[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.
Nacht bey einer artigen Magd seinen wollüstigen Zeitvertreib zu suchen. Aus Versehen war einmahl ein aus dem Bischöflichen Lager übergelaufner Soldat, in die Cammer, wo das Rendezvous zu geschehen pflegte, gele- get worden, welcher diese artige Aufführung des vornehmsten Propheten stillschweigend mit an sahe. Früh morgends gab er einigen durch Reden zu verstehen, was der Prophete diese Nacht vor eine Wallfahrt gehalten hätte. Dieses wurde ihm alsobald hinterbracht, welcher die Beschimpfung zu vermeyden, in einer Versamlung des Volcks die vorhin mit vielen abge- redete Frage aufwarf: Ob es nicht erlaubet wäre, mehr als eine Frau zu nehmen? Dieses billigten die Wider-täuferischen Geistlichen augenblicklich, nur einer aus dem Volcke sperrte sich dawieder, und bemühte sich, das Gegentheil aus vielen Sprüchen der Heil. Schrifft darzuthun. Weil dieses aber dem Propheten nicht in Kram diente, so fällete er über die- sen armen Mann ein so streng-als schleuniges Todes-Urtheil, welches an ihm durch Abschlagung des Kopfes auf der Stelle vollzogen wurde. Nach dieser schönen Verrichtung nahm er eine andere vor, die nicht viel bes- ser war, denn alle junge Mädgen von dreyzehendten Jahre an wurden ausgesuchet, und unter die Männer ausgetheiler, wovon er zwölfe der schönsten auf seine Portion heraus nahm. Sein Ehrgeitz wuchs mit dem elenden Zustand der Stadt, welcher in Betracht der Bloquade immer grös- ser wurde, und zu einer zusammen-Verschwerung Anlaß gab, da funf- zig Miß[v]ergnügte die Thore aufhauen, und die Stadt dem Bischoff überliefern wolten, welche aber insgesamt, gehenckt, geviertheilt, gerädert, geköpft, arquebusirt, und einige lebendig von einander geschnitten wurden. Sein Ehrgeitz, sage ich, nahm immer zu, und eine tolle Ambition ver- leitete ihn, nach dem Titul eines Königs zu streben. Zu dem Ende bere- dete er einen Goldschmidt, mit Nahmen Tuscoschierer, daß er sich vor einen Propheten ausgeben, und in Gegenwart einer grossen Menge Volcks eine offenbahrung erzehlen muste, in welcher GOtt befohlen hatte, Johann Beckolden zum Könige von Sion zu krönen. Dieses geschah auch den 24. Junii 1534. wiewohl nicht ohne Widerspruch, der zwölf Richter, die dadurch ihre Aemter verlohren. Dieser neue Karten-König richtete nach seiner Erhebung auf den Sionitischen Thron einen geheimen Rath von vier Personen auf, und führte einen seiner Würde gemässen Staat. Er gab auf dem Marckte auf einem vier Stufen erhöhten Throne Audientz. N[e]ben ihm stunden 2. Jünglinge, davon der zur rechten Hand eine Bibel, in der einen, und eine güldene und mit Diamanten besetzte Crone in der andern Hand hielte. Der zur lincken trug ein Schwerdt, dessen Griff von
Nacht bey einer artigen Magd ſeinen wolluͤſtigen Zeitvertreib zu ſuchen. Aus Verſehen war einmahl ein aus dem Biſchoͤflichen Lager uͤbergelaufner Soldat, in die Cammer, wo das Rendezvous zu geſchehen pflegte, gele- get worden, welcher dieſe artige Auffuͤhrung des vornehmſten Propheten ſtillſchweigend mit an ſahe. Fruͤh morgends gab er einigen durch Reden zu verſtehen, was der Prophete dieſe Nacht vor eine Wallfahrt gehalten haͤtte. Dieſes wurde ihm alſobald hinterbracht, welcher die Beſchimpfung zu vermeyden, in einer Verſamlung des Volcks die vorhin mit vielen abge- redete Frage aufwarf: Ob es nicht erlaubet waͤre, mehr als eine Frau zu nehmen? Dieſes billigten die Wider-taͤuferiſchen Geiſtlichen augenblicklich, nur einer aus dem Volcke ſperrte ſich dawieder, und bemuͤhte ſich, das Gegentheil aus vielen Spruͤchen der Heil. Schrifft darzuthun. Weil dieſes aber dem Propheten nicht in Kram diente, ſo faͤllete er uͤber die- ſen armen Mann ein ſo ſtreng-als ſchleuniges Todes-Urtheil, welches an ihm durch Abſchlagung des Kopfes auf der Stelle vollzogen wurde. Nach dieſer ſchoͤnen Verrichtung nahm er eine andere vor, die nicht viel beſ- ſer war, denn alle junge Maͤdgen von dreyzehendten Jahre an wurden ausgeſuchet, und unter die Maͤnner ausgetheiler, wovon er zwoͤlfe der ſchoͤnſten auf ſeine Portion