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Das Heller-Blatt. Nr. 9. Breslau, 8. März 1834.

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Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] Thaler für jeden Reisenden zu nehmen sich weigerten;
jene boten einen Thaler, und da dies abgeschlagen wurde,
so verließen sie Suakin, in der Absicht, sobald sie Taka
erreicht, nach Massua sich zu wenden, wo sie gewiß
waren, daß ein Thaler, das einzige was sie erschwin-
gen konnten, ihnen die Ueberfahrt an die Küsten von
Yemen verschaffen würde; um deswillen traten sie eine
Reise von wenigstens dreißig Tagen an, und berechne-
ten, daß auf einer so wohlbesuchten Straße sie im
Stande seyn würden, ihre Ausgaben durch Arbeit oder
Betteln zu bestreiten. Entfernung wird kaum je von
diesen Pilgrimen in Betracht genommen, noch über-
haupt von Beduinen oder Händlern in diesen Gegen-
den; nach Beschwerden fragen sie wenig, nach Zeitver-
lust noch weniger; ein Gegenstand beschäftigt allein ihre
Aufmerksamkeit unter den zwei Formen wirklichen Ge-
winnstes und Ersparniß der Ausgaben."



Die schönen Weiber von Atbara.

Während Burckhardt mit der Karavane durch die
Wüste, welche Egypten von Abessinien trennt, nach
dem rothen Meere zog, kam er durch das Land der Män-
ner von Atbara, und er giebt in der Kürze von diesem
Beduinenstamme eine anziehende Schilderung. Atbara,
sagt Burckhardt, ist die Residenz des Hauptes vom
Stamme Hammadab, einem der kräftigsten Stämme
der Bischarin. Der Flecken, oder eigentlich das Lager At-
bara, bestand aus mehreren langen unregelmäßigen
Straßen von Zelten, die aus Matten vom Laub des
Dumbaumes gebildet waren, und gegen zweihundert
Familien der Bischarin faßten. Jn den kleinen Zelten
lebten beide Geschlechter zusammen, und dies galt als
Armuth, die wohlhabenderen hatten größere Zelte in
zwei Abtheilungen, in der vordern wohnten die männ-
lichen, in der hintern Abtheilung die weiblichen Be-
wohner, auch diente die letztere Abtheilung zugleich als
Küche.

Kaum war es in Atbara bekannt geworden, daß
eine große Karavane angekommen wäre und die Absicht
hätte, einige Tage zu halten, so kam eine große Menge
Bischarin mit Dhurra, Schaafen, Butter und Milch,
sie gegen andere Waaren umzutauschen. Wenige ver-
standen arabisch, wohl aber ihre Sclaven. Jhr Putz
war überall derselbe, und bestand einzig in einem Da-
murhemde, das beide, Männer und Frauen, trugen.
Letztere fand ich auffallend schön; sie waren von dunkel-
brauner Farbe, mit lieblichen Augen und weißen Zäh-
nen; ihre Gestalt war schlank und zierlich. Sie schie-
nen ohne Furcht, vor Eifersucht ihrer Männer oder Vä-
ter, und sie kamen lachend und scherzend ganz nahe an
unsere Zelte, und die, welche des Arabischen unkundig
waren, suchten sich durch Zeichen zu verständigen. Die
[Spaltenumbruch] Schönheiten schienen ihrer Reize sich bewust, aber es
war leicht zu bemerken, wie sie mit uns in keiner an-
dern Absicht schäkerten, denn um größern Gewinnst aus
ihrer Dhurra und Milch zu ziehn, als die minder schö-
nen konnten; auch verriethen alle wenig Ehrlichkeit im
Handel mit uns. Bereits in Egypten hatte ich gehört,
daß die Bischarin keine Eifersucht unter einander ken-
nen. Ein Bischarin, der einen Fremden seine Frau
küssen sähe, würde darüber lachen, aber Tod erfolgte
unausweichbar, wenn er sie beim Ehebruch ertappte.

