[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.
war sonst ein Adeliches Nonnen-Closter, und durch die Margaretha, Grä- fin von Holland, deren Tochter die berühmte Machtilde gewesen, 1267. ge- stifftet. Hierbey fragte Childron seinen Freund: Childron. Was ist denn die Ursach, daß ihr sie vor berühmt ausgebt, Mylord? Bingley. Es ist eine curieuse Historie, darzu ein starcker Glauben gehöret. Es ist einstens zu dieser Gräfin eine Bettelfrau gekommen, die zwey Kinder auf den Armen getragen, und von der Gräfin angefahren worden, daß die- se Kinder unmöglich von einem Manne, und folglich Hur-Kinder wären. Die Frau ärgerte sich darüber und wünschte der Gräfin, daß sie so viel Kin- der auf einmahl, als Tage im Jahre gebähren möchte. Dieses geschah noch in demselben Jahre 1276. und zwar an dem Freytage vor Ostern in dem 42. Jahr ihres Alters. Diese 365. Kinder wurden noch an dem Ta- ge von Otto, dem Bischof von Utrecht, oder wie andre sagen, Wilhelm, Bischoffen von Trier getauft, und die Knaben Johannes, die Mädgen aber Elisabeth genennet, starben aber noch alle denselben Tag. Jnzwi- schen kan ich mich nicht dispensiren zu sagen, daß es mir zu glauben unmög- lich vorkömmt. Childron. Warum, Mylord, solte dieses nicht möglich seyn. Hat man doch mehr Exempel, da eine Frau auf einmahl viele Kinder gebohren. Bingley. Ja, etwa drey oder vier, aber nicht 365. Jch möchte nur die Kin- dergen gesehen haben, was sie vor eine Gestalt gehabt hätten. Childron. Man weiß zwar keine Historie mehr, daß eine Frau 365. Kinder auf einmahl zur Welt gebracht hätte, aber doch weniger. Albertus Ma- gnus erzehlet, daß zu seiner Zeit eine Frau in Teutschland 150. Kinder ge- bohren. Und Johannes Picode Mirandula berichtet, daß in seinem Lande eine Frau auf 2. mahl eine Gebährerin von 21. Kindern, als das erstemahl 9. und darauf 11. gewesen wäre. Und es mangelt nicht an mehrern Exempeln, die ich euch auch zuerzehlen bereit bin, wenn es euch gefällig ist. Bingley. Jch bin euch vor diese Mühe verbunden, Mylord, aber noch nicht von der Wahrheit überzeugt, denn ohne die bekandte Regel: Exempla non pro-
war ſonſt ein Adeliches Nonnen-Cloſter, und durch die Margaretha, Graͤ- fin von Holland, deren Tochter die beruͤhmte Machtilde geweſen, 1267. ge- ſtifftet. Hierbey fragte Childron ſeinen Freund: Childron. Was iſt denn die Urſach, daß ihr ſie vor beruͤhmt ausgebt, Mylord? Bingley. Es iſt eine curieuſe Hiſtorie, darzu ein ſtarcker Glauben gehoͤret. Es iſt einſtens zu dieſer Graͤfin eine Bettelfrau gekommen, die zwey Kinder auf den Armen getragen, und von der Graͤfin angefahren worden, daß die- ſe Kinder unmoͤglich von einem Manne, und folglich Hur-Kinder waͤren. Die Frau aͤrgerte ſich daruͤber und wuͤnſchte der Graͤfin, daß ſie ſo viel Kin- der auf einmahl, als Tage im Jahre gebaͤhren moͤchte. Dieſes geſchah noch in demſelben Jahre 1276. und zwar an dem Freytage vor Oſtern in dem 42. Jahr ihres Alters. Dieſe 365. Kinder wurden noch an dem Ta- ge von Otto, dem Biſchof von Utrecht, oder wie andre ſagen, Wilhelm, Biſchoffen von Trier getauft, und die Knaben Johannes, die Maͤdgen aber Eliſabeth genennet, ſtarben aber noch alle denſelben Tag. Jnzwi- ſchen kan