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Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 6. Berlin-Charlottenburg, 23. Februar 1905.

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Jul. H. West: Der moderne Fabrikmensch.
Kanitz=Berg anscheinend auf vieljährige Fabriktätigkeit hinweisen, und dadurch ge-
winnen seine Ausführungen an Bedeutung. Jch gebe ihm ohne weiteres darin Recht,
daß es geisttötend sein kann, jahraus, jahrein alltäglich vieltausendmal dieselben
Handgriffe zu wiederholen. Aber es wird nur dann im allgemeinen der Fall sein,
wenn die Verhältnisse so liegen, wie Herr Kanitz=Berg sie schildert, nämlich so, daß
alles Denken des Arbeiters mit der Zeit überflüssig geworden ist; er führt sämtliche
Handgriffe infolge der Gewöhnung mechanisch aus, jedes Denken ist überflüssig ge-
worden -- die ganze Muskulatur des Körpers arbeitet automatisch. Vernimmt das
Ohr ein bestimmtes Geräusch, so führt der Arm unwillkürlich eine bestimmte
Bewegung aus.

Wo die Verhältnisse so liegen, haben wir indessen eine noch recht unvoll-
kommene Maschine vor uns. Jch habe in meinem Artikel besonders betont, daß wir
bemüht sind, unsere modernen Maschinen für Massenfabrikation so zu bauen, daß sie
uns alle monotonen Handgriffe, d. h. alle Handgriffe, die keine Aufmerksamkeit
und kein Nachdenken erfordern, abnehmen. Wo keine Aufmerksamkeit und kein
Nachdenken erforderlich ist, kann der Handgriff ebenso gut von einer Maschine aus-
geführt werden.

Dort, wo es noch nicht gelungen ist, dem Arbeiter alle monotonen Handgriffe
abzunehmen, dort haben wir noch keinen vollkommenen Fabrikbetrieb im modernen
Sinne vor uns, und ich gebe ohne weiteres zu, daß wir auf den meisten Gebieten
der Technik in dieser Hinsicht von dem Erreichbaren mehr oder weniger entfernt sind.
Wir befinden uns eben in dem Übergangsstadium vom Handwerk zum Fabrikbetrieb,
und dieser Übergang bringt, wie jeder andere, unliebsame Zustände, die indessen
mehr und mehr verschwinden, je weiter die Entwicklung vorwärts schreitet.

Jch glaube daher auch, daß meine Darlegungen, wenn man die Verhältnisse
allgemein ansieht, richtig sind. Das schließt natürlich nicht aus, daß die Ein-
wendungen des Herrn Kanitz=Berg in vielen einzelnen Fällen berechtigt sind. Wenn
ein Arbeiter Jahrzehnte hindurch dieselbe Bewegung alltäglich vieltausendmal wieder-
holen muß, so wirkt das schließlich doch ermüdend auf den Geist, genau so wie es
auf unsere Verdauungsorgane leicht störend einwirken würde, wenn wir uns längere
Zeit hindurch mit einem und demselben Nahrungsmittel ernähren sollten. Gegen
diese Eigentümlichkeit der Arbeit können wir zielbewußt ankämpfen, indem wir es
planmäßig vermeiden, den Arbeiter zeitlebens nur einen und denselben Handgriff
ausführen zu lassen, und das läßt sich ohne nennenswerten Geldverlust ohne weiteres
erreichen. Jul. H. West, Jngenieur, Berlin.



Berichtigung.

Jn meinem Aufsatz "Kriegsreden, Jagdgeschichten und Rußland" in Nr. 5 dieser Zeitschrift
ist mir ein kleines Versehen untergelaufen. Nicht beim Herzog von Ratibor, sondern beim Herzog
von Ujest hat das Jagdfrühstück stattgefunden, auf dem von hoher Stelle jene Bemerkungen über
einen drohenden Krieg mit England fielen, die in der Vorgeschichte der Lee'schen Kriegsrede eine
gewisse Rolle spielen.

    Heinrich Michalski.



Für die Redaktion verantwortlich: Heinrich Michalski, Charlottenburg.
Für den Jnseratenteil: Paul Weber; Druck von Carl Rosen, beide in Berlin.

Jul. H. West: Der moderne Fabrikmensch.
Kanitz=Berg anscheinend auf vieljährige Fabriktätigkeit hinweisen, und dadurch ge-
winnen seine Ausführungen an Bedeutung. Jch gebe ihm ohne weiteres darin Recht,
daß es geisttötend sein kann, jahraus, jahrein alltäglich vieltausendmal dieselben
Handgriffe zu wiederholen. Aber es wird nur dann im allgemeinen der Fall sein,
wenn die Verhältnisse so liegen, wie Herr Kanitz=Berg sie schildert, nämlich so, daß
alles Denken des Arbeiters mit der Zeit überflüssig geworden ist; er führt sämtliche
Handgriffe infolge der Gewöhnung mechanisch aus, jedes Denken ist überflüssig ge-
worden — die ganze Muskulatur des Körpers arbeitet automatisch. Vernimmt das
Ohr ein bestimmtes Geräusch, so führt der Arm unwillkürlich eine bestimmte
Bewegung aus.

Wo die Verhältnisse so liegen, haben wir indessen eine noch recht unvoll-
kommene Maschine vor uns. Jch habe in meinem Artikel besonders betont, daß wir
bemüht sind, unsere modernen Maschinen für Massenfabrikation so zu bauen, daß sie
uns alle monotonen Handgriffe, d. h. alle Handgriffe, die keine Aufmerksamkeit
und kein Nachdenken erfordern, abnehmen. Wo keine Aufmerksamkeit und kein
Nachdenken erforderlich ist, kann der Handgriff ebenso gut von einer Maschine aus-
geführt werden.

Dort, wo es noch nicht gelungen ist, dem Arbeiter alle monotonen Handgriffe
abzunehmen, dort haben wir noch keinen vollkommenen Fabrikbetrieb im modernen
Sinne vor uns, und ich gebe ohne weiteres zu, daß wir auf den meisten Gebieten
der Technik in dieser Hinsicht von dem Erreichbaren mehr oder weniger entfernt sind.
Wir befinden uns eben in dem Übergangsstadium vom Handwerk zum Fabrikbetrieb,
und dieser Übergang bringt, wie jeder andere, unliebsame Zustände, die indessen
mehr und mehr verschwinden, je weiter die Entwicklung vorwärts schreitet.

Jch glaube daher auch, daß meine Darlegungen, wenn man die Verhältnisse
allgemein ansieht, richtig sind. Das schließt natürlich nicht aus, daß die Ein-
wendungen des Herrn Kanitz=Berg in vielen einzelnen Fällen berechtigt sind. Wenn
ein Arbeiter Jahrzehnte hindurch dieselbe Bewegung alltäglich vieltausendmal wieder-
holen muß, so wirkt das schließlich doch ermüdend auf den Geist, genau so wie es
auf unsere Verdauungsorgane leicht störend einwirken würde, wenn wir uns längere
Zeit hindurch mit einem und demselben Nahrungsmittel ernähren sollten. Gegen
diese Eigentümlichkeit der Arbeit können wir zielbewußt ankämpfen, indem wir es
planmäßig vermeiden, den Arbeiter zeitlebens nur einen und denselben Handgriff
ausführen zu lassen, und das läßt sich ohne nennenswerten Geldverlust ohne weiteres
erreichen. Jul. H. West, Jngenieur, Berlin.



Berichtigung.

Jn meinem Aufsatz „Kriegsreden, Jagdgeschichten und Rußland“ in Nr. 5 dieser Zeitschrift
ist mir ein kleines Versehen untergelaufen. Nicht beim Herzog von Ratibor, sondern beim Herzog
von Ujest hat das Jagdfrühstück stattgefunden, auf dem von hoher Stelle jene Bemerkungen über
einen drohenden Krieg mit England fielen, die in der Vorgeschichte der Lee'schen Kriegsrede eine
gewisse Rolle spielen.

    Heinrich Michalski.



Für die Redaktion verantwortlich: Heinrich Michalski, Charlottenburg.
Für den Jnseratenteil: Paul Weber; Druck von Carl Rosen, beide in Berlin.

