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Das Heller-Blatt. Nr. 37. Breslau, 13. September 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz]
Die Felsenbrücke in Virginien.

Drei Meilen von Lexinton, in dem Nordamerikani-
schen Staate Virginien, befindet sich die "Naturalbridge"
( natürliche Brücke ) , ein Werk der Natur, über die
Spalte eines Felsenhügels in welcher der Cedarcreek,
ein reißender gewaltiger Bergstrom, fließt. Man denke
sich eine Brücke über eine fast 300 Fuß tiefe, 90 Fuß
breite Thalschlucht, aus einem Bogen und aus
einem Stein, diese Brücke 100 Fuß breit und in der
Mitte 40 Fuß dick, und man hat eine schwache Vor-
stellung von diesem berühmten Wunderwerke der Na-
tur. "Obschon" - sagt ein englischer Reisender -
"der Allmächtige, dessen "Werde" diese Brücke über
das sonst nicht zu passirende Felsenthal schuf, sie auch,
und grade an den gefährlichsten Stellen, mit Brust-
wehren von Felsblöcken versah, so haben doch nur
Wenige der sie Betretenden den Muth, über die Lehne
hinüber zu blicken in die schauerliche Tiefe, durch
welche der gewaltige Bergstrom schäumend und tobend
dahinbraußt."



Ueber den Zustand der Frauen in
der Türkei
.

Jn der Türkei ist zwar die Vielweiberei vom Ge-
setz erlaubt, allein es ist unwahr, daß die Türken ihre
Weiber nach bloßer Caprice nehmen, verstoßen, wie-
dernehmen und austauschen dürfen. Die Wahl einer
Gattin hängt seit undenklicher Zeit von den Eltern, be-
sonders der Mutter des Jünglings ab. Die Letztere
macht in bekannten Familien, wo mannbare Mädchen
sind, Besuche, prüft dieselben, erkundigt sich nach
ihnen, und hat sie eine gefunden, die für ihren Sohn
passend scheint, so werden die vorläufigen Artikel des
Ehe=Kontrakts festgesetzt. Vor einem solchen Späher-
gange suchen die Mütter Neigung und Geschmack ihrer
Söhne zu ermitteln, und immer setzen sie einen Stolz
darein, unter dem Gefundenen das Edelste auszuwäh-
len. Nach der Sanktion des Ehe=Kontrakts geht der
Bräutigam zum Jmam der benachbarten Moschee
und ladet ihn ein, seine Verbindung zu segnen. Bald
darauf gehen die Eltern des Brautpaares zu einer Ge-
richtsperson und lassen den Kontrakt einregistriren.
Der erste und wichtigste Theil der Ehe=Pakten ist die
Bestimmung der Mitgift, die das Weib immer von
ihrem Manne empfängt, wie bei uns umgekehrt. Die
Frau bringt dem Manne gar nichts, außer ihre Per-
son und Garderobe. Am Tage der Hochzeit wird die
Braut festlich geschmückt und in einer schönen von un-
durchdringlichen Gardinen umzogenen Arabah zum
Hause des Bräutigams gefahren. Jhre Mutter und
die nächsten weiblichen Verwandten begleiten sie in an-
dern eben so eleganten Arabahs. Die männliche Sipp-
[Spaltenumbruch] schaft und die Gäste folgen den Fahrenden zu Fuß, un-
ter Musik, Tanz und Gesang. Jst der Zug am Hause,
so theilt sich das Personal in zwei Hälften und man
feiert gleichzeitig, unter demselben Dache, zwei ver-
schiedene Feste. Die Braut und ihre Begleiterinnen
werden von der Mutter des Bräutigams und deren
Gefolge in Empfang genommen und nach dem Harem,
dem Aufenthaltsort der Weiber, geführt. Die Män-
ner bewirthet der Bräutigam in einem besondern Zim-
mer. Jn beiden Assembleen wird gesungen, getanzt
und gescherzt. Jn später Nacht, wenn die Gäste bei-
derlei Geschlechts sich zurückgezogen haben, sieht der
Neuvermählte seine erkohrene Gefährtin zum ersten
Mal. Eine Fülle seidener Bänder und Goldfäden in
das Lockenhaar eingewebt, wallt vom Wirbel bis zur
Sohle der Jungfrau und umgiebt sie wie ein mystischer
Nebel, wenn sie von ihren Führerinnen dem Jüngling
vorgestellt wird.