ich mich nicht diſpenſiren zu ſagen, daß es mir zu glauben unmoͤg- lich vorkoͤmmt. Childron. Warum, Mylord, ſolte dieſes nicht moͤglich ſeyn. Hat man doch mehr Exempel, da eine Frau auf einmahl viele Kinder gebohren. Bingley. Ja, etwa drey oder vier, aber nicht 365. Jch moͤchte nur die Kin- dergen geſehen haben, was ſie vor eine Geſtalt gehabt haͤtten. Childron. Man weiß zwar keine Hiſtorie mehr, daß eine Frau 365. Kinder auf einmahl zur Welt gebracht haͤtte, aber doch weniger. Albertus Ma- gnus erzehlet, daß zu ſeiner Zeit eine Frau in Teutſchland 150. Kinder ge- bohren. Und Johannes Picode Mirandula berichtet, daß in ſeinem Lande eine Frau auf 2. mahl eine Gebaͤhrerin von 21. Kindern, als das erſtemahl 9. und darauf 11. geweſen waͤre. Und es mangelt nicht an mehrern Exempeln, die ich euch auch zuerzehlen bereit bin, wenn es euch gefaͤllig iſt. Bingley. Jch bin euch vor dieſe Muͤhe verbunden, Mylord, aber noch nicht von der Wahrheit uͤberzeugt, denn ohne die bekandte Regel: Exempla non pro-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp> <p><pb facs="#f0060" n="50"/> war ſonſt ein Adeliches Nonnen-Cloſter, und durch die Margaretha, Graͤ-<lb/> fin von Holland, deren Tochter die beruͤhmte Machtilde geweſen, 1267. ge-<lb/> ſtifftet. Hierbey fragte Childron ſeinen Freund:</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Childron.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Was iſt denn die Urſach, daß ihr ſie vor beruͤhmt ausgebt, <hi rendition="#fr">Mylord?</hi></p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Bingley.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Es iſt eine curieuſe Hiſtorie, darzu ein ſtarcker Glauben gehoͤret.<lb/> Es iſt einſtens zu dieſer Graͤfin eine Bettelfrau gekommen, die zwey Kinder<lb/> auf den Armen getragen, und von der Graͤfin angefahren worden, daß die-<lb/> ſe Kinder unmoͤglich von einem Manne, und folglich Hur-Kinder waͤren.<lb/> Die Frau aͤrgerte ſich daruͤber und wuͤnſchte der Graͤfin, daß ſie ſo viel Kin-<lb/> der auf einmahl, als Tage im Jahre gebaͤhren moͤchte. Dieſes geſchah<lb/> noch in demſelben Jahre 1276. und zwar an dem Freytage vor Oſtern in<lb/> dem 42. Jahr ihres Alters. Dieſe 365. Kinder wurden noch an dem Ta-<lb/> ge von Otto, dem Biſchof von <hi rendition="#fr">Utrecht,</hi> oder wie andre ſagen, Wilhelm,<lb/> Biſchoffen von <hi rendition="#fr">Trier</hi> getauft, und die Knaben <hi rendition="#fr">Johannes,</hi> die Maͤdgen<lb/> aber <hi rendition="#fr">Eliſabeth</hi> genennet, ſtarben aber noch alle denſelben Tag. Jnzwi-<lb/> ſchen kan ich mich nicht diſpenſiren zu ſagen, daß es mir zu glauben unmoͤg-<lb/> lich vorkoͤmmt.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Childron.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Warum, Mylord, ſolte dieſes nicht moͤglich ſeyn. Hat man doch<lb/> mehr Exempel, da eine Frau auf einmahl viele Kinder gebohren.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Bingley.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Ja, etwa drey oder vier, aber nicht 365. Jch moͤchte nur die Kin-<lb/> dergen geſehen haben, was ſie vor eine Geſtalt gehabt haͤtten.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Childron.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Man weiß zwar keine Hiſtorie mehr, daß eine Frau 365. Kinder<lb/> auf einmahl zur Welt gebracht haͤtte, aber doch weniger. Albertus Ma-<lb/> gnus erzehlet, daß zu ſeiner Zeit eine Frau in Teutſchland 150. Kinder ge-<lb/> bohren. Und Johannes Picode Mirandula berichtet, daß in ſeinem<lb/> Lande eine Frau auf 2. mahl eine Gebaͤhrerin von 21. Kindern, als<lb/> das erſtemahl 9. und darauf 11. geweſen waͤre. Und es mangelt nicht<lb/> an mehrern Exempeln, die ich euch auch zuerzehlen bereit bin, wenn es euch<lb/> gefaͤllig iſt.</p> </sp><lb/> <sp> <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Bingley.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/> <p>Jch bin euch vor dieſe Muͤhe verbunden, Mylord, aber noch nicht von<lb/> der Wahrheit uͤberzeugt, denn ohne die bekandte Regel: <hi rendition="#aq">Exempla non</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">pro-</hi></fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [50/0060]
war ſonſt ein Adeliches Nonnen-Cloſter, und durch die Margaretha, Graͤ-
fin von Holland, deren Tochter die beruͤhmte Machtilde geweſen, 1267. ge-
ſtifftet. Hierbey fragte Childron ſeinen Freund:
Childron.
Was iſt denn die Urſach, daß ihr ſie vor beruͤhmt ausgebt, Mylord?
Bingley.
Es iſt eine curieuſe Hiſtorie, darzu ein ſtarcker Glauben gehoͤret.
Es iſt einſtens zu dieſer Graͤfin eine Bettelfrau gekommen, die zwey Kinder
auf den Armen getragen, und von der Graͤfin angefahren worden, daß die-
ſe Kinder unmoͤglich von einem Manne, und folglich Hur-Kinder waͤren.
Die Frau aͤrgerte ſich daruͤber und wuͤnſchte der Graͤfin, daß ſie ſo viel Kin-
der auf einmahl, als Tage im Jahre gebaͤhren moͤchte. Dieſes geſchah
noch in demſelben Jahre 1276. und zwar an dem Freytage vor Oſtern in
dem 42. Jahr ihres Alters. Dieſe 365. Kinder wurden noch an dem Ta-
ge von Otto, dem Biſchof von Utrecht, oder wie andre ſagen, Wilhelm,
Biſchoffen von Trier getauft, und die Knaben Johannes, die Maͤdgen
aber Eliſabeth genennet, ſtarben aber noch alle denſelben Tag. Jnzwi-
ſchen kan ich mich nicht diſpenſiren zu ſagen, daß es mir zu glauben unmoͤg-
lich vorkoͤmmt.
Childron.
Warum, Mylord, ſolte dieſes nicht moͤglich ſeyn. Hat man doch
mehr Exempel, da eine Frau auf einmahl viele Kinder gebohren.
Bingley.
Ja, etwa drey oder vier, aber nicht 365. Jch moͤchte nur die Kin-
dergen geſehen haben, was ſie vor eine Geſtalt gehabt haͤtten.
Childron.
Man weiß zwar keine Hiſtorie mehr, daß eine Frau 365. Kinder
auf einmahl zur Welt gebracht haͤtte, aber doch weniger. Albertus Ma-
gnus erzehlet, daß zu ſeiner Zeit eine Frau in Teutſchland 150. Kinder ge-
bohren. Und Johannes Picode Mirandula berichtet, daß in ſeinem
Lande eine Frau auf 2. mahl eine Gebaͤhrerin von 21. Kindern, als
das erſtemahl 9. und darauf 11. geweſen waͤre. Und es mangelt nicht
an mehrern Exempeln, die ich euch auch zuerzehlen bereit bin, wenn es euch
gefaͤllig iſt.
Bingley.
Jch bin euch vor dieſe Muͤhe verbunden, Mylord, aber noch nicht von
der Wahrheit uͤberzeugt, denn ohne die bekandte Regel: Exempla non
pro-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |