Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Das Heller-Blatt. Nr. 9. Breslau, 29. März 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] dung. - Die öffentlichen Bibliotheken sind sehr häufig
nur verschlossene Schatzkammern. Wenigstens haben
nur die eigentlichen Gelehrten Zutritt zu den aufgespei-
cherten Gütern. Das Volk selbst schöpft keine geistige
Labung aus diesen Bornen. Die einzige Ausnahme
hiervon macht die isländische Bibliothek, die aus etwa
4000 Bänden besteht. Die Leihbibliotheken, welche der
Buchhändler Wrigt 1740 zuerst errichtete, und die neu
erfundenen Lesegesellschaften oder Lesekabinete, enthalten
den wahren Stoff der allgemeinen Lectüre. Ganz ge-
wiß wäre zu wünschen, daß diese Anstalten mit nütz-
lichern Schriften sich versorgten, und daß sie unsittliche
und fade Werke zu führen verschmähten; um so mehr,
da im Ganzen die steigende Zahl dieser Anstalten ( in
Deutschland zählt man 10,000 Leseinstitute ) für einen
erfreulichen Aufschwung der Lectüre in allen Klassen
Zeugniß giebt. Nicht mehr beschränken sich diese Jnsti-
tute auf die Städte, sondern verbreiten sich bereits über
das flache Land. Jn mehrern Staaten bildeten sich so-
gar wandernde Bibliotheken, die monatlich von Dorf
zu Dorf gehen. Jn England findet man sie am häufig-
sten, in Deutschland sind sie noch im Entstehen.



Schilderung des Lebens eines
australischen Ansiedlers
.

Unter den verschiedenen Geschöpfen, welche die
Wälder Australiens bewohnen, giebt es Eines, das,
wenn auch nicht so sonderbar gebildet und über eine so
große Strecke verbreitet wie das Känguruh, seinem
Charakter und Ansehen nach gar nicht unmerkwürdig
ist. Dies Geschöpf ist der Pflanzer in Neu=Süd-
Wales. Er ist ein ganz außerordentliches Wesen;
freigebig und gastlich gegen Fremde und durchgehende
Reisende, versagt er sich oftmals selbst die Vergnügun-
gen des Lebens; seine rohgebaute Lehmhütte, die bei
jedem Windstoße umzustürzen droht, trotzt der Wuth
des Sturmes, der die mächtigsten Bäume entwurzelt
und zu Boden wirft, und bietet oftmals dem müden
Wanderer Schutz, bisweilen sogar Behagen. Wenn
ein Fremder ankommt, so wird ihm stets das Beste
vorgesetzt, was das Haus besitzt. Der Thee macht
einen Hauptbestandtheil der Mahlzeit aus, und muß
auch in Ermangelung des Grogs die Abende verkürzen.
Der Stoff des Gesprächs ist im Allgemeinen - die Re-
gierung - der Zustand des Landes, Herrn * * Waizen,
Heren * * * Pferde, die Sidneyracen, des Ansiedlers
eigene Zucht - die Beschreibung der umliegenden Ge-
gend, die immer mit den Worten schließt: "es ist hier kein
Land etwas werth" oder "das Land ist gut, hat aber
kein Wasser"; - Entschuldigungen der schlechten Woh-
nung und Versicherung, daß er eine neue, bessere zu
bauen gedenke, sobald der Weizen herein und der Mais
geerndtet sei. Dies geschieht aber gewöhnlich nicht eher,
[Spaltenumbruch] als bis die alte einfällt oder von dem Sturme umge-
worfen wird, und dann bauet der Ansiedler eine an-
dere, die der alten aufs Haar ähnlich ist, "blos um
auf einige Zeit einen Zufluchtsort zu haben;" er ist so
geschäftig, daß er keine Zeit zu Etwas finden kann,
giebt aber nie den Plan zu bauen auf. Nachdem alles
dies abgefertigt ist, zeigt man dem Fremden das Bett,
das gewöhnlich eine Streu, aber bis auf die Flöhe, die
jede Ansiedelung in reichem Maße besitzt, ziemlich be-
quem ist.