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[288/0048] Jul. H. West: Der moderne Fabrikmensch. Kanitz=Berg anscheinend auf vieljährige Fabriktätigkeit hinweisen, und dadurch ge- winnen seine Ausführungen an Bedeutung. Jch gebe ihm ohne weiteres darin Recht, daß es geisttötend sein kann, jahraus, jahrein alltäglich vieltausendmal dieselben Handgriffe zu wiederholen. Aber es wird nur dann im allgemeinen der Fall sein, wenn die Verhältnisse so liegen, wie Herr Kanitz=Berg sie schildert, nämlich so, daß alles Denken des Arbeiters mit der Zeit überflüssig geworden ist; er führt sämtliche Handgriffe infolge der Gewöhnung mechanisch aus, jedes Denken ist überflüssig ge- worden — die ganze Muskulatur des Körpers arbeitet automatisch. Vernimmt das Ohr ein bestimmtes Geräusch, so führt der Arm unwillkürlich eine bestimmte Bewegung aus. Wo die Verhältnisse so liegen, haben wir indessen eine noch recht unvoll- kommene Maschine vor uns. Jch habe in meinem Artikel besonders betont, daß wir bemüht sind, unsere modernen Maschinen für Massenfabrikation so zu bauen, daß sie uns alle monotonen Handgriffe, d. h. alle Handgriffe, die keine Aufmerksamkeit und kein Nachdenken erfordern, abnehmen. Wo keine Aufmerksamkeit und kein Nachdenken erforderlich ist, kann der Handgriff ebenso gut von einer Maschine aus- geführt werden. Dort, wo es noch nicht gelungen ist, dem Arbeiter alle monotonen Handgriffe abzunehmen, dort haben wir noch keinen vollkommenen Fabrikbetrieb im modernen Sinne vor uns, und ich gebe ohne weiteres zu, daß wir auf den meisten Gebieten der Technik in dieser Hinsicht von dem Erreichbaren mehr oder weniger entfernt sind. Wir befinden uns eben in dem Übergangsstadium vom Handwerk zum Fabrikbetrieb, und dieser Übergang bringt, wie jeder andere, unliebsame Zustände, die indessen mehr und mehr verschwinden, je weiter die Entwicklung vorwärts schreitet. Jch glaube daher auch, daß meine Darlegungen, wenn man die Verhältnisse allgemein ansieht, richtig sind. Das schließt natürlich nicht aus, daß die Ein- wendungen des Herrn Kanitz=Berg in vielen einzelnen Fällen berechtigt sind. Wenn ein Arbeiter Jahrzehnte hindurch dieselbe Bewegung alltäglich vieltausendmal wieder- holen muß, so wirkt das schließlich doch ermüdend auf den Geist, genau so wie es auf unsere Verdauungsorgane leicht störend einwirken würde, wenn wir uns längere Zeit hindurch mit einem und demselben Nahrungsmittel ernähren sollten. Gegen diese Eigentümlichkeit der Arbeit können wir zielbewußt ankämpfen, indem wir es planmäßig vermeiden, den Arbeiter zeitlebens nur einen und denselben Handgriff ausführen zu lassen, und das läßt sich ohne nennenswerten Geldverlust ohne weiteres erreichen. Jul. H. West, Jngenieur, Berlin. Berichtigung. Jn meinem Aufsatz „Kriegsreden, Jagdgeschichten und Rußland“ in Nr. 5 dieser Zeitschrift ist mir ein kleines Versehen untergelaufen. Nicht beim Herzog von Ratibor, sondern beim Herzog von Ujest hat das Jagdfrühstück stattgefunden, auf dem von hoher Stelle jene Bemerkungen über einen drohenden Krieg mit England fielen, die in der Vorgeschichte der Lee'schen Kriegsrede eine gewisse Rolle spielen. Heinrich Michalski. Für die Redaktion verantwortlich: Heinrich Michalski, Charlottenburg. Für den Jnseratenteil: Paul Weber; Druck von Carl Rosen, beide in Berlin.

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Zitationshilfe: Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 6. Berlin-Charlottenburg, 23. Februar 1905, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_europa0106_1905/48>, abgerufen am 24.11.2024.