Die Bischarin von Atbara sind, wie alle ihre Brü-
der, ein schönes und keckes Volk, sie gehen alle bewaff-
net und sind selten ohne Zank. Jhr Hang zur Dieberei
ist nicht die schlechteste Seite ihres Charakters; sie zei-
gen sich verrätherisch, grausam, habsüchtig und rache-
dürstig, und werden in ihren Leidenschaften durch kein
göttliches und menschliches Gesetz gezügelt. Religion ist
ihnen fast nur vom Hörensagen bekannt.

Sie bestehlen sich sogar gegenseitig. Einer von
den Leuten aus dem Flecken Atbara, war mit uns aus
Schendy in seine Heimath zurückgekehrt und fand, daß
ihm seine zwei besten Kameele gestohlen waren. Er
hatte einen Nachbar im Verdacht, aber es war kein
Zeuge da, und das Oberhaupt wollte sich in die Sache
nicht mischen. Da schwur der Bestohlene, daß, wenn
er je erführe wer der Dieb wäre, so wolle er allen des-
sen Kindern den Hals abschneiden, seine Kameele läh-
men und ihn zu solcher Armuth bringen, daß er mit dem
Vieh in den Wäldern sich füttern müsse.

Meine Erscheinung erregte bei jeder Gelegenheit,
wo ich mich öffentlich zeigte, ein Geschrei der Verwun-
derung und des Schrecks, besonders unter den Frauen,
die nicht wenig erschrocken waren, einen solchen Aus-
wurf der Natur, als den sie einen weißen Mann be-
trachteten, in ihre Hütten hineinkommen zu sehen, in-
dem er um Milch oder Wasser handelte.

Dasselbe widerfuhr mir öfters in Schendy, zumal
an Markttagen. Einstmals, nachdem ich um einige
Zwiebeln mit einem Bauermädchen zu Schendy gehan-
delt, sagte sie mir, daß, wenn ich meinen Turban
abnehmen und ihr mein Haupt zeigen wollte, so würde
sie mir fünf Zwiebeln mehr geben; ich verlangte acht,
die sie auch gab. Als ich meinen Turban abnahm,
schauderte sie beim Anblick meiner weißen, ganz geschor-
nen, Platte zurück, und als ich sie scherzend fragte, ob
sie zufrieden wäre, einen Mann mit solchem Haupt zu
bekommen, so bezeugte sie die größte Verwunderung
und Eckel, und schwur, daß sie lieber mit dem garstig-
sten Darfursklaven leben wollte.



Der Perücken=Affe.

Dieses sehr schöne Thier ist in Guinea zu Hause
und lebt wie alle Affenarten von Früchten. Die

[Ende Spaltensatz]

Das Heller=Blatt.
[Beginn Spaltensatz] Thaler für jeden Reisenden zu nehmen sich weigerten;
jene boten einen Thaler, und da dies abgeschlagen wurde,
so verließen sie Suakin, in der Absicht, sobald sie Taka
erreicht, nach Massua sich zu wenden, wo sie gewiß
waren, daß ein Thaler, das einzige was sie erschwin-
gen konnten, ihnen die Ueberfahrt an die Küsten von
Yemen verschaffen würde; um deswillen traten sie eine
Reise von wenigstens dreißig Tagen an, und berechne-
ten, daß auf einer so wohlbesuchten Straße sie im
Stande seyn würden, ihre Ausgaben durch Arbeit oder
Betteln zu bestreiten. Entfernung wird kaum je von
diesen Pilgrimen in Betracht genommen, noch über-
haupt von Beduinen oder Händlern in diesen Gegen-
den; nach Beschwerden fragen sie wenig, nach Zeitver-
lust noch weniger; ein Gegenstand beschäftigt allein ihre
Aufmerksamkeit unter den zwei Formen wirklichen Ge-
winnstes und Ersparniß der Ausgaben.“



Die schönen Weiber von Atbara.

