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Das Heller-Blatt. Nr. 38. Breslau, 20. September 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] zur Gruft [gel]eitet. Selbst die Frohnleichnams=Pro-
zession wird in Pera öffentlich und im Angesichte einer
Menge von Bekennern aller Religionen und Sekten
ohne die geringste Störung abgehalten. Eine türkische
Sicherheits=Wache eröffnet, begleitet und schließt den
Zug. Es giebt hier sehr viele Weltgeistliche und Or-
densbrüder. Die Dominikaner, die Kapuziner, die
Missionaire haben schöne, bequeme und sehr reiche Klö-
ster. Man weiß kein Beispiel, daß Einer dieser Mönche
eine Beschimpfung erlitten hätte, obgleich sie in ihrer
Ordenskleidung durch die Straßen gehen. Jm Gegen-
theil, man beweist ihnen große Ehrfurcht. Die Kirchen
sind zahlreich und sehr schön gebaut.

Wenige Nationen haben wohl die Kleidung zum
Gegenstand so vieler Gesetze gemacht, als die Türken.
Vormals waren für jedes Gewerbe, jeden Kultus, je-
des Privilegium besondere äußere Abzeichen bestimmt.
Von den Schuhen bis zur Mütze, vom Hemde bis zum
Mantel war alles spezifizirt und vorgezeichnet. Der
Nisam=Agassi wachte über die strenge Beobachtung die-
ser Gesetze. Dieser Beamte ritt in Begleitung seiner
Schergen durch die Straßen und bestrafte die Uebertreter
anf der Stelle. Die zu großen oder prächtigen Schleier
wurden in Stücke zerrissen; die zu langen Röcke mit
ungeheueren Scheeren, die den Häschern am Gürtel
hingen, unbarmherzig beschnitten u. s. w. Jetzt giebt
es zwar noch einen Nisam=Agassi, allein er kümmert
sich eben so wenig um Maaße und Gewichte, als um
Kleidertrachten. Selbst die allgemeinsten Abzeichen der
verschiedenen Nationen verschwinden immer mehr, seit-
dem die kleine gezipfelte Mütze ( Feß ) , französische Stie-
feln und europäische Kaputröcke gäng und gebe werden.
Die Türken trugen außer dem besondern Zuschnitt der
Kleidung, einen weißen Turban und gelbe Papuschen;
die Armenier einen unterhalb runden und oberhalb
flachen Kalpak und rothe Papuschen; die Griechen einen
ganz runden Kalpak, oben mit einer Oeffnung, aus
der ein Stückchen rothes Futter hervorsah, und schwarze
Papuschen; die Juden ein sehr kleines Barett, mit
einem Dünntuch um die Schläfe befestigt und blaue
Papuschen u. s. w.

Obgleich die Sklaverei noch jetzt im türkischen
Reiche besteht, so ist sie doch von weit milderer Art,
als man gewöhnlich angenommen hat. Die Sklaven
der Türken ( Jessir ) waren entweder Kriegsgefangene
oder von solchen Nationen, die Sklavenhandel trieben,
gekaufte Jndividuen. Der letztere Gebrauch besteht
noch. Die Sklavenmärkte ( Jessir=Bazar ) sind ziem-
lich große von einer ununterbrochenen Reihe Buden
umgebene Plätze. Die jüngsten und schönsten der Skla-
vinnen, sowohl schwarze als weiße, sitzen in diesen
Buden elegant gekleidet auf erhöhten Bänken. Die
Bejahrteren, die Häßlichen und Alten, so wie auch
männliche Sklaven, von geringerem Belang, kauern
sich mitten auf dem Platze in Gruppen zusammen. Die
[Spaltenumbruch] Verkäufer loben die Reize ihrer schönen Gefangenen mit
lauter Stimme, und heißen sie auch wohl tanzen, gehen
oder graziöse, d. h. unverschämte Stellungen anneh-
men. Nach dem Kaufe aber ist der Zustand der Sklaven
bald nicht mehr so elend. Wenn man den Namen und
die Verpflichtung, einem bestimmten Herrn zu dienen,
abrechnet, so sind sie nichts mehr und nichts weniger
als unsere Domestiken. Es ist nicht erlaubt sie zu schla-
gen, viel weniger sie zu tödten, und empfehlen sie sich
dem Herrn durch ihren Eifer im Dienste, oder andere
gute Eigenschaften, so erlangen sie bald die Freiheit,
und oft noch außerdem Reichthümer und Ehren=Aem-
ter. Viele der ersten Würdenträger am Hofe sind
Sklaven gewesen; denn an diesem Stande haftet in der
Türkei gar nichts Entehrendes. Besonders den Frauen
ergeht es gut. Sie unterscheiden sich nur wenig von
ihren Gebieterinnen. Jhre Söhne sind rechtmäßig,
und meistens werden auch die Mütter rechtmäßige Ge-
mahlinnen, da der Türke nicht eine, sondern vier
Frauen haben kann.



Seltsamer Gebrauch bei den Bewoh-
nern des Himalaya
.

Die Kinder werden bei diesem Volke durch Wasser
in den Schlaf gebracht. Kapitain Mundy erzählt in
seiner Reisebeschreibung dieses Verfahren auf folgende
Weise: Das Kind, das ein= oder zweijährig seyn mochte,
wurde durch seine Mutter, welche mit Getreidemahlen
beschäftigt war, an den Abhang eines kleinen Hügels
gelegt, von dessen Spitze ein kleiner Springquell herab-
floß. Ein Stückchen Baumrinde, welches in das
Wasser gelegt worden, leitete einen kleinen Strahl
Wasser, der von der Höhe von ungefähr einen halben
Fuß auf den Kopfwirbel des Kindes herabfiel. Es
schlief ganz fest, als ich die Prozedur sah; die Einge-
bornen glauben, daß dieselbe sehr zur Stärkung der
Gesundheit beitrage.



Der Wein in China.

Die Chinesen kennen zwar den Weinstock, und er-
laben sich auch gern an den schönen Trauben aus Cha-
mul in der Tartarei; aber der Wein, den sie selbst trin-
ken, ist größtentheils ein Gebräu aus Reis und andern
Getreidearten, das sie aus kleinen Täßchen trinken,
und Dsieu ( im Kanton Dsau ) nennen. Von seiner
gelben Farbe heißt dieses berauschende Getränk auch
Hoangdsieu. Es giebt viele Arten desselben. Der
sogenannte Lämmer=Wein ist eine unangenehm
schmeckende, aber sehr kräftige Mixtur von Boullion
aus Hammelfleisch und Kräutern. Nicht dieser, wohl
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] zur Gruft [gel]eitet. Selbst die Frohnleichnams=Pro-
zession wird in Pera öffentlich und im Angesichte einer
Menge von Bekennern aller Religionen und Sekten
ohne die geringste Störung abgehalten. Eine türkische
Sicherheits=Wache eröffnet, begleitet und schließt den
Zug. Es giebt hier sehr viele Weltgeistliche und Or-
densbrüder. Die Dominikaner, die Kapuziner, die
Missionaire haben schöne, bequeme und sehr reiche Klö-
ster. Man weiß kein Beispiel, daß Einer dieser Mönche
eine Beschimpfung erlitten hätte, obgleich sie in ihrer
Ordenskleidung durch die Straßen gehen. Jm Gegen-
theil, man beweist ihnen große Ehrfurcht. Die Kirchen
sind zahlreich und sehr schön gebaut.

Wenige Nationen haben wohl die Kleidung zum
Gegenstand so vieler Gesetze gemacht, als die Türken.
Vormals waren für jedes Gewerbe, jeden Kultus, je-
des Privilegium besondere äußere Abzeichen bestimmt.
Von den Schuhen bis zur Mütze, vom Hemde bis zum
Mantel war alles spezifizirt und vorgezeichnet. Der
Nisam=Agassi wachte über die strenge Beobachtung die-
ser Gesetze. Dieser Beamte ritt in Begleitung seiner
Schergen durch die Straßen und bestrafte die Uebertreter
anf der Stelle. Die zu großen oder prächtigen Schleier
wurden in Stücke zerrissen; die zu langen Röcke mit
ungeheueren Scheeren, die den Häschern am Gürtel
hingen, unbarmherzig beschnitten u. s. w. Jetzt giebt
es zwar noch einen Nisam=Agassi, allein er kümmert
sich eben so wenig um Maaße und Gewichte, als um
Kleidertrachten. Selbst die allgemeinsten Abzeichen der
verschiedenen Nationen verschwinden immer mehr, seit-
dem die kleine gezipfelte Mütze ( Feß ) , französische Stie-
feln und europäische Kaputröcke gäng und gebe werden.
Die Türken trugen außer dem besondern Zuschnitt der
Kleidung, einen weißen Turban und gelbe Papuschen;
die Armenier einen unterhalb runden und oberhalb
flachen Kalpak und rothe Papuschen; die Griechen einen
ganz runden Kalpak, oben mit einer Oeffnung, aus
der ein Stückchen rothes Futter hervorsah, und schwarze
Papuschen; die Juden ein sehr kleines Barett, mit
einem Dünntuch um die Schläfe befestigt und blaue
Papuschen u. s. w.

Obgleich die Sklaverei noch jetzt im türkischen
Reiche besteht, so ist sie doch von weit milderer Art,
als man gewöhnlich angenommen hat. Die Sklaven
der Türken ( Jessir ) waren entweder Kriegsgefangene
oder von solchen Nationen, die Sklavenhandel trieben,
gekaufte Jndividuen. Der letztere Gebrauch besteht
noch. Die Sklavenmärkte ( Jessir=Bazar ) sind ziem-
lich große von einer ununterbrochenen Reihe Buden
umgebene Plätze. Die jüngsten und schönsten der Skla-
vinnen, sowohl schwarze als weiße, sitzen in diesen
Buden elegant gekleidet auf erhöhten Bänken. Die
Bejahrteren, die Häßlichen und Alten, so wie auch
männliche Sklaven, von geringerem Belang, kauern
sich mitten auf dem Platze in Gruppen zusammen. Die
[Spaltenumbruch] Verkäufer loben die Reize ihrer schönen Gefangenen mit
lauter Stimme, und heißen sie auch wohl tanzen, gehen
oder graziöse, d. h. unverschämte Stellungen anneh-
men. Nach dem Kaufe aber ist der Zustand der Sklaven
bald nicht mehr so elend. Wenn man den Namen und
die Verpflichtung, einem bestimmten Herrn zu dienen,
abrechnet, so sind sie nichts mehr und nichts weniger
als unsere Domestiken. Es ist nicht erlaubt sie zu schla-
gen, viel weniger sie zu tödten, und empfehlen sie sich
dem Herrn durch ihren Eifer im Dienste, oder andere
gute Eigenschaften, so erlangen sie bald die Freiheit,
und oft noch außerdem Reichthümer und Ehren=Aem-
ter. Viele der ersten Würdenträger am Hofe sind
Sklaven gewesen; denn an diesem Stande haftet in der
Türkei gar nichts Entehrendes. Besonders den Frauen
ergeht es gut. Sie unterscheiden sich nur wenig von
ihren Gebieterinnen. Jhre Söhne sind rechtmäßig,
und meistens werden auch die Mütter rechtmäßige Ge-
mahlinnen, da der Türke nicht eine, sondern vier
Frauen haben kann.



Seltsamer Gebrauch bei den Bewoh-
nern des Himalaya
.

Die Kinder werden bei diesem Volke durch Wasser
in den Schlaf gebracht. Kapitain Mundy erzählt in
seiner Reisebeschreibung dieses Verfahren auf folgende
Weise: Das Kind, das ein= oder zweijährig seyn mochte,
wurde durch seine Mutter, welche mit Getreidemahlen
beschäftigt war, an den Abhang eines kleinen Hügels
gelegt, von dessen Spitze ein kleiner Springquell herab-
floß. Ein Stückchen Baumrinde, welches in das
Wasser gelegt worden, leitete einen kleinen Strahl
Wasser, der von der Höhe von ungefähr einen halben
Fuß auf den Kopfwirbel des Kindes herabfiel. Es
schlief ganz fest, als ich die Prozedur sah; die Einge-
bornen glauben, daß dieselbe sehr zur Stärkung der
Gesundheit beitrage.



Der Wein in China.

Die Chinesen kennen zwar den Weinstock, und er-
laben sich auch gern an den schönen Trauben aus Cha-
mul in der Tartarei; aber der Wein, den sie selbst trin-
ken, ist größtentheils ein Gebräu aus Reis und andern
Getreidearten, das sie aus kleinen Täßchen trinken,
und Dsieu ( im Kanton Dsau ) nennen. Von seiner
gelben Farbe heißt dieses berauschende Getränk auch
Hoangdsieu. Es giebt viele Arten desselben. Der
sogenannte Lämmer=Wein ist eine unangenehm
schmeckende, aber sehr kräftige Mixtur von Boullion
aus Hammelfleisch und Kräutern. Nicht dieser, wohl
[Ende Spaltensatz]

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[303/0007] Das Heller=Blatt. zur Gruft geleitet. Selbst die Frohnleichnams=Pro- zession wird in Pera öffentlich und im Angesichte einer Menge von Bekennern aller Religionen und Sekten ohne die geringste Störung abgehalten. Eine türkische Sicherheits=Wache eröffnet, begleitet und schließt den Zug. Es giebt hier sehr viele Weltgeistliche und Or- densbrüder. Die Dominikaner, die Kapuziner, die Missionaire haben schöne, bequeme und sehr reiche Klö- ster. Man weiß kein Beispiel, daß Einer dieser Mönche eine Beschimpfung erlitten hätte, obgleich sie in ihrer Ordenskleidung durch die Straßen gehen. Jm Gegen- theil, man beweist ihnen große Ehrfurcht. Die Kirchen sind zahlreich und sehr schön gebaut. Wenige Nationen haben wohl die Kleidung zum Gegenstand so vieler Gesetze gemacht, als die Türken. Vormals waren für jedes Gewerbe, jeden Kultus, je- des Privilegium besondere äußere Abzeichen bestimmt. Von den Schuhen bis zur Mütze, vom Hemde bis zum Mantel war alles spezifizirt und vorgezeichnet. 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Die Türken trugen außer dem besondern Zuschnitt der Kleidung, einen weißen Turban und gelbe Papuschen; die Armenier einen unterhalb runden und oberhalb flachen Kalpak und rothe Papuschen; die Griechen einen ganz runden Kalpak, oben mit einer Oeffnung, aus der ein Stückchen rothes Futter hervorsah, und schwarze Papuschen; die Juden ein sehr kleines Barett, mit einem Dünntuch um die Schläfe befestigt und blaue Papuschen u. s. w. Obgleich die Sklaverei noch jetzt im türkischen Reiche besteht, so ist sie doch von weit milderer Art, als man gewöhnlich angenommen hat. Die Sklaven der Türken ( Jessir ) waren entweder Kriegsgefangene oder von solchen Nationen, die Sklavenhandel trieben, gekaufte Jndividuen. Der letztere Gebrauch besteht noch. Die Sklavenmärkte ( Jessir=Bazar ) sind ziem- lich große von einer ununterbrochenen Reihe Buden umgebene Plätze. Die jüngsten und schönsten der Skla- vinnen, sowohl schwarze als weiße, sitzen in diesen Buden elegant gekleidet auf erhöhten Bänken. Die Bejahrteren, die Häßlichen und Alten, so wie auch männliche Sklaven, von geringerem Belang, kauern sich mitten auf dem Platze in Gruppen zusammen. Die Verkäufer loben die Reize ihrer schönen Gefangenen mit lauter Stimme, und heißen sie auch wohl tanzen, gehen oder graziöse, d. h. unverschämte Stellungen anneh- men. Nach dem Kaufe aber ist der Zustand der Sklaven bald nicht mehr so elend. Wenn man den Namen und die Verpflichtung, einem bestimmten Herrn zu dienen, abrechnet, so sind sie nichts mehr und nichts weniger als unsere Domestiken. Es ist nicht erlaubt sie zu schla- gen, viel weniger sie zu tödten, und empfehlen sie sich dem Herrn durch ihren Eifer im Dienste, oder andere gute Eigenschaften, so erlangen sie bald die Freiheit, und oft noch außerdem Reichthümer und Ehren=Aem- ter. Viele der ersten Würdenträger am Hofe sind Sklaven gewesen; denn an diesem Stande haftet in der Türkei gar nichts Entehrendes. Besonders den Frauen ergeht es gut. Sie unterscheiden sich nur wenig von ihren Gebieterinnen. Jhre Söhne sind rechtmäßig, und meistens werden auch die Mütter rechtmäßige Ge- mahlinnen, da der Türke nicht eine, sondern vier Frauen haben kann. Seltsamer Gebrauch bei den Bewoh- nern des Himalaya. Die Kinder werden bei diesem Volke durch Wasser in den Schlaf gebracht. Kapitain Mundy erzählt in seiner Reisebeschreibung dieses Verfahren auf folgende Weise: Das Kind, das ein= oder zweijährig seyn mochte, wurde durch seine Mutter, welche mit Getreidemahlen beschäftigt war, an den Abhang eines kleinen Hügels gelegt, von dessen Spitze ein kleiner Springquell herab- floß. Ein Stückchen Baumrinde, welches in das Wasser gelegt worden, leitete einen kleinen Strahl Wasser, der von der Höhe von ungefähr einen halben Fuß auf den Kopfwirbel des Kindes herabfiel. Es schlief ganz fest, als ich die Prozedur sah; die Einge- bornen glauben, daß dieselbe sehr zur Stärkung der Gesundheit beitrage. Der Wein in China. Die Chinesen kennen zwar den Weinstock, und er- laben sich auch gern an den schönen Trauben aus Cha- mul in der Tartarei; aber der Wein, den sie selbst trin- ken, ist größtentheils ein Gebräu aus Reis und andern Getreidearten, das sie aus kleinen Täßchen trinken, und Dsieu ( im Kanton Dsau ) nennen. Von seiner gelben Farbe heißt dieses berauschende Getränk auch Hoangdsieu. Es giebt viele Arten desselben. Der sogenannte Lämmer=Wein ist eine unangenehm schmeckende, aber sehr kräftige Mixtur von Boullion aus Hammelfleisch und Kräutern. Nicht dieser, wohl

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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 38. Breslau, 20. September 1834, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller38_1834/7>, abgerufen am 24.11.2024.