Anträge aus.

Bei der Abſtimmung werden die §§ 233
bis 237 mit dem Amendement des Abg. Auſpitz




[Spaltenumbruch]

Geheimen mit Bismarck in Verbindung ge-
treten ſei und ihm zugeſichert habe, daß das
italieniſche Volk für ein Bündniß mit Frankreich
zum Nachtheile Preußens nicht zu haben ſei. Man
weiß, daß im Gegenſatz dazu, die leitenden
Kreiſe
Italiens damals einem ſolchen
Bündniſſe keineswegs abgeneigt waren. Italiens
Einigung war es, die Crispi in erſter Linie
am Herzen lag, und ſo waren er und
ſeine Freunde es, die während des deutſch-
franzöſiſchen Krieges das Miniſterium Lanza
zwangen, die Hand auf Rom zu legen. Andern-
falls drohten Barrikaden aus der Erde zu
wachſen.

Die ſpäteren Schickſale aus dem Lebensgange
Francesco Crispis ſind bekannter. Im December
1877 wurde er — nachdem er 1866 ein gleiches
Angebot La Marmora’s abgelehnt, Miniſter des
Innern; im April 1878 bereits gab das ge-
ſammte Miniſterium ſeine Entlaſſung. Erſt 1887
kehrte er, diesmal als Miniſterpräſident, zur
Regierung zurück und behauptete ſich bis zum
Februar 1891: das „große Miniſterium“, wie
ſeine Freunde in ehrlicher Bewunderung, ſeine
Feinde ſpöttiſch zu ſagen pflegten. Nachdem dann
Rudini und Giolitti abgewirthſchaftet hatten und
das Cabinet Zanardelli eine Todtgeburt geworden,
wurde — im December 1893 — dem 74 jährigen
Crispi abermals das Steuer des Staats in die
Hand gedrückt. In der ſchweren Zeit fand man
keinen anderen Retter, und es ſcheint, als ob er
der rechte Mann geweſen ſei. Noch iſt kein Jahr
verfloſſen, und ſchon haben er und ſeine Mit-
arbeiter in die heillos zerrütteten Finanzen einiger-
[Spaltenumbruch] maßen Ordnung gebracht. In Sicilien läuteten
die Sturmglocken des Aufruhrs, — er hat Ruhe
geſchaffen, freilich nur durch Anwendung der
Gewalt, und nun iſt es an ihm, ſeinem Heimat-
lande durch heilſame Reformen auch innerlich den
Frieden wiederzugeben. Der Banken-Scandal
vergiftete die Gemüther, — er ließ der Gerechtig-
keit freien Lauf. Auch ihn hatte man mit dem
„Panamino“ in Verbindung gebracht, um ihm
einen Makel anzuhängen. In dem verhängniß-
vollen Bericht des Siebener-Ausſchuſſes fand ſich
die Mittheilung, daß ſich bei der „Banca nazio-
nale“ ein Wechſel Crispi’s auf 244.000 Lire
lautend gefunden habe. Crispi wies die Entſtehung
dieſer Schuld aus Verluſten, die ihm ſeine
„Riforma“ gebracht, nach. In dem Rechtfertigungs-
ſchreiben heißt es ſtolz und wehmüthig zugleich:
„Es gereicht mir zur Ehre, wenn ich in den
vier Jahren, während derer die Regierung in
meinen Händen lag, meine Privatintereſſen ver-
nachläſſigte, ſodaß ich in einem Alter von 72 Jahren,
um mein Leben zu friſten, zur Ausübung meines
Berufes (als Rechtsanwalt) zurückkehren mußte.“
Zu dieſer ungünſtigen Vermögenslage hat nicht
wenig ein ungerathener Sohn beigetragen.

In ſeiner Jugend ſoll der kaum mittelgroße
Crispi ein „ſchöner Mann“ geweſen ſein, dem
bei allem brennenden Ehrgeiz, der ihm durch
ſein ganzes Leben treu geblieben iſt, eine weiche
Melancholie etwas beſonders Anziehendes gab;
heute kennt ihn alle Welt als den „rüſtigen Alten“
mit dem ſtarken, herabhängenden Schnurrbart in
dem regelmäßigen Geſicht. Als Journaliſt hat er
Beachtenswerthes geleiſtet; als Politiker hat er
[Spaltenumbruch] ſeinen Weg gemacht. Dabei beſitzt er keine her-
vorragende Rednergabe, ſeine Stimme hat nur
wenig Klang. „Seine Beredtſamkeit gleicht dem
Märzregen: einmal iſt es ein mächtiges Her-
niederrauſchen, dann folgt eine Pauſe, dann ein
ſanftes Gerieſel, wieder eine Pauſe, dazwiſchen
ab und zu ein fernes Donnern und gelegentlich
einmal ein Blitz.“ Für ſein Gebahren im Pa*lament
haben die Spötter unter ſeinen Feinden ein beſonderes
Wort erfunden: „bismarckeggiare“. Kein Zweifel,
daß der eiſerne Kanzler, bei dem er ſehr zum
Aerger der Französlinge unter ſeinen Lands-
leuten 1887 und 1888 in Friedrichsruh zu Gaſte
geweſen iſt, ihm in manchen Dingen als Vorbild
gedient hat. Wie jener, wird er gelegentlich ein-
mal grob und drohend gegen ſeine Widerſacher, nur
etwas zu oft; und wie jenem, lauſchen Freunde
und Feinde ſeinen Worten in tiefer Stille,
wenn nicht etwa der Krakehler Imbriani ein
polterndes Wort dazwiſchen wirft. Bei ſolchen
Zwiſchenrufen wird Crispi wohl nervös heftig
und dann kann es geſchehen, daß er, vom Thema
abſpringend, und den Unterbrecher plötzlich dutzend,
erwidert: „Wo haſt Du denn 1860 geſteckt, als
ich für das Vaterland die Bruſt den Kugeln
bot, wo 1866?!“ Aber es fehlt dem italieniſchen
Staatsmanne die ſchlagende präciſe Ausdrucks-
weiſe Bismarcks; es fehlen ihm in der Rede
ſein Geiſt und Humor, an deſſen Stelle höch-
ſtens einmal die Ironie tritt. Ein beſonders ge-
wandter, parlamentariſcher Tactiker iſt er nicht;
in der Regel verſucht er die Volksvertreter durch
die elementare Gewalt ſeines feſten Willens zu
zwingen, wie denn ſein Benehmen manchmal


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[[3]/0003] netenhauſe in dritter Leſung angenommen ſein werde. In der vorletzten Sitzung des Herren- hauſes wurde die Steuercommiſſion ausdrücklich zu dem Zwecke gewählt, um bereits gegenwärtig im Wege des Subcomités den Gegenſtand vorzu- berathen. Der Vorgang ſei daher ganz correct und gebe keinen Anlaß zu einem Vorwurf gegen das Herrenhaus. (Beifall.) Abg. Dr. Kronawetter: Es iſt eine geſetzwidrige Behandlung der Vorlagen, die wir im Auge zu behalten haben. Abg. Dr. Menger bekämpft zunächſt die Behauptung, daß die Steuerentlaſtung der hö- heren Beamten eine ſtärkere ſei als die der unteren. Er erinnert daran, daß nach der ur- ſprünglichen, von dem früheren Finanzminiſter eingebrachten Regierungs-Vorlage die Beamten an Beſoldungs- und Perſonal-Einkommenſteuer ſo viel zu zahlen gehabt hätten, als die frühere Einkommenſteuer ausmachte, welche eine ver- gleichsweiſe ſtarke Belaſtung, insbeſondere der unteren Beamten darſtellte. Es ſei ein Verdienſt des gegenwärtigen Herrn Finanzminiſters, daß der Ausſchuß davon abging und zu dem Be- ſchluſſe gelangte, daß die unteren und mittleren Beamten nur die Perſonal-Einkommenſteuer und bloß die höheren Beamten mit mehr als 3000 fl. Bezügen noch eine Beſoldungsſteuer zu zahlen haben, welche aber im Vereine mit der Perſonal-Einkommenſtener geringer iſt als die gegenwärtige Beſteuerung. Wenn der Abg. Dr. Ritter v. Kraus die Behauptung aufſtellte, daß die Entlaſtung der unteren Beamten keine ſo bedeutende ſei wie die der höheren, ſo liegen dieſer Anſicht mehrfache Irrthümer zu Grunde. Zunächſt ſei die diesbezügliche Berechnung mehr auf Grund der für Wien beſtimmten — das heißt der allerhöchſten Activitäts-Zulagen — aufgeſtellt worden, während ſich bei Be- rückſichtigung auch der drei Categorien der Activitäts-Zulagen der 11. bis 5. Rangs- claſſe ein ſehr erheblicher percentueller Nachlaß gegenüber der gegenwärtigen Beſteuerung ergebe. Es ſei weiter die Erklärung nicht berückſichtigt worden, welche die Regierung ſowohl im Steuer- Ausſchuſſe als auch im Abgeordnetenhauſe ab- gegeben hat, daß die Functions-Zulagen der vier oberſten Rangsclaſſen — mit Ausnahme eines mäßigen Betrages, welcher von dieſen Beamten im Intereſſe des Dienſtes ausgegeben wird — gleichfalls der Beſteuerung durch die Perſonal- Einkommenſteuer unterzogen werden, wonach für die vier oberſten Rangsclaſſen die Steuer unge- fähr in derſelben Höhe verbleibt wie bisher. Es ſei ſchließlich nicht berückſichtigt worden, daß die Beſoldungsſteuer eine Ertragsſteuer ſei, von der Abzüge nicht wie bei der Perſonal-Einkommenſteuer zuläſſig ſeien, bei welcher der Beamte Schuld- zinſen, Verſicherungs-Prämien u. ſ. f. in Abzug bringen könne. Dazu komme die Ermäßigung des Steuerſatzes bis zur dritten Stufe, wenn die Steuerpflicht nicht mehr als 3000 fl. ausmacht und der Steuerträger durch Erziehung der Kinder, den Unterhalt mittelloſer Verwandter u. dgl. eine außerordentliche Belaſtung erfahre. Durch dieſe Umſtände werde die Reduction der Steuer, die ſchon durch das Geſetz in vielen Fällen um 30 bis 40 pCt. erfolge, noch bedeutend vergrößert werden. Daß für einzelne Poſten in einzelnen Orten dieſe Reduction eine kleinere ſein werde, ſei bei einem Geſetze nicht zu vermeiden. Im Allgemeinen aber ſeien für die unteren und mittleren Beamten in dem Geſetze weitergehende Nachläſſe feſtgeſetzt als in Bezug auf irgend welche andere Steuerträger. Bei der Höhe der directen Steuern für den Landwirth und den Gewerbetreibenden würde es als eine Unbilligkeit erſcheinen, die Beſoldungs- ſteuer gänzlich zu ſtreichen, das heißt auch bei Bezügen über 3200 fl. von der Steuer abzuſehen. Gegen den Abg. Auſpitz bemerkt Redner, daß es keine Unehre für den Staat ſei, wenn die höchſten Functionäre keine überaus hohen, aber immerhin genügende Gehalte haben. Ein Miniſter ſolle einen Gehalt beziehen, welcher den Verhältniſſen entſpricht. Den Gedanken, daß neben der Ein- kommenſteuer nur eine Vermögensſteuer exiſtiren ſollte, findet Redner gerecht. Er habe ſelbſt dies- bezüglich einen ganzen Plan ausgearbeitet, habe aber mit demſelben im Ausſchuſſe eine Majorität nicht erhalten können. Die Bedenken gegen die Ein- hebung der Beſoldungsſteuer durch den Dienſt- geber theilt Redner vollſtändig. Er bemerkt ſchließlich, daß es als ganz ſelbſtverſtändlich er- ſcheinen müſſe, daß bei einer Debatte über eine große Steuerreform ſich größere Schwierigkeiten ergeben, als bei der Verhandlung über noch ſo umfangreiche anderweitige Geſetzes-Vorlagen, wo der Kampf in der Regel nur um einige wenige Hauptgrundſätze geführt werde, während bei einer Steuerreform die Intereſſen-Gegenſätze außerordent- lich zahlreich ſeien. Wenn man aber mit einem An- trage in der Minorität bleibe und darum gegen das Geſetz ſtimmen wolle, ſo müſſe ſich die Ma- jorität von Paragraph zu Paragraph vermin- dern, und dann ſei eine Steuerreform gar nicht durchzubringen. Wenn die Mitglieder des Hauſes nicht ſo viel Selbſtverläugnung haben, um eine Verbeſſerung unſerer Steuergeſetzgebung überhaupt zu ermöglichen, auf einige Wünſche zu verzichten, ſo werde eine Steuerreform niemals möglich ſein. Mit dem Scheitern dieſes Geſetzes bleiben unſere directen Steuern mit allen ihren unſäglichen Mängeln fortbeſtehen und eine Verbeſſerung dieſer unhaltbaren Zuſtände werde auf Decennien aus- ſichtslos ſein. In ein Geſetz, welches vor hundert Jahren geſchaffen wurde, werden unſere heutigen ſocialen Verhältniſſe hineingezwängt, und