Europa. Wochenschrift für Kultur und Politik. Jahrgang 1, Heft 6. Berlin-Charlottenburg, 23. Februar 1905.Prof. F. Staudinger: Sozialliberalismus und Sozialdemokratie. tung haben müsse; inzwischen hat sich aber auch die Reichsregierung zu derAnsicht bekannt, die von den Vereinigten Staaten stets vertreten wurde, daß nämlich der Vertrag von 1828 für das Deutsche Reich keine Gültigkeit habe. Es muß also auf alle Fälle eine Neuregelung unserer Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten vorgenommen werden, da der Vertrag von 1828 aus- scheiden kann und das interimistische Gegenseitigkeitsabkommen vom Jahre 1900 im März nächsten Jahres von selbst abläuft. Daß Deutschland unter solchen Voraussetzungen den Vereinigten Staaten die Meistbegünstigung nie und nimmer von neuem gewähren kann, sondern auf einem Tarif- oder doch wenigstens auf einem halbwegs annehmbaren Reciprocitätsvertrage bestehen muß, darüber werden sich alle am Gedeihen des deutschen Wirtschafts- lebens interessierten Kreise einig sein. [Abbildung]
Sozialliberalismus und Sozialdemokratie. Von Prof. F. Staudinger, Darmstadt. Wenn man der Entwicklung des mehr sozial gerichteten Liberalismus in Denn der Liberalismus dieser Richtung hatte doch zu oft betont, daß er Aber wahrlich, es ist so, es ist wirklich so -- Dr. Heinz Potthoff, der es Prof. F. Staudinger: Sozialliberalismus und Sozialdemokratie. tung haben müsse; inzwischen hat sich aber auch die Reichsregierung zu derAnsicht bekannt, die von den Vereinigten Staaten stets vertreten wurde, daß nämlich der Vertrag von 1828 für das Deutsche Reich keine Gültigkeit habe. Es muß also auf alle Fälle eine Neuregelung unserer Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten vorgenommen werden, da der Vertrag von 1828 aus- scheiden kann und das interimistische Gegenseitigkeitsabkommen vom Jahre 1900 im März nächsten Jahres von selbst abläuft. Daß Deutschland unter solchen Voraussetzungen den Vereinigten Staaten die Meistbegünstigung nie und nimmer von neuem gewähren kann, sondern auf einem Tarif- oder doch wenigstens auf einem halbwegs annehmbaren Reciprocitätsvertrage bestehen muß, darüber werden sich alle am Gedeihen des deutschen Wirtschafts- lebens interessierten Kreise einig sein. [Abbildung]
Sozialliberalismus und Sozialdemokratie. Von Prof. F. Staudinger, Darmstadt. Wenn man der Entwicklung des mehr sozial gerichteten Liberalismus in Denn der Liberalismus dieser Richtung hatte doch zu oft betont, daß er Aber wahrlich, es ist so, es ist wirklich so — Dr. Heinz Potthoff, der es <TEI> <text> <body> <div type="jFinancialNews" n="1"> <div type="jArticle" n="2"> <p><pb facs="#f0014" n="254"/><fw type="header" place="top">Prof. F. Staudinger: Sozialliberalismus und Sozialdemokratie.</fw><lb/> tung haben müsse; inzwischen hat sich aber auch die Reichsregierung zu der<lb/> Ansicht bekannt, die von den Vereinigten Staaten stets vertreten wurde, daß<lb/> nämlich der Vertrag von 1828 für das Deutsche Reich keine Gültigkeit habe.<lb/> Es muß also auf alle Fälle eine Neuregelung unserer Handelsbeziehungen zu<lb/> den Vereinigten Staaten vorgenommen werden, da der Vertrag von 1828 aus-<lb/> scheiden kann und das interimistische Gegenseitigkeitsabkommen vom Jahre<lb/> 1900 im März nächsten Jahres von selbst abläuft. Daß Deutschland unter<lb/> solchen Voraussetzungen den Vereinigten Staaten die Meistbegünstigung nie<lb/> und nimmer von neuem gewähren kann, sondern auf einem Tarif-<lb/> oder doch wenigstens auf einem halbwegs annehmbaren Reciprocitätsvertrage<lb/> bestehen muß, darüber werden sich alle am Gedeihen des deutschen Wirtschafts-<lb/> lebens interessierten Kreise einig sein.</p> </div> </div><lb/> <figure/><lb/> <div type="jArticle" n="1"> <head> <hi rendition="#fr">Sozialliberalismus und Sozialdemokratie.</hi><lb/> <bibl>Von <author>Prof. F. <hi rendition="#g">Staudinger,</hi></author> Darmstadt.</bibl> </head><lb/> <p>Wenn man der Entwicklung des mehr sozial gerichteten Liberalismus in<lb/> den letzten Jahren gefolgt ist, so mußte die neulich durch die Blätter gehende<lb/> Mitteilung, es sei in der Generalversammlung der freisinnigen Vereinigung<lb/> eine glatte Verurteilung der Grundsätze und Ziele der Sozialdemokratie aus-<lb/> gesprochen worden, mit einigem Mißtrauen in ihre Richtigkeit aufnehmen.