Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734.

Bild:
<< vorherige Seite
sterdam lieget. Sie trafen allda so viele Merckwürdigkeiten an, daß sie sich
ohnmöglich ohne sie gesehn zu haben, zu der Abreise entschliessen konten. Da
nun unserm reisenden Engelländer vorlängst bekand war, daß diese
Stadt die Erfindung der Buchdruckerey von 1440. her sich zueignet, ob
diese Ehre ihr gleich von Straßburg, Mayntz, und Germersheim in Zwei-
fel gezogen wird, so liessen sich die beyden Lords auf den Harlemmischen Rath-
hause
das Buch zeigen welches allda zuerst gedruckt worden seyn soll. Der
Band ist das schönste dran, und sein Behältniß ist ein silbernes Kästchen, in wel-
chem es in einem seidenem Tuch umwickelt liegt. Der Titel ist: Specu-
lum humanae salvationis,
Spiegel der menschlichen Erlösung.
Sie betrachteten vornehmlich als Liebhaber der Wissenschafften die
Statue des Erfinders, Lorentz Cösters, eines dasigen Bürgers, und
die über der Thür des Rathhauses mit güldenen Littern stehende Uber-
schrifft:

Vana quid Archetypos & prela Moguntia jactas?
Harlemi archetypos prelaq. nata scias.
Extulit hic monstrante Deo, Laurentius artem,
Dissimulare viru[m], dissimulare Deum est.

Wir wollen an seinem Ort gestellet, und die Untersuchung der Wahrheit
den streitigen Partheyen überlassen, sagte Mylord Bingley zu seinem Freun-
de, dieses aber kommt mir um desto bedencklicher vor, was ich noch in Engel-
land gelesen, daß nehmlich die Harlemmer dem König in Franckreich, Lud-
wig dem Heiligen
ein Mittel gezeigt, den Hafen der Stadt Damiata
zuerobern.
Childron.
Was war denn dis vor eine Erfindung, wehrtester Bingley, und dürf-
te ich mir wohl eine deutlichere Erklärung davon ausbitten?
Bingley.
Die Umstände bestehn kürtzlich hierinnen. Als gedachter König aus
dem bekandten unbedachtsamen Eyfer der damahligen Zeiten die Saracenen
mit Strumpf und Stiel auszurotten vorhatte, und zu dem Ende anno
1249. mit einer ansehnlichen Armee in Egypten einbrach, so gieng er auf die
an dem Nilo liegende feste Handels-Stadt Damiata loß, konte aber den
Hafen nicht einbekommen, welcher theils durch eine natürliche Festigkeit,
theils eine davor gezogene Arms-dicke Kette beschützet wurde. Da mach-
ten die Harlemmer auf Anleitung Florentins nachmahligen Grafens in
Holland vorne an ein Schiff eine grosse Säge an und sägten die Kette
entzwey
ſterdam lieget. Sie trafen allda ſo viele Merckwuͤrdigkeiten an, daß ſie ſich
ohnmoͤglich ohne ſie geſehn zu haben, zu der Abreiſe entſchlieſſen konten. Da
nun unſerm reiſenden Engellaͤnder vorlaͤngſt bekand war, daß dieſe
Stadt die Erfindung der Buchdruckerey von 1440. her ſich zueignet, ob
dieſe Ehre ihr gleich von Straßburg, Mayntz, und Germersheim in Zwei-
fel gezogen wird, ſo lieſſen ſich die beyden Lords auf den Harlemmiſchen Rath-
hauſe
das Buch zeigen welches allda zuerſt gedruckt worden ſeyn ſoll. Der
Band iſt das ſchoͤnſte dran, und ſein Behaͤltniß iſt ein ſilbernes Kaͤſtchen, in wel-
chem es in einem ſeidenem Tuch umwickelt liegt. Der Titel iſt: Specu-
lum humanæ ſalvationis,
Spiegel der menſchlichen Erloͤſung.
Sie betrachteten vornehmlich als Liebhaber der Wiſſenſchafften die
Statue des Erfinders, Lorentz Coͤſters, eines daſigen Buͤrgers, und
die uͤber der Thuͤr des Rathhauſes mit guͤldenen Littern ſtehende Uber-
ſchrifft:

Vana quid Archetypos & prela Moguntia jactas?
Harlemi archetypos prelaq. nata ſcias.
Extulit hic monſtrante Deo, Laurentius artem,
Diſſimulare viru[m], diſſimulare Deum eſt.

Wir wollen an ſeinem Ort geſtellet, und die Unterſuchung der Wahrheit
den ſtreitigen Partheyen uͤberlaſſen, ſagte Mylord Bingley zu ſeinem Freun-
de, dieſes aber kommt mir um deſto bedencklicher vor, was ich noch in Engel-
land geleſen, daß nehmlich die Harlemmer dem Koͤnig in Franckreich, Lud-
wig dem Heiligen
ein Mittel gezeigt, den Hafen der Stadt Damiata
zuerobern.
Childron.
Was war denn dis vor eine Erfindung, wehrteſter Bingley, und duͤrf-
te ich mir wohl eine deutlichere Erklaͤrung davon ausbitten?
Bingley.
Die Umſtaͤnde beſtehn kuͤrtzlich hierinnen. Als gedachter Koͤnig aus
dem bekandten unbedachtſamen Eyfer der damahligen Zeiten die Saracenen
mit Strumpf und Stiel auszurotten vorhatte, und zu dem Ende anno
1249. mit einer anſehnlichen Armee in Egypten einbrach, ſo gieng er auf die
an dem Nilo liegende feſte Handels-Stadt Damiata loß, konte aber den
Hafen nicht einbekommen, welcher theils durch eine natuͤrliche Feſtigkeit,
theils eine davor gezogene Arms-dicke Kette beſchuͤtzet wurde. Da mach-
ten die Harlemmer auf Anleitung Florentins nachmahligen Grafens in
Holland vorne an ein Schiff eine groſſe Saͤge an und ſaͤgten die Kette
entzwey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp>
          <p><pb facs="#f0025" n="15"/>
&#x017F;terdam lieget. Sie trafen allda &#x017F;o viele Merckwu&#x0364;rdigkeiten an, daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
ohnmo&#x0364;glich ohne &#x017F;ie ge&#x017F;ehn zu haben, zu der Abrei&#x017F;e ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en konten. Da<lb/>
nun un&#x017F;erm <hi rendition="#fr">rei&#x017F;enden Engella&#x0364;nder</hi> vorla&#x0364;ng&#x017F;t bekand war, daß die&#x017F;e<lb/>
Stadt die <hi rendition="#fr">Erfindung der Buchdruckerey</hi> von 1440. her &#x017F;ich zueignet, ob<lb/>
die&#x017F;e Ehre ihr gleich von <hi rendition="#fr">Straßburg, Mayntz,</hi> und <hi rendition="#fr">Germersheim</hi> in Zwei-<lb/>
fel gezogen wird, &#x017F;o lie&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich die beyden <hi rendition="#aq">Lords</hi> auf den Harlemmi&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Rath-<lb/>
hau&#x017F;e</hi> das <hi rendition="#fr">Buch</hi> zeigen welches allda zuer&#x017F;t gedruckt worden &#x017F;eyn &#x017F;oll. Der<lb/>
Band i&#x017F;t das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te dran, und &#x017F;ein Beha&#x0364;ltniß i&#x017F;t ein &#x017F;ilbernes Ka&#x0364;&#x017F;tchen, in wel-<lb/>
chem es in einem &#x017F;eidenem Tuch umwickelt liegt. Der Titel i&#x017F;t: <hi rendition="#aq">Specu-<lb/>
lum humanæ &#x017F;alvationis,</hi> <hi rendition="#fr">Spiegel der men&#x017F;chlichen Erlo&#x0364;&#x017F;ung.</hi><lb/>
Sie betrachteten vornehmlich als <hi rendition="#fr">Liebhaber</hi> der <hi rendition="#fr">Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafften</hi> die<lb/>
Statue des Erfinders, <hi rendition="#fr">Lorentz Co&#x0364;&#x017F;ters,</hi> eines da&#x017F;igen Bu&#x0364;rgers, und<lb/>
die u&#x0364;ber der Thu&#x0364;r des Rathhau&#x017F;es mit gu&#x0364;ldenen Littern &#x017F;tehende Uber-<lb/>
&#x017F;chrifft:</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#aq">Vana quid Archetypos &amp; prela Moguntia jactas?<lb/>
Harlemi archetypos prelaq. nata &#x017F;cias.<lb/>
Extulit hic mon&#x017F;trante Deo, Laurentius artem,<lb/>
Di&#x017F;&#x017F;imulare viru<supplied>m</supplied>, di&#x017F;&#x017F;imulare Deum e&#x017F;t.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p>Wir wollen an &#x017F;einem Ort ge&#x017F;tellet, und die Unter&#x017F;uchung der Wahrheit<lb/>
den &#x017F;treitigen Partheyen u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;agte <hi rendition="#aq">Mylord Bingley</hi> zu &#x017F;einem Freun-<lb/>
de, die&#x017F;es aber kommt mir um de&#x017F;to bedencklicher vor, was ich noch in Engel-<lb/>
land gele&#x017F;en, daß nehmlich die <hi rendition="#fr">Harlemmer</hi> dem Ko&#x0364;nig in Franckreich, <hi rendition="#fr">Lud-<lb/>
wig dem Heiligen</hi> ein Mittel gezeigt, den Hafen der Stadt <hi rendition="#fr">Damiata</hi><lb/>
zuerobern.</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Childron.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/>
          <p>Was war denn dis vor eine Erfindung, wehrte&#x017F;ter <hi rendition="#aq">Bingley,</hi> und du&#x0364;rf-<lb/>
te ich mir wohl eine deutlichere Erkla&#x0364;rung davon ausbitten?</p>
        </sp><lb/>
        <sp>
          <speaker> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#aq"> <hi rendition="#i">Bingley.</hi> </hi> </hi> </speaker><lb/>
          <p>Die Um&#x017F;ta&#x0364;nde be&#x017F;tehn ku&#x0364;rtzlich hierinnen. Als gedachter Ko&#x0364;nig aus<lb/>
dem bekandten unbedacht&#x017F;amen Eyfer der damahligen Zeiten die Saracenen<lb/>
mit Strumpf und Stiel auszurotten vorhatte, und zu dem Ende <hi rendition="#aq">anno</hi><lb/>
1249. mit einer an&#x017F;ehnlichen Armee in Egypten einbrach, &#x017F;o gieng er auf die<lb/>
an dem <hi rendition="#aq">Nilo</hi> liegende fe&#x017F;te Handels-Stadt <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Damiata</hi></hi> loß, konte aber den<lb/><hi rendition="#fr">Hafen</hi> nicht einbekommen, welcher theils durch eine natu&#x0364;rliche Fe&#x017F;tigkeit,<lb/>
theils eine davor gezogene Arms-dicke <hi rendition="#fr">Kette</hi> be&#x017F;chu&#x0364;tzet wurde. Da mach-<lb/>
ten die <hi rendition="#fr">Harlemmer</hi> auf Anleitung <hi rendition="#fr">Florentins</hi> nachmahligen Grafens in<lb/><hi rendition="#fr">Holland</hi> vorne an ein Schiff eine <hi rendition="#fr">gro&#x017F;&#x017F;e Sa&#x0364;ge an</hi> und <hi rendition="#fr">&#x017F;a&#x0364;gten</hi> die Kette<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">entzwey</fw><lb/></p>
        </sp>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0025] ſterdam lieget. Sie trafen allda ſo viele Merckwuͤrdigkeiten an, daß ſie ſich ohnmoͤglich ohne ſie geſehn zu haben, zu der Abreiſe entſchlieſſen konten. Da nun unſerm reiſenden Engellaͤnder vorlaͤngſt bekand war, daß dieſe Stadt die Erfindung der Buchdruckerey von 1440. her ſich zueignet, ob dieſe Ehre ihr gleich von Straßburg, Mayntz, und Germersheim in Zwei- fel gezogen wird, ſo lieſſen ſich die beyden Lords auf den Harlemmiſchen Rath- hauſe das Buch zeigen welches allda zuerſt gedruckt worden ſeyn ſoll. Der Band iſt das ſchoͤnſte dran, und ſein Behaͤltniß iſt ein ſilbernes Kaͤſtchen, in wel- chem es in einem ſeidenem Tuch umwickelt liegt. Der Titel iſt: Specu- lum humanæ ſalvationis, Spiegel der menſchlichen Erloͤſung. Sie betrachteten vornehmlich als Liebhaber der Wiſſenſchafften die Statue des Erfinders, Lorentz Coͤſters, eines daſigen Buͤrgers, und die uͤber der Thuͤr des Rathhauſes mit guͤldenen Littern ſtehende Uber- ſchrifft: Vana quid Archetypos & prela Moguntia jactas? Harlemi archetypos prelaq. nata ſcias. Extulit hic monſtrante Deo, Laurentius artem, Diſſimulare virum, diſſimulare Deum eſt. Wir wollen an ſeinem Ort geſtellet, und die Unterſuchung der Wahrheit den ſtreitigen Partheyen uͤberlaſſen, ſagte Mylord Bingley zu ſeinem Freun- de, dieſes aber kommt mir um deſto bedencklicher vor, was ich noch in Engel- land geleſen, daß nehmlich die Harlemmer dem Koͤnig in Franckreich, Lud- wig dem Heiligen ein Mittel gezeigt, den Hafen der Stadt Damiata zuerobern. Childron. Was war denn dis vor eine Erfindung, wehrteſter Bingley, und duͤrf- te ich mir wohl eine deutlichere Erklaͤrung davon ausbitten? Bingley. Die Umſtaͤnde beſtehn kuͤrtzlich hierinnen. Als gedachter Koͤnig aus dem bekandten unbedachtſamen Eyfer der damahligen Zeiten die Saracenen mit Strumpf und Stiel auszurotten vorhatte, und zu dem Ende anno 1249. mit einer anſehnlichen Armee in Egypten einbrach, ſo gieng er auf die an dem Nilo liegende feſte Handels-Stadt Damiata loß, konte aber den Hafen nicht einbekommen, welcher theils durch eine natuͤrliche Feſtigkeit, theils eine davor gezogene Arms-dicke Kette beſchuͤtzet wurde. Da mach- ten die Harlemmer auf Anleitung Florentins nachmahligen Grafens in Holland vorne an ein Schiff eine groſſe Saͤge an und ſaͤgten die Kette entzwey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/25
Zitationshilfe: [N. N.]: Der reisende Engelländer. Frankfurt u. a., 1734, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_engellaender_1734/25>, abgerufen am 27.11.2024.