Während Burckhardt mit der Karavane durch die
Wüste, welche Egypten von Abessinien trennt, nach
dem rothen Meere zog, kam er durch das Land der Män-
ner von Atbara, und er giebt in der Kürze von diesem
Beduinenstamme eine anziehende Schilderung. Atbara,
sagt Burckhardt, ist die Residenz des Hauptes vom
Stamme Hammadab, einem der kräftigsten Stämme
der Bischarin. Der Flecken, oder eigentlich das Lager At-
bara, bestand aus mehreren langen unregelmäßigen
Straßen von Zelten, die aus Matten vom Laub des
Dumbaumes gebildet waren, und gegen zweihundert
Familien der Bischarin faßten. Jn den kleinen Zelten
lebten beide Geschlechter zusammen, und dies galt als
Armuth, die wohlhabenderen hatten größere Zelte in
zwei Abtheilungen, in der vordern wohnten die männ-
lichen, in der hintern Abtheilung die weiblichen Be-
wohner, auch diente die letztere Abtheilung zugleich als
Küche.

Kaum war es in Atbara bekannt geworden, daß
eine große Karavane angekommen wäre und die Absicht
hätte, einige Tage zu halten, so kam eine große Menge
Bischarin mit Dhurra, Schaafen, Butter und Milch,
sie gegen andere Waaren umzutauschen. Wenige ver-
standen arabisch, wohl aber ihre Sclaven. Jhr Putz
war überall derselbe, und bestand einzig in einem Da-
murhemde, das beide, Männer und Frauen, trugen.
Letztere fand ich auffallend schön; sie waren von dunkel-
brauner Farbe, mit lieblichen Augen und weißen Zäh-
nen; ihre Gestalt war schlank und zierlich. Sie schie-
nen ohne Furcht, vor Eifersucht ihrer Männer oder Vä-
ter, und sie kamen lachend und scherzend ganz nahe an
unsere Zelte, und die, welche des Arabischen unkundig
waren, suchten sich durch Zeichen zu verständigen. Die
[Spaltenumbruch] Schönheiten schienen ihrer Reize sich bewust, aber es
war leicht zu bemerken, wie sie mit uns in keiner an-
dern Absicht schäkerten, denn um größern Gewinnst aus
ihrer Dhurra und Milch zu ziehn, als die minder schö-
nen konnten; auch verriethen alle wenig Ehrlichkeit im
Handel mit uns. Bereits in Egypten hatte ich gehört,
daß die Bischarin keine Eifersucht unter einander ken-
nen. Ein Bischarin, der einen Fremden seine Frau
küssen sähe, würde darüber lachen, aber Tod erfolgte
unausweichbar, wenn er sie beim Ehebruch ertappte.

Die Bischarin von Atbara sind, wie alle ihre Brü-
der, ein schönes und keckes Volk, sie gehen alle bewaff-
net und sind selten ohne Zank. Jhr Hang zur Dieberei
ist nicht die schlechteste Seite ihres Charakters; sie zei-
gen sich verrätherisch, grausam, habsüchtig und rache-
dürstig, und werden in ihren Leidenschaften durch kein
göttliches und menschliches Gesetz gezügelt. Religion ist
ihnen fast nur vom Hörensagen bekannt.

Sie bestehlen sich sogar gegenseitig. Einer von
den Leuten aus dem Flecken Atbara, war mit uns aus
Schendy in seine Heimath zurückgekehrt und fand, daß
ihm seine zwei besten Kameele gestohlen waren. Er
hatte einen Nachbar im Verdacht, aber es war kein
Zeuge da, und das Oberhaupt wollte sich in die Sache
nicht mischen. Da schwur der Bestohlene, daß, wenn
er je erführe wer der Dieb wäre, so wolle er allen des-
sen Kindern den Hals abschneiden, seine Kameele läh-
men und ihn zu solcher Armuth bringen, daß er mit dem
Vieh in den Wäldern sich füttern müsse.

Meine Erscheinung erregte bei jeder Gelegenheit,
wo ich mich öffentlich zeigte, ein Geschrei der Verwun-
derung und des Schrecks, besonders unter den Frauen,
die nicht wenig erschrocken waren, einen solchen Aus-
wurf der Natur, als den sie einen weißen Mann be-
trachteten, in ihre Hütten hineinkommen zu sehen, in-
dem er um Milch oder Wasser handelte.