</p><lb/> <p>Denn der Liberalismus dieser Richtung hatte doch zu oft betont, daß er<lb/> ebenfalls den Grundschaden des Kapitalismus erkenne, daß er für dessen Besei-<lb/> tigung sowohl von oben her durch Verstaatlichung und Kommunalisierung geeig-<lb/> neter Betriebe als auch von unten her durch freie Genossenschaftsbildung eintrete<lb/> und nur denjenigen Lehren der Sozialdemokratie strenger Observanz entgegen-<lb/> trete, welche den hundertsten Schritt vor dem ersten tun und, statt organischer<lb/> Entwicklung nachzustreben, nur ihr Prinzipienrößlein tummeln wollen. So<lb/> hätte man erwarten dürfen, daß eine offizielle Kundgebung einfach diesen<lb/> Sachverhalt feststellen werde. Vielleicht war dabei schärfer zu umgrenzen,<lb/> worin man sich in Einklang und worin man sich in Widerspruch mit der offiziell<lb/> sozialdemokratischen Lehre fühle. Und so kam es, daß man die Blättermeldung<lb/> von einer <hi rendition="#g">grundsätzlichen</hi> Verurteilung der „Grundsätze und Ziele“ der<lb/> Sozialdemokratie durch Dr. Schrader anzweifeln durfte.</p><lb/> <p>Aber wahrlich, es ist so, es ist wirklich so — Dr. Heinz Potthoff, der es<lb/> wissen muß, schreibt, daß Reichstagsabgeordneter Dr. Schrader unter allge-<lb/> meiner Zustimmung festgestellt habe:</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [254/0014]
Prof. F. Staudinger: Sozialliberalismus und Sozialdemokratie.
tung haben müsse; inzwischen hat sich aber auch die Reichsregierung zu der
Ansicht bekannt, die von den Vereinigten Staaten stets vertreten wurde, daß
nämlich der Vertrag von 1828 für das Deutsche Reich keine Gültigkeit habe.
Es muß also auf alle Fälle eine Neuregelung unserer Handelsbeziehungen zu
den Vereinigten Staaten vorgenommen werden, da der Vertrag von 1828 aus-
scheiden kann und das interimistische Gegenseitigkeitsabkommen vom Jahre
1900 im März nächsten Jahres von selbst abläuft. Daß Deutschland unter
solchen Voraussetzungen den Vereinigten Staaten die Meistbegünstigung nie
und nimmer von neuem gewähren kann, sondern auf einem Tarif-
oder doch wenigstens auf einem halbwegs annehmbaren Reciprocitätsvertrage
bestehen muß, darüber werden sich alle am Gedeihen des deutschen Wirtschafts-
lebens interessierten Kreise einig sein.
[Abbildung]
Sozialliberalismus und Sozialdemokratie.
Von Prof. F. Staudinger, Darmstadt.
Wenn man der Entwicklung des mehr sozial gerichteten Liberalismus in
den letzten Jahren gefolgt ist, so mußte die neulich durch die Blätter gehende
Mitteilung, es sei in der Generalversammlung der freisinnigen Vereinigung
eine glatte Verurteilung der Grundsätze und Ziele der Sozialdemokratie aus-
gesprochen worden, mit einigem Mißtrauen in ihre Richtigkeit aufnehmen.
Denn der Liberalismus dieser Richtung hatte doch zu oft betont, daß er
ebenfalls den Grundschaden des Kapitalismus erkenne, daß er für dessen Besei-
tigung sowohl von oben her durch Verstaatlichung und Kommunalisierung geeig-
neter Betriebe als auch von unten her durch freie Genossenschaftsbildung eintrete
und nur denjenigen Lehren der Sozialdemokratie strenger Observanz entgegen-
trete, welche den hundertsten Schritt vor dem ersten tun und, statt organischer
Entwicklung nachzustreben, nur ihr Prinzipienrößlein tummeln wollen. So
hätte man erwarten dürfen, daß eine offizielle Kundgebung einfach diesen
Sachverhalt feststellen werde. Vielleicht war dabei schärfer zu umgrenzen,
worin man sich in Einklang und worin man sich in Widerspruch mit der offiziell
sozialdemokratischen Lehre fühle. Und so kam es, daß man die Blättermeldung
von einer grundsätzlichen Verurteilung der „Grundsätze und Ziele“ der
Sozialdemokratie durch Dr. Schrader anzweifeln durfte.
Aber wahrlich, es ist so, es ist wirklich so — Dr. Heinz Potthoff, der es
wissen muß, schreibt, daß Reichstagsabgeordneter Dr. Schrader unter allge-
meiner Zustimmung festgestellt habe:
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung
Weitere Informationen:Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |