[N. N.]: Fortgesetzte und erweiterte Beschreibung des entsetzlichen Erdbebens. [s. l.], 1756.sen, der Gefahr, verschlungen zu werden, zu entgehen. Da in verschiedenen Häu- Zu eben der Zeit, da die Stadt von dem Erdbeben starck erschüttert worden, ſen, der Gefahr, verſchlungen zu werden, zu entgehen. Da in verſchiedenen Haͤu- Zu eben der Zeit, da die Stadt von dem Erdbeben ſtarck erſchuͤttert worden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0003"/> ſen, der Gefahr, verſchlungen zu werden, zu entgehen. Da in verſchiedenen Haͤu-<lb/> ſern die Treppen zuerſt eingefallen, haben die in den Zimmern befindliche Leuthe,<lb/> nicht heraus kommen koͤnnen. Man hat ſie mit dem groͤſtem Geſchrey um Huͤlffe<lb/> ruffen hoͤren, die man ihnen aber nicht leiſten koͤnnen, weil in dieſem abſcheulichen<lb/> Augenblicke jedermann nur auf ſeine eigene Erhaltung bedacht ſeyn muͤſſen. Die-<lb/> ſer allgemeinen und erſchrecklichen Unruhe ohngeachtet, haben ſich gleichwohl Leu-<lb/> the gefunden, die ſoviel Mitleiden gehabt, an einige von ſolchen Haͤuſern Leitern<lb/> zu bringen, und dadurch denen, die darinn verſperret geweſen, den Ausgang zu<lb/> verſchaffen. Die Meynungen uͤber die Anzahl der Todten, ſind verſchiedentlich;<lb/> allein nach einer reiffen Unterſuchung halte ich mich dießfalls an das, was ich, wie<lb/> ich mich beſinne, ihnen ſchon in meinem erſten Briefe gemeldet habe. Ohne<lb/> die Sache zu vergroͤſſern, kan man ſie auf 100000. ſetzen. Unter dieſer Zahl ſind<lb/> 6000. Moͤnche oder weltliche Prieſter begriffen, die unter den Ruinen der Kirchen<lb/> begraben worden, und es ſind nur diejenigen davon gekommen, die in ſolchen Au-<lb/> genblicke dem Gottesdienſte nicht beygewohnet.</p><lb/> <p>Zu eben der Zeit, da die Stadt von dem Erdbeben ſtarck erſchuͤttert worden,<lb/> fiel das Waſſer des Tago mercklich. Die Tauen, welche die Schiffe am Ancker<lb/> hielten, ſchienen loßgelaſſen. Doch die Sorge, die dieſer Zufall den Steuer-Leu-<lb/> then machte, war von keiner langen Dauer: Die Waſſer kamen den Augenblick<lb/> hernach demſelben wieder gleich, und wuchſen gar dermaſſen an, daß veranſtaltet<lb/> werden muſte, den Tauen eine groͤſſere Laͤnge zu geben, als ſie vor den Erd-Er-<lb/> ſchuͤtterungen gehabt hatten. Bis dahin zeigte die Erhebung der Waſſer keine Ge-<lb/> fahr, allein, eine Stunde nach den letzten Stoͤſſen, ſahe man aus dem Orcan ei-<lb/> ne ſo erſtaunliche Fluth heran kommen, die uͤber 6. Fuß hoͤher war, als wenn ſie<lb/> ſonſt am ſtaͤrckſten iſt. Solche Fluth hat den Tago aus ſeinen Ufern gebracht,<lb/> und den niedern, und von Kauffleuthen bewohnten Theil der Stadt Liſſabon uͤber-<lb/><hi rendition="#fr #smaller">ſchwemmet. Dieſe ausgetretene Waſſer haben alles was in den Magacinen, und abſonderlich in de-<lb/> nen vor dem Zolle befindlich war, verdorben. Die meiſten Tauen, welche die Schiffe hielten, haben<lb/> die nicht wohl befeſtigten Ancker zerbrochen, oder mit ſich fort geriſſen. Ohne dieſen gluͤcklichen Zufall<lb/> wuͤrde alles, was in den Hafen war, geſuncken ſeyn, dahingegen allſo nur etliche Barcken von wenig<lb/> Erheblichkeit untergegangen ſind. Dieſe Ueberſchwemmung hat nicht nur das Dorff Setuval zu Grun-<lb/> de gerichtet, ſondern es haben auch die Gewaͤſſer bey ihrem Ablauff, die Ruinen der Haͤuſer mit ſich<lb/> fortgefuͤhret, und iſt keine Spur davon mehr uͤbrig. Das Terrain, worauf dieſes Dorff gebauet ge-<lb/> weſen, iſt auch ſo leer, als ob niemahls Menſchen allda gewohnet haͤtten. Statt der Haͤuſer, die<lb/> man vor dem Erdbeben daſelbſt geſehen hatte, erblicket man anietzo nichts als Sand. Die Waſſer des<lb/> Tago ſind nicht die eintzigen die aus ihren Ufern getreten ſind. Die Guadiana, der Mucho und der<lb/> Douro, haben gleichfalls in verſchiedenen Theilen des Koͤnigreichs Ueberſchwemmungen verurſachet.<lb/> Es iſt an dem, daß dieſe mit Gewalt aufgeſchwollene Gewaͤſſer bald wieder gefallen ſind; ſie haben<lb/> aber viel Unheil angerichtet, alle Graͤber, alle niederige Laͤndereyen gefuͤllet, und aus Portugall ein<lb/> ſumpfigtes Erdreich gemacht, deſſen verſchiedene Theile durch Lachen, uͤber die man nicht kommen kan,<lb/> getrennet ſind. Die Gebuͤrge, als wie Strella, Arabida, Marvon und Manttunio ſind ſtarck erſchuͤt-<lb/> tert worden. Einige ſind ſo gar zerborſten, und man hat ungeheure Felſenſtuͤcke von ihren Spitzen bis<lb/> in die Ebene mit Krachen herunter waltzen ſehen. Es iſt keine Stadt, Dorff noch Flecken in Portu-<lb/></hi></p> </div> </body> </text> </TEI> [0003]