Dasselbe widerfuhr mir öfters in Schendy, zumal
an Markttagen. Einstmals, nachdem ich um einige
Zwiebeln mit einem Bauermädchen zu Schendy gehan-
delt, sagte sie mir, daß, wenn ich meinen Turban
abnehmen und ihr mein Haupt zeigen wollte, so würde
sie mir fünf Zwiebeln mehr geben; ich verlangte acht,
die sie auch gab. Als ich meinen Turban abnahm,
schauderte sie beim Anblick meiner weißen, ganz geschor-
nen, Platte zurück, und als ich sie scherzend fragte, ob
sie zufrieden wäre, einen Mann mit solchem Haupt zu
bekommen, so bezeugte sie die größte Verwunderung
und Eckel, und schwur, daß sie lieber mit dem garstig-
sten Darfursklaven leben wollte.



Der Perücken=Affe.

Dieses sehr schöne Thier ist in Guinea zu Hause
und lebt wie alle Affenarten von Früchten. Die

[Ende Spaltensatz]
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Die Schönheiten schienen ihrer Reize sich bewust, aber es war leicht zu bemerken, wie sie mit uns in keiner an- dern Absicht schäkerten, denn um größern Gewinnst aus ihrer Dhurra und Milch zu ziehn, als die minder schö- nen konnten; auch verriethen alle wenig Ehrlichkeit im Handel mit uns. Bereits in Egypten hatte ich gehört, daß die Bischarin keine Eifersucht unter einander ken- nen. Ein Bischarin, der einen Fremden seine Frau küssen sähe, würde darüber lachen, aber Tod erfolgte unausweichbar, wenn er sie beim Ehebruch ertappte. Die Bischarin von Atbara sind, wie alle ihre Brü- der, ein schönes und keckes Volk, sie gehen alle bewaff- net und sind selten ohne Zank. Jhr Hang zur Dieberei ist nicht die schlechteste Seite ihres Charakters; sie zei- gen sich verrätherisch, grausam, habsüchtig und rache- dürstig, und werden in ihren Leidenschaften durch kein göttliches und menschliches Gesetz gezügelt. Religion ist ihnen fast nur vom Hörensagen bekannt. Sie bestehlen sich sogar gegenseitig. Einer von den Leuten aus dem Flecken Atbara, war mit uns aus Schendy in seine Heimath zurückgekehrt und fand, daß ihm seine zwei besten Kameele gestohlen waren. Er hatte einen Nachbar im Verdacht, aber es war kein Zeuge da, und das Oberhaupt wollte sich in die Sache nicht mischen. Da schwur der Bestohlene, daß, wenn er je erführe wer der Dieb wäre, so wolle er allen des- sen Kindern den Hals abschneiden, seine Kameele läh- men und ihn zu solcher Armuth bringen, daß er mit dem Vieh in den Wäldern sich füttern müsse. Meine Erscheinung erregte bei jeder Gelegenheit, wo ich mich öffentlich zeigte, ein Geschrei der Verwun- derung und des Schrecks, besonders unter den Frauen, die nicht wenig erschrocken waren, einen solchen Aus- wurf der Natur, als den sie einen weißen Mann be- trachteten, in ihre Hütten hineinkommen zu sehen, in- dem er um Milch oder Wasser handelte. Dasselbe widerfuhr mir öfters in Schendy, zumal an Markttagen. Einstmals, nachdem ich um einige Zwiebeln mit einem Bauermädchen zu Schendy gehan- delt, sagte sie mir, daß, wenn ich meinen Turban abnehmen und ihr mein Haupt zeigen wollte, so würde sie mir fünf Zwiebeln mehr geben; ich verlangte acht, die sie auch gab. Als ich meinen Turban abnahm, schauderte sie beim Anblick meiner weißen, ganz geschor- nen, Platte zurück, und als ich sie scherzend fragte, ob sie zufrieden wäre, einen Mann mit solchem Haupt zu bekommen, so bezeugte sie die größte Verwunderung und Eckel, und schwur, daß sie lieber mit dem garstig- sten Darfursklaven leben wollte. Der Perücken=Affe. Dieses sehr schöne Thier ist in Guinea zu Hause und lebt wie alle Affenarten von Früchten. Die

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Zitationshilfe: Das Heller-Blatt. Nr. 9. Breslau, 8. März 1834, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_heller10_1834/3>, abgerufen am 16.07.2024.