Wenn er am Morgen erwacht, findet er seinen
Wirth schon an der Thüre stehend, wo er ihm von
neuem seine Plane für die Zukunft mittheilt.

Hat der Ansiedler keinen Gast, so ist er den ganzen
Tag auf den Beinen oder auf dem Rücken seines Pfer-
des, um das Land in Augenschein zu nehmen, die Ar-
beiten zu leiten, und findet selten Zeit zum Essen, bis
die Sonne untergegangen ist, wo er das Mittagsmahl
und den Thee gewöhnlich auf einmal abfertigt und dann
Befehl ertheilt, was den andern Tag gearbeitet und
wohin das Vieh getrieben werden soll.

Wenn der Zucker und der Thee ausgehen, so muß
er eine Reise nach Sidney machen und dann erkennt man
ihn an seiner grauen Mähre, an deren Seite ein Füllen
läuft, an dem breiten Strohhute, der Barchentjacke
und dem Felleisen hinter seinem Sattel. Gewöhnlich
reitet er einen Paß, reiset täglich 30-40 ( engl. ) Mei-
len und bedauert, die liebe Heimath verlassen zu müssen.
Jn Sidney fertigt er in Eile seine Geschäfte ab - fin-
det an Allem, was er sieht, Vergnügen, sehnt sich
nach Hause, hält sich selten länger als eine Woche auf
und kehrt endlich so freudig und vergnügt nach Hause
zurück, als wenn er aus einem Gefängnisse käme.



Sibiriens=Winterklima.

Herr Hansteen, der im letzten Winter in Sibirien
reisete, giebt über das Klima jenes Landes merkwürdige
Nachrichten.

Während vier bis fünf Monate des Jahres, steht
der Thermometer gewöhnlich zwischen dem 25sten und
43sten Grade ( der hundertgrädigen Skala ) unter Eis.
Diese ganze Zeit über ist der Himmel in Sibirien voll-
kommen heiter; man bemerkt niemals auch nur das
kleinste Wölkchen. Es würde schwer seyn, spricht
Hansteen, einen, für astronomische Beobachtungen geeig-
nerten, reinern Himmel zu finden. Die Sonne geht
bei 38 bis 40° Kälte ( - in dem ganzen Aufsatze ist die
hundertgrädige Scala angenommen - ) auf und unter,
und zwar mit ganz ungetrübtem Glanze, und ohne al-
len jenen röthlichen Schein, den wir im Sommer vor-
hergehen und nachfolgen sehen. Aus dieser außerordent-
lichen Reinheit der Luft, folgt eine sehr beträchtliche
Verschiedenheit der Temperatur, im Schatten und im
[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] dung. – Die öffentlichen Bibliotheken sind sehr häufig
nur verschlossene Schatzkammern. Wenigstens haben
nur die eigentlichen Gelehrten Zutritt zu den aufgespei-
cherten Gütern. Das Volk selbst schöpft keine geistige
Labung aus diesen Bornen. Die einzige Ausnahme
hiervon macht die isländische Bibliothek, die aus etwa
4000 Bänden besteht. Die Leihbibliotheken, welche der
Buchhändler Wrigt 1740 zuerst errichtete, und die neu
erfundenen Lesegesellschaften oder Lesekabinete, enthalten
den wahren Stoff der allgemeinen Lectüre. Ganz ge-
wiß wäre zu wünschen, daß diese Anstalten mit nütz-
lichern Schriften sich versorgten, und daß sie unsittliche
und fade Werke zu führen verschmähten; um so mehr,
da im Ganzen die steigende Zahl dieser Anstalten ( in
Deutschland zählt man 10,000 Leseinstitute ) für einen
erfreulichen Aufschwung der Lectüre in allen Klassen
Zeugniß giebt. Nicht mehr beschränken sich diese Jnsti-
tute auf die Städte, sondern verbreiten sich bereits über
das flache Land. Jn mehrern Staaten bildeten sich so-
gar wandernde Bibliotheken, die monatlich von Dorf
zu Dorf gehen. Jn England findet man sie am häufig-
sten, in Deutschland sind sie noch im Entstehen.



Schilderung des Lebens eines
australischen Ansiedlers
.

Unter den verschiedenen Geschöpfen, welche die
Wälder Australiens bewohnen, giebt es Eines, das,
wenn auch nicht so sonderbar gebildet und über eine so
große Strecke verbreitet wie das Känguruh, seinem
Charakter und Ansehen nach gar nicht unmerkwürdig
ist. Dies Geschöpf ist der Pflanzer in Neu=Süd-
Wales. Er ist ein ganz außerordentliches Wesen;
freigebig und gastlich gegen Fremde und durchgehende
Reisende, versagt er sich oftmals selbst die Vergnügun-
gen des Lebens; seine rohgebaute Lehmhütte, die bei
jedem Windstoße umzustürzen droht, trotzt der Wuth
des Sturmes, der die mächtigsten Bäume entwurzelt
und zu Boden wirft, und bietet oftmals dem müden
Wanderer Schutz, bisweilen sogar Behagen. Wenn
ein Fremder ankommt, so wird ihm stets das Beste
vorgesetzt, was das Haus besitzt. Der Thee macht
einen Hauptbestandtheil der Mahlzeit aus, und muß
auch in Ermangelung des Grogs die Abende verkürzen.
Der Stoff des Gesprächs ist im Allgemeinen – die Re-
gierung – der Zustand des Landes, Herrn * * Waizen,
Heren * * * Pferde, die Sidneyracen, des Ansiedlers
eigene Zucht – die Beschreibung der umliegenden Ge-
gend, die immer mit den Worten schließt: „es ist hier kein
Land etwas werth“ oder „das Land ist gut, hat aber
kein Wasser“; – Entschuldigungen der schlechten Woh-
nung und Versicherung, daß er eine neue, bessere zu
bauen gedenke, sobald der Weizen herein und der Mais
geerndtet sei. Dies geschieht aber gewöhnlich nicht eher,
[Spaltenumbruch] als bis die alte einfällt oder von dem Sturme umge-
worfen wird, und dann bauet der Ansiedler eine an-
dere, die der alten aufs Haar ähnlich ist, „blos um
auf einige Zeit einen Zufluchtsort zu haben;“ er ist so
geschäftig, daß er keine Zeit zu Etwas finden kann,
giebt aber nie den Plan zu bauen auf. Nachdem alles
dies abgefertigt ist, zeigt man dem Fremden das Bett,
das gewöhnlich eine Streu, aber bis auf die Flöhe, die
jede Ansiedelung in reichem Maße besitzt, ziemlich be-
quem ist.

Wenn er am Morgen erwacht, findet er seinen
Wirth schon an der Thüre stehend, wo er ihm von
neuem seine Plane für die Zukunft mittheilt.

Hat der Ansiedler keinen Gast, so ist er den ganzen
Tag auf den Beinen oder auf dem Rücken seines Pfer-
des, um das Land in Augenschein zu nehmen, die Ar-
beiten zu leiten, und findet selten Zeit zum Essen, bis
die Sonne untergegangen ist, wo er das Mittagsmahl
und den Thee gewöhnlich auf einmal abfertigt und dann
Befehl ertheilt, was den andern Tag gearbeitet und
wohin das Vieh getrieben werden soll.

Wenn der Zucker und der Thee ausgehen, so muß
er eine Reise nach Sidney machen und dann erkennt man
ihn an seiner grauen Mähre, an deren Seite ein Füllen
läuft, an dem breiten Strohhute, der Barchentjacke
und dem Felleisen hinter seinem Sattel. Gewöhnlich
reitet er einen Paß, reiset täglich 30–40 ( engl. ) Mei-
len und bedauert, die liebe Heimath verlassen zu müssen.
Jn Sidney fertigt er in Eile seine Geschäfte ab – fin-
det an Allem, was er sieht, Vergnügen, sehnt sich
nach Hause, hält sich selten länger als eine Woche auf
und kehrt endlich so freudig und vergnügt nach Hause
zurück, als wenn er aus einem Gefängnisse käme.



Sibiriens=Winterklima.

Herr Hansteen, der im letzten Winter in Sibirien
reisete, giebt über das Klima jenes Landes merkwürdige
Nachrichten.

Während vier bis fünf Monate des Jahres, steht
der Thermometer gewöhnlich zwischen dem 25sten und
43sten Grade ( der hundertgrädigen Skala ) unter Eis.
Diese ganze Zeit über ist der Himmel in Sibirien voll-
kommen heiter; man bemerkt niemals auch nur das
kleinste Wölkchen. Es würde schwer seyn, spricht
Hansteen, einen, für astronomische Beobachtungen geeig-
nerten, reinern Himmel zu finden. Die Sonne geht
bei 38 bis 40° Kälte ( – in dem ganzen Aufsatze ist die
hundertgrädige Scala angenommen – ) auf und unter,
und zwar mit ganz ungetrübtem Glanze, und ohne al-
len jenen röthlichen Schein, den wir im Sommer vor-
hergehen und nachfolgen sehen. Aus dieser außerordent-
lichen Reinheit der Luft, folgt eine sehr beträchtliche
Verschiedenheit der Temperatur, im Schatten und im
[Ende Spaltensatz]

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jArticle" n="1">
        <p><pb facs="#f0006" n="102"/><fw type="header" place="top"><hi rendition="#g">Das Heller=Blatt.</hi></fw><cb type="start"/>
dung. &#x2013; Die öffentlichen Bibliotheken sind sehr häufig<lb/>
nur verschlossene Schatzkammern. Wenigstens haben<lb/>
nur die eigentlichen Gelehrten Zutritt zu den aufgespei-<lb/>
cherten Gütern. Das Volk selbst schöpft keine geistige<lb/>
Labung aus diesen Bornen. Die einzige Ausnahme<lb/>
hiervon macht die isländische Bibliothek, die aus etwa<lb/>
4000 Bänden besteht. Die Leihbibliotheken, welche der<lb/>
Buchhändler Wrigt 1740 zuerst errichtete, und die neu<lb/>
erfundenen Lesegesellschaften oder Lesekabinete, enthalten<lb/>
den wahren Stoff der allgemeinen Lectüre. Ganz ge-<lb/>
wiß wäre zu wünschen, daß diese Anstalten mit nütz-<lb/>
lichern Schriften sich versorgten, und daß sie unsittliche<lb/>
und fade Werke zu führen verschmähten; um so mehr,<lb/>
da im Ganzen die steigende Zahl dieser Anstalten ( in<lb/>
Deutschland zählt man 10,000 Leseinstitute ) für einen<lb/>
erfreulichen Aufschwung der Lectüre in allen Klassen<lb/>
Zeugniß giebt. Nicht mehr beschränken sich diese Jnsti-<lb/>
tute auf die Städte, sondern verbreiten sich bereits über<lb/>
das flache Land. Jn mehrern Staaten bildeten sich so-<lb/>
gar wandernde Bibliotheken, die monatlich von Dorf<lb/>
zu Dorf gehen. Jn England findet man sie am häufig-<lb/>
sten, in Deutschland sind sie noch im Entstehen.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Schilderung des Lebens eines<lb/>
australischen Ansiedlers</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Unter den verschiedenen Geschöpfen, welche die<lb/>
Wälder Australiens bewohnen, giebt es Eines, das,<lb/>
wenn auch nicht so sonderbar gebildet und über eine so<lb/>
große Strecke verbreitet wie das Känguruh, seinem<lb/>
Charakter und Ansehen nach gar nicht unmerkwürdig<lb/>
ist. Dies Geschöpf ist der Pflanzer in Neu=Süd-<lb/>
Wales. Er ist ein ganz außerordentliches Wesen;<lb/>
freigebig und gastlich gegen Fremde und durchgehende<lb/>
Reisende, versagt er sich oftmals selbst die Vergnügun-<lb/>
gen des Lebens; seine rohgebaute Lehmhütte, die bei<lb/>
jedem Windstoße umzustürzen droht, trotzt der Wuth<lb/>
des Sturmes, der die mächtigsten Bäume entwurzelt<lb/>
und zu Boden wirft, und bietet oftmals dem müden<lb/>
Wanderer Schutz, bisweilen sogar Behagen. Wenn<lb/>
ein Fremder ankommt, so wird ihm stets das Beste<lb/>
vorgesetzt, was das Haus besitzt. Der Thee macht<lb/>
einen Hauptbestandtheil der Mahlzeit aus, und muß<lb/>
auch in Ermangelung des Grogs die Abende verkürzen.<lb/>
Der Stoff des Gesprächs ist im Allgemeinen &#x2013; die Re-<lb/>
gierung &#x2013; der Zustand des Landes, Herrn <hi rendition="#sup">* *</hi> Waizen,<lb/>
Heren <hi rendition="#sup">* * *</hi> Pferde, die Sidneyracen, des Ansiedlers<lb/>
eigene Zucht &#x2013; die Beschreibung der umliegenden Ge-<lb/>
gend, die immer mit den Worten schließt: &#x201E;es ist hier kein<lb/>
Land etwas werth&#x201C; oder &#x201E;das Land ist gut, hat aber<lb/>
kein Wasser&#x201C;; &#x2013; Entschuldigungen der schlechten Woh-<lb/>
nung und Versicherung, daß er eine neue, bessere zu<lb/>
bauen gedenke, sobald der Weizen herein und der Mais<lb/>
geerndtet sei. Dies geschieht aber gewöhnlich nicht eher,<lb/><cb n="2"/>
als bis die alte einfällt oder von dem Sturme umge-<lb/>
worfen wird, und dann bauet der Ansiedler eine an-<lb/>
dere, die der alten aufs Haar ähnlich ist, &#x201E;blos um<lb/>
auf einige Zeit einen Zufluchtsort zu haben;&#x201C; er ist so<lb/>
geschäftig, daß er keine Zeit zu Etwas finden kann,<lb/>
giebt aber nie den Plan zu bauen auf. Nachdem alles<lb/>
dies abgefertigt ist, zeigt man dem Fremden das Bett,<lb/>
das gewöhnlich eine Streu, aber bis auf die Flöhe, die<lb/>
jede Ansiedelung in reichem Maße besitzt, ziemlich be-<lb/>
quem ist.</p><lb/>
        <p>Wenn er am Morgen erwacht, findet er seinen<lb/>
Wirth schon an der Thüre stehend, wo er ihm von<lb/>
neuem seine Plane für die Zukunft mittheilt.</p><lb/>
        <p>Hat der Ansiedler keinen Gast, so ist er den ganzen<lb/>
Tag auf den Beinen oder auf dem Rücken seines Pfer-<lb/>
des, um das Land in Augenschein zu nehmen, die Ar-<lb/>
beiten zu leiten, und findet selten Zeit zum Essen, bis<lb/>
die Sonne untergegangen ist, wo er das Mittagsmahl<lb/>
und den Thee gewöhnlich auf einmal abfertigt und dann<lb/>
Befehl ertheilt, was den andern Tag gearbeitet und<lb/>
wohin das Vieh getrieben werden soll.</p><lb/>
        <p>Wenn der Zucker und der Thee ausgehen, so muß<lb/>
er eine Reise nach Sidney machen und dann erkennt man<lb/>
ihn an seiner grauen Mähre, an deren Seite ein Füllen<lb/>
läuft, an dem breiten Strohhute, der Barchentjacke<lb/>
und dem Felleisen hinter seinem Sattel. Gewöhnlich<lb/>
reitet er einen Paß, reiset täglich 30&#x2013;40 ( engl. ) Mei-<lb/>
len und bedauert, die liebe Heimath verlassen zu müssen.<lb/>
Jn Sidney fertigt er in Eile seine Geschäfte ab &#x2013; fin-<lb/>
det an Allem, was er sieht, Vergnügen, sehnt sich<lb/>
nach Hause, hält sich selten länger als eine Woche auf<lb/>
und kehrt endlich so freudig und vergnügt nach Hause<lb/>
zurück, als wenn er aus einem Gefängnisse käme.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="jArticle" n="1">
        <head> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Sibiriens=Winterklima</hi>.</hi> </head><lb/>
        <p>Herr Hansteen, der im letzten Winter in Sibirien<lb/>
reisete, giebt über das Klima jenes Landes merkwürdige<lb/>
Nachrichten.</p><lb/>
        <p>Während vier bis fünf Monate des Jahres, steht<lb/>
der Thermometer gewöhnlich zwischen dem 25sten und<lb/>
43sten Grade ( der hundertgrädigen Skala ) unter Eis.<lb/>
Diese ganze Zeit über ist der Himmel in Sibirien voll-<lb/>
kommen heiter; man bemerkt niemals auch nur das<lb/>
kleinste Wölkchen. Es würde schwer seyn, spricht<lb/>
Hansteen, einen, für astronomische Beobachtungen geeig-<lb/>
nerten, reinern Himmel zu finden. Die Sonne geht<lb/>
bei 38 bis 40° Kälte ( &#x2013; in dem ganzen Aufsatze ist die<lb/>
hundertgrädige Scala angenommen &#x2013; ) auf und unter,<lb/>
und zwar mit ganz ungetrübtem Glanze, und ohne al-<lb/>
len jenen röthlichen Schein, den wir im Sommer vor-<lb/>
hergehen und nachfolgen sehen. Aus dieser außerordent-<lb/>
lichen Reinheit der Luft, folgt eine sehr beträchtliche<lb/>
Verschiedenheit der Temperatur, im Schatten und im<lb/><cb type="end"/>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0006] Das Heller=Blatt. dung. – Die öffentlichen Bibliotheken sind sehr häufig nur verschlossene Schatzkammern. Wenigstens haben nur die eigentlichen Gelehrten Zutritt zu den aufgespei- cherten Gütern. Das Volk selbst schöpft keine geistige Labung aus diesen Bornen. Die einzige Ausnahme hiervon macht die isländische Bibliothek, die aus etwa 4000 Bänden besteht. Die Leihbibliotheken, welche der Buchhändler Wrigt 1740 zuerst errichtete, und die neu erfundenen Lesegesellschaften oder Lesekabinete, enthalten den wahren Stoff der allgemeinen Lectüre. Ganz ge- wiß wäre zu wünschen, daß diese Anstalten mit nütz- lichern Schriften sich versorgten, und daß sie unsittliche und fade Werke zu führen verschmähten; um so mehr, da im Ganzen die steigende Zahl dieser Anstalten ( in Deutschland zählt man 10,000 Leseinstitute ) für einen erfreulichen Aufschwung der Lectüre in allen Klassen Zeugniß giebt. Nicht mehr beschränken sich diese Jnsti- tute auf die Städte, sondern verbreiten sich bereits über das flache Land. Jn mehrern Staaten bildeten sich so- gar wandernde Bibliotheken, die monatlich von Dorf zu Dorf gehen. Jn England findet man sie am häufig- sten, in Deutschland sind sie noch im Entstehen. Schilderung des Lebens eines australischen Ansiedlers. Unter den verschiedenen Geschöpfen, welche die Wälder Australiens bewohnen, giebt es Eines, das, wenn auch nicht so sonderbar gebildet und über eine so große Strecke verbreitet wie das Känguruh, seinem Charakter und Ansehen nach gar nicht unmerkwürdig ist. Dies Geschöpf ist der Pflanzer in Neu=Süd- Wales. Er ist ein ganz außerordentliches Wesen; freigebig und gastlich gegen Fremde und durchgehende Reisende, versagt er sich oftmals selbst die Vergnügun- gen des Lebens; seine rohgebaute Lehmhütte, die bei jedem Windstoße umzustürzen droht, trotzt der Wuth des Sturmes, der die mächtigsten Bäume entwurzelt und zu Boden wirft, und bietet oftmals dem müden Wanderer Schutz, bisweilen sogar Behagen. Wenn ein Fremder ankommt, so wird ihm stets das Beste vorgesetzt, was das Haus besitzt. Der Thee macht einen Hauptbestandtheil der Mahlzeit aus, und muß auch in Ermangelung des Grogs die Abende verkürzen. Der Stoff des Gesprächs ist im Allgemeinen – die Re- gierung – der Zustand des Landes, Herrn * * Waizen, Heren * * * Pferde, die Sidneyracen, des Ansiedlers eigene Zucht – die Beschreibung der umliegenden Ge- gend, die immer mit den Worten schließt: „es ist hier kein Land etwas werth“ oder „das Land ist gut, hat aber kein Wasser“; – Entschuldigungen der schlechten Woh- nung und Versicherung, daß er eine neue, bessere zu bauen gedenke, sobald der Weizen herein und der Mais geerndtet sei. Dies geschieht aber gewöhnlich nicht eher, als bis die alte einfällt oder von dem Sturme umge- worfen wird, und dann bauet der Ansiedler eine an- dere, die der alten aufs Haar ähnlich ist, „blos um auf einige Zeit einen Zufluchtsort zu haben;“ er ist so geschäftig, daß er keine Zeit zu Etwas finden kann, giebt aber nie den Plan zu bauen auf. Nachdem alles dies abgefertigt ist, zeigt man dem Fremden das Bett, das gewöhnlich eine Streu, aber bis auf die Flöhe, die jede Ansiedelung in reichem Maße besitzt, ziemlich be- quem ist. Wenn er am Morgen erwacht, findet er seinen Wirth schon an der Thüre stehend, wo er ihm von neuem seine Plane für die Zukunft mittheilt. Hat der Ansiedler keinen Gast, so ist er den ganzen Tag auf den Beinen oder auf dem Rücken seines Pfer- des, um das Land in Augenschein zu nehmen, die Ar- beiten zu leiten, und findet selten Zeit zum Essen, bis die Sonne untergegangen ist, wo er das Mittagsmahl und den Thee gewöhnlich auf einmal abfertigt und dann Befehl ertheilt, was den andern Tag gearbeitet und wohin das Vieh getrieben werden soll. Wenn der Zucker und der Thee ausgehen, so muß er eine Reise nach Sidney machen und dann erkennt man ihn an seiner grauen Mähre, an deren Seite ein Füllen läuft, an dem breiten Strohhute, der Barchentjacke und dem Felleisen hinter seinem Sattel. Gewöhnlich reitet er einen Paß, reiset täglich 30–40 ( engl. ) Mei- len und bedauert, die liebe Heimath verlassen zu müssen. Jn Sidney fertigt er in Eile seine Geschäfte ab – fin- det an Allem, was er sieht, Vergnügen, sehnt sich nach Hause, hält sich selten länger als eine Woche auf und kehrt endlich so freudig und vergnügt nach Hause zurück, als wenn er aus einem Gefängnisse käme. Sibiriens=Winterklima. Herr Hansteen, der im letzten Winter in Sibirien reisete, giebt über das Klima jenes Landes merkwürdige Nachrichten. Während vier bis fünf Monate des Jahres, steht der Thermometer gewöhnlich zwischen dem 25sten und 43sten Grade ( der hundertgrädigen Skala ) unter Eis. Diese ganze Zeit über ist der Himmel in Sibirien voll- kommen heiter; man bemerkt niemals auch nur das kleinste Wölkchen. Es würde schwer seyn, spricht Hansteen, einen, für astronomische Beobachtungen geeig- nerten, reinern Himmel zu finden. Die Sonne geht bei 38 bis 40° Kälte ( – in dem ganzen Aufsatze ist die hundertgrädige Scala angenommen – ) auf und unter, und zwar mit ganz ungetrübtem Glanze, und ohne al- len jenen röthlichen Schein, den wir im Sommer vor- hergehen und nachfolgen sehen. Aus dieser außerordent- lichen Reinheit der Luft, folgt eine sehr beträchtliche Verschiedenheit der Temperatur, im Schatten und im

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller13_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller13_1834/6
Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 9. Breslau, 29. März 1834, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller13_1834/6>, abgerufen am 24.11.2024.