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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905.

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W. Holzamer: Joachim in Paris.
[Abbildung]
Joachim in Paris.
Von Wilhelm Holzamer, Paris.

Es ist seltsam, man nennt den Namen Joachim, und man meint gar
nicht ihn allein, man meint sein Quartett. Eine Woche lang hat dieses
Quartett in Paris gespielt, die sämtlichen sechzehn Quartette von Beethoven.
Die "Philharmonische Gesellschaft von Paris" hat das Verdienst, das möglich
gemacht zu haben. Genuß und Studium war die seltene Gelegenheit geboten,
ganz Beethoven zu erleben und eine Ganzheit von Beethoven zu erfassen.

Man nannte überall den Namen Joachim. Das bedeutet aber nicht, daß
man der Halir, Wirth und Haußmann nicht gerecht geworden wäre. Jm Gegen-
teil. Was auch sie bedeuten, drückt sich darin aus. Denn während es sonst
Künstlerart und =unart ist, das eigene liebe Jch vor allem recht deutlich ins
Licht zu rücken, hier feiert man diesen echteren und feineren Künstlersinn,
der über sich das Werk weiß und anerkennt, und sich so in einen höheren
Sinn einfügt, in einem stärkeren Geiste auflöst. Es ist kein Aufgeben, kein
Dienen, aber es ist eine selbstlose Dienstbarkeit, eine Objektivität, die sich zu
einer Priesterschaft von hoher Kultur und Bildung auswächst. Es bekommt
gewiß keiner hier sein Recht für sich, aber jeder hat seinen Wert im Ganzen.
Und es ist nie ein Einzelwert, der mit einem anderen in Konkurrenz tritt, es ist
alles nur ein Gesamtwert.

Das ist zu bekannt eigentlich, daß man es nicht zu wiederholen brauchte,
und ist doch immer wieder ein so starker und zur Bewunderung zwingender
Eindruck, daß man es wiederholen muß. Und erscheint es in seiner Wieder-
holung auch nicht neu, immer wirkt es groß und bedeutend. Jmmer wirkt
es als das Grundprinzip einer Kunstausübung, die darin ihr Verständnis,
ihre Würdigung, ihren Wert und ihre Berechtigung findet. Eine Berechti-
gung, die zugleich ihre Rechtfertigung wird, wenn ihre Wirkung, ihre Größe
und Schönheit, ihre Hingebung und Aufrichtigkeit desselben bedürfte. Jn
ihr liegt eine starke und bezwingende Wahrheit und Wahrhaftigkeit,
subjektiv selbst wieder, wie jede Wahrheit schließlich, aber gerade
darum so packend und überzeugend. Und darin so ganz und gar
persönlich und zeitlich gebunden, zugleich aber auch so ganz und gar persön-
lich und zeitlich befreit, wie jede große Wahrheit, die durch die Wahrhaftigkeit
und vollausschöpfende Empfindung zeitlos wird.

Und man nennt Joachim. Er stellt diese Wahrheit und Empfindung,
diesen Gesamtwert in sich dar, in seiner Art, in seiner Selbstentäußerung und
Genialität und führt ihn in allem, was ihn auszeichnet, zur höchsten Vollen-

W. Holzamer: Joachim in Paris.
[Abbildung]
Joachim in Paris.
Von Wilhelm Holzamer, Paris.

Es ist seltsam, man nennt den Namen Joachim, und man meint gar
nicht ihn allein, man meint sein Quartett. Eine Woche lang hat dieses
Quartett in Paris gespielt, die sämtlichen sechzehn Quartette von Beethoven.
Die „Philharmonische Gesellschaft von Paris“ hat das Verdienst, das möglich
gemacht zu haben. Genuß und Studium war die seltene Gelegenheit geboten,
ganz Beethoven zu erleben und eine Ganzheit von Beethoven zu erfassen.

Man nannte überall den Namen Joachim. Das bedeutet aber nicht, daß
man der Halir, Wirth und Haußmann nicht gerecht geworden wäre. Jm Gegen-
teil. Was auch sie bedeuten, drückt sich darin aus. Denn während es sonst
Künstlerart und =unart ist, das eigene liebe Jch vor allem recht deutlich ins
Licht zu rücken, hier feiert man diesen echteren und feineren Künstlersinn,
der über sich das Werk weiß und anerkennt, und sich so in einen höheren
Sinn einfügt, in einem stärkeren Geiste auflöst. Es ist kein Aufgeben, kein
Dienen, aber es ist eine selbstlose Dienstbarkeit, eine Objektivität, die sich zu
einer Priesterschaft von hoher Kultur und Bildung auswächst. Es bekommt
gewiß keiner hier sein Recht für sich, aber jeder hat seinen Wert im Ganzen.
Und es ist nie ein Einzelwert, der mit einem anderen in Konkurrenz tritt, es ist
alles nur ein Gesamtwert.