ein großer Theil der Unzufriedenheit ſei darauf zu- rückzuführen. Ein Volksvertreter dürfe ſich durch einzelne Beſchlüſſe, welche ihm nicht zu entſpre- chen ſcheinen, nicht abſchrecken laſſen und die ganze Reform werfen wollen. Man müſſe ſich bemühen, jetzt eine Reform, und wäre es auch nur eine mäßige durchzuführen und den großen Fortſchritt, welcher in der progreſſiven Perſonal- Einkommenſteuer liege, zu ermöglichen, um eine Grundlage für weitere Reformen zu gewinnen. Jede Partei, welche dies ermögliche, werde den Steuerträgern, dem Staate und dem Volke einen werthvollen Dienſt leiſten (Lebhafter Beifall.) Abg. Dr. Kaizl erklärt den Vorgang, daß ſchon gegenwärtig ſich eine Commiſſion des Herrenhauſes mit der Steuerreform beſchäftige, als einen illegalen. (Beifall bei den Jungtſchechen.) Von gleicher Oualität ſeien die übrigen Mittel, durch welche man die Steuerreforn fördern wolle. Redner polemiſirt gegen die Ausführungen des Abg. Auſpitz in Betreff der Miniſtergehalte und tadelt die Art, wie der Berichterſtatter und die Majorität die Anträge der Oppoſition be- handeln; es dränge dies die Oppoſition zur Obſtruction. Redner bekämpft die Beſtimmungen des § 234 und der folgenden Paragraphe, wo- nach die Beſoldungs- und die Rentenſteuer der Angeſtellten vom Dienſtgeber abzuziehen ſind, und beantragt, die §§ 234 bis 237 zu ſtreichen. Abg. Paſtor beantragt Schluß der Debatte. (Ironiſcher Beifall bei den Jungtſchechen.) Der Antrag wird angenommen. Abg. Dr. Vašatý beginnt ſeine Ausfüh- rungen in böhmiſcher Sprache. In deutſcher Sprache fortfahrend, ſtellt Redner nach ausführ- licher Begründung eine Reihe von Abänderungs- Anträgen zu den in Verhandlung ſtehenden Para- graphen. Zunächſt beantragt er eine vom Ausſchuß- Antrage abweichende Scala für die Beſoldungsſteuer, und zwar von 3200 fl. bis 4000 fl. 0·8 Perc., von 4000 bis 4500 fl. 1·2 Perc., von 4500 bis 5000 fl. 1·6 Perc., von 5000 bis 6000 fl. 2 Perc., von 6000 bis 7000 fl. 3 Perc., von 7000 bis 8000 fl. 4 Perc., von 8000 bis 10.000 fl. 5 Perc. Er vermißt eine Beſtimmung rückſichtlich der Be- ſoldungsſteuer für ſogenannte Honorare der Ver- waltungsräthe. (Referent Abg. Dr. Beer: Das ſind doch keine Beamten und keine Gehalte.) Sie beziehen oft bis 60.000 fl. im Jahre und ſind keiner Beſoldungsſteuer und vielleicht nicht ein- mal einer Perſonal-Einkommenſteuer unterworfen. Berichterſtatter Dr. Beer ſpricht ſich in ſeinem Schlußworte für die Annahme des vom Abg. Auſpitz geſtellten Zuſatzantrages und gegen die Annahme aller übrigen Anträge aus. Bei der Abſtimmung werden die §§ 233 bis 237 mit dem Amendement des Abg. Auſpitz Geheimen mit Bismarck in Verbindung ge- treten ſei und ihm zugeſichert habe, daß das italieniſche Volk für ein Bündniß mit Frankreich zum Nachtheile Preußens nicht zu haben ſei. Man weiß, daß im Gegenſatz dazu, die leitenden Kreiſe Italiens damals einem ſolchen Bündniſſe keineswegs abgeneigt waren. Italiens Einigung war es, die Crispi in erſter Linie am Herzen lag, und ſo waren er und ſeine Freunde es, die während des deutſch- franzöſiſchen Krieges das Miniſterium Lanza zwangen, die Hand auf Rom zu legen. Andern- falls drohten Barrikaden aus der Erde zu wachſen. Die ſpäteren Schickſale aus dem Lebensgange Francesco Crispis ſind bekannter. Im December 1877 wurde er — nachdem er 1866 ein gleiches Angebot La Marmora’s abgelehnt, Miniſter des Innern; im April 1878 bereits gab das ge- ſammte Miniſterium ſeine Entlaſſung. Erſt 1887 kehrte er, diesmal als Miniſterpräſident, zur Regierung zurück und behauptete ſich bis zum Februar 1891: das „große Miniſterium“, wie ſeine Freunde in ehrlicher Bewunderung, ſeine Feinde ſpöttiſch zu ſagen pflegten. Nachdem dann Rudini und Giolitti abgewirthſchaftet hatten und das Cabinet Zanardelli eine Todtgeburt geworden, wurde — im December 1893 — dem 74 jährigen Crispi abermals das Steuer des Staats in die Hand gedrückt. In der ſchweren Zeit fand man keinen anderen Retter, und es ſcheint, als ob er der rechte Mann geweſen ſei. Noch iſt kein Jahr verfloſſen, und ſchon haben er und ſeine Mit- arbeiter in die heillos zerrütteten Finanzen einiger- maßen Ordnung gebracht. In Sicilien läuteten die Sturmglocken des Aufruhrs, — er hat Ruhe geſchaffen, freilich nur durch Anwendung der Gewalt, und nun iſt es an ihm, ſeinem Heimat- lande durch heilſame Reformen auch innerlich den Frieden wiederzugeben. Der Banken-Scandal vergiftete die Gemüther, — er ließ der Gerechtig- keit freien Lauf. Auch ihn hatte man mit dem „Panamino“ in Verbindung gebracht, um ihm einen Makel anzuhängen. In dem verhängniß- vollen Bericht des Siebener-Ausſchuſſes fand ſich die Mittheilung, daß ſich bei der „Banca nazio- nale“ ein Wechſel Crispi’s auf 244.000 Lire lautend gefunden habe. Crispi wies die Entſtehung dieſer Schuld aus Verluſten, die ihm ſeine „Riforma“ gebracht, nach. In dem Rechtfertigungs- ſchreiben heißt es ſtolz und wehmüthig zugleich: „Es gereicht mir zur Ehre, wenn ich in den vier Jahren, während derer die Regierung in meinen Händen lag, meine Privatintereſſen ver- nachläſſigte, ſodaß ich in einem Alter von 72 Jahren, um mein Leben zu friſten, zur Ausübung meines Berufes (als Rechtsanwalt) zurückkehren mußte.“ Zu dieſer ungünſtigen Vermögenslage hat nicht wenig ein ungerathener Sohn beigetragen. In ſeiner Jugend ſoll der kaum mittelgroße Crispi ein „ſchöner Mann“ geweſen ſein, dem bei allem brennenden Ehrgeiz, der ihm durch ſein ganzes Leben treu geblieben iſt, eine weiche Melancholie etwas beſonders Anziehendes gab; heute kennt ihn alle Welt als den „rüſtigen Alten“ mit dem ſtarken, herabhängenden Schnurrbart in dem regelmäßigen Geſicht. Als Journaliſt hat er Beachtenswerthes geleiſtet; als Politiker hat er ſeinen Weg gemacht. Dabei beſitzt er keine her- vorragende Rednergabe, ſeine Stimme hat nur wenig Klang. „Seine Beredtſamkeit gleicht dem Märzregen: einmal iſt es ein mächtiges Her- niederrauſchen, dann folgt eine Pauſe, dann ein ſanftes Gerieſel, wieder eine Pauſe, dazwiſchen ab und zu ein fernes Donnern und gelegentlich einmal ein Blitz.“ Für ſein Gebahren im Pa*lament haben die Spötter unter ſeinen Feinden ein beſonderes Wort erfunden: „bismarckeggiare“. Kein Zweifel, daß der eiſerne Kanzler, bei dem er ſehr zum Aerger der Französlinge unter ſeinen Lands- leuten 1887 und 1888 in Friedrichsruh zu Gaſte geweſen iſt, ihm in manchen Dingen als Vorbild gedient hat. Wie jener, wird er gelegentlich ein- mal grob und drohend gegen ſeine Widerſacher, nur etwas zu oft; und wie jenem, lauſchen Freunde und Feinde ſeinen Worten in tiefer Stille, wenn nicht etwa der Krakehler Imbriani ein polterndes Wort dazwiſchen wirft. Bei ſolchen Zwiſchenrufen wird Crispi wohl nervös heftig und dann kann es geſchehen, daß er, vom Thema abſpringend, und den Unterbrecher plötzlich dutzend, erwidert: „Wo haſt Du denn 1860 geſteckt, als ich für das Vaterland die Bruſt den Kugeln bot, wo 1866?!“ Aber es fehlt dem italieniſchen Staatsmanne die ſchlagende präciſe Ausdrucks- weiſe Bismarcks; es fehlen ihm in der Rede ſein Geiſt und Humor, an deſſen Stelle höch- ſtens einmal die Ironie tritt. Ein beſonders ge- wandter, parlamentariſcher Tactiker iſt er nicht; in der Regel verſucht er die Volksvertreter durch die elementare Gewalt ſeines feſten Willens zu zwingen, wie denn ſein Benehmen manchmal

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Zitationshilfe: Mährisches Tagblatt. Nr. 122, Olmütz, 28.05.1895, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_maehrisches122_1895/3>, abgerufen am 24.11.2024.