Fast jeder Türke hat nur eine, höchstens zwei
Frauen. Eine Ehescheidung kann ohne richterlichen
Spruch nicht vor sich gehen, und das Gesetz macht dabei
solche Schwierigkeiten, daß sie in jedem andern Lande
leichter möglich ist.

Die schönsten Frauen in Konstantinopel sind die
Türkinnen selbst; den zweiten Rang nehmen die Arme-
nierinnen, den dritten die Griechinnen ein. Mit den
Jnsulanern kommen auch viele Frauen aus den griechi-
schen Jnseln nach der Hauptstadt. Unter diesen wählt
man alle Kammerfräulein und Mägde in Pera, Ga-
lata und der Nachbarschaft. Diese dienenden Mädchen
befördert ihre Tugend und Schönheit nicht selten zum
Range von Hausfrauen.

Unsere europäischen Damen scheinen in dem Wahne
zu stehen, daß die Türken ihre Frauen unmenschlich be-
handeln, ihre ganze Person in einen undurchdringlichen
Schleier hüllen, wenn sie nicht umhin können, auszu-
gehen, und ihnen als gewöhnlichen Aufenthalt ein freu-
denleeres, verdecktes und verriegeltes Harem anweisen.

Diese Beschuldigungen sind wenigstens heut zu
Tage ganz ungegründet. Der Türke ist im Durch-
schnitt ein zärtlicher und vortrefflicher Gatte. Er un-
terläßt nichts, was seine Gattin zufrieden und glücklich
machen kann. Dies bezeugen unter vielen andern Din-
gen die kostbaren Kleider, mit denen er sie schmückt,
und der liebende Eifer, mit dem er jeden ihrer Wün-
sche, so gut seine Mittel und die Zeitumstände es er-
lauben, zu erfüllen sucht. Auch zeigt die Physiogno-
mie der türkischen Frauen alle Symptome eines heite-
ren und zufriedenen Gemüthes. Es giebt in der Welt
keine Frauen von schönerer Körperfülle, frischerer Farbe
und lebensfroherem Sinne, als die Osmanninnen.

Der Schleier ( Jaschmak ) der türkischen Damen
ist durchaus kein neidischer Hehler ihrer Schönheit; im
Gegentheil, er verklärt sie noch. Er besteht aus zwei
Binden von sehr feinem Gewebe; die erste umhüllt den
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz]
Die Felsenbrücke in Virginien.

Drei Meilen von Lexinton, in dem Nordamerikani-
schen Staate Virginien, befindet sich die „Naturalbridge“
( natürliche Brücke ) , ein Werk der Natur, über die
Spalte eines Felsenhügels in welcher der Cedarcreek,
ein reißender gewaltiger Bergstrom, fließt. Man denke
sich eine Brücke über eine fast 300 Fuß tiefe, 90 Fuß
breite Thalschlucht, aus einem Bogen und aus
einem Stein, diese Brücke 100 Fuß breit und in der
Mitte 40 Fuß dick, und man hat eine schwache Vor-
stellung von diesem berühmten Wunderwerke der Na-
tur. „Obschon“ – sagt ein englischer Reisender –
„der Allmächtige, dessen „Werde“ diese Brücke über
das sonst nicht zu passirende Felsenthal schuf, sie auch,
und grade an den gefährlichsten Stellen, mit Brust-
wehren von Felsblöcken versah, so haben doch nur
Wenige der sie Betretenden den Muth, über die Lehne
hinüber zu blicken in die schauerliche Tiefe, durch
welche der gewaltige Bergstrom schäumend und tobend
dahinbraußt.“



Ueber den Zustand der Frauen in
der Türkei
.

Jn der Türkei ist zwar die Vielweiberei vom Ge-
setz erlaubt, allein es ist unwahr, daß die Türken ihre
Weiber nach bloßer Caprice nehmen, verstoßen, wie-
dernehmen und austauschen dürfen. Die Wahl einer
Gattin hängt seit undenklicher Zeit von den Eltern, be-
sonders der Mutter des Jünglings ab. Die Letztere
macht in bekannten Familien, wo mannbare Mädchen
sind, Besuche, prüft dieselben, erkundigt sich nach
ihnen, und hat sie eine gefunden, die für ihren Sohn
passend scheint, so werden die vorläufigen Artikel des
Ehe=Kontrakts festgesetzt. Vor einem solchen Späher-
gange suchen die Mütter Neigung und Geschmack ihrer
Söhne zu ermitteln, und immer setzen sie einen Stolz
darein, unter dem Gefundenen das Edelste auszuwäh-
len. Nach der Sanktion des Ehe=Kontrakts geht der
Bräutigam zum Jmam der benachbarten Moschee
und ladet ihn ein, seine Verbindung zu segnen. Bald
darauf gehen die Eltern des Brautpaares zu einer Ge-
richtsperson und lassen den Kontrakt einregistriren.
Der erste und wichtigste Theil der Ehe=Pakten ist die
Bestimmung der Mitgift, die das Weib immer von
ihrem Manne empfängt, wie bei uns umgekehrt. Die
Frau bringt dem Manne gar nichts, außer ihre Per-
son und Garderobe. Am Tage der Hochzeit wird die
Braut festlich geschmückt und in einer schönen von un-
durchdringlichen Gardinen umzogenen Arabah zum
Hause des Bräutigams gefahren. Jhre Mutter und
die nächsten weiblichen Verwandten begleiten sie in an-
dern eben so eleganten Arabahs. Die männliche Sipp-
[Spaltenumbruch] schaft und die Gäste folgen den Fahrenden zu Fuß, un-
ter Musik, Tanz und Gesang. Jst der Zug am Hause,
so theilt sich das Personal in zwei Hälften und man
feiert gleichzeitig, unter demselben Dache, zwei ver-
schiedene Feste. Die Braut und ihre Begleiterinnen
werden von der Mutter des Bräutigams und deren
Gefolge in Empfang genommen und nach dem Harem,
dem Aufenthaltsort der Weiber, geführt. Die Män-
ner bewirthet der Bräutigam in einem besondern Zim-
mer. Jn beiden Assembléen wird gesungen, getanzt
und gescherzt. Jn später Nacht, wenn die Gäste bei-
derlei Geschlechts sich zurückgezogen haben, sieht der
Neuvermählte seine erkohrene Gefährtin zum ersten
Mal. Eine Fülle seidener Bänder und Goldfäden in
das Lockenhaar eingewebt, wallt vom Wirbel bis zur
Sohle der Jungfrau und umgiebt sie wie ein mystischer
Nebel, wenn sie von ihren Führerinnen dem Jüngling
vorgestellt wird.

Fast jeder Türke hat nur eine, höchstens zwei
Frauen. Eine Ehescheidung kann ohne richterlichen
Spruch nicht vor sich gehen, und das Gesetz macht dabei
solche Schwierigkeiten, daß sie in jedem andern Lande
leichter möglich ist.

Die schönsten Frauen in Konstantinopel sind die
Türkinnen selbst; den zweiten Rang nehmen die Arme-
nierinnen, den dritten die Griechinnen ein. Mit den
Jnsulanern kommen auch viele Frauen aus den griechi-
schen Jnseln nach der Hauptstadt. Unter diesen wählt
man alle Kammerfräulein und Mägde in Pera, Ga-
lata und der Nachbarschaft. Diese dienenden Mädchen
befördert ihre Tugend und Schönheit nicht selten zum
Range von Hausfrauen.

Unsere europäischen Damen scheinen in dem Wahne
zu stehen, daß die Türken ihre Frauen unmenschlich be-
handeln, ihre ganze Person in einen undurchdringlichen
Schleier hüllen, wenn sie nicht umhin können, auszu-
gehen, und ihnen als gewöhnlichen Aufenthalt ein freu-
denleeres, verdecktes und verriegeltes Harem anweisen.