Das ist zu bekannt eigentlich, daß man es nicht zu wiederholen brauchte,
und ist doch immer wieder ein so starker und zur Bewunderung zwingender
Eindruck, daß man es wiederholen muß. Und erscheint es in seiner Wieder-
holung auch nicht neu, immer wirkt es groß und bedeutend. Jmmer wirkt
es als das Grundprinzip einer Kunstausübung, die darin ihr Verständnis,
ihre Würdigung, ihren Wert und ihre Berechtigung findet. Eine Berechti-
gung, die zugleich ihre Rechtfertigung wird, wenn ihre Wirkung, ihre Größe
und Schönheit, ihre Hingebung und Aufrichtigkeit desselben bedürfte. Jn
ihr liegt eine starke und bezwingende Wahrheit und Wahrhaftigkeit,
subjektiv selbst wieder, wie jede Wahrheit schließlich, aber gerade
darum so packend und überzeugend. Und darin so ganz und gar
persönlich und zeitlich gebunden, zugleich aber auch so ganz und gar persön-
lich und zeitlich befreit, wie jede große Wahrheit, die durch die Wahrhaftigkeit
und vollausschöpfende Empfindung zeitlos wird.

Und man nennt Joachim. Er stellt diese Wahrheit und Empfindung,
diesen Gesamtwert in sich dar, in seiner Art, in seiner Selbstentäußerung und
Genialität und führt ihn in allem, was ihn auszeichnet, zur höchsten Vollen-

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[631/0039] W. Holzamer: Joachim in Paris. [Abbildung] Joachim in Paris. Von Wilhelm Holzamer, Paris. Es ist seltsam, man nennt den Namen Joachim, und man meint gar nicht ihn allein, man meint sein Quartett. Eine Woche lang hat dieses Quartett in Paris gespielt, die sämtlichen sechzehn Quartette von Beethoven. Die „Philharmonische Gesellschaft von Paris“ hat das Verdienst, das möglich gemacht zu haben. Genuß und Studium war die seltene Gelegenheit geboten, ganz Beethoven zu erleben und eine Ganzheit von Beethoven zu erfassen. Man nannte überall den Namen Joachim. Das bedeutet aber nicht, daß man der Halir, Wirth und Haußmann nicht gerecht geworden wäre. Jm Gegen- teil. Was auch sie bedeuten, drückt sich darin aus. Denn während es sonst Künstlerart und =unart ist, das eigene liebe Jch vor allem recht deutlich ins Licht zu rücken, hier feiert man diesen echteren und feineren Künstlersinn, der über sich das Werk weiß und anerkennt, und sich so in einen höheren Sinn einfügt, in einem stärkeren Geiste auflöst. Es ist kein Aufgeben, kein Dienen, aber es ist eine selbstlose Dienstbarkeit, eine Objektivität, die sich zu einer Priesterschaft von hoher Kultur und Bildung auswächst. Es bekommt gewiß keiner hier sein Recht für sich, aber jeder hat seinen Wert im Ganzen. Und es ist nie ein Einzelwert, der mit einem anderen in Konkurrenz tritt, es ist alles nur ein Gesamtwert. Das ist zu bekannt eigentlich, daß man es nicht zu wiederholen brauchte, und ist doch immer wieder ein so starker und zur Bewunderung zwingender Eindruck, daß man es wiederholen muß. Und erscheint es in seiner Wieder- holung auch nicht neu, immer wirkt es groß und bedeutend. Jmmer wirkt es als das Grundprinzip einer Kunstausübung, die darin ihr Verständnis, ihre Würdigung, ihren Wert und ihre Berechtigung findet. Eine Berechti- gung, die zugleich ihre Rechtfertigung wird, wenn ihre Wirkung, ihre Größe und Schönheit, ihre Hingebung und Aufrichtigkeit desselben bedürfte. Jn ihr liegt eine starke und bezwingende Wahrheit und Wahrhaftigkeit, subjektiv selbst wieder, wie jede Wahrheit schließlich, aber gerade darum so packend und überzeugend. Und darin so ganz und gar persönlich und zeitlich gebunden, zugleich aber auch so ganz und gar persön- lich und zeitlich befreit, wie jede große Wahrheit, die durch die Wahrhaftigkeit und vollausschöpfende Empfindung zeitlos wird. Und man nennt Joachim. Er stellt diese Wahrheit und Empfindung, diesen Gesamtwert in sich dar, in seiner Art, in seiner Selbstentäußerung und Genialität und führt ihn in allem, was ihn auszeichnet, zur höchsten Vollen-

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 13. Berlin-Charlottenburg, 13. April 1905, S. 631. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0113_1905/39>, abgerufen am 22.11.2024.