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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 14. Berlin-Charlottenburg, 20. April 1905.

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wie er war, hat Belgien heute nicht aufzuweisen. Die hervorragenden Er-
scheinungen dieses Landes sind heute Stilisten: Meunier, Laermans, Khnopff.
Wer große Maler sucht, muß nach Frankreich hinüberstreifen, und auch bei
uns wird er einige finden.

Richard Muther, der Jmpressionist unter den Kunstschriftstellern dieser
Tage, hat bei S. Fischer in Berlin ein mit guten Abbildungen versehenes
kleines Werk über die belgische Malerei im neunzehnten Jahrhundert heraus-
gegeben, auf das die, welche tiefer in das Thema einzudringen Neigung haben,
verwiesen seien. Die Aufgabe, die sich Muther stellte, nämlich eine Entwicke-
lung der belgischen Malerei im Laufe des verflossenen Jahrhunderts zu geben,
war nicht leicht zu lösen, da es an historischen Vorarbeiten jeder Art fehlt
und nicht einmal ein Katalog des Brüsseler Museums, das in erster Linie zu
studieren war, existiert. Muther hat sich mit seiner Aufgabe gut abgefunden,
wenn er auch nicht zu der abgerundeten Wirkung gelangt, die wir von seinen
früheren, umfassenderen Werken her kennen. Er hat eine kleine Revue ge-
geben, die das Wesentliche betont und aus den großen europäischen Kunst-
strömungen zu erklären sucht resp. in Beziehung zu ihnen setzt.

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Aus dem russischen Hauptquartier.*)
Mein lieber Karl Anton!

-- -- -- Deinen Wunsch, den noch zu erwartenden großen Ereignissen
hier beiwohnen zu wollen, kann ich wohl verstehen, denn Du ahnst ja nicht die
unsäglich traurigen Verhältnisse bei uns. Wenn Du wirklich kommst, wirst
Du uns bald wieder den Rücken kehren. Gern will ich Dir eine kleine Schil-
derung unseres Lebens hier geben, wennschon sie nicht Deinen Wunsch, heraus-
zukommen, irgendwie beleben wird ( oder etwa gerade? ) . Wir leben in sehr
wohnlichen Erdhöhlen, die Verpflegung ist in letzter Zeit recht gut, leider kommen

*) Der nachstehende, fast vollständig wiedergegebene Brief eines höheren Offi-
ziers vom mandschurischen Kriegsschauplatze an eine hochstehende Persönlichkeit in Berlin
wird mir von A. Vant zur Verfügung gestellt. Er spricht Bände!

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wie er war, hat Belgien heute nicht aufzuweisen. Die hervorragenden Er-
scheinungen dieses Landes sind heute Stilisten: Meunier, Laermans, Khnopff.
Wer große Maler sucht, muß nach Frankreich hinüberstreifen, und auch bei
uns wird er einige finden.

Richard Muther, der Jmpressionist unter den Kunstschriftstellern dieser
Tage, hat bei S. Fischer in Berlin ein mit guten Abbildungen versehenes
kleines Werk über die belgische Malerei im neunzehnten Jahrhundert heraus-
gegeben, auf das die, welche tiefer in das Thema einzudringen Neigung haben,
verwiesen seien. Die Aufgabe, die sich Muther stellte, nämlich eine Entwicke-
lung der belgischen Malerei im Laufe des verflossenen Jahrhunderts zu geben,
war nicht leicht zu lösen, da es an historischen Vorarbeiten jeder Art fehlt
und nicht einmal ein Katalog des Brüsseler Museums, das in erster Linie zu
studieren war, existiert. Muther hat sich mit seiner Aufgabe gut abgefunden,
wenn er auch nicht zu der abgerundeten Wirkung gelangt, die wir von seinen
früheren, umfassenderen Werken her kennen. Er hat eine kleine Revue ge-
geben, die das Wesentliche betont und aus den großen europäischen Kunst-
strömungen zu erklären sucht resp. in Beziehung zu ihnen setzt.

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Aus dem russischen Hauptquartier.*)
Mein lieber Karl Anton!

— — — Deinen Wunsch, den noch zu erwartenden großen Ereignissen
hier beiwohnen zu wollen, kann ich wohl verstehen, denn Du ahnst ja nicht die
unsäglich traurigen Verhältnisse bei uns. Wenn Du wirklich kommst, wirst
Du uns bald wieder den Rücken kehren. Gern will ich Dir eine kleine Schil-
derung unseres Lebens hier geben, wennschon sie nicht Deinen Wunsch, heraus-
zukommen, irgendwie beleben wird ( oder etwa gerade? ) . Wir leben in sehr
wohnlichen Erdhöhlen, die Verpflegung ist in letzter Zeit recht gut, leider kommen

*) Der nachstehende, fast vollständig wiedergegebene Brief eines höheren Offi-
ziers vom mandschurischen Kriegsschauplatze an eine hochstehende Persönlichkeit in Berlin
wird mir von A. Vant zur Verfügung gestellt. Er spricht Bände!
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[690/0050] 690 Aus dem russischen Hauptquartier. wie er war, hat Belgien heute nicht aufzuweisen. Die hervorragenden Er- scheinungen dieses Landes sind heute Stilisten: Meunier, Laermans, Khnopff. Wer große Maler sucht, muß nach Frankreich hinüberstreifen, und auch bei uns wird er einige finden. Richard Muther, der Jmpressionist unter den Kunstschriftstellern dieser Tage, hat bei S. Fischer in Berlin ein mit guten Abbildungen versehenes kleines Werk über die belgische Malerei im neunzehnten Jahrhundert heraus- gegeben, auf das die, welche tiefer in das Thema einzudringen Neigung haben, verwiesen seien. Die Aufgabe, die sich Muther stellte, nämlich eine Entwicke- lung der belgischen Malerei im Laufe des verflossenen Jahrhunderts zu geben, war nicht leicht zu lösen, da es an historischen Vorarbeiten jeder Art fehlt und nicht einmal ein Katalog des Brüsseler Museums, das in erster Linie zu studieren war, existiert. Muther hat sich mit seiner Aufgabe gut abgefunden, wenn er auch nicht zu der abgerundeten Wirkung gelangt, die wir von seinen früheren, umfassenderen Werken her kennen. Er hat eine kleine Revue ge- geben, die das Wesentliche betont und aus den großen europäischen Kunst- strömungen zu erklären sucht resp. in Beziehung zu ihnen setzt. [Abbildung] Aus dem russischen Hauptquartier. *) Mein lieber Karl Anton! — — — Deinen Wunsch, den noch zu erwartenden großen Ereignissen hier beiwohnen zu wollen, kann ich wohl verstehen, denn Du ahnst ja nicht die unsäglich traurigen Verhältnisse bei uns. Wenn Du wirklich kommst, wirst Du uns bald wieder den Rücken kehren. Gern will ich Dir eine kleine Schil- derung unseres Lebens hier geben, wennschon sie nicht Deinen Wunsch, heraus- zukommen, irgendwie beleben wird ( oder etwa gerade? ) . Wir leben in sehr wohnlichen Erdhöhlen, die Verpflegung ist in letzter Zeit recht gut, leider kommen *) Der nachstehende, fast vollständig wiedergegebene Brief eines höheren Offi- ziers vom mandschurischen Kriegsschauplatze an eine hochstehende Persönlichkeit in Berlin wird mir von A. Vant zur Verfügung gestellt. Er spricht Bände!

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 14. Berlin-Charlottenburg, 20. April 1905, S. 690. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0114_1905/50>, abgerufen am 21.11.2024.