Diese Beschuldigungen sind wenigstens heut zu
Tage ganz ungegründet. Der Türke ist im Durch-
schnitt ein zärtlicher und vortrefflicher Gatte. Er un-
terläßt nichts, was seine Gattin zufrieden und glücklich
machen kann. Dies bezeugen unter vielen andern Din-
gen die kostbaren Kleider, mit denen er sie schmückt,
und der liebende Eifer, mit dem er jeden ihrer Wün-
sche, so gut seine Mittel und die Zeitumstände es er-
lauben, zu erfüllen sucht. Auch zeigt die Physiogno-
mie der türkischen Frauen alle Symptome eines heite-
ren und zufriedenen Gemüthes. Es giebt in der Welt
keine Frauen von schönerer Körperfülle, frischerer Farbe
und lebensfroherem Sinne, als die Osmanninnen.

Der Schleier ( Jaschmak ) der türkischen Damen
ist durchaus kein neidischer Hehler ihrer Schönheit; im
Gegentheil, er verklärt sie noch. Er besteht aus zwei
Binden von sehr feinem Gewebe; die erste umhüllt den
[Ende Spaltensatz]

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Man denke sich eine Brücke über eine fast 300 Fuß tiefe, 90 Fuß breite Thalschlucht, aus einem Bogen und aus einem Stein, diese Brücke 100 Fuß breit und in der Mitte 40 Fuß dick, und man hat eine schwache Vor- stellung von diesem berühmten Wunderwerke der Na- tur. „Obschon“ – sagt ein englischer Reisender – „der Allmächtige, dessen „Werde“ diese Brücke über das sonst nicht zu passirende Felsenthal schuf, sie auch, und grade an den gefährlichsten Stellen, mit Brust- wehren von Felsblöcken versah, so haben doch nur Wenige der sie Betretenden den Muth, über die Lehne hinüber zu blicken in die schauerliche Tiefe, durch welche der gewaltige Bergstrom schäumend und tobend dahinbraußt.“ Ueber den Zustand der Frauen in der Türkei. Jn der Türkei ist zwar die Vielweiberei vom Ge- setz erlaubt, allein es ist unwahr, daß die Türken ihre Weiber nach bloßer Caprice nehmen, verstoßen, wie- dernehmen und austauschen dürfen. 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Diese dienenden Mädchen befördert ihre Tugend und Schönheit nicht selten zum Range von Hausfrauen. Unsere europäischen Damen scheinen in dem Wahne zu stehen, daß die Türken ihre Frauen unmenschlich be- handeln, ihre ganze Person in einen undurchdringlichen Schleier hüllen, wenn sie nicht umhin können, auszu- gehen, und ihnen als gewöhnlichen Aufenthalt ein freu- denleeres, verdecktes und verriegeltes Harem anweisen. Diese Beschuldigungen sind wenigstens heut zu Tage ganz ungegründet. Der Türke ist im Durch- schnitt ein zärtlicher und vortrefflicher Gatte. Er un- terläßt nichts, was seine Gattin zufrieden und glücklich machen kann. Dies bezeugen unter vielen andern Din- gen die kostbaren Kleider, mit denen er sie schmückt, und der liebende Eifer, mit dem er jeden ihrer Wün- sche, so gut seine Mittel und die Zeitumstände es er- lauben, zu erfüllen sucht. Auch zeigt die Physiogno- mie der türkischen Frauen alle Symptome eines heite- ren und zufriedenen Gemüthes. Es giebt in der Welt keine Frauen von schönerer Körperfülle, frischerer Farbe und lebensfroherem Sinne, als die Osmanninnen. Der Schleier ( Jaschmak ) der türkischen Damen ist durchaus kein neidischer Hehler ihrer Schönheit; im Gegentheil, er verklärt sie noch. Er besteht aus zwei Binden von sehr feinem Gewebe; die erste umhüllt den

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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 37. Breslau, 13. September 1834, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller37_1834/2>, abgerufen am 24.11.2024.