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[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

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alzu klugen Könige Jacob in Engeland, die Festungen Ramecken, Briel
und Vließingen aus den Händen spielte. Er that dem Printzen, welcher
die Freyheit zu unterdrücken Willens war, alles zum Verdruß, worüber
dieser auf jenen einen tödtlichen Haß warf. Er ruhete nicht eher, als biß
er den Oldenbarneveld in Verdacht und um den Kopf brachte. Er beschul-
digte ihn öffentlich: er hätte mit den Feinden verbotene Handlung
gepflogen, sich bestechen lassen, und wieder die Union zu Utrecht
als Groß-Pensionair gehandelt, weil darinnen versehen wor-
den, daß keine andere als die reformirte Religion in Holland
gedultet werden solte, und er suchte doch eine solche Religion,
welche die gefährlichsten Lehren hätte, einzuführen. Olden-
barneveld
muste demnach 1619. seinen grauen Kopf in 72. Jahr seines
Alters auf dem Schavot herunter schlagen, und sich vor einen Verrä-
ther
seines Vaterlandes erklähren lassen. Seine Anhänger musten ent-
weder zum Lande hinaus, oder in die Gefängnisse spatzieren. Unter die-
sen ward auch der berühmte Hugo Grotius, welcher aber auf eine artige
Manier aus seinem Gefängniß befreyet wurde.
Bingley.
Was war denn dieses vor eine Manier, werthester Raminio?
Raminio.
Hugo Grotius hatte durch vieles Bitten die Erlaubniß erhalten,
sich eine Anzahl Bücher in die Festung Löwenstein, wo er gefangen saß,
bringen zu lassen. Seine Frau, welche eine von den Listigen war, er-
griff diese Gelegenheit mit Freuden, und practicirte in einem langen Bü-
cher-Kasten
ein höltzern Bild in Lebensgrösse mit hinein, welchem sie
ihres Mannes Schlaf-Rock anzog, dessen Peltz-Mütze ihm auf, und
es an den Tisch in der Positur eines Schreibenden setzte. Jn den Bücher-
Kasten legte sie ihren Mann, und ließ ihn durch die Wache hinunter tragen,
da er als denn glücklich davon kam.
Bingley.
Eine Wache aber darf ja sonsten nichts von einer solchen Grösse, wie
ein Kasten ist, unbesichtiget durchpaßiren lassen, wie kömt es denn, daß
hier nicht dergleichen geschehen?
Raminio.
Das an dem Tische sitzende Bild betrog die Wächter, welche ohne-
dem an Verstand von einer Rindvieh-Sorte und nicht alzu aufmercksam
gewesen seyn mögen. Wiewohl dennoch einer einigen Verdacht blicken
lassen,
J
alzu klugen Koͤnige Jacob in Engeland, die Feſtungen Ramecken, Briel
und Vließingen aus den Haͤnden ſpielte. Er that dem Printzen, welcher
die Freyheit zu unterdruͤcken Willens war, alles zum Verdruß, woruͤber
dieſer auf jenen einen toͤdtlichen Haß warf. Er ruhete nicht eher, als biß
er den Oldenbarneveld in Verdacht und um den Kopf brachte. Er beſchul-
digte ihn oͤffentlich: er haͤtte mit den Feinden verbotene Handlung
gepflogen, ſich beſtechen laſſen, und wieder die Union zu Utrecht
als Groß-Penſionair gehandelt, weil darinnen verſehen wor-
den, daß keine andere als die reformirte Religion in Holland
gedultet werden ſolte, und er ſuchte doch eine ſolche Religion,
welche die gefaͤhrlichſten Lehren haͤtte, einzufuͤhren. Olden-
barneveld
muſte demnach 1619. ſeinen grauen Kopf in 72. Jahr ſeines
Alters auf dem Schavot herunter ſchlagen, und ſich vor einen Verraͤ-
ther
ſeines Vaterlandes erklaͤhren laſſen. Seine Anhaͤnger muſten ent-
weder zum Lande hinaus, oder in die Gefaͤngniſſe ſpatzieren. Unter die-
ſen ward auch der beruͤhmte Hugo Grotius, welcher aber auf eine artige
Manier aus ſeinem Gefaͤngniß befreyet wurde.
Bingley.
Was war denn dieſes vor eine Manier, wertheſter Raminio?
Raminio.
Hugo Grotius hatte durch vieles Bitten die Erlaubniß erhalten,
ſich eine Anzahl Buͤcher in die Feſtung Loͤwenſtein, wo er gefangen ſaß,
bringen zu laſſen. Seine Frau, welche eine von den Liſtigen war, er-
griff dieſe Gelegenheit mit Freuden, und practicirte in einem langen Buͤ-
cher-Kaſten
ein hoͤltzern Bild in Lebensgroͤſſe mit hinein, welchem ſie
ihres Mannes Schlaf-Rock anzog, deſſen Peltz-Muͤtze ihm auf, und
es an den Tiſch in der Poſitur eines Schreibenden ſetzte. Jn den Buͤcher-
Kaſten legte ſie ihren Mann, und ließ ihn durch die Wache hinunter tragen,
da er als denn gluͤcklich davon kam.
Bingley.
Eine Wache aber darf ja ſonſten nichts von einer ſolchen Groͤſſe, wie
ein Kaſten iſt, unbeſichtiget durchpaßiren laſſen, wie koͤmt es denn, daß
hier nicht dergleichen geſchehen?
Raminio.
Das an dem Tiſche ſitzende Bild betrog die Waͤchter, welche ohne-
dem an Verſtand von einer Rindvieh-Sorte und nicht alzu aufmerckſam
geweſen ſeyn moͤgen. Wiewohl dennoch einer einigen Verdacht blicken
laſſen,
J
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[65/0075] alzu klugen Koͤnige Jacob in Engeland, die Feſtungen Ramecken, Briel und Vließingen aus den Haͤnden ſpielte. Er that dem Printzen, welcher die Freyheit zu unterdruͤcken Willens war, alles zum Verdruß, woruͤber dieſer auf jenen einen toͤdtlichen Haß warf. Er ruhete nicht eher, als biß er den Oldenbarneveld in Verdacht und um den Kopf brachte. Er beſchul- digte ihn oͤffentlich: er haͤtte mit den Feinden verbotene Handlung gepflogen, ſich beſtechen laſſen, und wieder die Union zu Utrecht als Groß-Penſionair gehandelt, weil darinnen verſehen wor- den, daß keine andere als die reformirte Religion in Holland gedultet werden ſolte, und er ſuchte doch eine ſolche Religion, welche die gefaͤhrlichſten Lehren haͤtte, einzufuͤhren. Olden- barneveld muſte demnach 1619. ſeinen grauen Kopf in 72. Jahr ſeines Alters auf dem Schavot herunter ſchlagen, und ſich vor einen Verraͤ- ther ſeines Vaterlandes erklaͤhren laſſen. Seine Anhaͤnger muſten ent- weder zum Lande hinaus, oder in die Gefaͤngniſſe ſpatzieren. Unter die- ſen ward auch der beruͤhmte Hugo Grotius, welcher aber auf eine artige Manier aus ſeinem Gefaͤngniß befreyet wurde. Bingley. Was war denn dieſes vor eine Manier, wertheſter Raminio? Raminio. Hugo Grotius hatte durch vieles Bitten die Erlaubniß erhalten, ſich eine Anzahl Buͤcher in die Feſtung Loͤwenſtein, wo er gefangen ſaß, bringen zu laſſen. Seine Frau, welche eine von den Liſtigen war, er- griff dieſe Gelegenheit mit Freuden, und practicirte in einem langen Buͤ- cher-Kaſten ein hoͤltzern Bild in Lebensgroͤſſe mit hinein, welchem ſie ihres Mannes Schlaf-Rock anzog, deſſen Peltz-Muͤtze ihm auf, und es an den Tiſch in der Poſitur eines Schreibenden ſetzte. Jn den Buͤcher- Kaſten legte ſie ihren Mann, und ließ ihn durch die Wache hinunter tragen, da er als denn gluͤcklich davon kam. Bingley. Eine Wache aber darf ja ſonſten nichts von einer ſolchen Groͤſſe, wie ein Kaſten iſt, unbeſichtiget durchpaßiren laſſen, wie koͤmt es denn, daß hier nicht dergleichen geſchehen? Raminio. Das an dem Tiſche ſitzende Bild betrog die Waͤchter, welche ohne- dem an Verſtand von einer Rindvieh-Sorte und nicht alzu aufmerckſam geweſen ſeyn moͤgen. Wiewohl dennoch einer einigen Verdacht blicken laſſen, J

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/75>, abgerufen am 24.11.2024.