heraus nahm. Sein Ehrgeitz wuchs mit dem elenden Zuſtand der Stadt, welcher in Betracht der Bloquade immer groͤſ- ſer wurde, und zu einer zuſammen-Verſchwerung Anlaß gab, da funf- zig Miß[v]ergnuͤgte die Thore aufhauen, und die Stadt dem Biſchoff uͤberliefern wolten, welche aber insgeſamt, gehenckt, geviertheilt, geraͤdert, gekoͤpft, arquebuſirt, und einige lebendig von einander geſchnitten wurden. Sein Ehrgeitz, ſage ich, nahm immer zu, und eine tolle Ambition ver- leitete ihn, nach dem Titul eines Koͤnigs zu ſtreben. Zu dem Ende bere- dete er einen Goldſchmidt, mit Nahmen Tuſcoſchierer, daß er ſich vor einen Propheten ausgeben, und in Gegenwart einer groſſen Menge Volcks eine offenbahrung erzehlen muſte, in welcher GOtt befohlen hatte, Johann Beckolden zum Koͤnige von Sion zu kroͤnen. Dieſes geſchah auch den 24. Junii 1534. wiewohl nicht ohne Widerſpruch, der zwoͤlf Richter, die dadurch ihre Aemter verlohren. Dieſer neue Karten-Koͤnig richtete nach ſeiner Erhebung auf den Sionitiſchen Thron einen geheimen Rath von vier Perſonen auf, und fuͤhrte einen ſeiner Wuͤrde gemaͤſſen Staat. Er gab auf dem Marckte auf einem vier Stufen erhoͤhten Throne Audientz. N[e]ben ihm ſtunden 2. Juͤnglinge, davon der zur rechten Hand eine Bibel, in der einen, und eine guͤldene und mit Diamanten beſetzte Crone in der andern Hand hielte. Der zur lincken trug ein Schwerdt, deſſen Griff von
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Aus Verſehen war einmahl ein aus dem Biſchoͤflichen Lager uͤbergelaufner
Soldat, in die Cammer, wo das Rendezvous zu geſchehen pflegte, gele-
get worden, welcher dieſe artige Auffuͤhrung des vornehmſten Propheten
ſtillſchweigend mit an ſahe. Fruͤh morgends gab er einigen durch Reden zu
verſtehen, was der Prophete dieſe Nacht vor eine Wallfahrt gehalten
haͤtte. Dieſes wurde ihm alſobald hinterbracht, welcher die Beſchimpfung
zu vermeyden, in einer Verſamlung des Volcks die vorhin mit vielen abge-
redete Frage aufwarf: Ob es nicht erlaubet waͤre, mehr als eine
Frau zu nehmen? Dieſes billigten die Wider-taͤuferiſchen Geiſtlichen
augenblicklich, nur einer aus dem Volcke ſperrte ſich dawieder, und bemuͤhte
ſich, das Gegentheil aus vielen Spruͤchen der Heil. Schrifft darzuthun.
Weil dieſes aber dem Propheten nicht in Kram diente, ſo faͤllete er uͤber die-
ſen armen Mann ein ſo ſtreng-als ſchleuniges Todes-Urtheil, welches an
ihm durch Abſchlagung des Kopfes auf der Stelle vollzogen wurde.
Nach dieſer ſchoͤnen Verrichtung nahm er eine andere vor, die nicht viel beſ-
ſer war, denn alle junge Maͤdgen von dreyzehendten Jahre an wurden
ausgeſuchet, und unter die Maͤnner ausgetheiler, wovon er zwoͤlfe der
ſchoͤnſten auf ſeine Portion heraus nahm. Sein Ehrgeitz wuchs mit dem
elenden Zuſtand der Stadt, welcher in Betracht der Bloquade immer groͤſ-
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zig Mißvergnuͤgte die Thore aufhauen, und die Stadt dem Biſchoff
uͤberliefern wolten, welche aber insgeſamt, gehenckt, geviertheilt, geraͤdert,
gekoͤpft, arquebuſirt, und einige lebendig von einander geſchnitten wurden.
Sein Ehrgeitz, ſage ich, nahm immer zu, und eine tolle Ambition ver-
leitete ihn, nach dem Titul eines Koͤnigs zu ſtreben. Zu dem Ende bere-
dete er einen Goldſchmidt, mit Nahmen Tuſcoſchierer, daß er ſich
vor einen Propheten ausgeben, und in Gegenwart einer groſſen Menge
Volcks eine offenbahrung erzehlen muſte, in welcher GOtt befohlen hatte,
Johann Beckolden zum Koͤnige von Sion zu kroͤnen. Dieſes geſchah
auch den 24. Junii 1534. wiewohl nicht ohne Widerſpruch, der zwoͤlf
Richter, die dadurch ihre Aemter verlohren. Dieſer neue Karten-Koͤnig
richtete nach ſeiner Erhebung auf den Sionitiſchen Thron einen geheimen
Rath von vier Perſonen auf, und fuͤhrte einen ſeiner Wuͤrde gemaͤſſen Staat.
Er gab auf dem Marckte auf einem vier Stufen erhoͤhten Throne Audientz.
Neben ihm ſtunden 2. Juͤnglinge, davon der zur rechten Hand eine Bibel,
in der einen, und eine guͤldene und mit Diamanten beſetzte Crone in der
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