ſen, der Gefahr, verſchlungen zu werden, zu entgehen. Da in verſchiedenen Haͤu-
ſern die Treppen zuerſt eingefallen, haben die in den Zimmern befindliche Leuthe,
nicht heraus kommen koͤnnen. Man hat ſie mit dem groͤſtem Geſchrey um Huͤlffe
ruffen hoͤren, die man ihnen aber nicht leiſten koͤnnen, weil in dieſem abſcheulichen
Augenblicke jedermann nur auf ſeine eigene Erhaltung bedacht ſeyn muͤſſen. Die-
ſer allgemeinen und erſchrecklichen Unruhe ohngeachtet, haben ſich gleichwohl Leu-
the gefunden, die ſoviel Mitleiden gehabt, an einige von ſolchen Haͤuſern Leitern
zu bringen, und dadurch denen, die darinn verſperret geweſen, den Ausgang zu
verſchaffen. Die Meynungen uͤber die Anzahl der Todten, ſind verſchiedentlich;
allein nach einer reiffen Unterſuchung halte ich mich dießfalls an das, was ich, wie
ich mich beſinne, ihnen ſchon in meinem erſten Briefe gemeldet habe. Ohne
die Sache zu vergroͤſſern, kan man ſie auf 100000. ſetzen. Unter dieſer Zahl ſind
6000. Moͤnche oder weltliche Prieſter begriffen, die unter den Ruinen der Kirchen
begraben worden, und es ſind nur diejenigen davon gekommen, die in ſolchen Au-
genblicke dem Gottesdienſte nicht beygewohnet.
Zu eben der Zeit, da die Stadt von dem Erdbeben ſtarck erſchuͤttert worden,
fiel das Waſſer des Tago mercklich. Die Tauen, welche die Schiffe am Ancker
hielten, ſchienen loßgelaſſen. Doch die Sorge, die dieſer Zufall den Steuer-Leu-
then machte, war von keiner langen Dauer: Die Waſſer kamen den Augenblick
hernach demſelben wieder gleich, und wuchſen gar dermaſſen an, daß veranſtaltet
werden muſte, den Tauen eine groͤſſere Laͤnge zu geben, als ſie vor den Erd-Er-
ſchuͤtterungen gehabt hatten. Bis dahin zeigte die Erhebung der Waſſer keine Ge-
fahr, allein, eine Stunde nach den letzten Stoͤſſen, ſahe man aus dem Orcan ei-
ne ſo erſtaunliche Fluth heran kommen, die uͤber 6. Fuß hoͤher war, als wenn ſie
ſonſt am ſtaͤrckſten iſt. Solche Fluth hat den Tago aus ſeinen Ufern gebracht,
und den niedern, und von Kauffleuthen bewohnten Theil der Stadt Liſſabon uͤber-
ſchwemmet. Dieſe ausgetretene Waſſer haben alles was in den Magacinen, und abſonderlich in de-
nen vor dem Zolle befindlich war, verdorben. Die meiſten Tauen, welche die Schiffe hielten, haben
die nicht wohl befeſtigten Ancker zerbrochen, oder mit ſich fort geriſſen. Ohne dieſen gluͤcklichen Zufall
wuͤrde alles, was in den Hafen war, geſuncken ſeyn, dahingegen allſo nur etliche Barcken von wenig
Erheblichkeit untergegangen ſind. Dieſe Ueberſchwemmung hat nicht nur das Dorff Setuval zu Grun-
de gerichtet, ſondern es haben auch die Gewaͤſſer bey ihrem Ablauff, die Ruinen der Haͤuſer mit ſich
fortgefuͤhret, und iſt keine Spur davon mehr uͤbrig. Das Terrain, worauf dieſes Dorff gebauet ge-
weſen, iſt auch ſo leer, als ob niemahls Menſchen allda gewohnet haͤtten. Statt der Haͤuſer, die
man vor dem Erdbeben daſelbſt geſehen hatte, erblicket man anietzo nichts als Sand. Die Waſſer des
Tago ſind nicht die eintzigen die aus ihren Ufern getreten ſind. Die Guadiana, der Mucho und der
Douro, haben gleichfalls in verſchiedenen Theilen des Koͤnigreichs Ueberſchwemmungen verurſachet.
Es iſt an dem, daß dieſe mit Gewalt aufgeſchwollene Gewaͤſſer bald wieder gefallen ſind; ſie haben
aber viel Unheil angerichtet, alle Graͤber, alle niederige Laͤndereyen gefuͤllet, und aus Portugall ein
ſumpfigtes Erdreich gemacht, deſſen verſchiedene Theile durch Lachen, uͤber die man nicht kommen kan,
getrennet ſind. Die Gebuͤrge, als wie Strella, Arabida, Marvon und Manttunio ſind ſtarck erſchuͤt-
tert worden. Einige ſind ſo gar zerborſten, und man hat ungeheure Felſenſtuͤcke von ihren Spitzen bis
in die Ebene mit Krachen herunter waltzen ſehen. Es iſt keine Stadt, Dorff noch Flecken in Portu-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |