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Das Heller-Blatt. Nr. 32. Breslau, 9. August 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz]
Der Manna=Baum.

Der Baum, von welchem das Manna ( Traxinus
ornus
) erzeugt wird, ist eine Esche von besonderer Ei-
genschaft, und ist von Linn e als eine Verschiedenheit
der gewöhnlichen Esche angesehen. Er ist im Süden
von Jtalien und auf Sicilien einheimisch. Folgende
Beschreibung über ihn, so wie die Art und Weise, auf
welche das Manna erlangt wird, ist aus der " maleri-
schen Reise auf den Jnseln Sicilien, Malta und Lipari,
von dem königlichen Maler Johann Houel im
Jahre 1776" vorzüglich entnommen.

Selten erreicht der Baum eine größere Höhe als
25 Fuß, und hat übrigens nichts besonders Auffallen-
des in seinem Ansehen, es möchte denn seyn, daß er
auf den ersten Anblick für eine junge Ulme gehalten
würde; allein nach kurzer Untersuchung findet man so-
gleich seine Eigenthümlichkeit in der Art, in welcher sich
das Blatt zu dem Zweige verhält. Drei Gattungen,
oder richtiger drei Verschiedenheiten dieses Baumes sind
bemerkt worden. Die erste hat lange und straffe Blät-
ter, gleichend denen der Pfirsiche, der zweiten Blätter
ähneln fast denen des Rosenbaumes, und die dritte
scheint zwischen diesen beiden Verschiedenheiten die Mitte
haltend.

Jn der wärmsten Jahreszeit ist der Baum größ-
tentheils mit Saft überfüllt. Deshalb fangen die Ein-
wohner gegen den 15. August an, ihre Einschnitte in
die Rinde des Baumes zu machen. Am Fuße desselben
fangen sie an, und machen so jeden Tag, über den
vorhergehenden, in einem Zwischenraum von zwei Zoll,
einen Einschnitt, bis sie die niederen Zweige erreichen.
Die Einschnitte sind etwas mehr als zwei Zoll in hori-
zontaler Länge, und ungefähr einen halben Zoll tief.

Jst die Witterung günstig, so machen sie ihre Ein-
schnitte so weit, bis sie an die großen Aeste kommen,
und obschon sie nicht mehr als einen täglich machen, so
haben sie bis gegen Ende September doch schon 45 ge-
macht, welches, 2 Zoll Zwischenraum jedes Einschnit-
tes gerechnet, eine Höhe von 90 Zoll beträgt, und da
es übrigens auch nur wenig Stämme giebt, welche
mehr als7 1 / 2 Fuß hoch sind, so gehen sie selten weiter.

Wenn mit einiger Schwierigkeit der Einschnitt in
den Baum gemacht worden ist, so fängt das Manna
unmittelbar zu fließen an. Es ist anfänglich nichts
mehr als ein durchsichtiges klares Wasser, welches aber
so wie es fließt nach und nach immer starrer, und bald
fest und hart wird. Die Regenzeit, welche mit Ende
September gewöhnlich eintritt, unterbricht diese Be-
schäftigung. Die Hitze ist dann nicht vermögend den
Saft zu trocknen, und der Regen hält ihn bald am
Fuße des Baumes zurück, so daß es nothwendig ist,
daß die Einsammlung mit dem warmen September-
Wetter beendet wird. - Wenn wir diese Schilderung
im allgemeinen gemacht haben, so wollen wir fortfah-
[Spaltenumbruch] ren die weitere Handlungsweise, wodurch das Manna
gesammelt und gewonnen wird, umständlicher zu be-
schreiben. Jst ein Einschnitt in den Manna=Baum
gemacht worden, so wird ein Blatt desselben in einen
unbedeutenden horizontalen Schnitt, am Ende unter
dem Einschnitte, eingeschoben. Der Saft, welcher
von dem Baume ausschwitzt, fließt jetzt auf dieses
Blatt, welches ihn wie ein Wetterdach, zu einem unten
gestellten Gefäße leitet. Dies Gefäß ist sehr einfach,
indem es blos ein Blatt des indianischen Feigenbaumes
ist, welches getrocknet, die Eigenschaft eines Korbes,
oder vielmehr einer Schaale erhält. Es ist von 10 bis
12 Zoll lang, und 7 oder 8 Zoll breit, und bildet eine
Art Dose, hinreichend groß genug für den Gebrauch,
zu welchem es angewendet wird. An den Fuß des
Baumes gestellt, empfängt es den Saft, welcher nicht
eher verhärtet bis er einige Zeit darinnen verblieben ist.
Das Manna auf diese Weise gesammelt und gehärtet,
wird mehr geschätzt als das, welches aus der Rinde
des Baumes herabrinnt, da es weniger rein, auch zum
Gebrauch nicht so dienlich ist. Dies letztere dann wird
in großer Menge gewonnen, wenn die Natur in voller
Kraft ihre Wirkung zeigt. Es nimmt die Gestalt von
Eiszapfen, dem Baume angefesselt, an, und ist voll
von Unebenheiten. Da er süßer als die reinere Sorte
ist, wird er auch mehr begehrt, und hauptsächlich in
England vorgezogen. Beide Sorten sind indessen
größtentheils gewöhnlich gemischt.

Herr Houel berichtet, daß er das Manna oft ko-
stete, als es aus den Einschnitten floß. Es hatte dann
einen bittern Geschmack, welcher dem unreifer Früchte
nahe kam. Diese Bitterkeit entsteht durch die wässeri-
gen Theile, welche aber durch die Verdünstung geschie-
den, den Zuckerstoff zusammenzieht, und nun einen
angenehmeren Geschmack zurückläßt. Das Manna ist
dann wohl süßer und lieblicher, behält aber jederzeit
einen schwachen widrigen Geschmack.

Männer und Frauen sind gleich mit Einsammeln
des Manna beschäftigt. Dasselbe Messer, was die Ein-
schnitte machte, dient ihnen auch jetzt zum Sammeln
des Manna - so wie das, welches auf der Erde neben
der Frau liegt, und die, welche der Mann und seine
Frau ( siehe das Bild ) in ihrer rechten Hand haben,
während sie in ihrer linken Hand die Kästchen halten,
worinnen das Manna, von dem Baume zusammen-
geschabt, eingesammelt wird. Der Baum, neben wel-
chen die Frau kniet, ist als "süß blutend in der bittern
Wunde" nahe des Stammes, dargestellt. Das ge-
sammelte Manna wird in Körben verwahrt, von da
nach den Magazinen gebracht, wo sie es verkaufen, und
von wo es dann in großen Quantitäten nach fremden
Gegenden gesandt wird.

Das Manna war in der Zeit Houels eine Haupt-
quelle von Gewinn für die Theile von Sicilien, in wel-
chen es gewonnen wurde, und die Einwohner zeichneten
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz]
Der Manna=Baum.

Der Baum, von welchem das Manna ( Traxinus
ornus
) erzeugt wird, ist eine Esche von besonderer Ei-
genschaft, und ist von Linn é als eine Verschiedenheit
der gewöhnlichen Esche angesehen. Er ist im Süden
von Jtalien und auf Sicilien einheimisch. Folgende
Beschreibung über ihn, so wie die Art und Weise, auf
welche das Manna erlangt wird, ist aus der „ maleri-
schen Reise auf den Jnseln Sicilien, Malta und Lipari,
von dem königlichen Maler Johann Houel im
Jahre 1776“ vorzüglich entnommen.

Selten erreicht der Baum eine größere Höhe als
25 Fuß, und hat übrigens nichts besonders Auffallen-
des in seinem Ansehen, es möchte denn seyn, daß er
auf den ersten Anblick für eine junge Ulme gehalten
würde; allein nach kurzer Untersuchung findet man so-
gleich seine Eigenthümlichkeit in der Art, in welcher sich
das Blatt zu dem Zweige verhält. Drei Gattungen,
oder richtiger drei Verschiedenheiten dieses Baumes sind
bemerkt worden. Die erste hat lange und straffe Blät-
ter, gleichend denen der Pfirsiche, der zweiten Blätter
ähneln fast denen des Rosenbaumes, und die dritte
scheint zwischen diesen beiden Verschiedenheiten die Mitte
haltend.

Jn der wärmsten Jahreszeit ist der Baum größ-
tentheils mit Saft überfüllt. Deshalb fangen die Ein-
wohner gegen den 15. August an, ihre Einschnitte in
die Rinde des Baumes zu machen. Am Fuße desselben
fangen sie an, und machen so jeden Tag, über den
vorhergehenden, in einem Zwischenraum von zwei Zoll,
einen Einschnitt, bis sie die niederen Zweige erreichen.
Die Einschnitte sind etwas mehr als zwei Zoll in hori-
zontaler Länge, und ungefähr einen halben Zoll tief.

Jst die Witterung günstig, so machen sie ihre Ein-
schnitte so weit, bis sie an die großen Aeste kommen,
und obschon sie nicht mehr als einen täglich machen, so
haben sie bis gegen Ende September doch schon 45 ge-
macht, welches, 2 Zoll Zwischenraum jedes Einschnit-
tes gerechnet, eine Höhe von 90 Zoll beträgt, und da
es übrigens auch nur wenig Stämme giebt, welche
mehr als7 1 / 2 Fuß hoch sind, so gehen sie selten weiter.

Wenn mit einiger Schwierigkeit der Einschnitt in
den Baum gemacht worden ist, so fängt das Manna
unmittelbar zu fließen an. Es ist anfänglich nichts
mehr als ein durchsichtiges klares Wasser, welches aber
so wie es fließt nach und nach immer starrer, und bald
fest und hart wird. Die Regenzeit, welche mit Ende
September gewöhnlich eintritt, unterbricht diese Be-
schäftigung. Die Hitze ist dann nicht vermögend den
Saft zu trocknen, und der Regen hält ihn bald am
Fuße des Baumes zurück, so daß es nothwendig ist,
daß die Einsammlung mit dem warmen September-
Wetter beendet wird. – Wenn wir diese Schilderung
im allgemeinen gemacht haben, so wollen wir fortfah-
[Spaltenumbruch] ren die weitere Handlungsweise, wodurch das Manna
gesammelt und gewonnen wird, umständlicher zu be-
schreiben. Jst ein Einschnitt in den Manna=Baum
gemacht worden, so wird ein Blatt desselben in einen
unbedeutenden horizontalen Schnitt, am Ende unter
dem Einschnitte, eingeschoben. Der Saft, welcher
von dem Baume ausschwitzt, fließt jetzt auf dieses
Blatt, welches ihn wie ein Wetterdach, zu einem unten
gestellten Gefäße leitet. Dies Gefäß ist sehr einfach,
indem es blos ein Blatt des indianischen Feigenbaumes
ist, welches getrocknet, die Eigenschaft eines Korbes,
oder vielmehr einer Schaale erhält. Es ist von 10 bis
12 Zoll lang, und 7 oder 8 Zoll breit, und bildet eine
Art Dose, hinreichend groß genug für den Gebrauch,
zu welchem es angewendet wird. An den Fuß des
Baumes gestellt, empfängt es den Saft, welcher nicht
eher verhärtet bis er einige Zeit darinnen verblieben ist.
Das Manna auf diese Weise gesammelt und gehärtet,
wird mehr geschätzt als das, welches aus der Rinde
des Baumes herabrinnt, da es weniger rein, auch zum
Gebrauch nicht so dienlich ist. Dies letztere dann wird
in großer Menge gewonnen, wenn die Natur in voller
Kraft ihre Wirkung zeigt. Es nimmt die Gestalt von
Eiszapfen, dem Baume angefesselt, an, und ist voll
von Unebenheiten. Da er süßer als die reinere Sorte
ist, wird er auch mehr begehrt, und hauptsächlich in
England vorgezogen. Beide Sorten sind indessen
größtentheils gewöhnlich gemischt.

Herr Houel berichtet, daß er das Manna oft ko-
stete, als es aus den Einschnitten floß. Es hatte dann
einen bittern Geschmack, welcher dem unreifer Früchte
nahe kam. Diese Bitterkeit entsteht durch die wässeri-
gen Theile, welche aber durch die Verdünstung geschie-
den, den Zuckerstoff zusammenzieht, und nun einen
angenehmeren Geschmack zurückläßt. Das Manna ist
dann wohl süßer und lieblicher, behält aber jederzeit
einen schwachen widrigen Geschmack.

Männer und Frauen sind gleich mit Einsammeln
des Manna beschäftigt. Dasselbe Messer, was die Ein-
schnitte machte, dient ihnen auch jetzt zum Sammeln
des Manna – so wie das, welches auf der Erde neben
der Frau liegt, und die, welche der Mann und seine
Frau ( siehe das Bild ) in ihrer rechten Hand haben,
während sie in ihrer linken Hand die Kästchen halten,
worinnen das Manna, von dem Baume zusammen-
geschabt, eingesammelt wird. Der Baum, neben wel-
chen die Frau kniet, ist als „süß blutend in der bittern
Wunde“ nahe des Stammes, dargestellt. Das ge-
sammelte Manna wird in Körben verwahrt, von da
nach den Magazinen gebracht, wo sie es verkaufen, und
von wo es dann in großen Quantitäten nach fremden
Gegenden gesandt wird.

Das Manna war in der Zeit Houels eine Haupt-
quelle von Gewinn für die Theile von Sicilien, in wel-
chen es gewonnen wurde, und die Einwohner zeichneten
[Ende Spaltensatz]

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Es ist von 10 bis 12 Zoll lang, und 7 oder 8 Zoll breit, und bildet eine Art Dose, hinreichend groß genug für den Gebrauch, zu welchem es angewendet wird. An den Fuß des Baumes gestellt, empfängt es den Saft, welcher nicht eher verhärtet bis er einige Zeit darinnen verblieben ist. Das Manna auf diese Weise gesammelt und gehärtet, wird mehr geschätzt als das, welches aus der Rinde des Baumes herabrinnt, da es weniger rein, auch zum Gebrauch nicht so dienlich ist. Dies letztere dann wird in großer Menge gewonnen, wenn die Natur in voller Kraft ihre Wirkung zeigt. Es nimmt die Gestalt von Eiszapfen, dem Baume angefesselt, an, und ist voll von Unebenheiten. Da er süßer als die reinere Sorte ist, wird er auch mehr begehrt, und hauptsächlich in England vorgezogen. Beide Sorten sind indessen größtentheils gewöhnlich gemischt. Herr Houel berichtet, daß er das Manna oft ko- stete, als es aus den Einschnitten floß. Es hatte dann einen bittern Geschmack, welcher dem unreifer Früchte nahe kam. 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Das ge- sammelte Manna wird in Körben verwahrt, von da nach den Magazinen gebracht, wo sie es verkaufen, und von wo es dann in großen Quantitäten nach fremden Gegenden gesandt wird. Das Manna war in der Zeit Houels eine Haupt- quelle von Gewinn für die Theile von Sicilien, in wel- chen es gewonnen wurde, und die Einwohner zeichneten

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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 32. Breslau, 9. August 1834, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller32_1834/2>, abgerufen am 14.08.2024.